Urteil des AG Düsseldorf vom 04.10.2010

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Amtsgericht Düsseldorf, 54 C 5252/10
Datum:
04.10.2010
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
54. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
54 C 5252/10
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche
Verhandlung am 04.10.2010
durch den Richter X
für R e c h t erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 362,89 nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 18.03.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 313a Abs. 1 ZPO)
2
Entscheidungsgründe
3
Die Klage ist überwiegend begründet.
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Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte aus dem Unfallereignis
vom 05.02.2010 in X gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG ein restlicher
Schadensersatzanspruch in Höhe von € € 362,89 zu.
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Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach als Haftpflichtversicherung des
unfallverursachenden Fahrzeuges, amtliches Kennzeichen X-XX xxxx, ihrer
Versicherungsnehmerin Frau S, ist zwischen den Parteien unstreitig.
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Die Klägerin kann von der Beklagten auf der Grundlage des Schwacke-
Mietpreisspiegels 2009 für den Postleitzahlbereich 405 Zahlung der oben genannten
restlichen Mietwagenkosten verlangen. Zwischen den Parteien ist es als unstreitig
anzusehen, dass der Postleitzahlenbereich 405 zu Grunde zu legen ist (§ 138 Abs. 3
ZPO).
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Das Fahrzeug der Geschädigten Frau D ist unstreitig der Mietwagengruppe 4 des
Schwacke-Mietpreisspiegels zuzuordnen. Die Geschädigte war daher berechtigt, für die
5 Tage bis zur Reparatur ihres durch den Unfall beschädigten Fahrzeuges ein
klassengleiches Mietfahrzeug anzumieten.
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Sie hat sich lediglich ersparte Eigenaufwendungen abziehen zu lassen (vgl. OLG
Düsseldorf, Urt. v. 03.11.1997, 1 U 104/96). Diese hat auch die Klägerin pauschal mit
5% der Nettomietwagenkosten angesetzt und bereits von dem geforderten Betrag in
Abzug gebracht.
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Gemäß § 249 Abs. 2, S. 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen
Haftpflichtversicherung den Geldbetrag als Schadensersatz verlangen, der zur
Wiederherstellung des Zustands erforderlich ist, der vor dem schädigenden
Unfallereignis bestanden hat. Hierzu gehört auch der Ersatz der objektiv erforderlichen
Mietwagenkosten.
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Objektiv erforderlich sind nur diejenigen Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich
vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für die Anmietung eines
Ersatzfahrzeuges für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist
dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den
wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei verstößt er noch nicht
allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensminderung, weil er ein Fahrzeug zu
einem gegenüber dem Normaltarif ungünstigeren Unfalltarif anmietet. Ein Unfalltarif
kann aber grundsätzlich nur dann als erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung
angesehen werden, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die
Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls mit der
Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Haftungsanteile am Unfallgeschehen
etc.) den gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf
Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst
sind.
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Inwieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter auf Grund des Vortrags des darlegungs-
und beweisbelasteten Geschädigten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei muss er
nicht die Kalkulationsgrundlagen des Autovermietungsunternehmens im Einzelnen
betriebswirtschaftlich nachvollziehen. Ausreichend ist die Prüfung, ob etwaige
Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen
erhöhten Tarif rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf
den Normaltarif in Betracht kommt (BGH, NJW 2007, 2916 ff.; BGH, NZV 2007, 179 f.;
OLG Köln, NZV 2007, 199 ff.).
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Der zu erstattende Aufwand für die Mietwagenkosten war daher gemäß § 287 ZPO wie
folgt zu schätzen:
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Ausgangspunkt für die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten ist zunächst der
Normaltarif, der den Mindestbetrag der dem Geschädigten zu ersetzenden
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Mietwagenkosten darstellt (OLG Köln, NZV 2007, 199-203; OLG Düsseldorf, NZV 2000,
366, 369).
Dieser Normaltarif kann dabei – in Ausübung des durch § 287 ZPO eingeräumten
Ermessens - auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-
Mietpreisspiegels für den jeweiligen Postleitzahlbereich ermittelt werden (BGH, NJW
2006, 1124 ff.; BGH, BB 2007, 1755 f.; OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06).
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Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 stellt – entgegen der Auffassung der Beklagten -
für diese Schadensschätzung eine geeignete Grundlage dar (BGH, Urt. v. 11.03.2008,
VI ZR 164/07; LG Krefeld, Urt. v. 13.08.2009, 3 S 41/08; LG Bielefeld, Urt. v. 09.05.2007,
21 S 68/07; LG Bonn, NZV 2007, 362-365; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.05.2007, 8 O
861/07s). Zuletzt ist die Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels erneut
höchstrichterlich durch Urteil des BGH vom 19.01.2010, VI ZR 112/09, vom 02.02.2010,
VI ZR 7/09 und vom 02.02.2010, VI ZR 139/08 bestätigt worden (so auch: OLG Köln,
NZV 2010, 144 ff. 145).
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Das Gericht hat daher keinen Anlass, statt des Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 eine
andere Schätzgrundlage, insbesondere auch die Erhebung des Fraunhofer-Instituts zu
den Mietwagenpreisen, zugrunde zu legen.
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Denn die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung
Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen
aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall
auswirken (BGH, Urt. v. 11.03.2008, VI ZR 164/07).
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Diesen Anforderungen entspricht der Beklagtenvortrag nicht. Soweit insoweit
vorgetragen wird, dass die Erhebung des Fraunhofer-Instituts allgemein aufgrund einer
besseren Methodik zu anderen Ergebnissen gelangt als der Schwacke-
Mietpreisspiegel, weshalb der Erhebung des Fraunhofer-Institutes der Vorzug zu geben,
insbesondere aber die Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 als Schätzgrundlage
ungeeignet sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
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Denn die Beklagte genügt den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH an die
Erschütterung der Schwackeliste als Schätzgrundlage nicht, soweit sie ohne Bezug zum
konkreten Einzelfall lediglich die angebliche Vorzugswürdigkeit anderer Erhebungen
behauptet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Methodik der Mietpreiserhebung für
den Schwacke-Mietpreisspiegel seit jeher Angriffen insbesondere seitens der
Versicherungswirtschaft ausgesetzt war. Dies hat den BGH – trotz Kenntnis dieser
Erhebungsmethode und der an ihr fortlaufend geübten Kritik – nicht daran gehindert,
den Schwacke-Mietpreisspiegel in seiner jeweils aktuellen Fassung grundsätzlich als
geeignete Schätzgrundlage anzusehen. Insoweit wird auf die vorstehend erwähnte
Entscheidung vom 02.02.2010 (VI ZR 139/08) Bezug genommen.
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Bei der Schätzung des Normaltarifs anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 ist
vorliegend nicht auf den Tagespreis abzustellen, sondern auf den einfachen
Dreitagespreis und den zweifachen Tagespreis. Bei einer absehbaren mehrtägigen
Mietdauer ist der Geschädigte gehalten, zur Minderung des Schadens günstige
Mehrtagespauschalen in Anspruch zu nehmen.
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Vorliegend entsprach das Fahrzeug der Geschädigten Frau D der Gruppe 4 nach dem
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Schwacke-Mietpreisspiegel. Da von ihr ein in gruppengleiches Fahrzeug angemietet
worden ist, hat sie sich – wie oben bereits ausgeführt – ersparte Eigenaufwendungen in
Höhe von 5% der Mietwagenkosten anrechnen zu lassen.
Der Bruttomietpreis für ein Fahrzeug der Gruppe 4 im Postleitzahlenbereich 405 nach
dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 beträgt – was mangels substantiierten
Bestreitens der Beklagten gem. § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen ist - für 5
Tage netto € 435,00 (= € 261 + € 87,00 + € 87,00). Unter Abzug von 5% ersparter
Eigenaufwendungen verbleibt ein Betrag von € 413,25.
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Der vorgenommene Aufschlag von pauschal 20 Prozent ist berechtigt. Auf Grund der
Besonderheiten der Unfallsituation ist vorliegend ein höherer Mietwagenpreis als der
Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d.§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich. Als
rechtfertigende Gründe sind etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der
Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Haftungsanteile am Unfallgeschehen
durch den Kunden oder den Kfz-Vermieter, Fahrzeugvorhaltung auch schlechter
ausgelasteter Fahrzeuge, Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes, erhöhte Kosten
für die Zustellung und Abholung der Fahrzeuge, an Vermittler zu zahlende Provisionen,
Beschädigungsrisiko bei Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit, erhöhtes
Unterschlagungsrisiko, Forderungsvorfinanzierung, Risiko des Forderungsausfalls nach
geänderter Bewertung der Haftungsanteile des Kunden am Unfallgeschehen, erhöhter
Verwaltungsaufwand und das Erfordernis derUmsatzsteuervorfinanzierung zu nennen.
Vorliegend hat die Klägerin auch unfallspezifische besondere Kosten vorgetragen, die
gegenüber dem "Normaltarif" liegende Mietwagenkosten des Unfallersatztarifs
rechtfertigen. Ein solcher Aufschlag unabhängig davon, in welchem Umfang im
konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch
genommen wurden, erscheint auch allein praktikabel und notwendig, um die
Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (vgl. OLG Köln, NZV 2007,
199). Das Gericht hält gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der bisherigen
Rechtsprechung des BGH und anderer Gerichte sowie der von der Klägerin mitgeteilten
Mehrkosten einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20 % für
gerechtfertigt, aber auch angemessen, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken
des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zur "normalen" Autovermietung
angemessen zu berücksichtigen.
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Zu den vorerwähnten Mietwagenkosten von € 413,25 sind 75,63 € (5 x 15,13 €) und
nicht wie die Klägerin meint 110,00 € Haftungsbefreiungskosten für 5 Tage
hinzuzurechnen. Denn nur diese Kosten sind laut der Rechnung der Klägerin an die
Zedentin vom 08.02.2010 angefallen. Insoweit hatte die Klage in Höhe von € 34,37 der
Abweisung zu unterliegen. Da das Zedentenfahrzeug vollkaskoversichert war, muss die
Frage, ob die Kosten für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung für das
angemietete Ersatzfahrzeug auch dann erstattungsfähig, wenn das unfallbeschädigte
eigene Fahrzeug nicht vollkaskoversichert war, vorliegend keiner Entscheidung
zugeführt werden.
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Schließlich sind auch die Kosten für die Zustellung und Abholung zu erstatten, da das
Fahrzeug nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin der Zedentin zum
Autohaus X, der Reparaturwerkstatt ihres verunfallten Fahrzeugs, verbracht und von dort
auch wieder abgeholt werden musst. Insoweit sind jeweils netto € 23,00, insgesamt also
€ 46,00 netto zu den Mietwagenkosten hinzuzufügen.
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Die Kosten für die Ausstattung des gemieteten Fahrzeugs mit Winterreifen kann die
Klägerin ebenfalls von der Beklagten verlangen. Denn angesichts einer Anmietung
Anfang Februar ist es einleuchtend, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet
sein musste.
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Insgesamt ergeben sich daher einschließlich der berechtigten Nebenkosten € 667,53,
die die die Klägerin aus abgetretenem Recht geltend machen kann. Abzüglich der
vorprozessual von der Beklagten gezahlten € 304,64 verbleibt ein Betrag von € 362,89.
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Die von der Beklagten vorgelegten Angebote der Firma S, A und E sind schon deshalb
für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich, weil sie andere Fahrzeuge und einen
anderen Anmietzeitraum (Juli 2010) betreffen. Zudem stellt - wie oben dargelegt - der
nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel zu schätzende Normaltarif den Mindestschaden
dar, den der Geschädigte erstattet erhalten kann. Bei Geltendmachung dieses Tarifs ist
der Geschädigte auch nicht zur Einholung anderer Angebote verpflichtet.
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Auf die Klageforderung kann die Klägerin von der Beklagten gemäß §§ 288 Abs. 1, 286
Abs. 1, 3 BGB Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 18.03.2010 verlangen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11,
713 ZPO.
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Streitwert: bis zu 600 EUR
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