Urteil des AG Düsseldorf vom 28.07.2010

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Amtsgericht Düsseldorf, 47 C 2747/10
Datum:
28.07.2010
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
47. Abteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
47 C 2747/10
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche
Verhandlung am 28.07.2010
durch die Richterin X
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 428,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2010 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 75 %, die Klägerin zu
25 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom
03.11.2009 aus abgetretenen Recht ein Anspruch auf Erstattung weitergehender
Mietwagenkosten in Höhe von 428,00 € gemäß §§ 115 VVG, 249 BGB zu.
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Streitig ist zwischen den Parteien allein die Höhe der Mietwagenkosten, namentlich die
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Höhe des örtlichen "Normaltarifs" und die Frage, ob und in welcher Höhe ein
pauschaler Zuschlag für unfallbedingte Zusatzleistungen berechtigt ist.
Der Höhe nach kann gem. § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur der erforderliche Betrag
verlangt werden. Dies ist generell der sog. Normaltarif. Etwas anderes kann gelten,
wenn der Geschädigte auf unfallbedingte Sonderleistungen angewiesen war, die einen
höheren Mietpreis als nach dem "Normaltarif" rechtfertigen.
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Das Gericht schätzt die erforderlichen Kosten nach dem "Normaltarif" vorliegend auf
515,00 €. Ferner ist ein pauschaler Aufschlag von 20% aufgrund unfallbedingter
Sonderleistungen gerechtfertigt.
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Das Gericht kann den Normaltarif gem. § 287 ZPO anhand bekannter Listen und
eigener Sachkunde schätzen. Dabei ist zu beachten, dass dem Tatsachengericht nach
der Rechtsprechung des BGH im Rahmen des § 287 ZPO ein weites Ermessen bei der
Auswahl und Bewertung seiner Schätzgrundlagen zusteht (BGH NJW 2009, 58).
Hiervon hat das Gericht Gebrauch gemacht und seiner Schätzung des Normaltarifs die
ihm bekannten und von den Parteien selbst in den Rechtsstreit eingebrachten
Erhebungen von Fraunhofer Institut und Schwacke (2008) zugrunde gelegt.
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Das Gericht hält die nach der sog. "Schwacke-Liste" ermittelten "Normaltarife" für nicht
ohne weiteres marktgerecht. Dies ist vornehmlich mit der Art und Weise der Erhebung
zu begründen, nämlich, dass nicht etwa durch fingierte Testanfragen die tatsächlichen
und konkurrenzfähigen Angebote in einer konkreten Verhandlungssituation erfragt
werden, sondern die Mietwagenunternehmen und deren Interessenverbände
ausdrücklich nach Angeboten zur Erstellung einer Vergleichsliste befragt werden, die
dem erklärten Ziel dient, einen Preisvergleich u.a. auch für das Unfallersatzgeschäft zu
ermöglichen. Dass vor diesem Hintergrund die Vermieter, losgelöst von jeglichem
Konkurrenzdruck und in aller Anonymität, sich geradezu aus wirtschaftlichen Gründen
genötigt sehen könnten, überhöhte Angebotspreise mitzuteilen, ist nicht
auszuschließen.
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Dass die in der Schwacke-Liste genannten Preise tatsächlich nicht ohne weiteres
marktgerecht sind, ergibt schon eine kurze Internet-Recherche. Gleichwohl ist die
"Schwacke-Liste" als Schätzungsgrundlage allein aufgrund ihrer breiten Akzeptanz in
der Rechtsprechung zu berücksichtigen.
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Auch die Untersuchung des Fraunhofer Instituts erscheint jedoch nicht frei von
Bedenken, wenn z.B. Anfragen mit einem Vorlauf von ca. 1 Woche getätigt wurden, oder
nicht ausreichend betreffend Zusatzkosten für Haftungsreduzierung (unterschiedlich
hohe Selbstbeteiligungen) und Freikilometer differenziert wird. Insbesondere in Fällen,
in denen eine kurzfristige Anmietung erforderlich wird, bedarf es einer kritischen
Bewertung dieser Erhebungen.
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Eine kurze eigene Internetrecherche des Gerichts zeigte ferner, dass bei den großen
Anbietern häufig über Internetmasken eine Anmietung am gleichen Tage gar nicht erst
möglich ist, bzw. Anmietungen mit entsprechendem Reservierungsvorlauf zu
günstigeren Preisen führen. Eine eigene (Kontroll-)Recherche im Internet brachte
vorliegend keine belastbaren Vergleichswerte hervor, auf die eine Schätzung weiter
hätte gestützt werden können, da sich die Leistungsdetails und Tarifmerkmale zum Teil
erheblich unterschieden, so dass eine Vergleichbarkeit nicht gewährleistet war.
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Das Gericht hält die "Schnittmenge" der sich aus den zwei o.g. genannten
Untersuchungen für ausreichend, um die Höhe des "Normaltarifs schätzen zu können.
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Unstreitig beläuft sich das gewichtete Mittel des Normaltarifs nach der Schwacke-Liste
(2008) für das PLZ-Gebiet 572 und die einschlägige Klasse 2 auf die Dreitagepausche
von 225,00 € und zweimal die Tagespauschale von 75,00 € zzgl. 50,00 € Zuschlag für
Winterreifen, 46,00 € für das Zustellen und Abholen, 60,00 € für die zweite Fahrerin und
34,00 € für Vollkaskoversicherung, insgesamt also 565,00 €.
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Die vom Fraunhofer Institut ermittelten Werte belaufen sich für das einschlägige PLZ-
Gebiet 57 auf die Dreitagepauschale von 151,25 € und zweimal die Tagespauschale
von 79,58 €. Zzgl. Winterreifenzuschlag von 50,00 €, 46,00 € für das Zustellen und
Abholen, 60,00 € für die zweite Fahrerin gem. Schwacke-Liste ergibt sich demnach ein
Normaltarif von ca. 465,00 €.
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Vor diesem Hintergrund schätzt das Gericht den erforderlichen Normaltarif für die
streitgegenständliche Mietzeit auf ca. 515,00 €. Dies entspricht dem Mittelwert der
vorgenannten Werte.
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Es erscheint vorliegend gerechtfertigt, einen Aufschlag von 20% für unfallbedingte
Zusatzleistungen anzusetzen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie den Mietzins des
Geschädigten vorfinanziert habe. Auch sei die voraussichtliche Mietzeit offen geblieben.
Es seien dem Geschädigten gegenüber keine Vorauszahlung oder Kaution erhoben
worden. Auch habe es einen erhöhten Verwaltungsaufwand gegeben. Zu mehr
Angaben ist die Klägerin insoweit nicht verpflichtet (BGH, Urteil v. 19.01.2010 – VI ZR
112/09, Rn. 7 zitiert über juris). Dies rechtfertigt den pauschalen Aufschlag von 20% auf
den Normaltarif (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2008 – 20 S 190/06, Rn. 25 zitiert
über juris).
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Insgesamt erscheint daher gem. § 287 ZPO ein Gesamtbetrag von 515,00 € + 20%,
insgesamt mithin 618,00 € erforderlich.
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Von diesem Betrag weicht der von der Klägerin verlangte Betrag ab. Es ist daher von
einem überhöhten Mietpreis auszugehen. Dafür, dass dem Geschädigten kein
günstigerer Preis zugänglich gewesen wäre bzw. der Geschädigte sich überhaupt
danach erkundigt hätte, trägt die insoweit darlegungspflichtige (vgl. BGH NJW 2009, 58)
Klägerin nichts vor.
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Zusammengefasst belaufen sich daher die erforderlichen Mietwagenkosten auf 618,00
€. Davon hat die Beklagte 190,00 € erstattet, so dass sich ein Restanspruch von 428,00
€ ergibt.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 288 Abs. 1 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711,
713 ZPO.
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Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung hat ihre Grundlage in § 511
Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO.
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Streitwert: 568,90 €
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