Urteil des AG Düsseldorf vom 18.12.2007

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Amtsgericht Düsseldorf, 230 C 7900/07
Datum:
18.12.2007
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
230 C 7900/07
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO unter
Berücksichtigung der bis zum 20.11.2007 eingegangenen Schriftsätze
durch den Richter am Amtsgericht X
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.694,03 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2007 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils vollstreckbaren Betrages.
Der Streitwert wird auf 2.694,03 € festgesetzt.
Tatbestand:
1
Über das Vermögen des Insolvenzschuldner wurde am 17.11.2006 das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Treuhänder bestellt.
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Der Insolvenzschuldner hatte bei der Beklagten mit Vertrag vom 14.04.05 (Bl. 8 d.A.) ein
Darlehen aufgenommen. Zugleich hatte er bei der X-Versicherung AG (kurz: X), einem
"Partner" der Beklagten, einen "Versicherungsvertrag für Ratenkredite" (kurz
Kreditversicherung) abgeschlossen für die Risiken Tod, Arbeitslosigkeit und
Arbeitsunfähigkeit des Insolvenzschuldners (Bl. 9 d.A.). Der Insolvenzschuldner ist im
Versicherungsvertrag als "Beitragszahler", "bezugsberechtigt", "Versicherungsnehmer"
und "versicherte Person" bezeichnet. Gem. § 5 Abs. 2 der einbezogenen AGB (Bl. 23 ff.)
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konnte der Versicherungsnehmer mit 2-Wochen-Frist zum Monatsende kündigen. Weiter
heißt es: "Im Falle der Kündigung wird der .. nicht verbrauchte Einmalbetrag
(Rückvergütung) dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben".
Der Versicherungsbeitrag i.H.v. 4.299,14 € wurde als Einmalbeitrag unmittelbar von der
Beklagten aus Mitteln des Darlehens bezahlt.
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Der Kläger informierte die Beklagte am 23.11.06 über die Insolvenzeröffnung, woraufhin
die Beklagte mit Schreiben vom 01.12.06 (Bl. 11 d.A.) das Darlehen kündigte. In diesem
Schreiben wies sie darauf hin, dass sie bei bestehenden Kreditversicherungen sich mit
dem Versicherer darauf verständigt habe, dass die Versicherung trotz Kreditkündigung
bestehen bleibe, wenn der Gemeinschuldner dem nicht binnen 2 Wochen widerspreche.
Im übrigen könne die Versicherung wie bisher unter den vereinbarten Fristen gekündigt
werden. Die Kreditversicherung kündigte der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom
09.02.07 (Bl. 13 d.A.) mit der Bitte um Überweisung des Guthabens auf sein Konto. Die
Beklagte teilte mit Schreiben vom 28.02.07 mit, "dass wir die Restschuldversicherung
wunschgemäß aufgelöst haben". Den von ihr vereinnahmten Rückkaufwert i.H.v.
2.694,03 € verrechnete sie mit der noch offenen Darlehensschuld und reduzierte ihre
diesbezügliche Forderungsanmeldung entsprechend. Nach Ermächtigung durch die
Gläubigerversammlung erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten am 11.05.07 die
Anfechtung.
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Mit der Klage begehrt der Kläger nunmehr Auskehrung des vereinnahmten
Rückkaufwertes im Wege der Insolvenzanfechtung und beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, die in § 5 Abs. 2 AGB erklärte "Leistungsbestimmung", nämlich im Falle der
Kündigung den Rückkaufwert an die Beklagte zu zahlen, sei vor der Krise und
außerhalb aller Anfechtungsfristen erfolgt. Dem Zweck der Kreditlebensversicherung
entspreche es, anders als bei einer Kapitalversicherung, dass auch im Falle der
Insolvenz der Rückkaufwert dem Darlehenskonto gutgeschrieben und der Schuldner so
von seiner Darlehensverbindlichkeit befreit wird.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nach Maßgabe des Tenors begründet.
13
I.
14
Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Zahlungsanspruch zu.
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Der Anspruch folgt aus § 667 BGB oder § 812 BGB und daneben auch aus §§ 131 Abs.
1 Nr. 1, 143 InsO.
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Der Rückkaufwert aus der Versicherung stand und steht dem Gemeinschuldner bzw. der
Insolvenzmasse zu.
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Vorliegend ist der Gemeinschuldner ausweislich der ausdrücklichen Regelung des
Versicherungsvertrages selbst Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter. Ein
Bezugsrecht der Beklagten lag hingegen nicht vor, geschweige denn ein
unwiderrufliches, welches im Zweifel nur anzunehmen ist, wenn es ausdrücklich erklärt
wurde, § 166 VVG. Eine Abtretung des Anspruchs auf die Rückvergütung liegt unstreitig
ebenfalls nicht vor, so dass ein Absonderungsrecht unstreitig nicht besteht.
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Aus der Regelung in § 5 Abs. 2 der AGB des Versicherers, wonach
Versicherungsleistung bzw. Rückkaufwert dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben
würden, ergibt sich ebenfalls kein Anspruch der Beklagten. Diese Regelung stellt
lediglich eine Zahlungsanweisung des Versicherungsnehmers an den Versicherer dar,
die der Beklagten noch weniger eine Anwartschaft gewährt, als eine widerrufliche
Bezugsberechtigung. Für eine Unwiderruflichkeit der Zahlungsanweisung geben die
Regelungen der AGB des Versicherers nicht ansatzweise etwas her.
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Mangels Unwiderruflichkeit der "Zahlungsanweisung" kann für diese nur das gleiche
gelten wie für eine widerrufliche Bezugsberechtigung.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus dem Zweck einer
Kreditlebensversicherung nichts anderes. Deren Zweck liegt allein darin, das Risiko des
Versicherungsnehmers abzusichern, aufgrund Tod, Arbeitslosigkeit- oder
Arbeitsunfähigkeit nicht mehr seiner Darlehensverpflichtung nachkommen zu können.
Eine Rückführung des Darlehens auch im Falle der Insolvenz ist aus der allein
maßgeblichen Sicht des Darlehensschuldners nicht Zweck der Kreditversicherung. Die
Kreditlebensversicherung dient hingegen nicht dazu, das Ausfallrisiko der Beklagten als
Darlehensgläubigerin abzusichern, wie sich mittelbar sogar durch den Hinweis im
Versicherungsvertrag, die Kreditentscheidung der Beklagten sei nicht vom Abschluss
und Fortbestand der Versicherung beeinflusst, noch zusätzlich ergibt. Will die Beklagte
ihr Ausfallrisiko absichern, so mag sie selbst eine Versicherung abschließen, sich die
Ansprüche aus einer Kreditversicherung des Schuldners abtreten oder ein
unwiderrufliches Bezugsrecht auch hinsichtlich des Rückkaufwertes einräumen lassen.
Mit einer schlichten Vereinbarung zwischen dem Schuldner als Versicherungsnehmer
und Bezugsberechtigten einerseits und seinem Vertragspartner, dem Versicherer,
andererseits kann sie ihr offenkundig erstrebtes Ziel einer eigenen Sicherung nicht
erreichen.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (sog. "Erlöschenstheorie") besteht schon für den
Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung aufgrund einer (nur) widerruflichen
Bezugsberechtigung kein "Aussonderungsrecht" (BGH NJW 2002, 3253), sondern fällt
der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts ohne weiteres mit
Insolvenzeröffnung in die Insolvenzmasse, wenn nicht der Insolvenzverwalter
ausdrücklich die Vertragserfüllung verlangt (BGH a.a.O. und NJW 1993, 1994). Einer
Kündigung durch den Insolvenzverwalter bedarf es in den Fällen des § 103 InsO nicht.
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Auch wenn hier im Hinblick auf die vollständige Erfüllung des Versicherungsvertrages
seitens des Gemeinschuldners ein Fall des § 103 InsO nicht vorliegen mag, führt dies
noch nicht dazu, dass die Beklagte aus der bloßen Zahlungsanweisung in den AGB des
Versicherers einen unwiderruflichen Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufwertes
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erlangt hat. Vielmehr bleibt die Zahlungsanweisung weiterhin widerruflich.
Vorliegend ist die Zahlungsanweisung noch vor Auszahlung an bzw. Vereinnahmung
durch die Beklagte erloschen bzw. widerrufen worden.
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In der Regelung des § 5 Abs. 2 der AGB des Versicherers findet sich ein Auftrag des
Gemeinschuldners an den Versicherer im Falle der Kündigung den Rückkaufwert an die
Beklagte auszuzahlen. Dieser Auftrag ist nach Auffassung des Gerichts bereits mit
Insolvenzeröffnung gem. §§ 115, 116 InsO erloschen und damit auch die Anweisung, an
die Beklagte zu zahlen.
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Darüber hinaus hat der Kläger mit seiner Kündigung zugleich um Überweisung auf sein
Ander-Konto, also nicht etwa auf das Kreditkonto bei der Beklagten gebeten. Diese
Erklärung kann bei verständiger Würdigung nicht anders als ein Widerruf der
ursprünglichen, widerruflichen Zahlungsanweisung betrachtet werden. Der Kläger
konnte zwar nicht durch Erklärung gegenüber der Beklagten den Versicherungsvertrag
kündigen. Schon im Versicherungsvertrag ist jedoch die Bevollmächtigung der
Beklagten gegenüber dem Versicherer, Erklärungen im Namen des Schuldners
abzugeben enthalten; eine entsprechende Vollmacht enthält konkludent auch das
Kündigungsschreiben des Klägers.
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Da mithin der Zahlungsauftrag des Versicherers gem. § 115 InsO erloschen, jedenfalls
aber die Anweisung durch ausdrückliche Kündigung wirksam widerrufen war, erfolgte
die Auszahlung an die Beklagte bzw. die Vereinnahmung durch diese ohne
Rechtsgrund. Aufgrund dessen kann der erlangte Rückkaufwert durch den Kläger gem.
§ 812 BGB unmittelbar bei der Beklagten kondiziert werden, denn nach Auffassung des
Gerichts muss trotz eines im Grundsatz vorliegenden Dreiecksverhältnisses im Rahmen
einer Anweisung aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte in Kenntnis des Erlöschens
bzw. Widerrufs der Zahlungsanweisung den Betrag vereinnahmt hat, und weil
erkennbar die Beklagte und der Versicherer dergestalt im gleichen Lager stehen, dass
von einem klassischen Dreiecksverhältnis mit vollständig separaten Rechts- und
Leistungsbeziehungen keine Rede sein kann, ausnahmsweise der direkte Durchgriff bei
der Beklagten zugelassen werden.
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Selbst wenn man einen Kondiktionsanspruch verneinen würde, besteht ein Anspruch
aus § 667 BGB auf Herausgabe des vereinnahmten Rückkaufwertes aus Auftragsrecht.
Denn mit der schon im Versicherungsvertrag erteilten Vollmacht, jedenfalls aber mit der
in der Kündigung enthaltenen Vollmacht und Bitte um Überweisung an den Kläger, ist
auch ein Auftragsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen, mit dem Inhalt,
Erklärungen gegenüber dem Versicherer für den Schuldner abzugeben. Aus diesem
Auftrag hat die Beklagte – so sie ihn denn überhaupt weisungsgemäß, nämlich die
Überweisung an den Kläger zu veranlassen, ausgeführt hat – den Rückkaufwert erlangt,
so dass sie gem. § 667 BGB verpflichtet ist, dass aus der Geschäftsbesorgung Erlangte
an den Kläger als Geschäftsherrn herauszugeben.
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Mit den Ansprüchen aus §§ 667, 812 BGB kann die Beklagte nicht die Aufrechnung mit
ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch erklären, denn sie ist erst nach
Insolvenzeröffnung etwas zur Masse schuldig geworden, so dass eine Aufrechnung
gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig ist.
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Daneben besteht gegen die Beklagte auch ein Anspruch aus §§ 131, 143 InsO auf
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Rückgewähr des durch anfechtbare Handlung erlangten Rückkaufwertes. Dass im
Zeitpunkt der Vereinnahmung des Rückkaufwertes die Voraussetzungen des § 131 Abs.
1 Nr. 1 InsO gegeben waren, steht außer Frage. Hinsichtlich der Rechtshandlung und
des maßgeblichen Zeitpunktes kann vorliegend nicht auf die ursprüngliche, in den AGB
des Versicherers enthaltene Zahlungsanweisung abgestellt werden. Denn diese ist, wie
gezeigt, wirksam widerrufen worden. Rechtshandlung ist daher die nach
Insolvenzeröffnung vorgenommene, weisungswidrige bzw. –lose Auszahlung an die
Beklagte bzw. Vereinnahmung durch diese.
Im Ergebnis hat mithin die Beklagte den vereinnahmten Rückkaufwert an den Kläger zu
zahlen.
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Der Zinsanspruch aufgrund Erfüllungsverweigerung mit Schreiben vom 28.02.07 seit
diesem Zeitpunkt aus §§ 286, 288 BGB.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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