Urteil des AG Düsseldorf vom 28.09.2006

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Amtsgericht Düsseldorf, 27 C 5787/06
Datum:
28.09.2006
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 C 5787/06
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 3. 08. 2006
durch den Richter am Amtsgericht X
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
es sei denn die Beklagte leistet vor der Vollstreckung selbst Sicherheit in
der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
1
Mit der Klage begehrt die Klägerin Freistellung von den Kosten, die ihr durch die
vorgerichtliche anwaltliche Vertretung in einer Kündigungsschutzangelegenheit
erwachsen sind.
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Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Privat- und Berufs-
Rechtsschutzversicherung für Nichtselbstständige gemäß § 25 ARB 2001 (Allgemeine
Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung). Die Klägerin war seit dem 1.4.2001 bei
der Firma XXX GmbH (im folgenden: Firma X) als Senor Sales & Marketing Managerin
tätig. Mit Schreiben vom 27.2.2006 kündigte die Firma X das Arbeitsverhältnis fristlos
und hilfsweise fristgemäß. Wegen der Kündigung wandte sich die Klägerin am 1.3.2006
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an ihre Prozessbevollmächtigten. Mit Schreiben vom 1.3.2006 zeigten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Firma X die Wahrnehmung der rechtlichen
Interessen der Klägerin an. Sie boten der Firma X ausdrücklich außergerichtliche
Vergleichsgespräche unter der Vorbedingung an, dass die Firma X zunächst auf die
Rechte aus der erklärten Kündigung verzichte und diese für gegenstandslos erkläre.
Ebenfalls mit Schreiben vom 1.3.2006 wandten sie sich an die Beklagte und teilten
dieser mit, dass die Klägerin sie mit der Wahrnehmung ihrer außergerichtlichen
Interessen in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit beauftragt habe. Die Beklagte
informierte die Prozessbevollmächtigten der Klägerin fernmündlich, dass sie für die
außerge-richtliche Vertretung keinen Kostenschutz übernehme und gewährte
Kostenschutz für die Kündigungsschutzklage. Diese reichten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13.3.2006 beim Amtsgericht X ein.
Mit Kostennote vom 16.3.2006 rechneten die Klägervertreter gegenüber der Beklagten
ihre außergerichtliche Tätigkeit auf der Basis eines Gegenstandswertes in Höhe des
vierteljährigen Bruttogehaltes der Klägerin, gleich 10.142,13 €, zuzüglich eines Brutto-
Monatsgehaltes, gleich 3.380,71 €, wie folgt ab:
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Wert: 13.522,84 €
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2,5 Geschäftsgebühr §§ 2, 13 RVG, Nr. 2400 VV RVG 1.415,00 €
6
Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7200 VV RVG 20,00 €
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1.435,00 €
8
16% Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 229,60 €
9
1.664,60 €
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Die Beklagte zahlte nicht. Die Klägerin beantragt nunmehr mit der Klage, sie von den
Kosten der außergerichtlichen Vertretung freizustellen.
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Die Klägerin trägt vor, sie habe ihre Prozessbevollmächtigten mit ihrer außer-
gerichtlichen Vertretung beauftragt. Sie ist der Ansicht, deren Kosten würden von ihrer
Rechtsschutzversicherung umfasst. Aus den Versicherungsbedingungen der Beklagten
ergebe sich nicht, dass der arbeitsrechtliche Versicherungsschutz auf die gerichtliche
Auseinandersetzung beschränkt sein solle. Das Verlangen der Beklagten nach
sofortigen Klageauftrag würde eine unbillige Interessensbeeinträchtigung der Klägerin
bedeuten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von
1.664,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz
seit dem 17. 04. 2006 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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Klage abzuweisen.
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Die Beklagte es Sicht, ein gesonderter Auftrag allein für die außergerichtliche Vertretung
sei nicht notwendig gewesen. Vielmehr wäre ein sofortiger Klageauftrag sachgerecht
und ausreichend gewesen. Ein sofortiger Prozessauftrag hätte die außergerichtlichen
Regelungsbemühungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keineswegs
ausgeschlossen. Die Beklagte verweist hierzu auf § 19 Abs.1 Nr. 2 RVG, nach dem
außergerichtliche Verhandlungen zum Rechtszug gehören. Sie verweist weiter auf §§
54 und 57 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetzes). Diese sehen vor, dass während des
gesamten Verfahrens eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits herbeizuführen ist. Die
außergerichtliche Vertretung habe lediglich zu einer unnötigen Kostenerhöhung geführt.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf ihre bei den Akten befindlichen
Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
19
Die Klage ist unbegründet.
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Es kann dahinstehen, ob die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten in ihrer
Arbeitsrechtsangelegenheit zunächst mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt
hat. Der Vernehmung des hierzu von der Klägerin als Zeuge angebotenen
Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt X, bedarf es nicht. Denn auch den
Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung unterstellt, hat die Klägerin keinen Anspruch
auf Freistellung von den Kosten dieser Vertretung nach § 1 Abs. 1 VVG
(Versicherungsvertragsgesetz).
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Das Gericht schließt sich der im Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28.7.2005,
Geschäftsnummer 56 C 5800 45/05, vertretenen Ansicht an. Das Urteil ist den Parteien
bekannt. Die Beklagte hat es mit der Klageerwiderung zur Akte gereicht.
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Die außergerichtliche Vertretung der Beklagten in ihrer
Kündigungsschutzangelegenheit war nicht erforderlich. Ihre Rechte konnten auch bei
sofortiger Erteilung eines Klageauftrags in gleicher Weise von ihrem
Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden, wie sie dies aufgrund der zunächst
außergerichtlichen Vertretung, den Auftrag hierzu unterstellte, getan haben. Nach § 1
ARB trägt die Beklagte nur die erforderlichen Kosten des Rechtsschutzes. Nach § 9
Abs. 1 Nr. 2 RVG gehören außergerichtliche Verhandlungen zu den von einem
Prozessauftrag umfasste Tätigkeiten. §§ 54 und 57 ArbGG sehen ein solches Vorgehen
zudem ausdrücklich vor. Nach § 57 Abs. 2 ArbGG hat der Prozessbevollmächtigte
während des gesamten Verfahrens, also auch nach Erteilung eines Klageauftrags an
der Herbeiführung einer gütlichen Erledigung des Rechtsstreits mitzuwirken. Ein
sofortiger Prozessauftrag wäre den außergerichtlichen Verhandlungen nicht im Wege
gestanden.
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Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH vom
1.10.1968 - VI ZR 159/67 - ergibt sich nichts anderes. Die zitierte Entscheidung verhält
sich zur Schadensregulierung nach einem Unfall. Die Schadensregulierung nach
Unfällen ist nicht an den engen Zeitrahmen der in Kündigungsschutzsachen geltenden
Klagefrist von drei Wochen gebunden. Gerade die von der Klägerin nicht geleugnete
statistisch betrachtet geringe Wahrscheinlichkeit einer außergerichtlichen Einigung
gebietet die sofortige Erteilung eines Prozessauftrags. Denn dieser hat die hohe
statistische Wahrscheinlichkeit der Vermeidung unnötiger Kosten für ein aussichtsloses
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Vorgehen für sich.
Die in § 17 Abs. 5 Buchstabe c/ cc) ARB (2001) niedergelegte Kostenminderungspflicht
ist vor dem Hintergrund der Realität des Vorlaufs von
Kündigungsschutzangelegenheiten zu sehen. Diese Realität gebietet es, keine Kosten
für einen unwahrscheinlichen Erfolg aufzuwenden. Etwas anderes gilt dann, wenn die
konkreten Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise einen Erfolg einer
außergerichtlichen Einigungsbemühung nahe legen. Solche Umstände sind hier nicht
dargelegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11 ZPO; die
Entscheidung zum Vollstreckungsschutz aus § 711 ZPO.
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Streitwert: 1.664,40 EUR
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