Urteil des AG Düsseldorf vom 06.01.2005

AG Düsseldorf: haftpflichtversicherung, mwst, mietvertrag, marktforschung, haftpflichtversicherer, tarif, zustellung, vollstreckung, verkehrsunfall, fahrzeug

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Amtsgericht Düsseldorf, 28 C 9029/04
06.01.2005
Amtsgericht Düsseldorf
Richterin
Urteil
28 C 9029/04
hat das Amtsgericht Düsseldorf
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2004
durch die Richterin X
für R e c h t erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 930,45 EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2004 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abwen-den, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen Ersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall. Am 29.08.2003
kam es zu einem Verkehrsunfall, welcher unstreitig zu einer 100 % igen Haftung der
Beklagten als Haftpflichtversicherung geführt hat. Die Beklagte ist die
Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug, durch welches der BMW 320i touring, der der
Preisgruppe 07 zuzuordnen ist, und dessen Halter der Kläger ist, beschädigt wurde. Der
Kläger mietete einen Audi, der der Preisgruppe 07 vom 29.08.2003 bis zum 05.09.2003 bei
der X Autovermietung an. Ihm wurden seitens der X Autovermietung der Abholpreis incl.
gef. km für 8 Tage mit 1.658,64 EUR, zzgl. der Zustellung innerhalb der Stadt mit 12,78
EUR, zzgl. MWSt unter dem 05.09.2003 in Rechnung gestellt (vgl. Bl. 87 GA). Diese
Rechnung hat der Kläger bezahlt. Dem Kläger waren seitens der X Autovermietung keine
Alternativen genannt worden. Insbesondere wurde ihm nicht die Alternative genannt, von
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der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum sog. Unfalltarif abzusehen und statt dessen zum
Normaltarif anzumieten.
Die Beklagte hat auf die Mietwagenkosten eine Zahlung in Höhe von 816,00 EUR
geleistet. Der Kläger berechnet seinen Schaden wie folgt:
Ursprungsbetrag Miete (netto) 1.658,64 EUR
abzg. ersparte Eigenkosten - 165,86 EUR
Zustellung 12,78 EUR
zzgl. MWSt 240,89 EUR
abzgl. Zahlung 816,00 EUR
Gesamtsumme 930,45 EUR
Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 02.02.2004 unter Fristsetzung bis zum
06.02.2004 zur Begleichung dieses Schadens aufgefordert.
Die Klägerin beantragt, nachdem sie den Antrag bezüglich des Zinsbeginns vom
05.09.2003 insoweit zurückgenommen hat, dass nur noch Zinsen seit dem 07.02.2004
verlangt werden,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 930,45 EUR nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 07.02.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht
verstoßen. Jedenfalls stehe dem Kläger gegen die X Autovermietung ein Anspruch auf
Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrages als Schadensersatz wegen der
unterlassenen Aufklärung der X Autovermietung hinsichtlich des bestehens eines
günstigeren Tarifes für die Anmietung von Fahrzeugen außerhalb eines Unfallgeschehens
zu. Eine Verurteilung komme nur Zug um Zug gegen Abtretung dieses Anspruchs in
Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen
weitergehenden Schadensersatzanspruch in Höhe von 930,45 EUR gem. § 7 StVG, § 823
BGB, § 3 Nr. 1 PflVG. Der Anspruch scheitert nicht an der Höhe des geltend gemachten
Tarifs.
Dem Kläger fällt kein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht zu Last. Dies wäre
zum einen dann der Fall, wenn der Kläger gewusst hätte, dass es sich um einen sog.
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Unfallersatztarif handelt und dass dieser deutlich höher als der normale Tarif ist. Dies
musste der Kläger aus der Kundeninformation (vgl. Mietvertrag, Bl. 70 GA) nicht ableiten.
Dort wurde folgender Hinweis erteilt:
"Mietwagenkosten zum Normaltarif sind grundsätzlich vor Antritt der Fahrt zuzüglich
einer Kaution mit Kreditkarte zu entrichten. Im Falle eines unverschuldeten Unfalls bieten
wir unseren Kunden alternativ die Möglichkeit über eine Sicherungs-Abtretungserklärung
die Abrechnung zum Unfalltarif direkt mit der gegenerischen Versicherung vorzunehmen.
Dann gelten folgende Bedingungen: ..."
Als Laie musste der Kläger aus dieser Kundeninformation nicht ableiten, dass der
Unfalltarif deutlich höher als der Normaltarif ist. Gegen eine deutliche Erhöhung konnte aus
Sicht eines Laien z.B. sprechen, dass die Autovermietung aufgrund der
Sicherungsabtretung nun auf jeden Fall einen solventen Schuldner hat. Dass er ggf.
annehmen konnte, dass der Unfalltarif geringfügig höher sein könnte, verpflichtete ihn vor
dem Hintergrund der ihm mit dem Unfallersatztarif gebotenen Vorteile nicht, den Normaltarif
zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom
Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu
verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte (vgl. BGH NJW 1996, 1958).
Der Kläger hat auch nicht dadurch gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen,
dass er es unterlassen hat, zumindest ein bis zwei Vergleichsangebote anderer
Autovermietungen einzuholen. Der Geschädigte hat vor der Anmietung eines
Ersatzfahrzeugs keine Art Marktforschung zu betreiben, um das preisgünstigste
Mietwagenunternehmen ausfindig zu machen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 132).
Nur dann, wenn für den Geschädigten ohne weiteres erkennbar ist, dass das von ihm
ausgewählte Unternehmen Mietwagensätze verlangt, die außerhalb des Üblichen liegen,
darf er einen Mietvertrag zu solchen Bedingungen nicht auf Kosten des Schädigers
abschließen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 132). Die Frage, wie der Rahmen des
Üblichen zu bestimmen ist, richtet sich nach den für den Unfallgeschädigten örtlich
verfügbaren Angeboten im Unfall-Ersatzwagen-Geschäft. D.h. der sachlich relevante Markt
beschränkt sich für den durchschnittlichen Unfallgeschädigten, insbesondere für eine
Privatperson, auf die Vermietung von Unfall-Ersatzfahrzeugen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-
RR 2001, 132 ff). Vorliegend hat das vom Kläger ausgewählte Unternehmen keine
Mietwagensätze verlangt, die außerhalb des Üblichen liegen. Den Kläger traf daher auch
keine Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten. Der von der X Autovermietung
angebotene Unfallersatztarif war niedriger als der für die Preisgruppe 7 in der sog.
Schwackeliste ausgewiesene Unfallersatztarif. Ausweislich der Schwackeliste beläuft sich
der Unfalltarif für ein Fahrzeug der Preisgruppe 7 für die Anmietung von 7 Tagen auf
1.470,- EUR. Vorliegend hat der Kläger für 8 Tage 1.658,64 EUR bezahlt. Umgerechnet hat
er also für 7 Tage 1.658,64 EUR : 8 x 7 = 1.451,31 EUR, d.h. weniger als 1.470,- EUR
bezahlt. Das Gericht hat keine Veranlassung vor dem Hintergrund der seitens des
Klägervertreters eingereichten Urteile des BGH vom 12.10.2004 (Az. VI ZR 151/03) und
vom 26.10.2004 (VI ZR 300/03) einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht
durch den Kläger anzunehmen. Der BGH hält an dem von ihm aufgestellten Grundsatz fest,
es sei davon auszugehen, dass der Geschädigte nicht allein deshalb gegen seine Pflicht
zur Schadensgeringhaltung verstößt, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem "Unfallersatztarif"
anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, solange dies dem Geschädigten nicht
ohne weiteres erkennbar ist. Soweit der BGH weiter ausführt, es sei zu unterscheiden
zwischen Unfallersatztarifen, die mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa
Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung
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der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.)
gerechtfertigt seien und solchen, die insoweit nicht gerechtfertigt seien, ist eine solche
Differenzierung nach Auffassung des Gerichts einem Laien jedenfalls nicht ohne weiteres
erkennbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der BGH für die Klärung dieser Frage die
Einholung eines Sachverständigengutachtens für notwendig erachtet. Eine solche
Differenzierung kann einem Laien, der - wie bereits ausgeführt - nicht zu einer Art
Marktforschung verpflichtet ist, jedenfalls dann nicht zugemutet werden, wenn der ihm
angebotene Tarif unter dem in der Schwacke-Liste ausgewiesenen Unfalltarif liegt.
Die Verurteilung der Beklagten hat nicht Zug um Zug zu erfolgen gegen Abtretung eines
Schadensersatzanspruchs des Klägers gegen die X Autovermietung wegen Verletzung
einer Aufklärungspflicht dahingehend, dass der Normaltarif wesentlich günstiger als der
Unfallersatztarif ist. Das Gericht vermag der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, dass
den Vermieter - unabhängig von einer ausdrücklichen Nachfrage des Kunden - bei der
Anmietung eines Unfallersatztarifes grundsätzlich die Pflicht treffe, den Geschädigten auf
die mögliche Inanspruchnahme des preiswerten Normaltarifs hinzuweisen. Bei dieser
Wertung stützt sich das Gericht insbesondere auf den Umstand, dass es einem
Haftpflichtversicherer untersagt ist, den Geschädigten darauf hinzuweisen, dass es bei der
Erstattung des Unfallersatzwagentarifs zu Problemen kommen könne (vgl. BGH NJW 1999,
279 ff). Stellt sich ein solcher Hinweis durch den Haftpflichtversicherer als rechtswidriger
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des
Mietwagenunternehmens dar, kann dieser nicht seinerseits verpflichtet sein, dem
Geschädigten - ohne ausdrückliche Nachfrage - einen entsprechenden Hinweis zu erteilen
(vgl. LG Düsseldorf, Urt. vom 19.09.2003, 20 S 36 / 03 S. 8). Im Übrigen bestehen
Hinweispflichten nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann, wenn der betreffende
Umstand für den Vertrgspartner erkennbar von Bedeutung ist. Dies in hinsichtlich des die
Kosten letztlich nicht tragenden Unfallgeschädigten jedoch - entgegen der Auffassung der
Beklagten - beim Unfallersatzwagentarif gerade nicht der Fall. Der Kunde geht davon aus,
dass seine Kosten durch die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners getragen werden.
Insoweit zielt die von der Beklagen geforderte Hinweispflicht letztlich darauf ab, den
Geschädigten bösgläubig zu machen. Sie soll nicht den Geschädigten, sondern die
Beklagte vor Kosten bewahren. Dies gehört indessen nicht zum Schutzzweck des
Mietwagenvertrages, der allein Pflichten und Nebenpflichten im Verhältnis der
Vertragspartner zueinander begründet. An dieser Wertung ändert sich entsprechend den
allgemeinen Grundsätzen auch durch die Abtretung des Mietwagenerstattungsanspruchs
an die Klägerin nichts.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 930,45 EUR festgesetzt.