Urteil des AG Düren vom 30.10.2002

AG Düren: versicherungsrecht, verrechnung, kündigung, rückkaufswert, lückenfüllung, auszahlung, stufenklage, nummer, avb, kapitalzahlung

Amtsgericht Düren, 45 C 214/02
Datum:
30.10.2002
Gericht:
Amtsgericht Düren
Spruchkörper:
Abteilung 45
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
45 C 214/02
Tenor:
Die Klage wird a b g e w i e s e n .
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 EURO
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische
Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse
erbracht werden.
T A T B E S T A N D :
1
Die Klägerin schloß mit der Beklagten am 20.09.1995 einen
2
Lebensversicherungsvertrag unter der Versicherungsnummer #####/####.
Versicherungsbeginn war der 1. Oktober 1995.
3
Bei Vertragsabschluß wurde auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die
Lebensversicherung mit Kapitalzahlung Bezug genommen. Unter dem 27.09.1995
wurde der Klägerin der Versicherungsschein erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten
des Versicherungsantrags vom 20.09.1995, des Versicherungsscheins vom 27.09.1995
4
sowie der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung mit
Kapitalzahlung wird auf Blatt 64 - 66, 10 - 11, 12 - 18 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin zahlte in der Zeit vom 01.10.1995 bis zum 01.10.1997 in jährlichen Raten
insgesamt einen Betrag von 8.184,30 EURO an die Beklagte.
5
Mit Schreiben vom 21.07.1998 (Blatt 98 d.A.) kündigte die
6
Klägerin den Vertrag zum 30.09.1998. In dem Schreiben bat sie
7
um Auszahlung des Rückkaufswerts. Mit Schreiben vom 24.07.1998 (Blatt 19 d.A.) teilte
die Beklagte der Klägerin den zum
8
Abrechnungstermin auszuzahlenden Betrag mit 5.720,15 EURO
9
( = 11.187,65 DM ) mit. Diesem Schreiben lag eine Erklärung bei, die die Klägerin unter
dem 06.08.1998 abgab.
10
Darin heißt es u.a.:
11
"... Ich bleibe bei meiner Kündigung zum 01.10.1998.
12
Der Versicherungsschutz endet zu diesem Termin.
13
Den Versicherungsschein habe ich beigefügt.
14
Der Auszahlungsbetrag von 11.187,65 DM ist zu zahlen an:
15
..."
16
Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Erklärung wird auf
17
Blatt 99 d.A. Bezug genommen.
18
In der Folgezeit zahlte die Beklagte an die Klägerin den Rückkaufswert in Höhe von
5.720,15 EURO aus. Dieser Rückkaufswert wurde nach dem sogenannten
"Zillmerverfahren" berechnet. Danach wurden die bei Vertragsabschluß anfallenden
Abschlußkosten mit den jährlichen Versicherungsbeiträgen der Klägerin verrechnet.
Dies führte dazu, dass die Klägerin durch die sofortige
19
Belastung ihres Beitragskontos in den ersten beiden Jahren nur einen geringen
Rückkaufswert erwirtschaftete und nach ihrer
20
Kündigung weniger als die bis dahin geleisteten Beiträge
21
erstattet bekam. Die Berechnung der Abschlußkosten wurde in
22
§ 15 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für
Versicherungsverträge und die Berechnung des Rückkaufswerts nach dem
"Zillmerverfahren" in § 6 Absatz 2 AVB vereinbart.
23
Durch zwei Entscheidungen des IV. Zivilsenats des Bundes-gerichtshofs vom
09.05.2001 (in Versicherungsrecht 2001, 839
24
bis 841) sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur
25
Ermittlung des Rückkaufswerts und zur Verrechnung der Abschlußkosten wegen ihrer
Intransparenz für unwirksam erklärt worden. Die für diesen Vertrag einschlägigen
Bestimmungen hatte das Oberlandesgericht Stuttgart mit Entscheidung vom 28.05.1999
26
(in Versicherungsrecht 1999, 832 ff.) für unwirksam erklärt.
27
Nach Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswerts führte die
28
Beklagte wegen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein Treuhänderverfahren
durch. Wegen der Einzelheiten der
29
geänderten Versicherungsbedingungen wird auf Blatt
30
104 f. d.A. Bezug genommen.
31
Mit Schreiben vom 11.12.2001 (Blatt 100 d.A.) und vom 19.12.2001 (Blatt 101 d.A.) bat
die Klägerin um eine korrigierte Abrechnung bezüglich des Rückkaufswerts. Mit
Schreiben vom 04.01.2002
32
lehnte die Beklagte ein solches Ansinnen ab und übersandte der Klägerin gleichzeitig
die geänderten Versicherungsbedingungen. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses
Schreibens wird auf Blatt 20 f. d.A. Bezug genommen.
33
Die Klägerin reagierte mit Anwaltsschreiben vom 21.02.2002 (Blatt 107 f. d.A.), zu dem
die Beklagte unter dem 28.02.2002 (Blatt 109 d.A.) Stellung nahm.
34
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr habe ein höherer Auszahlungsbetrag zugestanden, da
die Berechnung des Rückkaufswerts nicht nach dem "Zillmerverfahren" hätte erfolgen
dürfen. Zudem sei
35
eine nachträgliche Änderung der Versicherungsbedingungen eines bereits
abgewickelten Vertrags unzulässig.
36
Die Klägerin beantragt,
37
die Beklagte zu v e r u r t e i l e n ,
38
ihr Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts,
39
wie er sich ohne Berücksichtigung der Verrechnung
40
der Abschlußkosten für den Versicherungsvertrag
41
mit der Nummer #####/#### zum 30.09.1998 ergeben
42
hätte, zu erteilen.
43
Die Beklagte beantragt,
44
die Klage a b z u w e i s e n .
45
Sie ist der Ansicht, mit der Erklärung vom 06.08.1998 habe die Klägerin den
Auszahlungsbetrag von 5.720,15 EURO ( = 11.187,65 DM ) akzeptiert und auf einen
darüber hinausgehenden Betrag
46
verzichtet. Im übrigen ist sie der Ansicht, dass die Wirkung
47
der Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen im
48
Treuhänderverfahren auch für gekündigte Verträge gelte.
49
Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf das Schreiben des BAV
50
vom 10.10.2001 (Blatt 110 - 112 d.A.).
51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
52
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
53
Die Stufenklage ist nicht begründet.
54
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunftserteilung über die
Höhe des Rückkaufswerts ihrer Lebensversicherung ohne die Verrechnung der
Abschlußkosten nach dem "Zillmerverfahren" gemäß § 242 BGB zu.
55
Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus dem Versicherungsvertragsgesetz noch aus
dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung.
56
Denn gegen die Verrechnung der Abschlußkosten und die Berechnung des
Rückkaufswerts nach dem sogenannten "Zillmerverfahren" sind Einwände nicht zu
erheben. Zwar sind die in dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag enthaltenen
Versicherungsbedingungen zwischenzeitlich für unwirksam erklärt worden. Doch sind
sie nachträglich durch das sogenannte Treuhänderverfahren wirksam ersetzt worden. Im
Rahmen des Treuhänderverfahrens gemäß § 172 Absatz 2 VVG ist der unwirksame §
15 AVB durch eine neue Allgemeine Versicherungsbedingung zur Verrechnung der
Abschlußkosten mit den Beiträgen des Versicherungsnehmers ersetzt
57
worden. § 172 Absatz 2 VVG enthält eine Befugnis zum Ersetzen unwirksamer
Versicherungsbedingungen. Der Zweck dieser Norm
58
ist es, schnellstens einen Zustand zu beenden, nach dem tausende oder gar
hunderttausende von Lebensversicherungsverträgen
59
lückenhaft und damit unklar sind und mit einiger Wahrschein-lichkeit streitig werden; die
im Treuhänderverfahren gefundene Lückenfüllung wird einheitlich in alle betroffenen
Verträge eingeführt (zu allem Professor Dr. M, Versicherungsrecht 2001, 1146, 1147).
60
Diese neue Allgemeine Versicherungsbedingung enthält inhaltlich die gleiche
Regelung, die ursprünglich im streitgegenständlichen Versicherungsvertrag vereinbart
worden war. Danach werden die ersten Beiträge zur Tilgung der Abschlußkosten
herangezogen (sogenanntes "Zillmerverfahren"). Mit der neuen Klausel sind die
Vorbehalte der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung wegen der Intransparenz
der ursprünglich vereinbarten Klausel ausgeräumt, gegen das Treuhänderverfahren zur
Lückenfüllung sind Einwände nicht gerechtfertigt (vgl. eingehend OLG Stuttgart,
Versicherungsrecht 2001, 1141 ff.). Die ursprünglich verein-barte, unwirksame Klausel
ist folglich durch eine inhalts-gleiche, wirksame neue Klausel ersetzt worden, die gemäß
§ 172 Absatz 2 VVG auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses der
61
Parteien zurückwirkt (so auch OLG Stuttgart Versicherungsrecht 2201, 1141 ff.).
62
Dem steht nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht
63
entgegen, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Treuhänderverfahrens der
streitgegenständliche Versicherungsvertrag
64
bereits abgewickelt worden war. § 172 Absatz 2 VVG setzt nicht voraus, dass der
Lebensversicherungsvertrag, dessen Versicherungsbedingungen eine unwirksame
Bestimmung enthalten, noch nicht abgewickelt worden ist. Das Gegenteil ist der Fall:
Auch der bereits abgewickelte Versicherungsvertrag wird durch eine unwirksame
Versicherungsbedingung lückenhaft und gegebenenfalls rückabwicklungsbedürftig.
Dies veranschaulicht der vorliegende Fall eindrucksvoll. Auch ein solcher Vertrag
bedarf einer
65
Anpassung, die die Dignität des Treuhänderverfahrens besitzt. Auch dies
veranschaulicht der vorliegende Fall. Mangels wirk-samer Klausel zur Berechnung der
Abschlußkosten bedarf es vorliegend einer ergänzenden Vertragsauslegung. Der
gegenteilige Standpunkt der Klägerin ist rechtsirrig. Angesichts des Umstandes, dass
nicht der Inhalt der Klausel beanstandet,
66
sondern lediglich ihre Intransparenz festgestellt wurde, können der Beklagten nicht die
Abschlußkosten "auferlegt" werden. Wenn es aber einer die Lücke füllenden, neuen
Klausel zur Verteilung der Abschlußkosten bedarf, dann ist das sogenannte
Treuhänderverfahren dasjenige, das die Interessen der Versicherungsnehmer am
besten berücksichtigt.
67
Da die Auskunftsklage - wie bereits dargelegt - unbegründet ist, weil die Klägerin nicht
berechtigt ist, von der Beklagten die begehrte Leistung zu verlangen, ist die gesamte
Stufenklage als unbegründet abzuweisen.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.
69
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nummer 11, 711
Satz 1, 108 Absatz 1 ZPO.
70
S t r e i t w e r t :
71
für den Antrag zu 1.): 750,00 EURO
72
für den Antrag zu 2.): 3.000,00 EURO
73
i n s g e s a m t :
3.750,00 EURO
74
XY
75