Urteil des AG Düren vom 08.11.2000

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Amtsgericht Düren, 45 C 341/00
Datum:
08.11.2000
Gericht:
Amtsgericht Düren
Spruchkörper:
Abteilung 45
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
45 C 341/00
Rechtskraft:
19.06.2009
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger
681,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. 07. 2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 67 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner zu 33 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Urteil ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz seiner materiellen
Schäden in Höhe von 681,50 DM gemäß den Vorschriften des § 7 Abs. 1 StVG, § 823
Abs. 1 BGB, § 3 Ziffer 1, Ziffer 2 Pflichtversicherungsgesetz zu. Die Beklagten haften
dem Kläger auf 3/4 des ihm durch den Unfall vom 20.01.200 entstandenen Schadens.
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Die Beklagten haften gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Ziffer 1, Ziffer 2
Pflichtversicherungsgesetz, weil das Fahrzeug des Klägers bei dem Betrieb des von der
Beklagten zu 1) geführten Fahrzeugs beschädigt worden ist.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass die Beklagte zu 1) gegen den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme
gemäß § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat. Der Verkehrsunfall vom 20.01.2000 fand auf
einer öffentlichen Verkehrsfläche statt, denn der Kundenparkplatz der Firma B war für
jeden Verkehrsteilnehmer frei zugänglich. Demnach sind die Vorschriften der StVO auf
den Schadensfall unmittelbar anzuwenden (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 670 m. w.
N.). Aus der Anwendbarkeit der StVO ergibt sich jedoch nicht automatisch die
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Anwendbarkeit sämtlicher Vorschriften; vielmehr ist bei jeder an sich in Betracht
kommenden Norm zu untersuchen, ob der konkrete Sachverhalt in den
Regelungsbereich der betreffenden Vorschrift fällt (vgl. AG Köln VersR 1977, 1062). Im
vorliegenden Fall bestimmen sich die beiderseitigen Sorgfaltsanforderungen letztlich
nach § 1 Abs. 2 StVO und nicht nach § 9 Abs. 5 StVO. Die Zwischenwege auf dem B-
Platz sind nämlich nicht als Straße oder Fahrbahn im Sinne der Vorschriften gemäß § 9
Abs. 5 StVO anzusehen. Sie dienen nicht, wie eine Straße oder eine Fahrbahn, dem
fließenden Verkehr. Denn es ist nicht zu verkennen, dass ein Parkplatz in erster Linie
eine dem ruhenden Verkehr dienende Einrichtung ist und dass der Verkehr auf den
markierten Fahrspuren in seinem Tempo durch den Park- und Ladebetrieb so erheblich
bestimmt ist, dass dieser einer allzu zügigen Fahrweise entgegensteht, und dass
schließlich die Aufmerksamkeit von Fahrern, die eine Parklücke suchen oder die damit
beschäftigt sind, auf engem Raum ein- und auszuparken, regelmäßig nicht unerheblich
abgelenkt ist (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 670). Im Hinblick auf diese
Besonderheiten des Verkehrs auf einem öffentlichen Parkplatz, die sich aus dessen
Natur und Zweckbestimmung ergeben, ist die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO nicht direkt
anzuwenden; das Verhalten der Unfallbeteiligten ist daher lediglich unter dem
Gesichtspunkt des § 1 StVO zu beurteilen, wobei allerdings für das Maß der von ihnen
zu beachtenden Sorgfalt die in § 9 Abs. 5 StVO enthaltenen Rechtsgedanken
heranzuziehen sind (vgl. OLG Oldenburg VersR 1983, 1043, 1044).
Die Beklagte zu 1) hat vorliegend beim Zurücksetzen ihres Fahrzeuges aus der
Parkbucht gegen die Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Die Zeugin y hat in
glaubhafter Weise bekundet, dass die Beklagte zu 1) beim Zurücksetzen gegen das
bereits von ihr ausgeparkte Fahrzeug des Klägers geraten sei. Zum Zeitpunkt der
Kollision habe sie das Fahrzeug des Klägers bereits vollständig aus der Parklücke
zurückgesetzt und sei im Begriff gewesen, ihre Fahrt vorwärtsfahrend fortzusetzen. Das
Gericht hat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin y zu zweifeln.
Denn die Zeugin hat sich nicht auf eine bloße Beantwortung der Beweisfrage
beschränkt, sondern den Hergang des Unfalls in allen Einzelheiten geschildert. Dabei
hat die Zeugin y auch Unsicherheiten sowie für sie belastende Umstände eingeräumt.
Der Beweiswert der Aussage der Zeugin y wird nicht durch die Angaben der Beklagten
zu 1) im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung geschmälert. Denn die Beklagte zu 1)
wusste lediglich, dass sie seinerzeit ihr Fahrzeug auf dem B-Platz geparkt hatte und aus
einer Parkbucht rückwärts herausgefahren ist. Ob es zu einer Kollision der
unfallbeteiligten Fahrzeuge gekommen ist und, wenn ja, wie sich der Unfall ereignet hat,
wusste die Beklagte zu 1) nicht. Insbesondere hat die Beklagte zu 1) die Zeugin y mit
dem Fahrzeug des Klägers zuvor nicht wahrgenommen. Insoweit konnte die Beklagte
zu 1) keine Angaben darüber machen, aus welcher Richtung die Zeugin y kam.
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Da der Verkehrsunfall für die Zeugin y jedoch nicht unabwendbar im Sinne des § 7 Abs.
2 StVG war, haftet auch der Kläger gemäß § 7 Abs. 1 StVG für die Folgen. Im
vorliegenden Fall ist keineswegs auszuschließen, dass selbst ein durchschnittlich
sorgfältiger Autofahrer in der Lage der Zeugin y es so rechtzeitig erkannt hätte, dass die
Beklagte zu 1) aus der Parkbucht ausparken wollte, so dass sich der Unfall hätte
vermeiden lassen.
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Die nach § 17 Abs. 1 StVG, § 254 BGB vorzunehmende Abwägung führt hier dazu, dass
die Beklagte zu 1) ein weit höherer Haftungsanteil trifft als die Zeugin y. Die Beklagte zu
1) hatte – wie ausgeführt – zumindest den tatsächlichen Vorrang der Zeugin y auf der
Fahrspur zu beachten, sie traf die größere Sorgfaltspflicht. Demgegenüber war auf
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Seiten der Zeugin y lediglich der geringe Sorgfaltsverstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu
berücksichtigen, der in diesem Fall nach den konkreten Umständen mit 1/4 anzusetzen
war.
Unstreitig belaufen sich die Wiederbeschaffungskosten für das beschädigte Fahrzeug
des Klägers auf 2.300,00 DM. Die gemäß § 249 Satz 2 BGB erstattungsfähigen Kosten
der Wiederbeschaffung entsprechen der Differenz zwischen dem vom Gutachter
ermittelten Wiederbeschaffungswert und dem Restwert (vgl. BGH NJW 1992, 903;
Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Auflage, § 251 Randnummer 16).
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Dass die von dem Kläger vorgetragenen Beschädigungen durch die Beklagte zu 1)
verursacht worden sind, steht gleichfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur
Überzeugung des Gerichts fest. Dies hat die Zeugin y in glaubhafter Weise bestätigt. Da
die Beklagte zu 1) keinerlei Erinnerung an den Hergang des Unfalls hatte, wird der
Beweiswert der Aussage der Zeugin y auch nicht geschmälert. Das insoweit von den
Beklagten beantragte Sachverständigengutachten war nicht einzuholen, da es bereits
an einem substantiierten Vortrag der Beklagten sowie an den erforderlichen objektiven
Anknüpfungspunkten fehlt.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten in Bezug auf die An- und Abmeldekosten
lediglich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 80,00 DM zu. Nach Auffassung des
erkennenden Gerichts ist - mangels eines Nachweises über einen höheren Betrag als
80,00 DM – eine An- und Abmeldepauschale von 80,00 DM ausreichend und
angemessen (vgl. OLG Hamburg, VersR 1986, 770; OLG Oldenburg StVE BGB § 249
Nummer 86 a).
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Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von
Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 406,00 DM zu. Für den Fall, dass auf
Totalschadenbasis abgerechnet wird, besteht die Ausfallzeit in der Frist zur Beschaffung
eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Diese
Wiederbeschaffungsfrist beträgt im Regelfall 2 bis 3 Wochen, je nach Lage auf dem
Gebrauchtwagenmarkt unter Berücksichtigung des entsprechenden Fahrzeugtyps (vgl.
Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 249 Randnummer 15). Nach dem unwidersprochenen
Feststellungen der Sachverständigen U und T beträgt die Wiederbeschaffungsdauer
vorliegend 14 Tage. Die Höhe der von dem Kläger geltend gemachten
Nutzungsausfallentschädigung hat das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 29,00
DM/Tag geschätzt. Denn unter Berücksichtigung des Alters des Fahrzeugs von über 12
Jahren kann die an neuwertigen Fahrzeugen ausgerichtete Tabelle von
Sanden/Danner/Küppersbusch zur Nutzungsausfallentschädigung nicht als Grundlage
für die Berechnung des dem Kläger zustehenden Schadenersatzanspruchs
herangezogen werden. Zugrundezulegen war vielmehr ein Betrag etwa in Höhe der
Vorhaltekosten (vgl. BGH NJW 1988, 484, 486; Palandt/Heinrichs, a. a. O.,
Vorbemerkung vor § 249 Randnummer 23 m. w. N.).
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Die Höhe der von dem Kläger geltend gemachten Unkostenpauschale hat das Gericht
gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 40,00 DM geschätzt. Mit einem Betrag von 40,00 DM sind
die nicht konkretisierbaren Kosten, die erfahrungsgemäß aus Anlass eines
Schadensereignisses entstehen, nach Auffassung des Gerichts hinreichend erfasst.
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Der dem Kläger unfallbedingt entstandene Schaden beträgt danach 2.826,00 DM.
Davon kann der Kläger 3/4 (= 2.119,50 DM) von den Beklagten erstattet verlangen.
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Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte zu 2) bereits einen Betrag von
1.438,00 DM an den Kläger gezahlt hat, steht dem Kläger noch ein Anspruch auf
Zahlung weiterer 681,50 DM zu.
Der Zinsanspruch in gesetzlicher Höhe ergibt sich aus § 291 Satz 1 BGB. Der Kläger
hat es versäumt, konkrete verzugsauslösende Maßnahmen vorzutragen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 Satz
1, 713 ZPO.
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Streitwert: 2.068,00 DM
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