Urteil des AG Düren vom 06.05.2008

AG Düren: vorverfahren, gütliche einigung, gemeinde, behörde, akte, gerichtsbarkeit, unverzüglich, vollstreckung, meinung, jagdrecht

Amtsgericht Düren, 46 C 109/08
Datum:
06.05.2008
Gericht:
Amtsgericht Düren
Spruchkörper:
Abteilung 46
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
46 C 109/08
Tenor:
Die Klage wird als unzulässig a b g e w i e s e n .
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Zahlung einer
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund
des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden,
wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagten Sicherheit
in gleicher Höhe leisten.
T A T B E S T A N D :
1
Der Kläger ist Pächter der Parzelle "H", ####1 I, Gemarkung H, Flur X, Flurstücke X. Die
Beklagte zu 1.) ist die zuständige Jagdgenossenschaft und der Beklagte zu 2.) der
Jagdpächter im Bereich "An Gut Roland". Am 08.10.2006 bemerkte der Kläger, dass die
von ihm gepachteten Rasenflächen durch Schwarzwild geschädigt wurden. Am
09.10.2006 meldete der Kläger den Schaden bei der hierfür gemäß § 34 Absatz 1
Landesjagdgesetz Nordrhein Westfalen zuständigen Gemeinde I (Blatt 64 ff.) an. Ein
Vorverfahren nach § 35 Bundesjagdgesetz in Verbindung mit § 35 Absatz 1
Landesjagdgesetz NW folgte hierauf nicht. Ende Mai nahm der Kläger durch anwaltliche
Schreiben erneut Kontakt zu der Beklagten zu 1.) auf, um seine Ansprüche zu verfolgen.
Diese indes lehnte einen Schadenersatzanspruch ab. Infolgedessen leitete der Kläger
ein selbständiges Beweissicherungsverfahren beim Amtsgericht E – Aktenzeichen E-AZ
– ein, um die Schäden feststellen zu lassen. Der Sachverständige stellte durch
Wildschweine verursachte Schäden in Höhe von 5.144,00 EURO fest. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Beweissicherungsverfahrens wird Bezug genommen auf die
beigezogene Akte E-AZ Amtsgericht E. Am 04.01.2008 erhob der Kläger schließlich
Klage.
2
Der Kläger vertritt die Ansicht, dass ein Vorverfahren gemäß § 35 Bundesjagdgesetz in
Verbindung mit § 35 Absatz 1 Landesjagdgesetz Nordrhein Westfalen einer Eröffnung
des Rechtswegs zur ordentlichen Gerichtsbarkeit entgegen § 41 Landesjagdgesetz
Nordrhein Westfalen nicht erforderlich sei, wenn die zuständige Behörde untätig bliebe
und das erforderliche Vorverfahren nicht von selbst durchführe. Dies ergebe sich aus
dem verfassungsmäßigen Rechtsstaatprinzip im Sinne von Artikel 19 Absatz 4
Grundgesetz.
3
Der Kläger beantragt,
4
die Beklagten zu v e r u r t e i l e n , an ihn 5.144,00 EURO nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2006 zu
zahlen.
5
Die Beklagten beantragen,
6
die Klage a b z u w e i s e n .
7
Sie vertreten die Auffassung, dass die Klage mangels durchgeführtem Vorverfahren
gemäß § 35 Bundesjagdgesetz in Verbindung mit § 35 Absatz 1 Landesjagdgesetz NW
bereits unzulässig sei; der Kläger das erforderliche Vorverfahren mittels
verwaltungsprozessualer Rechtsmittel hätte erzwingen müssen. Die Einlegung dieser
Rechtsbehelfe sei zumutbar gewesen und genüge den verfassungsmäßigen Vorgaben.
8
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
9
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
10
Die Klage ist unzulässig.
11
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung
von 5.144,00 EURO an Schadenersatz.
12
Denn einem eventuellen Schadenersatzanspruch gemäß § 29 Absatz 1
Bundesjagdgesetz steht entgegen, dass das vorgeschriebene Vorverfahren gemäß § 35
Bundesjagdgesetz in Verbindung mit § 35 Absatz 1 Landesjagdgesetz nicht
ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Folglich ist dem Kläger gemäß § 41
Landesjagdgesetz NW verwehrt, seinen etwaigen Schaden im Rahmen eines
gerichtlichen Nachverfahrens geltend zu machen. Der Kläger meldete seinen
vermeintlichen Schaden zwar ordnungsgemäß und unverzüglich an. Indes ist es
niemals zu einem Versuch der gütlichen Einigung im Sinne von §§ 35 ff.
Landesjagdgesetz NW gekommen. Dies hätte der Kläger durch verwaltungsprozessuale
Maßnahmen erzwingen müssen (vgl. Mitzschke/ Schäfer, § 35 Randnummer 38
Landesjagdgesetz Nordrhein Westfalen). Dem steht aus rechtsstaatlichen
Gesichtspunkten nicht entgegen, dass das hauptsächliche Versäumnis bei der
zuständigen Gemeinde gelegen hat. Das Vorverfahren dient nämlich maßgeblich auch
dem Schutz des Jagdausübungsberechtigten.
13
Dieser soll nämlich Gelegenheit bekommen, sich rasch mit dem behaupteten Schaden
auseinander zu setzen und eventuell eine gütliche Einigung zu erzielen (Staudinger, §
835 BGB, Randnummer 42 a.F.). Entsprechend darf dieser darauf vertrauen, dass
Schäden unverzüglich angemeldet und festgestellt werden. Demzufolge ist bei Fehlern
der zuständigen Gemeinde im Rahmen des Vorverfahrens der Betroffene angehalten,
den Schaden über einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit
Artikel 34 GG gegen die öffentliche Hand geltend zu machen. Eine rechtsstaatlich
bedenkliche Situation ist ferner erst dann gegeben, wenn die Beschreitung des
Gerichtswegs von unzumutbaren Bedingungen abhängig gemacht wird (vgl.
Jarass/Pieroth Artikel 19 IV GG). Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb die Einlegung
verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelfe unzumutbar gewesen sein soll. Insbesondere
sieht die Verwaltungsgerichtsordnung besondere Klagekonstellationen vor, um die
begehrte Verwaltungsmaßnahme bei Untätigkeit der Verwaltung zu erlangen, vgl. § 75
VwGO. Vorliegend hat der Kläger nicht einmal vorgetragen, einen Antrag auf
Durchführung des Vorverfahrens bei der zuständigen Behörde gestellt zu haben. Selbst
wenn man mit einer auch in der Rechtsprechung (LG Mannheim Agrarrecht 1994, 104;
Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen RdL.1968, 243; Staudinger § 835 BGB a.F.
Randnummer 42; Schandau/Drees Jagdrecht NRW § 41) verbreiteten Meinung fordert,
bei Untätigkeit der Gemeinde in entsprechender Anwendung des § 75 VwGO den Weg
zu der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch ohne Vorverfahren zu eröffnen, ändert dies
nichts am Ergebnis. Denn auch § 75 VwGO analog erfordert unter dem Gesichtspunkt
der Verwirkung ein zügiges Vorgehen. Vorliegend ist aber zwischen Anmeldung des
Schadens bei der Gemeinde und der Klageerhebung ein Zeitraum von über einem Jahr
vergangen. Ein solches Verfahren ist nicht mehr als zügig zu qualifizieren. Dies gilt
gleichfalls für den Beweissicherungsantrag im Schriftsatz vom 03.07.2007 (Blatt 1 der
Akte E-AZ Amtsgericht E).
14
Ferner sind keine Umstände vorgetragen worden, die dieses Zögern entschuldigen.
Deshalb kommt eine Eröffnung des Rechtswegs ohne Vorverfahren nicht in Betracht.
15
Die Klage war daher vorliegend als unzulässig
abzuweisen.
16
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 91, 708
Nummer 11, 711, 713 ZPO.
17
S t r e i t w e r t : 5.144,00 EURO
18
L E I M B A C H
19