Urteil des AG Darmstadt vom 22.04.2008

AG Darmstadt: gebühr, einspruch, strafbefehlsverfahren, beschränkung, vergütung, quelle, geldstrafe, behandlung, anklageschrift, erlass

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Gericht:
AG Darmstadt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
217 Cs 121 Js
24030/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4141
Anm 1 Nr 3 RVG, § 411 Abs 1
S 3 StPO
Verteidigergebühr im Strafbefehlsverfahren: Zusatzgebühr
nach Einspruchsbeschränkung auf die Tagessatzhöhe
Leitsatz
Die analoge Anwendung von Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV ist in den Fällen geboten, in
denen der Einspruch gegen den Strafbefehl durch die anwaltliche Mitwirkung
nachträglich auf die Höhe der Tagessätze beschränkt und dadurch die abschließende
Entscheidung im Beschlussverfahren (§ 411 Abs. 1 Satz 3 StPO) ermöglicht wird.
Tenor
In der Strafsache gegen … wegen … wird auf die Erinnerung des Rechtsanwalts …
vom 17.03.2008 (Bl. 115) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom
20.02.2008 (Bl. 110) die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 512,89 €
festgesetzt und der Beschluss vom 20.02.2008 entsprechend abgeändert.
Gegen diesen Beschluss wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der
entschiedenen Frage die Beschwerde zugelassen.
Gründe
Die Erinnerung nach § 56 I RVG ist zulässig und begründet. Dem Verteidiger steht
eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 zu, da durch seine Mitwirkung im
vorliegenden Fall die Durchführung einer Hauptverhandlung entbehrlich geworden
war. Der Einspruch gegen den Strafbefehl wurde nachträglich auf die Höhe der
Tagessätze beschränkt und die abschließende Entscheidung im
Beschlussverfahren ermöglicht. Insoweit ist eine analoge Anwendung von Nr. 4141
Anm. 1 Ziff. 3 VV auf die Fälle des § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO geboten.
Es ist im Schrifttum anerkannt, dass im Falle der Beschränkung des Einspruches
gegen einen Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze einer Geldstrafe, wodurch
ohne Durchführung einer Hauptverhandlung im schriftlichen Verfahren
entschieden werden kann, die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 I (3) VV RVG
entsprechende Anwendung findet. Insoweit besteht im RVG eine Regelungslücke,
die eine analoge Anwendung der zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 I (3) VV RVG
zulässt (vgl. Burhoff: RVG Straf- und Bußgeldsachen, S. 1029 f., S. 1033).
Dies gebietet auch die Interessenlage, da anderenfalls ein Verteidiger kaum ein
(gebührenrechtliches) Interesse an der Erklärung der Zustimmung (des
Angeklagten zur vorgenannten Verfahrensweise) haben wird und eher in die
Hauptverhandlung gehen wollen wird. Zudem ist ein Grund für die unterschiedliche
Behandlung des Verteidigers im schriftlichen Verfahren nach der StPO gegenüber
dem Bußgeldverfahren (siehe Nr. 5115 I (5) VV RVG) und des Vertreters im
Disziplinarverfahren und berufsgerichtlichen Verfahren (vgl. Nr. 6216 I VV RVG)
nicht ersichtlich (vgl. Burhoff aaO, m.w.N.).
Sinn und Zweck der Regelung ist, eine Entlastung der Gerichte dadurch zu
honorieren, indem unnötig werdende Hauptverhandlungen durch anwaltliche
Mitwirkung vermieden werden. Das Vermeiden einer Hauptverhandlung ist eine
„Erleichterung der gerichtlichen“, als hierdurch der Einsatz öffentlicher Ressourcen
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„Erleichterung der gerichtlichen“, als hierdurch der Einsatz öffentlicher Ressourcen
sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht eingespart wird. Nicht
erforderlich ist hingegen, dass keinerlei gerichtliche Sachbefassung mehr anfällt.
Letzteres ist im Gebührentatbestand Nr. 4141 VV RVG weder gewollt noch
ausgesprochen.
Gerade der Rückgriff auf Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 2 VV RVG zeigt, dass eine inhaltliche
Befassung des Gerichtes mit der Sache keineswegs dem Entstehen der geltend
gemachten zusätzlichen Gebühren entgegensteht. In diesem Fall ist in der Tat
eine ganz erhebliche Befassung des Gerichtes mit dem Akteninhalt und dem
Verteidigervortrag erforderlich, um den Beschluss zu fassen, das Hauptverfahren
entgegen des in einer Anklageschrift enthaltenen Antrages der Staatsanwaltschaft
nicht zu eröffnen. Gleichwohl steht dem Verteidiger in diesem Fall die zusätzliche
Gebühr zu. Umso mehr muss dies auch im Falle des auf die Tagessatzhöhe
beschränkten Einspruches gelten, als hier lediglich die Bemessung der
Tagessatzhöhe einer gerichtlichen Überprüfung bedarf, im Übrigen aber der
Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls unbesehen
übernommen werden kann.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.