Urteil des AG Darmstadt vom 14.04.2008

AG Darmstadt: wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, reparaturkosten, fahrzeug, firma, abrechnung, gleichwertigkeit, werkstatt, mahnkosten, unfall, vollstreckung

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Gericht:
AG Darmstadt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
308 C 133/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 249 BGB, § 254 BGB
Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Ersatz der in einer
markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden
Reparaturkosten
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
693,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
hieraus seit dem 15.03.2007 sowie außergerichtlich angefallene
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 693,36 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis
vom 22.02.2007 in der Tiefgarage in der H Straße in D.
Das Fahrzeug des Klägers parkte am Unfalltag in der Tiefgarage auf der unteren
Parkfläche eines Doppelparkers. Der Beklagte zu 1), zum Unfallzeitpunkt Fahrer
des beteiligten Pkws, welches zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2)
haftpflichtversichert war, beabsichtigte neben das Fahrzeug des Klägers
einzuparken und beschädigte hierbei das Fahrzeug des Klägers linksseitig.
Die Haftungsfrage ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat bezüglich des Fahrzeugschadens ein Sachverständigengutachten
des Sachverständigenbüros G und Kollegen eingeholt. Das
Sachverständigengutachten vom 23.02.2007 (Bl. 33 – Bl. 41 d. A.) weist
Reparaturkosten netto in Höhe von 3.557,83 Euro aus.
Hierauf hat die Beklagte zu 2) einen Betrag von 2.864,47 Euro gezahlt. In ihrem
Abrechnungsschreiben vom 09.03.2007 (Bl. 42 und 42 R.) hat die Beklagte zu 2)
ausgeführt, dass eine Kürzung der Stundenverrechnungssätze vorgenommen
wurde. Ferner hat die Beklagte zu 2) Reparaturbetriebe, nämlich die Firma H
Unfallservice GmbH & Co. KG in D, die Firma P Karosserie und Lack GmbH in D
sowie die Firma W Fahrzeuglackiererei GmbH in M genannt, die nach ihrer
Behauptung die Instandsetzung des Fahrzeuges zu günstigeren
Reparaturkonditionen anbieten.
Das von dem Kläger eingeholte Sachverständigengutachten hat die
durchschnittlichen markengebundenen Verrechnungslöhne zugrunde gelegt.
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Der Kläger begehrt nunmehr Schadensersatz bezüglich der beklagtenseits in
Abzug gebrachten 693,36 Euro sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 Euro
und außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,23 Euro.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er könne auch bei fiktiver Abrechnung Anspruch
auf Zahlung der vom Gutachter zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze
der markengebundenen Werkstätten in Ansatz bringen. Der Kläger bestreitet, dass
der an seinem Fahrzeug entstandene Schaden von einer nicht
markengebundenen Fachwerkstatt gleichwertig repariert werden könne. Der Kläger
müsse sich keine günstigere Reparaturmöglichkeit zurechnen lassen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 693,36
Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.03.2007
und 10,23 Euro zu zahlen.
2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger
außergerichtliche angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 Euro zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze von
Reparaturwerkstätten in der Region des Klägers liegen deutlich niedriger als die
vom Sachverständigen kalkulierten Verrechnungssätze. Die Firma H Unfallservice
GmbH & Co. KG in D berechne lediglich 77,00 Euro netto pro Stunde für die
Karosseriearbeiten und für die Lackierarbeiten lediglich 79,50 Euro netto pro
Stunde. Bei den Lackierkosten werde ein Lackmaterialaufschlag auf die
Lackierlohnkosten lediglich in Höhe von 30 % berechnet, bei dem Betrieb handele
es sich um einen qualifizierten Fachbetrieb, der durch Spezialisten für Karosserie-
und Lackreparaturen unter Verwendung moderner Spezialwerkzeuge Reparaturen
nach den Vorgaben der Hersteller durchführe, im Übrigen sei es so, dass
Originalersatzteile verwendet und auf Ersatzteile keine
UPE-Aufschläge berechnet werden. Der Kläger habe lediglich einen Anspruch auf
Erstattung der durchschnittlichen Kosten einer Reparatur in einer Fachwerkstatt,
diese müsse aber nicht markengebunden sein. Der Kläger habe sich daher die von
den Beklagten nachgewiesene günstigere Reparaturmöglichkeit zurechnen zu
lassen.
Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz
in Höhe von 693,36 Euro aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 22.02.2007
aus § 18 StVG, § 823 BGB, §§ 1, 3 PflichtVers.G.
Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.
Der Kläger hat nach Auffassung des Gerichts auch bei fiktiver Abrechnung einen
Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der fiktiven Reparaturkosten auf der
Grundlage der durchschnittlichen markengebundenen Verrechnungslöhne.
Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der
objektiv erforderlichen Reparaturkosten. Er kann daher Ersatz des zur
Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlichen Betrages
verlangen. Diesbezüglich genügt es im Allgemeinen, dass der Geschädigte den
Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten
Sachverständigengutachten berechnet, sofern das Gutachten hinreichend
ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom
Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH
NJW 2003, 2086, 2087).
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Das Gutachten des Sachverständigenbüros G + Kollegen vom 23.02.2007
begegnet diesbezüglich keinen Bedenken. Ein Bestreiten der Beklagten
dahingehend, dass die von dem Sachverständigen zugrunde gelegten
Stundenverrechnungssätze bei einer markengebundenen Fachwerkstatt
tatsächlich anfallen, ist nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte vorträgt, die
tatsächlichen durchschnittlichen Stundenverrechnungssätze von
Reparaturwerkstätten in der Region liegen deutlich unter den
Stundenverrechnungssätzen, die der Sachverständige zugrunde gelegt hatte, bzw.
in dem Gutachten seien überdurchschnittlich hohe Lohnkosten kalkuliert worden,
ist hieraus nicht ersichtlich, dass die von dem Sachverständigen zugrunde
gelegten durchschnittlichen markengebundenen Verrechnungslöhne bestritten
werden sollten. Die Beklagten wollten damit vielmehr deutlich machen, dass
andere Fachfirmen geringere Stundenverrechnungssätze ansetzen, im Übrigen
wurde beklagtenseits im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.03.2008
erklärt, dass nicht bestritten werden soll, dass die angesetzten Löhne in
markengebundenen Werkstätten in dieser Höhe verlangt werden.
Es ist ferner davon auszugehen, dass der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf
Ersatz der in der markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden
Reparaturkosten hat und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug tatsächlich
vollkommen minderwertig oder überhaupt nicht repariert wird. Allerdings muss sich
der Geschädigte, wenn ihm mühelos eine ohne weiteres zugängliche, günstigere
und gleichwertige Reparaturmöglichkeit zur Verfügung steht, auf diese verweisen
lassen (BGH NJW 2003, 2087).
Zwar hat die Beklagte zu 2) in ihren Abrechnungsschreiben verschiedene Firmen
benannt, welche die Arbeiten günstiger durchführen sollen.
Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Geschädigte bei tatsächlich
durchgeführter Reparatur die hierbei entstehenden Kosten, mithin auch in der
Regel die höheren Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen
Vertragswerkstatt ohne Rücksicht darauf, ob die Reparatur in einer anderen Firma
günstiger hätte durchgeführt werden können, ersetzt verlangen kann. Hiervon
gehen wohl auch die Beklagten aus, denn sie haben in der Klageerwiderung
vorgetragen, dass die Reparaturkosten in voller Höhe ausgeglichen worden wären,
hätte der Kläger eine Reparaturkostenrechnung einer Fachwerkstatt des
Herstellers vorgelegt. Würde man nun dem Geschädigten bei Abrechnung fiktiver
Reparaturkosten nur den Ersatz der bei der Ausführung der Arbeiten bei einer
sonstigen Fachwerkstatt anfallenden geringeren Kosten zubilligen, so würde man
damit im Ergebnis den Grundsatz unterlaufen, dass der Geschädigte sowohl in der
Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom
Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist. Es ist hiermit unvereinbar,
hinsichtlich der Höhe der ersatzfähigen Reparaturkosten zu differenzieren je nach
dem, ob bzw. wie der Geschädigte das Fahrzeug reparieren lässt (LG Mainz, Urteil
vom 14.02.2007, Aktenzeichen:
3 S 133/06).
Auch wenn die Beklagte zu 2) den Kläger bereits mit Abrechnungsschreiben vom
09.03.2007 Firmen genannt hat, die zu kostengünstigeren Konditionen reparieren
würden, ist doch auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger nicht ohne weiteres die
Beurteilung möglich ist, ob die von der Beklagten zu 2) benannten Werkstätten
tatsächlich gegenüber einer markengebundenen Werkstatt gleichwertige Arbeit
leisten. Allein auf die Angaben der Beklagten zu 2) in dem Abrechnungsschreiben
muss sich der Kläger nicht verlassen. Vielmehr lässt sich die Gleichwertigkeit einer
Reparaturleistung nur durch Einholung umfangreicher Erkundigungen beurteilen,
im Prozess hätte die Frage der Gleichwertigkeit durch ein
Sachverständigengutachten geklärt werden müssen, da klägerseits bestritten
wurde, dass die benannten Firmen die Arbeiten gleichwertig ausführen.
Weiterhin ist es auch fraglich, ob die beklagtenseits benannten Firmen überhaupt
eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit bieten, denn nur auf eine solche muss
sich der Geschädigte dann auch verweisen lassen. Der Begriff gleichwertig kann
durchaus auch so verstanden werden, dass grundsätzlich nur markengebundene
Vertragswerkstätten als generell gleichwertig anzusehen sind, dies deshalb, weil
die Mitarbeiter einer markengebundenen Werkstatt allgemein als spezialisiert auf
Fahrzeuge der konkret vertretenen Marke und diesbezüglich auch als besonders
erfahren angesehen werden, denn gerade damit sind die in den
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erfahren angesehen werden, denn gerade damit sind die in den
markengebundenen Werkstätten verlangten höheren Stundensätze gerechtfertigt
und auch in der allgemeinen Anschauung akzeptiert (LG Aachen, Urteil vom
28.06.2007, Aktenzeichen 6 S 55/07).
Nach alledem ist der Kläger nicht verpflichtet, sich eine Kürzung der
Stundenverrechnungssätze gefallen zu lassen, er kann seiner
Schadensberechnung die von dem Sachverständigen angesetzten
durchschnittlichen markengebundenen Verrechnungssätze zugrundelegen.
Der Kläger kann auch Schadensersatz im Hinblick auf die außergerichtlich
angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,39 Euro geltend machen. Der
Ansatz der geltend gemachten 1,3 Geschäftsgebühr ist nicht zu beanstanden.
Die Klage war hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Mahnkosten
in Höhe von 10,23 Euro abzuweisen, da nicht ersichtlich ist, wofür diese Kosten und
weshalb diese in dieser Höhe angefallen sind.
Die Nebenentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708
Nr. 11,711 ZPO.
Die Entscheidung zur Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.