Urteil des AG Charlottenburg vom 26.09.2007

AG Charlottenburg: wohnung, zustellung, einzahlung, zugang, rückwirkung, vollstreckung, betriebskosten, eigentümer, link, vollstreckbarkeit

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
72 C 123/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 16 Abs 4 WoEigG, § 46 Abs 1 S
2 Halbs 1 WoEigG, § 167 ZPO, §
139 BGB
Wohnungseigentümerbeschluss: Generelle Abänderung des
Kostenverteilerschlüssels für Instandsetzungsarbeiten
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung der
Wohnanlage ..., 14... Berlin vom 26. September 2007 zu dem Tagesordnungspunkt 2
Ziffer 2 bb) insoweit nichtig ist, als in dem Beschluss ein abweichender Verteilerschlüssel
für Instandsetzungskosten geregelt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich
10% abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leisten.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen der
Wohnungseigentümerversammlung.
Die Kläger sind Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in 14... Berlin. Die
Beklagten sind die übrigen Eigentümer der Wohnanlage.
In der Teilungserklärung heißt es in § 5 auszugsweise wie folgt:
In dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 26. September 2007 heißt es
auszugsweise wie folgt:
Der Kläger meint, die Beschlüsse seien nichtig bzw. anfechtbar. Hinsichtlich des
Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 2 Ziff. 1 bb) sei bei der Wohnung Nummer 2
nicht berücksichtigt worden, dass die Eigentümerin einen Keller mit einer Gesamtgröße
von 34,16 m² zu Wohnzwecken nutze.
Der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 2 Ziffer 2 bb) sei nichtig bzw. anfechtbar, da
eine generelle Abänderung des Kostenverteilerschlüssels für Instandsetzungsarbeiten
nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt mit der bei Gericht am 26. Oktober 2007 eingegangenen
Klageschrift,
1. den Beschluss zu TOP 2 Ziff. 1 bb) der Eigentümerversammlung
vom 26.09.2007 in den Räumen der Hausverwaltung
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vom 26.09.2007 in den Räumen der Hausverwaltung
Wohnungseigentümergemeinschaft
2. den Beschluss zu TOP 2 Ziff. 2 bb) der Eigentümerversammlung
vom 26.09.2007 in den Räumen der Hausverwaltung
Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Beklagten beantragen
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, die Klage sei wegen Fristversäumnis unzulässig.
Das Gericht hat den Klägervertreter mit Schreiben vom 2. November 2007, abgesandt
am 5. November 2007, um Angaben zum Streitwert gebeten. Mit bei Gericht am 15.
November 2007 eingegangenem Schreiben vom 13. November 2007 teilte der
Klägervertreter den Streitwert mit und gab an, das dieser 3.373,38 EUR betrage. Mit am
21. November 2007 bei Gericht ausgehendem Schreiben forderte das Gericht die Kläger
zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses entsprechend den Klägerangaben auf.
Der Gerichtskostenvorschuss ging bei Gericht am 20. Dezember 2007 ein. Die
Zustellung der Klage erfolgte am 8. Januar 2008.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2008 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise wie aus dem Tenor ersichtlich begründet, im Übrigen
unbegründet.
I.
1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 43 Nr. 4
WEG, über die das Amtsgericht Charlottenburg als Gericht, in dessen Bezirk das
Grundstück liegt, ausschließlich zu entscheiden hat. Die Einhaltung der Klagefrist ist
entgegen der Auffassung der Beklagten eine Frage der Begründetheit der Klage, da die
Fristen des § 46 WEG materiell-rechtliche Fristen darstellen.
2. Die Klage ist nur im Umfang des Tenors zu 1) ersichtlich begründet, im Übrigen
unbegründet.
a) Das Gericht durfte die angefochtenen Beschlüsse nur auf Nichtigkeitsgründe
untersuchen. Anfechtungsgründe hatte das Gericht nicht zu beachten. Denn die Kläger
haben die Klage nicht innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs.1 S.2 Halbs.1 WEG
erhoben. Die Klage wurde den Beklagten erst am 8. Januar 2008 zugestellt und damit
nicht innerhalb der Monatsfrist nach der am 26. September 2007 erfolgten
Beschlussfassung erhoben. § 46 Abs.1 S.2 Halbs.1 WEG stellt hinsichtlich der
Fristwahrung durch Verwendung des Begriffs „Erhebung“ auf die Rechtshängigkeit der
Klage und damit auf die erfolgte Zustellung ab, vgl. §§ 253 Abs.1 i.V. m. § 261 Abs.1
ZPO (statt aller: in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, §
46, Rn.31, Rn.39). Zwar kommt dem Grunde nach auch eine Rückwirkung der Zustellung
auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift in Betracht, sofern die Zustellung
„demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt. Die Voraussetzungen einer derartigen
„demnächst“ erfolgten Zustellung liegen hier aber nicht vor. Für die Frage, ob ein
Zustellung „demnächst“ erfolgt, darf nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden,
da die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen
Geschäftsbetriebs bewahrt werden sollen (vgl. nur BGH, Urt. v. 12. Juli 2006 – IV ZR
23/05, NJW 2006, 3206, 3207, m.w.N.). Sofern aber der Kläger eine längere verzögerte
Zustellung - etwa durch verspätete Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses (vgl.
dazu nur: , AnwBl 2007, 403, 407; in Palandt, 67. Aufl. 2008, WEG,
§ 46, Rn. 4; , NZM 2007, 425, 426; , ZMR 2007, 592; , in
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl. 2007, § 46, Rn. 40; in
Schmid/Kahlen, WEG, § 46, Rn.7; in Jennißen, WEG, 1. Aufl. 2008, § 46, Rn.83) –
zu vertreten hat, scheidet eine derartige Rückwirkung aus. Eine derartige, den Klägern
zurechenbare, Verzögerung liegt hier vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes liegt eine erhebliche Verzögerung vor, sofern eine Partei die zur
Vorbereitung der Klagezustellung ergangene Streitwertanfrage erst später als 14 Tage
beantwortet (BGH, Urt. v. 1. Dez. 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073 f.; vgl. auch
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beantwortet (BGH, Urt. v. 1. Dez. 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073 f.; vgl. auch
in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 167, Rn. 15; m.w.N.). Nichts anderes gilt nach
Zugang der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses. Auch diesen hat die klagende
Partei innerhalb von 14 Tagen nach Aufforderung einzuzahlen (BGH, Urt. v. 25. Nov.
1985 – II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348). Hier haben die Kläger den
Gerichtskostenvorschuss auch im Hinblick auf die Wirkung des § 270 S.2 ZPO erst etwa
vier Wochen nach Zugang der Kostenrechnung beglichen. Dass hier die
Rechtschutzversicherung die Einzahlung vornahm, ist unerheblich. Denn auf
Vorschusszahlungen durch den Rechtschutzversicherer darf sich ein Kläger nicht
verlassen (std. Rspr. seit BGH, Urt. v. 4. Juli 1968 - III ZR 17/68, VersR 1968, 1062).
b) Die Anfechtung des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 2 Ziffer 1 bb) ist deshalb
unbegründet. Es sind keine Nichtigkeitsgründe vorgetragen oder ersichtlich. Die Frage,
ob die vorgebliche Nutzung eines weiteren Raumes durch den Nutzer der Wohnung 2
zutrifft, ist lediglich eine Frage der – nicht zu prüfenden - Anfechtbarkeit und nicht der
Nichtigkeit eines Beschlusses.
Die Anfechtung des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 2 Ziffer 1 bb) ist
unbegründet, soweit darin eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hinsichtlich
der Betriebskosten beschlossen wurde. Insoweit sind keine Nichtigkeitsgründe
vorgetragen oder ersichtlich. Die Beschlusskompetenz folgt insoweit aus § 16 Abs.3
WEG. Anfechtungsgründe sind mangels Einhaltung der Anfechtungsfrist nicht zu prüfen.
Die Anfechtung des Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 2 Ziffer 1 bb) ist jedoch
begründet, soweit darin eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hinsichtlich der
Instandsetzungen beschlossen wurde. Denn für eine generelle Änderung des Maßstabes
für die Verteilung von Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten fehlt der
Gemeinschaft die Beschlusskompetenz. § 16 Abs.4 WEG begründet nur im Einzelfall die
Möglichkeit einer Abänderung. Ein genereller Beschluss zur Abänderung der
Instandsetzungskosten ist mangels Beschlusskompetenz nichtig ( in
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Auflage 2007, § 16, Rn. 82), worauf die
Klägerseite zutreffend hinweist. Der Einwand der Beklagten, § 5 der Teilungserklärung
lasse bereits eine derartige Umlage zu, kann nicht überzeugen. Denn die
Teilungserklärung verwendet insoweit den allgemeinen Begriff des „Anteils“ im Sinne von
§ 16 Abs.1 WEG. Dieser betrifft aber die Miteigentumsanteile. Der Beschlussanteil
hinsichtlich der Instandsetzungen ist auch entsprechend dem Rechtsgedanke des § 139
BGB vom übrigen Beschlussinhalt abtrennbar.
Auch wenn die Kläger ausdrücklich die Ungültigerklärung des Beschlusses begehren,
konnte das Gericht im Umfang der Rechtfertigung die Nichtigkeit feststellen. Es handelt
sich insoweit um einen einheitlichen Streitgegenstand. Ein Beschlussanfechtungsantrag
ist immer auch auf die Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen
Eigentümerbeschlusses gerichtet, falls dieser an einem als Nichtigkeitsgrund
einzuordnenden Mangel leidet. In derartigen Fällen entspricht die Feststellung der
Nichtigkeit dem mit der Beschlussanfechtung zum Ausdruck gebrachten
Rechtsschutzziel, eine verbindliche Klärung der Gültigkeit des zur Überprüfung gestellten
Eigentümerbeschlusses herbeizuführen (BGH, Beschl v. 2. Okt. 2003 - V ZB 34/03,
NZM 2003, 946, 950).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.2 Nr.1 ZPO. Die Kosten waren insgesamt
den Klägern aufzuerlegen, da ihr Obsiegen im Hinblick auf die Höhe von
Instandsetzungskosten gemessen an den Gesamtkosten geringfügig war und keine oder
nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 S.1, S.2 i.V.m. 709 S.2.
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