Urteil des AG Charlottenburg vom 09.11.2010

AG Charlottenburg: grundstück, uferweg, eigentümer, ingenieur, firma, see, mehrheit, zaun, abgrenzung, gefährdung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
73 C 145/10
Dokumenttyp:
Versäumnisurteil
Quelle:
Normen:
§ 14 Nr 1 WoEigG, § 16 Abs 6
WoEigG, § 22 WoEigG
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 09. November 2010 - 73
C 145/10 – wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 09.
November 2010 darf nur gegen Leistung von Sicherheit in Höhe des beizutreibenden
Betrages fortgesetzt werden.
Tatbestand
Die Parteien sind die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in Berlin-
Grunewald. Die Gemeinschaft besteht aus fünf Wohneinheiten. Der Beklagte hält mit
seiner Wohnung die Mehrheit der Miteigentumsanteile. In der Eigentümerversammlung
ist nach Miteigentumsanteilen abzustimmen. Die Kläger sind die Eigentümer der übrigen
Wohnungen.
Bei dem Haus handelt es sich um eine Villa in Grunewaldlage, die von einem ca. 4000
qm großen, parkähnlichen Garten umgeben ist. Der hintere Teil des Grundstücks führt
zu einem See. Die Grundstücksgrenze in diesem Bereich ist durch einen ca. 50 cm
hohen Jägerzaun markiert. Dieser grenzt das Grundstück vom Uferweg des Sees ab.
Auf Veranlassung des Beklagten bzw. von dessen Mieterin Frau ... hat die damalige
Hausverwaltung im Jahre 2010 ein Sicherheitskonzept für das Grundstück von dem
Ingenieur ... eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 27 u. 28 d. A. verwiesen wird.
Der Ingenieur ... hat wiederum ein Angebot einer Firma ... eingeholt über umfangreiche
Sicherheitstechnik, die auf dem Grundstück ... installiert werden könne. Das Angebot mit
einem Gesamtvolumen von brutto gut 365.000,00 EUR gliedert sich in fünf Lose,
nämlich:
Wegen der Einzelheiten des Angebots wird auf dessen Ablichtung Bl. 29 – 59 d. A.
verwiesen.
Auf Ladung der damaligen Verwalterin ... GmbH & Co. KG fand am 27. Juli 2010 eine
Eigentümerversammlung statt, in der mit den Miteigentumsanteilen des Beklagten und
gegen die Stimmen sämtlicher Kläger der folgende Beschluss gefasst wurde:
„Es wird beantragt, das Sicherheitskonzept unter Berücksichtigung folgender
Punkte zu beauftragen:
Das Sicherheitskonzept wird ohne Videokameras ausgeführt.
Der Grenzverlauf zur ... wird geklärt.“
Die Unterlagen der ... GmbH und das Sicherheitskonzept ... lagen den Klägern
spätestens in der Versammlung vor.
Auf dem Grundstück wurden zweimal Pkws der Mieterin des Beklagten entwendet.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Klage der Kläger, die am 26. August
2010 bei Gericht einging und mit einem am 27. September 2010 bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründet wurde. Die Kläger sind der Auffassung, der
Beschluss sei inhaltlich unbestimmt, weil er nicht erkennen lasse, welche Maßnahmen
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Beschluss sei inhaltlich unbestimmt, weil er nicht erkennen lasse, welche Maßnahmen
aufgrund von welchem Angebot ausgeführt werden sollten. Außerdem beinhalte das
Sicherheitskonzept, so wie es der Beklagte verstehe, erhebliche bauliche Veränderungen
des gemeinschaftlichen Eigentums, die sie nicht dulden müssten. Der Beklagte müsse
erforderliche Sicherungsmaßnahmen möglichst ohne Eingriff in das gemeinschaftliche
Eigentum und ausschließlich auf eigene Kosten vornehmen. Außerdem seien keine
Alternativangebote eingeholt worden.
Auf ihren Antrag hin wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09. November
2010 der genannte Beschluss vom Amtsgericht Charlottenburg durch Versäumnisurteil
für ungültig erklärt.
Nach Einspruchseinlegung beantragen die Kläger,
das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, es handele sich bei der einzubauenden Sicherheitstechnik um eine
Maßnahme der ( modernisierenden) Instandsetzung. Sie könne daher mehrheitlich
beschlossen werden und sei von allen Eigentümern mitzufinanzieren. Insbesondere der
Jägerzaun im hinteren Teil des Grundstücks genüge den Sicherungsbedürfnissen des
Beklagten bzw. seiner Mieterin nicht, zumal der hintere Teil des Grundstücks nachts
unbeleuchtet sei, ebenso wie der zwischen dem Grundstück und dem See gelegene
Uferweg.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Einspruch des Beklagten
hat in der Sache keinen Erfolg, denn die Klage ist begründet. Die innerhalb der Fristen
des § 46 Abs. 1 WEG in Verbindung mit § 167 ZPO erhobene und mit Gründen versehene
Klage ist auch inhaltlich begründet. Der angefochtene Beschluss, der sich nach
übereinstimmenden Vortrag der Parteien auf das Sicherheitskonzept ... und das
Angebot der Firma ... bezog, verstößt jedenfalls gegen § 22 Abs. 1 S. 1 WEG. Danach
sind bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige
Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht nur
dann durch die Eigentümermehrheit beschließbar, wenn jeder Eigentümer, dessen
Rechte durch die Maßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus
beeinträchtigt werden, der Maßnahme zustimmt. Dies ist hier nicht der Fall. Eine
bauliche Veränderung im vorgenannten Sinne liegt bereits „nur“ bei den Maßnahmen
gemäß Los 1 des Angebots vor. Der Austausch des bisher vorhandenen Jägerzauns am
Uferweg durch eine Zaunanlage mit integrierter Überwachungssensorik in einer
geplanten Höhe von 2 Metern mit Übersteige- und Untergrabschutz ist eine ganz
massive bauliche Veränderung. Dass allein hierfür Kosten von netto nahezu 150.000,00
EUR entstehen (im Vergleich zu einem Jägerzaun von 50 cm Höhe) zeigt deutlich, dass
es sich hier nicht um eine Maßnahme der Instandsetzung oder Instandhaltung handelt.
Es handelt sich insbesondere auch nicht um eine Maßnahme der modernisierenden
Instandsetzung gemäß § 22 Abs. 3 WEG, für die grundsätzlich die § 21 Abs. 3 WEG und
Abs. 5 Nr. 2 WEG gelten würden. Eine Maßnahme der modernisierenden Instandsetzung
liegt nur vor, wenn durch eine Reparatur das Gemeinschaftseigentum auf einen
technisch aktuellen Stand oder einen zeitgemäßen Standard gebracht werden soll,
vorausgesetzt dies ist eine wirtschaftlich sinnvollere Lösung als die Beibehaltung des
Status quo (Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 22 Rdnr. 351). Dies trifft auf die
Zaunanlage hier erkennbar nicht zur. Ein 50 cm hoher Jägerzaun als Abgrenzung
zwischen einem Privatgarten und einem öffentlichen Uferweg entspricht durchaus dem
aktuellen Stand und dem zeitgemäßen Standard heutzutage. Vielmehr sind die
erheblichen Sicherungsmaßnahmen, die der Beklagte hier erstrebt, allenfalls
ausnahmsweise anzutreffen, nämlich bei Gebäuden, die aufgrund ihrer Nutzung bzw.
den von ihnen bewohnten Personen weit überdurchschnittlich gefährdet sind und
deshalb ganz besonderer Sicherungsmaßnahmen bedürfen. Der Beklagte erstrebt daher
hier nicht eine Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern eine
erhebliche Standardverbesserung. Diese könnte er allenfalls nach den Vorschriften über
die Modernisierung gemäß § 22 Abs. 2 WEG erreichen. Dies scheitert hier erkennbar
aber schon daran, dass die hierfür erforderliche, qualifizierte Mehrheit gemäß § 22 Abs. 2
S. 1 WEG, nämlich von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer, offensichtlich
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S. 1 WEG, nämlich von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer, offensichtlich
nicht erreicht ist, da lediglich der Beklagte gegen die Stimmen sämtlicher Kläger die
streitgegenständliche Maßnahme beschlossen hat. Die Umsetzung des Konzepts würde
auch die Kläger in ihren Rechten aus § 14 Nr. 1 WEG verletzen, da ein solcher Zaun das
Aussehen der Wohnanlage erheblich verändern würde und damit optische
Beeinträchtigungen des gesamten Grundstücks verbunden wären.
Außerdem verstößt der Beschluss gegen § 16 Abs. 6 WEG, wonach ein
Wohnungseigentümer, der einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG, also einer baulichen
Veränderung, nicht zugestimmt hat, nicht verpflichtet ist, die Kosten, die durch eine
solche Maßnahme verursacht werden, mitzutragen. Der Beschluss ist nämlich, insoweit
tragen die Parteien übereinstimmend vor, so zu verstehen, dass die Maßnahme von der
gesamten Gemeinschaft aus gemeinschaftlichen Mitteln und entsprechend dem sonst
gültigen Kostenverteilungsschlüssel bezahlt werden soll.
Ob der Beklagte verlangen kann, dass wegen seiner besonderen Gefährdung - zu der
allerdings bisher nicht ausreichend vorgetragen ist - die übrigen Eigentümer gewisse
Veränderungen der Sicherheitstechnik im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums
auf seine Kosten dulden, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und braucht daher
nicht entschieden werden.
Auf die weiteren Rügen auf den angefochtenen Beschluss kommt es nicht an.
Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob bei einer Maßnahme wie der
vorliegenden zwingend das Angebot bzw. die Angebotsnummer im Beschlusswortlaut
auftauchen muss, wenn offenbar allen Beteiligten klar ist, um welche konkreten Arbeiten
es sich hier handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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