Urteil des AG Charlottenburg vom 29.07.2010

AG Charlottenburg: grunddienstbarkeit, dingliches recht, notwendige streitgenossenschaft, verwaltung, versammlung, zustellung, verwalter, verfügung, nichtigkeit, nachbar

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
72 C 100/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 62 Abs 1 ZPO, § 88 Abs 1 ZPO,
§ 27 Abs 2 Nr 2 WoEigG
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der
Wohnungseigentümerversammlung der Wohnanlage … Berlin vom 29. Juli
2010 zum Tagesordnungspunkt 5 (Ziffer 30 der Beschlusssammlung)
nichtig ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages zuzüglich 10 Prozent vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen einer
Wohnungseigentümerversammlung.
Der Kläger und die Beklagten bilden den Verband Wohnungseigentümergemeinschaft …
Berlin.
In Abteilung II unter laufender Nummer 4 des Grundbuchs für das Grundstück … von
Wilmersdorf ist eine Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer von Berlin-
Wilmersdorf …, das geschlossene Stammgrundbuch des Grundstücks der Gemeinschaft,
als Recht zur Benutzung von 37 Kraftfahrzeug-Abstellplätzen eingetragen.
In der Versammlung vom 29. August 2007 beschloss die Gemeinschaft, dass mit den
Eigentümern des Nachbargrundstücks … Verhandlungen hinsichtlich der Löschung der
Grunddienstbarkeit aufgenommen werden sollen. Wegen des genauen Wortlauts des
Beschlusses zum Tagesordnungspunkt 6 sowie der dem Beschluss vorausgegangenen
Diskussion wird auf das Protokoll der Versammlung vom 29. August 2007 (Blatt 88 bis
Blatt 90R der Gerichtsakten) verwiesen.
Auf der Versammlung vom 29. Juli 2010 nahm die Gemeinschaft folgende
Beschlussanträge an, wobei wegen des weiteren Inhalts der Versammlung auf das
entsprechende Protokoll (Blatt 58 bis Blatt 60 der Gerichtsakten) verwiesen wird:
Unter Top 3:
Unter Top 4:
Die vorgenannten Beschlüsse sind in der Beschlusssammlung unter Ziffer 28 (Top 3)
und Ziffer 29 (Top 4) verzeichnet.
Ferner heißt es vor dem Tagesordnungspunkt 5 im Protokoll:
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Nach ausführlicher Diskussion nahm die Versammlung daraufhin unter dem
Tagesordnungspunkt 5 folgenden Beschlussantrag, der in der Beschlusssammlung unter
der Ziffer 30 verzeichnet ist, an:
Die Klägerin meint, der Beschluss zu Ziffer 30 der Beschlusssammlung widerspreche
ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Gegenleistung von 100.000 EUR nicht dem
Verkehrswert der Stellplätze entspräche, der das Zwei- bis Dreifache betrage. Jedenfalls
sei der Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig. Die Beschlüsse zu Ziffer 28 und
Ziffer 29 seien für ungültig zu erklären, da die Verhandlungen, welche dem Beschluss
zugrunde liegen, vom Verwaltungsbeirat unter Beteiligung der Verwaltung, die
wirtschaftlich an dem Grundstück beteiligt ist, gefasst worden seien.
Die Klägerin beantragt,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 29. Juli 2010 gem.
Ziffer 28, 29 und 30 der Beschlusssammlung für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, die Klage- und Klagebegründungsfrist sei verstrichen. Sie
behaupten, dem damaligen Nachbar seien bereits 280.000 DM für die Ablösung einer
entsprechenden Baulast im Jahre 1991 geleistet worden.
Die Klägerin hat am 30. August 2010 die Klage gegen „die
Wohnungseigentümergemeinschaft … bestehend aus den Wohnungseigentümern
gemäß anliegender Liste der Wohnungseigentümer“ eingereicht und darin bereits
Kurzangaben gemacht, warum die Beschlüsse ordnungsgemäßer Verwaltung
widersprechen sollen. Mit Verfügung vom 9. September 2010 bat das Gericht um
Angaben zum Streitwert. Hierauf teilte die Klägerin mit, welchen Wert die Stellplätze
haben und welcher entschädigt werden soll. Mit Verfügung vom 23. September 2010 bat
das Gericht erneut um Angaben eines konkreten Streitwertes, den diese mit Schreiben
vom 30. September 2010 mit 300.000 EUR vorläufig mitteilten. Am 30. September 2010
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vom 30. September 2010 mit 300.000 EUR vorläufig mitteilten. Am 30. September 2010
reichte die Klägerin eine Klagebegründung ein. Am 5. Oktober 2010 forderte das Gericht
den Gerichtskostenvorschuss an, der bei der Kosteneinziehungsstelle der Justiz am 22.
Oktober 2010 durch Überweisung der Rechtschutzversicherung der Klägerin einging. Die
Klage wurde über die Verwalterin am 29. Oktober 2010 den Beklagten zugestellt. Mit
Schriftsatz vom 5. November 2010 teilte die Klägerin mit, dass sich die Klage gegen die
Wohnungseigentümer entsprechend der Liste richtet.
Die Klägerin rügt die Prozessvollmacht des Beklagtenvertreters.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 2010 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Das Rubrum war dahingehend zu berichtigen, dass auf Beklagtenseite die übrigen
Eigentümer und nicht der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft stehen. Es liegt
kein Fall der Klageänderung vor, da die Klage bereits ursprünglich gegen die übrigen
Eigentümer gerichtet war. Gegen wen eine Klage gerichtet ist, hängt vom objektiv
erkennbaren Sinn der prozessbegründenden Erklärung des Klägers ab (BGH, Urt. v. 5.
Okt. 1994 – XII ZR 53/93, NJW 1994, 3232, 3233). Hier hat zwar die Klägerin die Klage
gegen die „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gerichtet. Allerdings hat die Klägerin
zugleich den Zusatz angefügt, dass es sich dabei um die Gemeinschaft „gemäß
anliegender Namensliste“ handelt und dadurch verdeutlicht, dass die Eigentümer Partei
des Rechtsstreits werden sollen.
II.
Die Klage ist auch zulässig. Es handelt sich bei der Anfechtung der Beschlüsse um einen
Rechtsstreit im Sinne des § 43 Nr. 4 WEG, über den das Amtsgericht Charlottenburg als
Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ausschließlich zu entscheiden hat.
Soweit die Klägerin die Prozessvollmacht des Beklagtenvertreters nach § 88 Abs. 1 ZPO
rügt, hat ihr Vorbringen keinen Erfolg. Ausreichend ist, dass – wie hier, was sich aus der
Erklärung des Vorstandes der Verwalterin in der mündlichen Verhandlung und der
eingereichten Vollmacht ergibt – der Verwalter dem Beklagtenvertreter
Prozessvollmacht für die Beklagten erteilt hat. Zu einer solchen Vollmachtserteilung ist
der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 14. Mai
2009 – V ZB 172/08, NJW 2009, 2135, 2136), wobei die Erteilung auch für die übrigen
Wohnungseigentümer gilt und insoweit eine Prozessvollmacht für diese i.S.v. § 80 ZPO
begründet (vgl. dazu auch ausführlich in Bärmann/Seuß, Praxis des
Wohnungseigentums, 5. Aufl. 2010, Teil F, Rn. 201-203, m.w.N.). Hinzu kommt, dass der
Beklagtenvertreter selbst Beklagter ist und daher ohnehin im Hinblick auf § 62 Abs. 1
ZPO die übrigen Eigentümer mitvertreten würde. Bei der Anfechtungsklage stellen sich
die Beklagten als notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 Abs. 1 Var. 1 ZPO gegenüber
(vgl. nur in Bärmann, WEG, 11. Aufl. 2010, § 46, Rn. 62; m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt.
v. 27. März 2009 – V ZR 196/08, NJW 2009 2132, 2134). Die notwendige
Streitgenossenschaft bedingt aber, dass der Erlass eine Versäumnisurteils nicht möglich
ist, da der Säumige durch die anderen notwendigen Streitgenossen mitvertreten wird
(vgl. nur in Bärmann Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl. 2010, F
Rn. 614; , ZMR 2005, 327, 331; in Jennißen, WEG, 2. Aufl. 2010, § 46,
Rn. 150; jeweils m.w.N.).
III.
Die Klage ist wie aus dem Tenor ersichtlich begründet, im Übrigen unbegründet.
1.
Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin die Ungültigerklärung der Beschlüsse zum
Tagesordnungspunkt 3 und 4 (Ziffer 28 und Ziffer 29 der Beschlusssammlung) der
Versammlung vom 29. Juli 2010 begehrt. Diese Beschlüsse sind nicht für ungültig zu
erklären, da die Klägerin die Klage nicht innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs.1 Satz 2
Halbs. 1 WEG erhoben hat und Nichtigkeitsgründe nicht ersichtlich sind.
Die Klage wurde den Beklagten über den Verwalter erst am 29. Oktober 2010 zugestellt
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Die Klage wurde den Beklagten über den Verwalter erst am 29. Oktober 2010 zugestellt
und damit nicht innerhalb der Monatsfrist erhoben. § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WEG
stellt hinsichtlich der Fristwahrung durch Verwendung des Begriffs „Erhebung“ auf die
Rechtshängigkeit der Klage und damit auf die erfolgte Zustellung ab, vgl. §§ 253 Abs.1
i.V.m. § 261 Abs.1 ZPO (statt aller: BGH, Urt. v. 16. Jan. 2009 - V ZR 74/08, NJW 2009,
999, 1000). Dabei kommt eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der
Einreichung der Klageschrift in Betracht, sofern die Zustellung „demnächst“ im Sinne
von § 167 ZPO erfolgt. Für die Frage, ob eine Zustellung „demnächst“ erfolgt, darf nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht auf eine rein zeitliche
Betrachtungsweise abgestellt werden, da die Parteien vor Nachteilen durch
Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden sollen
(vgl. nur BGH, Urt. v. 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05, NJW 2006, 3206, 3207, m.w.N.). Sofern
aber der Kläger eine längere verzögerte Zustellung zu vertreten hat, scheidet eine
derartige Rückwirkung aus. Geht es um von der klagenden Partei zu vertretende
Zustellungsverzögerungen, ist das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt, wenn sich die
Verzögerung in einem hinnehmbaren Rahmen hält. Dieser hinnehmbare Rahmen ist nur
dann gewahrt, wenn die Verzögerungen sich nur „um zwei Wochen bewegen“ oder nur
„geringfügig darüber liegen“ (vgl. BGH, Urt. v. 17. Sept. 2010 – V ZR 5/10, veröffentlicht
bislang nur unter www.bundesgerichtshof.de; Urt. v. 16. Jan. 2009 - V ZR 74/08, NJW
2009, 999, 1001; Urt. v. 1. Dez. 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073 f.; Urt. v. 25. Nov.
1985 - II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348). Diesen Zeitraum hat die Klägerin
überschritten.
a)
Die Klägerin hat durch die verzögerte Beantwortung der Streitwertanfrage bereits
verhindert, dass die Klage „demnächst“ zugestellt wird. Die Klägerin hat entgegen § 61
GKG in der Klageschrift nicht den Streitwert angegeben. Die Angabe des
Entschädigungsbetrages innerhalb der Klagebegründung genügt jedenfalls nicht als
Streitwertangabe. Zwar ist die Verzögerung, die durch eine gerichtliche
Streitwertanfrage entsteht, grundsätzlich nicht der Klägerseite zuzurechnen. Die
Klägerseite kann grundsätzlich eine gewisse Zeit auf die Anfrage des Gerichtes zur
Bemessung des Streitwerts warten. Geht die Streitwertanfrage aber ein, muss die
Klägerseite unverzüglich reagieren (BGH, Urt. v. 1. Dez. 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994,
1073, 1074), woran es hier fehlt. Unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten (vgl.
dazu auch § 321a Abs. 2 Satz 3 ZPO) hat die Klägerin erst nach mehr als 14 Tagen den
Streitwert mitgeteilt. Auf die Anfrage vom 9. September 2010 hat die Klägerin erst am
30. September 2010 den vermeintlichen Streitwert mitgeteilt. Das Schreiben der
Klägerin vom 22. September 2010 genügte jedenfalls nicht, da darin ein konkreter
Streitwert gerade nicht mitgeteilt worden ist, sondern nur die Angaben zum
vermeintlichen Gesamtwert der Stellplätze und der Entschädigung wiederholt wurden. Es
sind aber weder die Stellplätze, noch die Entschädigung, Streitgegenstand, sondern
allein die Anfechtung von Beschlüssen. Allein mit diesen Angaben war auch keine
Streitwertbestimmung möglich, da weder der Miteigentumsanteil, noch das
Eigeninteresse der Klägerin angegeben waren, was aber für die Streitwerbestimmung
nach § 49a Abs. 1 Satz 2 WEG notwendig gewesen wäre. Zu den Streitwerten der
Beschlüsse zum Tagesordnungspunkt 3 und 4 hat die Klägerin ohnehin niemals Angaben
gemacht.
b)
Anschließend hat die Klägerin eine weitere Verzögerung von etwa vierzehn Tagen
verursacht, die jedenfalls zum Überschreiten der 14-Tage-Grenze geführt hat und einen
Eintritt der Rückwirkung des § 167 ZPO verhinderte. Der Kläger hat den am 5. Oktober
2010 abgeforderten Gerichtskostenvorschuss so spät einzahlen lassen, dass dieser erst
am 22. Oktober 2010 bei Gericht verbucht wurde. Dieser Zeitraum einer zurechenbaren
Verzögerung von jedenfalls vierzehn Tagen stellt eine neue, weitere zurechenbare
Verzögerung dar. Angesichts der bereits eingetretenen Verzögerung von mehr als 14
Tagen waren keine weitere Verzögerung des Klägers mehr zu entschuldigen. Die Frist
von „um zwei Wochen oder nur geringfügig darüber“ (BGH, Urt. v. 16. Jan. 2009 - V ZR
74/08, NJW 2009, 999, 1000) gilt nicht für jede einzelne Handlung. Insgesamt betrachtet
darf die Verzögerung diesen Zeitraum nicht überschreiten bzw. ist nur eine Verzögerung
von um zwei Wochen entschuldigt (BGH, Urt. v. 1. Dez. 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994,
1073 f.). Maßgebend ist auch nicht der Tag der Vornahme der Überweisung, sondern der
Gutschrift bei der Justizkasse. Der Gebührenschuldner trägt die Verzögerungsgefahr und
muss die Leistungshandlung so rechtzeitig vornehmen, dass diese bei üblicher
Abwicklung dem Konto der Justizkasse innerhalb der Frist von „um zwei Wochen“
gutgeschrieben wird (so ausdrücklich OLG Rostock, Urt. v. 28. Jan. 2010 – 3 U 113/09 =
BeckRS 2010, 17373; AG Saarbrücken, Urt. v. 3. Sept. 2009 – 1 WEG C 183/09, ZMR
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BeckRS 2010, 17373; AG Saarbrücken, Urt. v. 3. Sept. 2009 – 1 WEG C 183/09, ZMR
2010, 77). Dass die Klägerin eine Rechtschutzversicherung eingeschaltet und diese für
die Zahlung „intern“ verantwortlich war, entlastet die Klägerin nicht hinsichtlich der
eingetretenen Verzögerung. Denn auf Vorschusszahlungen durch den
Rechtschutzversicherer darf sich ein Kläger nicht verlassen (std. Rspr. seit BGH, Urt. v. 4.
Juli 1968 - III ZR 17/68, VersR 1968, 1062).
2.
Die Klage ist hingegen begründet, soweit die Klägerin den Beschluss zum
Tagesordnungspunkt 5 (Ziffer 30 der Beschlusssammlung) vom 29. Juli 2010 angreift. Da
der Beschluss nichtig ist, kann das Gericht unabhängig von der Einhaltung der Klagefrist
die Nichtigkeit aussprechen. Dass die Klägerin nicht die Feststellung der Nichtigkeit,
sondern die Ungültigerklärung des Beschlusses begehrt hat, ist dabei unerheblich. Nach
der zutreffenden Rechtsprechung des BGH ist aufgrund der Identität der
Streitgegenstände auch bei dem Verlangen auf bloße Ungültigerklärung ein Ausspruch
der Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses ohne Antragsumstellung möglich (BGH,
Urt. v. 2. Okt. 2009 – V ZR 235/08, NJW 2009, 3655, 3657).
a)
Der Beschluss ist nichtig, da der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz fehlt, die
Löschung einer Grunddienstbarkeit zu beschließen und die Hausverwaltung zu einer
Löschungsbewilligungserteilung zu bevollmächtigen. Die Grunddienstbarkeit als Recht
zur Benutzung der Kraftfahrzeug-Abstellplätze steht den Eigentümern gemeinschaftlich
als dingliches Recht zu. Die Grunddienstbarkeit ist zu Gunsten des jeweiligen
Eigentümers des herrschenden Grundstücks nach § 1018 BGB bestellt, wobei im Hinblick
auf die hier erfolgte Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum alle
Wohnungseigentümer – nicht aber der Verband Wohnungseigentümergemeinschaft –
Rechtsträger sind (vgl. nur OLG Köln, Beschl. v. 1. Feb. 1993 – 2 Wx 2/93, NJW-RR 1993,
982, 983; in Bärmann, WEG, 11. Aufl. 2010, § 10, Rn. 231). Da es sich bei der
Grunddienstbarkeit nach § 96 BGB um einen Bestandteil des Grundstücks handelt, stellt
sich diese damit als Gemeinschaftseigentum dar (vgl. nur in Bärmann, WEG, 11.
Aufl. 2010, § 13, Rn. 96). Die Grunddienstbarkeit ist damit ausschließlich den
Wohnungseigentümern persönlich zugewiesen ( in Riecke/Schmid,
Fachanwaltskommentar WEG, 3. Aufl. 2010, § 1, Rn. 17).
Soweit die Gemeinschaft beschlossen hat, dass die Grunddienstbarkeit „zu löschen ist“,
fehlt ihr vor diesem Hintergrund die Beschlusskompetenz. Die Verfügung über
Gemeinschaftseigentum liegt nicht nur außerhalb der Verwaltung des
Gemeinschaftseigentums, sondern betrifft ganz individuelle Rechte, die der Verband
gerade nicht „an-sich-ziehen“ kann und die erst Recht nicht gemeinschaftlich i.S.v. § 10
Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 Var. 2 WEG zu erfüllen sind (OLG München, Beschl. v. 22. Jan.
2010 – 34 Wx 125/09, NJW 2010, 1467, 1468). Dass durch den Beschluss, die
Grunddienstbarkeit zu löschen, keine unmittelbare sachenrechtliche Verfügung
eingetreten ist, ändert hieran nichts, da auch eine Verpflichtung zur Löschung gerade
nicht die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft berührt, sondern völlig außerhalb
dieser allein jedem einzelnen Eigentümer individuell zusteht. Hinzu kommt, dass die
Gemeinschaft die einzelnen Eigentümer zur Abgabe einer Löschungsbewilligung
verpflichten wollte, was ebenfalls nicht in ihrer Beschlusskompetenz steht. Beschlüsse
sind objektiv/normativ auszulegen, wobei auch für jedermann erkennbare Umstände, wie
etwa das Versammlungsprotokoll, herangezogen werden kann (vgl. dazu BGH, Beschl. v.
10. Sept. 1998 - V ZB 11/98, NJW 1998, 3713, 3714). Ausweislich des Protokolls ist es
ggf. notwendig, dass „ausnahmslos alle Eigentümer“ die Löschungsbewilligung in
notarieller Form erteilen. Entsprechend wurde auch beschlossen, dass die Kosten der
Löschungsbewilligung für die zwingend „zu löschende“ Grunddienstbarkeit von dem
Eigentümer des Nachbargrundstücks getragen wird. Die Verpflichtung der Eigentümer zu
einer derartigen Handlung ist aber erst Recht nicht möglich. Der Gemeinschaft fehlt jede
Beschlusskompetenz dafür, Leistungspflichten des Eigentümers durch Beschluss zu
begründen, was zwingend zur Nichtigkeit führt (BGH, urt. v. 18. Juni 2010 – V ZR 193/09,
NJW 2010, 2801). Vor diesem Hintergrund fehlte der Gemeinschaft auch die Kompetenz,
den Verwalter – wie erfolgt – durch Beschluss zu ermächtigen, die Löschungsbewilligung
zu erteilen, da auch eine derartige Ermächtigung im Namen aller Eigentümer nicht von
einer Beschlusskompetenz des Verbandes gedeckt ist. Insbesondere folgt eine solche
nicht aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG, da diese Regelung gerade keine
Vertretungsmacht in Bereichen begründen kann, die nicht in die Beschlusskompetenz
der Gemeinschaft fallen (vgl. nur OLG München, Beschl. v. 22. Jan. 2010 – 34 Wx 125/09,
NJW 2010, 1467, 1468).
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b)
Der Beschluss ist auch insgesamt nichtig, da die übrigen getroffenen Regelungen in
einem untrennbaren Zusammenhang mit der Löschung der Grunddienstbarkeit stehen.
Ohne die Löschung der Grunddienstbarkeit sind die übrigen getroffenen Regelungen
(etwa Sicherstellung der Löschung gegen Zahlung eines Betrages von 100.000 EUR,
Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Abwicklung) sinnentleert, was sich auch
bereits aus der Vermutungswirkung des entsprechend anwendbaren § 139 BGB ergibt.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Satz 1,
Satz 2 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass aufgrund des Gestaltungscharakters
lediglich eine Vollstreckung der Kosten aus dem Urteil möglich ist.
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