Urteil des AG Charlottenburg vom 01.11.2005

AG Charlottenburg: gerichtliche zuständigkeit, unerlaubte handlung, internationale zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, internetseite, gerichtsverfahren, gerichtsberichterstattung, intimsphäre

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
224 C 34/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 1 GG, Art 2 GG, § 249 BGB, §
823 Abs 1 BGB
Persönlichkeitsrechtsverletzende Zeitungsberichterstattung:
Grenzen zulässiger identifizierender Berichterstattung über
einen Zivilprozess
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 876,73 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2005 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine deutsche Fernsehmoderatorin.
Der Beklagte betreibt die Internetseite www. ... .at . Dort betreibt er eine
Internetsuchmaschine und macht Artikel zu verschiedenen Themengebieten öffentlich
zugänglich. Mindestens bis zum 21.09.2005 befand sich dort ein Artikel über die
Klägerin, in dem es unter anderem heißt:
"Am 18. März 2005 wurde bekannt, dass Frau ... die deutsche Metasuchmaschine A... in
erster Instanz erfolgreich verklagt hatte [LG Berlin, Urteil vom 22. Februar 2005, Az. 27 O
45/05, nicht rechtskräftig]. A... hatte sich auf eine Abmahnung hin geweigert, bei
Eingabe der drei Suchworte "... ... nackt" jene Einträge in die Trefferliste zu unterdrücken,
die geeignet waren, persönlichkeitsrechtswidrig den Eindruck zu erwecken, es existierten
tatsächlich Fotos der TV-Moderatorin im Internet, auf denen sie unbekleidet zu sehen
ist."
Die Klägerin forderte den Beklagten im Hinblick auf diese Berichterstattung mit
anwaltlichem Schreiben vom 26.09.2005 zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte teilte hierauf zunächst mit, dass die
beanstandete Seite von ihm gelöscht worden sei. Auf eine zweite Aufforderung gab der
Beklagte am 07.10.2005 die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 17.10.2005 zur
Erstattung der durch das anwaltliche Schreiben vom 26.09.2005 veranlassten, nach
einem Gegenstandswert von 15.000,00 EUR berechneten Kosten in Höhe von 876,73
EUR bis zum 31.10.2005 auf.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 876,73 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2005 zu zahlen.
Die Klage wurde dem Beklagten am 25.07.2005 über die zuständigen Stellen in
Österreich zugestellt. Der Beklagte hat nicht innerhalb der gemäß § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO
auf einen Monat bestimmten Frist seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Charlottenburg zuständig.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 der
Verordnung (EG) Nr. 44/201 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung der Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (EuGVVO). Hiernach ist im Fall einer unerlaubten Handlung oder einer
Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, das Gericht des Ortes
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Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, das Gericht des Ortes
zuständig, an dem das schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Die
geltend gemachte Persönlichkeitsrechtsverletzung stellt eine unerlaubte Handlung dar.
Sie wirkt an jedem Ort, an dem die Internetseite bestimmungsgemäß abgerufen werden
kann. Das ist auch im Bezirk des Amtsgerichts Charlottenburg der Fall.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg ergibt sich aus § 32 ZPO.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der durch das
anwaltliche Schreiben vom 26.09.2005 entstandenen Kosten in Höhe von 876,73 EUR
aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG.
Durch die Nennung des vollständigen Namens der Klägerin im Rahmen der
Berichterstattung über das Gerichtsverfahren ist die Klägerin in ihrem durch Art. 1 i.V.m.
Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts widerrechtlich verletzt worden. Zwar
ist ein grundsätzliches Interesse an der Berichterstattung über Gerichtsverfahren
anzuerkennen. Der Grundsatz der Freiheit der Gerichtsberichterstattung ist jedoch durch
das Persönlichkeitsrecht der Prozessbeteiligten begrenzt. Nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung ist die Namensnennung im Zusammenhang mit einer
Gerichtsberichterstattung nur gerechtfertigt, wenn das Informationsinteresse der
Öffentlichkeit das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt (BGH NJW 2000,
1036). Das ist etwa dann anzunehmen, wenn die Informationen nur und gerade im
Zusammenhang mit dem Namen des Beteiligten ihren Informationswert erhalten. Dies
ist vorliegend nicht der Fall. Ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran zu
erfahren, dass es in dem Rechtsstreit über die Verantwortlichkeit des Betreibers einer
Metasuchmaschine für persönlichkeitsrechtswidrige Einträge konkret um eine
Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin ging, ist nicht zu erkennen. Darüber hinaus
handelt es sich um Inhalte, die der Intimsphäre der Klägerin zuzuordnen sind, so dass
besonders hohe Anforderungen zu stellen sind.
Der Beklagte ist als Betreiber der Internetseite Störer.
Der Beklagte hat den durch die Persönlichkeitsrechtsverletzung entstanden Schaden zu
ersetzen. Dazu gehören die Kosten für das anwaltliche Abmahnschreiben vom
26.09.2005 , da dies erforderlich war, um den Unterlassungsanspruch der Klägerin
durchzusetzen.
Der Anspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Insbesondere ist der zugrunde
gelegte Gegenstandswert in Höhe von 15.000,00 EUR nicht zu beanstanden.
2. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr.
2 ZPO.
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