Urteil des AG Charlottenburg vom 28.12.2004

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
216 C 20/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 554 Abs 3 S 2 BGB
Wohnraummiete: Überlegungsfrist bei
Modernisierungsankündigung
Tenor
1.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
2.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 852,36 Euro (12 Monate x 71,03 Euro).
Gründe
Die Klägerin ist Eigentümerin der von der Beklagten im Hause ... gemieteten Wohnung.
Mit Modernisierungsankündigungsschreiben vom 28. Dezember 2004 wies die Klägerin
alle Mieter des Hauses und auch die Beklagte darauf hin, dass umfangreiche
Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten innerhalb der Wohnungen in der Zeit vom
17. Mai 2005 bis zum 7. Juni 2005 stattfinden. Gleichzeitig teilte die Klägerin der
Beklagten mit, dass sie nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten eine Mieterhöhung
von ca. 71,03 Euro monatlich geltend machen wird. Wegen des genauen Inhalts des
Modernisierungsankündigungsschreibens vom 28. Dezember 2004 im einzelnen wird auf
Blatt 16-47 der Akte Bezug genommen. Dem Schreiben als Anlage 8 angefügt war eine
Einverständniserklärung, dass die Beklagte die Modernisierungs- und
Instandhaltungsarbeiten dulden würde. Das Ankündigungsschreiben nebst
Einverständniserklärung wurde der Beklagten am 30. Dezember 2004 zugestellt. Am 12.
Januar 2005 kam es zu einer Besichtigung der Wohnung der Beklagten durch die
Klägerin, bei der die Beklagte äußerte, zunächst an einer Mieterversammlung des
Berliner Mietervereins am 14. Februar 2005 teilnehmen zu wollen, bevor sie sich zu einer
Modernisierungsvereinbarung erkläre. Die Klägerin teilte der Beklagten dazu mit, dass
sie einer Unterzeichnung der Modernisierungsvereinbarung nur bis zum 19. Januar 2005
entgegensehen wolle. Mit Schreiben vom 20. Januar 2005 forderte die Klägerin die
Beklagte auf, ihr bis zum 27. Januar 2005 die Modernisierungsvereinbarung bzw. die
Einverständniserklärung zuzuleiten; gleichzeitig wies die Klägerin in diesem Schreiben die
Beklagte darauf hin, sie den Duldungsanspruch nach § 554 BGB notfalls auf dem
Klageweg durchsetzen müsse. Wegen des Inhalts des Schreibens im einzelnen wird auf
Blatt 84/84R der Akte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27. Januar 2005 teilte die
Beklagte der Klägerin mit, sie werde sich Ende Februar 2005 schriftlich zu den
projektierten Instand- und Modernisierungsarbeiten äußern. Es wird wegen des Inhalts
des Schreibens auf Blatt 73 der Akte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 28. Januar
2005 forderte die Klägerin die Beklagte dazu auf, ihr bis zum 4. Februar 2005 die
Modernisierungsvereinbarung bzw. die Einverständniserklärung herzureichen. Es wurde
der Beklagten in diesem Schreiben ausdrücklich mitgeteilt, dass nach fruchtlosem
Fristablauf der Duldungsanspruch auf gerichtlichem Wege durchgesetzt wird. Mit
Schreiben vom 31. Januar 2005 forderte die Klägerin die Beklagte nochmals auf, die
Modernisierungsvereinbarung bzw. die Einverständniserklärung binnen einer letzten Frist
bis zum 8. Februar 2005 herzureichen. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf
Blatt 85 der Akte Bezug genommen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom
7. Februar 2005 mit, sie gehe von einer ihr gesetzlich zustehenden Überlegungsfrist von
3 Monaten nach Zugang der Modernisierungsankündigung aus, beabsichtigte jedoch
nicht, diese vollständig auszuschöpfen; sie werde sich nach Abschluss der Prüfung
sämtlicher Punkte unaufgefordert schriftlich mit der Klägerin in Verbindung setzen.
Wegen der genauen Einzelheiten des Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 74 der Akte
Bezug genommen. Mit Schreiben vom 9. Februar 2005 teilte die Klägerin der Beklagten
mit, auf weiteren Schriftwechsel zu verzichten und den Klageweg beschreiten zu wollen,
wobei die Beklagte behauptet, dieses Schreiben nicht erhalten zu haben, sondern von
diesem Schreiben am 21. Februar 2005 durch ein Telefonat mit der Klägerin Kenntnis
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diesem Schreiben am 21. Februar 2005 durch ein Telefonat mit der Klägerin Kenntnis
erlangt zu haben.
Mit am 21. Februar 2005 bei Gericht eingegangener Klageschrift hat die Klägerin
beantragt, die Beklagte zur Duldung der Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten
zu dulden und den Mitarbeitern der Klägerin und den von ihr beauftragten Handwerkern
in der Zeit vom 17. Mai 2005 bis 7. Juni 2005 in der Zeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr
Zugang zu der von ihr bewohnten Wohnung zur Durchführung der Arbeiten zu gewähren.
Die Klage wurde der Beklagten am 1. März 2005 zugestellt. Am 2. März 2005 ging der
Klägerin eine von der Beklagten mit Datum vom 28. Februar 2005 unterzeichnete
Modernisierungsvereinbarung zu. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 3. März
2005 den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der
Hauptsachenerledigungserklärung angeschlossen.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, ist gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu
entscheiden. Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil sie in dem
Rechtsstreit vermutlich unterlegen wäre und sie entgegen der von ihr vertretenen
Rechtsauffassung Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Die Beklagte geht rechtsirrtümlich davon aus, dass ihr für die Abgabe der
Einverständniserklärung eine gesetzliche Überlegungsfrist von drei Monaten ab Zugang
der Modernisierungsankündigung zustehe. Eine solche Regelung sieht das Gesetz aber
nicht vor. Eine konkrete Frist, binnen derer der Mieter seine Zustimmung erteilt haben
muss, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Bei einer analogen Heranziehung des §
554 Abs. 3 Satz 2 BGB dürfte jedoch davon auszugehen sein, dass dem Mieter
mindestens eine Überlegungsfrist von einem Monat ab Zugang der
Modernisierungsankündigung zuzubilligen ist (vgl. dazu auch Palandt/Weidenkaff,
Kommentar zum BGB, 63. Aufl., § 554 BGB Rdnr, 29); nach § 554 Abs. 3 Satz 2 BGB hat
der Mieter, dem eine Modernisierungsankündigung zugestellt wird, bis zum Ablauf des
Folgemonats die Möglichkeit, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen. Wenn sich
der Mieter binnen dieser Frist entscheiden muss, ob er das Mietverhältnis vollständig löst
oder aber an dem Mietverhältnis festhält, so muss er sich binnen dieser Frist auch im
Klaren darüber sein, ob er die Modernisierungsarbeiten dulden will oder nicht. In analoger
Anwendung des § 554 Abs. 3 Satz 2 BGB auf die Überlegungsfrist wäre diese also nach
Zugang der Modernisierungserklärung am 30. Dezember 2004 für die Beklagte
frühestens am 31. Januar 2005 abgelaufen., so dass die Beklagte die
Einverständniserklärung dementsprechend jedenfalls nicht vor dem 31. Januar 2005
gegenüber der Klägerin abgeben musste.
Selbst wenn man die einmonatige Frist im Hinblick auf die Fülle der Konsequenzen,
welche die Duldung der Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten aufgrund der
damit verbundenen Beeinträchtigungen und auch aufgrund der damit einhergehenden
Mieterhöhung zur Folge hat, für zu knapp hält, so dürfte allenfalls eine Überlegungsfrist
von zwei Monaten ab Zugang der Modernisierungserklärung angemessen sein. Eine
derartige Frist könnte dem Mieter im Hinblick darauf zuzubilligen sein, dass das ihm
nach § 554 Abs. 3 Satz 2 BGB zugebilligte Sonderkündigungsrecht das Mietverhältnis
dann zum Ablauf des nächsten Monats beendet; klare Verhältnisse auch für den
Vermieter werden nach dieser Regelung spätestens zum Ende des übernächsten
Monats nach Zugang der Modernisierungserklärung geschaffen; der Vermieter weiß
ganz genau erst nach Ablauf des Monats, der auf die außerordentliche Kündigung nach §
554 Abs. 3 Satz 2 BGB folgt, ob der Mieter die Wohnung tatsächlich räumt bzw.
herausgibt und den geplanten Arbeiten keine Hindernisse mehr entgegenstehen, die
möglicherweise erst durch eine Klageerhebung beseitigt werden müssten. Eine
dreimonatige Überlegungsfrist allerdings erscheint unangemessen lang und ist auch
nicht in Einklang zu bringen mit § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB; nach dieser Vorschrift muss
lediglich der Zeitraum zwischen Ankündigung der Modernisierungsarbeiten und Beginn
der Arbeiten mindestens drei Monate betragen. Würde man dem Mieter grundsätzlich
eine ebenso lange Überlegungsfrist einräumen, so würde man damit den Vermieter
dahingehend unangemessen und entgegen der gesetzlichen Regelung benachteiligen,
dass dieser entgegen § 554 Abs. 3 Satz 1 BGB die Modernisierungsankündigung deutlich
früher als drei Monate vor dem geplanten Beginn der Arbeiten zustellen muss, wenn er
sich darauf einstellen muss, dass bis zum Ablauf von drei Monaten nach Zugang der
Modernisierungsankündigung die Verweigerung der Duldung durch den Mieter erklärt
werden könnte und er zunächst eine Duldungsklage bei Gericht erheben muss, mit
deren rechtskräftiger Entscheidung aufgrund der Auslastung der Gerichte selbst im
günstigsten Fall in der Regel nicht vor Ablauf von mindestens 3 Monaten gerechnet
werden kann.
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Im vorliegenden Fall hat die Beklagte allerdings auch eine zu ihren Gunsten
angenommene Überlegungsfrist von zwei Monaten nicht eingehalten. Da ihr die
Modernisierungsankündigung am 30. Dezember 2004 zugegangen ist, stand ihr eine
Überlegungsfrist bis zum 28. Februar 2005 zu; dies bedeutet, dass sich die Beklagte
spätestens bis zum 28. Februar 2005 gegenüber der Klägerin hätte äußern müssen, ob
sie die geplanten Arbeiten dulden will oder nicht; dabei kommt es für die Einhaltung der
Frist auf den Zugang der Erklärung bei der Klägerin an. Die Beklagte mag zwar die
Modernisierungsvereinbarung mit Datum vom 28. Februar 2005 unterzeichnet haben;
der Klägerin zugegangen ist die Erklärung der Beklagten unstreitig jedoch erst am 2.
März 2005 und damit nach Ablauf der zweimonatigen Überlegungsfrist. Soweit die
Beklagte möglicherweise aufgrund einer unzutreffenden – oder zumindest nicht durch
Gesetz oder Rechtsprechung gesicherten – Rechtsauskunft des Berliner Mietervereins
auf ihrer Ansicht beharrt hat, sie müsse sich gegenüber der Klägerin vor Ablauf einer
dreimonatigen Frist ab Zugang der Modernisierungsvereinbarung nicht eindeutig äußern,
so geht dies nicht zu Lasten der Klägerin, sondern betrifft allenfalls das Rechtsverhältnis
zwischen der Beklagten und der Person, die ihr diesen Rechtsrat erteilt hat. Nach
Auffassung des Gerichts jedenfalls hat die Beklagte durch ihr Verhalten der Klägerin
Veranlassung gegeben, Duldungsklage gegen sie bei Gericht einzureichen, denn die
Beklagte hatte in ihrem letzten Schreiben an die Klägerin vom 7. Februar 2005 keinen
konkreten Zeitpunkt mehr angegeben, bis zu dem sie sich gegenüber der Klägerin
äußern wollte; sie hatte vielmehr wieder auf die von ihr angenommene dreimonatige
Frist verwiesen, auch wenn sie darauf hinwies, diese nicht voll ausschöpfen zu wollen; für
die Klägerin war aber bis zum Zugang der Modernisierungsvereinbarung am 2. März
2005 trotz des lebhaften außergerichtlichen Schriftwechsels der Parteien in dieser Sache
nicht erkennbar, in welche Richtung sich die Beklagte positionieren werde. Da die
Beklagte demnach der Klägerin Veranlassung zur Klage gegeben hat, entspricht es
billigem Ermessen, ihr gemäß § 91 a ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
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