Urteil des AG Charlottenburg vom 07.06.2006

AG Charlottenburg: wohnung, aufhebung der sperre, eigentümer, wasserversorgung, verwaltung, verfahrenskosten, anfechtung, mehrheit, erfüllung, billigkeit

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
73 II 78/06 WEG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 Abs 4 WoEigG, § 43 Abs 1
Nr 4 WoEigG, § 44 Abs 3 WoEigG,
§ 44 Abs 4 WoEigG, § 47 WoEigG
Wohnungseigentum: Aufhebung der Sperre der
Wasserversorgung wegen Wohngeldrückständen bei
Wohnungseigentumswechsel
Tenor
1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07. Juni 2006 wird für ungültig
erklärt. Die Antragsgegner werden verpflichtet, dem Antrag auf Aufhebung der
Wassersperrung für die Wohnung Nr. ..., ehemaliger Eigentümer jetziger Eigentümer der
Antragsteller, zuzustimmen.
2. Die einstweilige Anordnung vom 28. August 2006 (AZ: 73 II 78/06. WEG) bleibt
aufrechterhalten und behält Gültigkeit auch über den rechtskräftigen Abschluss dieses
Verfahrens hinaus.
3. Die Antragsgegner haben die Verfahrenskosten als Gesamtschuldner zu tragen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wurde Eigentümer der Wohnung Nr. 3 der im Rubrum näher
bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft durch Zuschlagsbeschluss im
Zwangsversteigerungsverfahren vom 23. Januar 2006.
Der Voreigentümer dieser Wohnung, war schon seit geraumer Zeit mit erheblichen
Wohngeldbeträgen in Rückstand. Die Gemeinschaft hatte deshalb bezüglich dieser
Wohnung und einer Reihe von anderen Wohnungen im Hause, für die erhebliche
Wohngeldrückstände bestanden, im Jahre 2004 durch nicht rechtskräftig für ungültig
erklärte Beschlüsse beschlossen, dass diesen Wohnungen das Wasser gesperrt wird.
Dieser Beschluss wurde auch umgesetzt.
Der Antragsteller beantragte bei der Verwaltung nach Erwerb des Eigentums die
Aufhebung dieser Wassersperrung. Seine Wohnung hat er an den Voreigentümer
vermietet. Das monatliche Wohngeld von 247,00 EUR hat er für den Monat Februar am
02. März 2006 entrichtet, für den Monat März am 04. April 2006 und für den Monat April
am 06. Juni 2006. Ferner entrichtete er am 03. Mai 2006 55,87 EUR für den Monat Januar
2006.
Auf sein Betreiben wurde die Eigentümerversammlung vom 07. Juni 2006 einberufen, mit
dem einzigen Tagesordnungspunkt Aufhebung der Wassersperrung für die Wohnung Nr.
3. Dieser Beschlussantrag wurde von der Mehrheit der Eigentümer abgelehnt.
Zwischenzeitlich hat der Antragsteller das gesamte Wohngeld, das bisher für das Jahr
2006 fällig wurde, gezahlt und er hat im Moment keine Wohngeldrückstände.
Er beantragt mit seinem am 23. Juni 2006 bei Gericht eingegangenen Antrag,
1. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07. Juni 2006 über die
Aufhebung der Wassersperrung der Wohnung Nr. 3 für ungültig zu erklären.
2. den Antragsgegnern aufzugeben, sich mit der Entsperrung der Wassersperre
bezüglich der dem Antragsteller gehörenden Wohnung Nr. 3 und mit dem
Wiederanschluss dieser Wohnung an die gemeinschaftliche Wasserversorgung der
Wohnanlage S-Str. .../S Damm ..., ... B, einverstanden zu erklären.
Die Antragsgegner und die Verwalterin sind dem Antrag zuletzt nicht mehr
entgegengetreten.
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Auf Anregung des Antragstellers hat das Gericht am 28. August 2006 eine einstweilige
Anordnung erlassen, wonach die Wohnung wieder an die gemeinschaftliche
Wasserversorgung anzuschließen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl.
120 und 121 der Akte verwiesen.
Wegen des übrigen Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG hat das Amtsgericht im Verfahren
der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Antrag eines Eigentümers über die Gültigkeit von
Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung zu entscheiden. Nach neuerer
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt dies auch für die Anfechtung von
sogenannten Negativbeschlüssen, durch die ein Beschlussantrag von der Mehrheit der
Eigentümer lediglich abgelehnt wurde. Für solche Anträge besteht jedenfalls dann ein
Rechtsschutzbedürfnis, wenn gleichzeitig die Verpflichtung der Eigentümer auf
Zustimmung zu dem Beschlussantrag als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung
begehrt wird. Dies ist hier der Sache nach geschehen. Der Antrag Ziffer 2 aus der
Antragsschrift ist als Antrag auf Zustimmung auszulegen. Das Amtsgericht
Charlottenburg ist örtlich zuständig, da sich die Wohnanlage im Bezirk dieses Gerichts
befindet.
Der Antrag ist auch begründet. Die Antragsgegner waren gehalten, am 07. Juni 2006 den
Wiederanschluss der Wohnung an die Wasserversorgung zu beschließen. Der
Antragsteller haftet nicht für die Wohngeldrückstände seines Rechtsvorgängers. Die
Wassersperre durfte gegenüber ihm als Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1
BGB nur dann aufrecht erhalten werden, wenn er zum Zeitpunkt der Beschlussfassung
Wohngeldrückstände in erheblichem Umfang im Sinne der hierzu ergangenen
Rechtsprechung gehabt hätte. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hatte er einen
Wohngeldrückstand von allenfalls einem Monat. Dies ist unter
Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht ausreichend gewesen, um eine so
einschneidende Maßnahme wie die Wassersperre aufrechtzuerhalten. Inzwischen
bestehen unstreitig keinerlei Wohngeldrückstände des Antragstellers mehr, so dass ein
Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB, das einen fälligen Anspruch gegen den
Gläubiger voraussetzt, nicht mehr bestehen kann.
Der Beschluss war daher auf die im Sinne des § 23 Abs. 4 WEG rechtzeitige Anfechtung
des Antragstellers hin für ungültig zu erklären und die Antragsgegner waren zur
Zustimmung zu verpflichten. Da der Wiederanschluss der Wohnung bereits durch
einstweilige Anordnung angeordnet ist, hat das Gericht beschlossen, diese einstweilige
Anordnung auch über den rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens hinaus für
vollstreckbar zu erklären.
Hauptsacheerledigung ist auch nicht eingetreten, obwohl die Wohnung unstreitig wieder
angeschlossen wurde. Der Geschäftsführer der Verwaltung hat in der mündlichen
Verhandlung erklärt, dass er dies in Erfüllung seiner Verpflichtung aus der einstweiligen
Anordnung veranlasst habe, sich aber grundsätzlich an die Beschlüsse der
Gemeinschaft weiterhin gebunden fühlt.
Die Verfahrenskosten wurden gemäß § 47 S. 1 WEG den Antragsgegnern als
Gesamtschuldner auferlegt, da sie vollumfänglich unterlegen sind und dies daher der
Billigkeit im Sinne der genannten Vorschrift entspricht. Das Gericht sieht jedoch keinen
Anlass, von dem in Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz abzuweichen,
wonach außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Der Geschäftswert wurde gemäß § 48 Abs. 3 WEG in Höhe des geschätzten Interesses
der Beteiligten an der Entscheidung festgesetzt. Das Gericht hat dabei einen Wert von
3.000,00 EUR genommen, der nach den unbestrittenen Angaben des Verwalters in etwa
dem Wohngeldrückstand des ... zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlussfassung
entspricht. Eine am Mietwert der Wohnung orientierte Festsetzung erschien hingegen
unangemessen, da nach § 48 Abs. 3 WEG grundsätzlich das Interesse aller Beteiligten
an der Entscheidung maßgebend ist und nicht das Einzelinteresse des Antragstellers.
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