Urteil des AG Charlottenburg vom 20.11.2006

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
221 C 531/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 BGB, § 536 BGB
Wohnraummiete: Verpflichtung des Vermieters zur Entfernung
der von einem anderen Mieter angebrachten Sichtblende
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache zur Ziffer 1 der Klage
erledigt ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22, 62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.11.2006 zu zahlen.
3. Die Klage im übrigen wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Parteien je zur Hälfte.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in S Strasse ..., I. OG, ... B.
Die Wohnung verfügt in östlicher Richtung über einen an die Küche angeschlossenen
Wintergarten mit einem kleinen Austritt. Ein weiteres Zimmer der Wohnung ist ebenfalls
nach Osten und damit zugleich auf die im Hof befindliche Grünanlage gerichtet.
Im Mai 2006 brachten die Mieter der angrenzenden Wohnung in S Strasse … entlang der
Grundstücksgrenze eine Sichtblende aus strohähnlichem Material auf einer Länge von
ca. 20 m und einer Höhe von ca. 3 m an. Auf die der Klage beigefügten Fotos wird
insoweit verwiesen.
Weil durch die Sichtblende der freie Ausblick in die Hofanlage behindert und auch eine
Verschattung aufgetreten sei, sei die Miete um 10% gemindert.
Der Kläger hat die Beklagte, die auch Vermieterin der Wohnungen des
Nachbargrundstückes ist, auf Entfernung in Anspruch genommen.
Im November 2006, nach Zustellung der Klage, wurde die Sichtblende entfernt
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit wegen der Entfernung der Sichtblende in der
Hauptsache erledigt ist,
festzustellen, dass die Anbringung der Sichtblende eine Minderung des
Mietgebrauches darstellt und ihn zu einer Minderung von 10% berechtigt, ferner, die
Beklagte zu verurteilen, an ihn 207,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit 20.11.2006 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Sichtblende sei von den Mietern der Wohnung angebracht worden, der Kläger möge
sich deshalb mit seinem Anliegen an diese richten.
Eine Mietminderung sei auf keinen Fall gerechtfertigt, denn der Mietgebrauch sei durch
die Sichtblende nicht beeinträchtigt gewesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, soweit die Feststellung der Hauptsachenerledigung beantragt
wird, denn die ursprünglich auf Entfernung der Sichtblende gerichtete Klage war
begründet.
Gem. § 535 BGB hat der Vermieter während der Mietzeit die Mietsache in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Erhaltungspflicht
betrifft nicht nur die Wohnräume im engen Sinne, sondern auch das Wohnumfeld, wie
das Treppenhaus, die zum Grundstück gehörenden Grünanlagen, Zufahrten etc.
Der Vermieter hat ferner auch dafür zu sorgen, dass Beeinträchtigungen, die nicht aus
seinem Einflussbereich stammen, wie z.B. ständiger Lärm vom Nachbargrundstück,
unterlassen werden. Der Kläger durfte sich an die Beklagte um die Entfernung auch
wenden.
Hier ist die Beklagte sogar Vermietern auch der Wohnung, deren Mieter die Sichtblende
angebracht haben
Insbesondere nach Vorlage der Fotos im Termin ist das Gericht davon überzeugt, dass
mit der Anbringung der Sichtblende zur Grundstücksgrenze hin eine Veränderung der
vertraglich vereinbarten Situation einherging. Tatsächlich hat die Sichtblende den freien
Ausblick über das Grundstück und die großzügige und begrünte Hofanlage verhindert.
Zwar fällt der Blick des Klägers zunächst auch auf die Terrasse der Nachbarn, darüber
hinaus ist er jedoch nicht behindert. Der freie "Blick ins Grüne" ist auch als
Wohnungsmerkmal anzusehen, denn es ist schon erheblich, ob z.B. aus zwei Räumen
der Wohnung auf Häuserwände oder eine Grünfläche gesehen wird. Wenn dieser Blick
verbaut wird, ist dies als eine Veränderung des vertraglich vereinbarten Zustandes
anzusehen. Dem Mieter steht insoweit ein Beseitigungsanspruch zu. Dadurch, dass die
Mieter der Nachbarwohnung die Sichtblende entfernt haben, ist die Klage
gegenstandslos geworden. Sie wäre sonst erfolgreich gewesen, denn gewichtige Gründe,
die Sichtblende zu belassen, hat die Beklagte auch nicht vorgetragen.
Bei der Bemessung der Minderung war jedoch zu berücksichtigen, dass die
Sichtbehinderung lediglich an einer Seite des Ausblickes vorhanden war und dass auch
hauptsächlich nur die Küche davon betroffen war. Der freie Blick nach vorn und nach
links aus dem Fenster war weiterhin gegeben. Die Mittagssonne steht in den hier
fraglichen Monaten auch meist so hoch, dass eine erhebliche Verschattung nicht
eingetreten sein kann. Die Minderung des Wohngebrauchs sieht das Gericht deshalb als
unerheblich an. Eine unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit begründet eine
Mietminderung jedoch nicht, § 536 BGB.
Die Beklagte schuldet aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gem. § 286 BGB die anteilig
aus den Klageantrag zu 1. und im Rechtsstreit nicht anrechenbaren Anwaltskosten gem.
Vorbemerkung 3 Abs.4 VV RVG. Als Gebührenwert ist jedoch für die Entfernung der
Sichtblende lediglich ein Betrag von 300,00 Euro in Ansatz zu bringen. Dies entspricht
einer 0,65 Geschäftsgebühr von 16,25 Euro, zuzüglich postpauschale und
Mehrwertsteuer ist ein Betrag von 22,62 Euro an den Kläger als Schadensersatz zu
erstatten.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 818,53 Euro festgesetzt, wobei auf den
Klageantrag zu 1. 300,00 Euro und auf den Klageantrag zu 2. 518,53 Euro (10 %ige
Minderung für die Dauer von 7 Monaten) entfallen.
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