Urteil des AG Charlottenburg vom 26.09.2002

AG Charlottenburg: örtliche zuständigkeit, fristlose kündigung, agb, allgemeine geschäftsbedingungen, wichtiger grund, kündigungsfrist, warnung, vertragserfüllung, zukunft, sammlung

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Gericht:
AG Charlottenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
237 C 58/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 305c BGB, § 307 BGB, § 314
BGB
Fristlose Kündigung durch den Mobilfunkteilnehmer: Erhöhung
der Minutenpreise als wichtiger Grund; Preisanpassungsklausel
ohne Einräumung eines Kündigungsrechts
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der am 26. September 2002 geschlossene Mobilfunkvertrag
der Parteien ... aufgrund einer außerordentlichen Kündigung seit dem 7. Februar 2007
nicht mehr besteht.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des erkennenden
Gerichts gegeben. Denn der Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage ist in der
Regel dort, wo die gegenläufige Leistungsklage zu erheben wäre und bei Erhebung einer
Zahlungsklage wegen der Gebühren ergäbe sich die hiesige örtliche Zuständigkeit aus
den §§ 29 Abs. 1 ZPO, 269 Abs. 1 BGB, weil der Kläger bei Vertragsschluss unter der
Anschrift ... also im hiesigen Gerichtsbezirk, wohnte (vgl. hierzu Zöller – Vollkommer, 26.
Aufl., § 29 ZPO Rz. 17 und 23 sowie Zöller – Greger, a. a. O., § 256 ZPO Rz. 20).
Die Klage ist auch begründet.
Die fristlose Kündigung des Klägers vom 30.1.2007 ist jedenfalls – wie beantragt – zum
7.2.2007 für wirksam zu erachten. Das Gericht hat bereits mit Verfügung vom 14.5.2007
darauf hingewiesen, dass dem Kläger ein Sonderkündigungsrecht gemäß Ziffer 15 der in
den Mobilfunkvertrag vom 26.9.2002 einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGB) zustand. Nach dieser Bestimmung besteht nämlich ein Sonderkündigungsrecht
des Kunden allgemein für den Fall der Änderung von Entgelten, wobei in der Klausel
keine Beschränkung auf bestimmte Entgelte vorgenommen wird. Da auch die Entgelte
für die Sonderrufnummern in den Preislisten der Beklagten veröffentlicht sind, handelt es
sich auch hierbei um "Entgelte der ..." im Sinne von Ziffer 15 ihrer AGB. Unklarheiten
bzw. Zweifel bei der Auslegung insoweit gehen gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der
Beklagten als Verwenderin der AGB. Mangels (rechtzeitiger) Änderungsmitteilung der
Beklagten im Sinne der genannten Bestimmung, die die Preise für Sonderrufnummern
unstreitig bereits Ende 2006 ohne schriftliche Mitteilung an ihre Kunden erhöht hat,
besteht das Sonderkündigungsrecht jedenfalls zum 7.2.2007.
Es kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht festgestellt werden, dass ihre
ursprünglich in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen Stand Dezember 2001 nicht mehr gelten würden, sondern die
AGB Stand März 2004 bzw. Juli 2006 inzwischen Vertragsbestandteil geworden wären.
Denn andere Allgemeine Geschäftsbedingungen könnten nur nachträglich durch
Änderungsvertrag im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB unter Beachtung der
Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB einbezogen worden sein, wobei die Beklagte den
Kläger ausdrücklich auf die Neufassung ihrer AGB hätte hinweisen und ihm den
geänderten Text mit drucktechnischer Hervorhebung der Neufassung oder
entsprechender Erläuterung hätte zugänglich machen müssen (vgl. Münchener
Kommentar – Basedow, 5. Aufl., § 305 BGB Rz. 77). Die Beklagte hat jedoch nicht
vorgetragen, wann und in welcher Form sie dem Kläger die Möglichkeit verschafft haben
soll, anlässlich der Vertragsverlängerungen vom 6.7.2004 und 27.7.2006 in zumutbarer
Weise von dem abgeänderten Inhalt ihrer AGB gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Kenntnis
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Weise von dem abgeänderten Inhalt ihrer AGB gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB Kenntnis
zu nehmen.
Im Übrigen wäre die fristlose Kündigung des Klägers vom 30.1.2007 auch dann für
wirksam zu erachten, wenn von der Geltung der AGB der Beklagten Stand Juli 2006
ausgegangen würde. Denn dem Kläger stand jedenfalls ein fristloses Kündigungsrecht
aus § 314 BGB zu, weil die Beklagte durch eine einseitige erhebliche Erhöhung der Preise
für Sonderrufnummern ohne entsprechende Information ihrer Kunden ihre Pflichten aus
dem Mobilfunkvertrag verletzt hat und dem Kläger unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist
nicht zugemutet werden kann. Die Voraussetzungen des § 314 Abs. 2, 3 BGB sind erfüllt.
Denn unstreitig erfuhr der Kläger erst Ende Januar 2007 zufällig aufgrund einer Warnung
der Verbraucherzentrale Baden – Württemberg, dass die Beklagte sich seit November
2006 weigert, die Verbindung zu Sonderrufnummern zu den vertraglich vereinbarten
Tarifen abzurechnen und anstelle der vereinbarten Tarife einheitlich 0,69 Euro pro Minute
verlangt. Auf entsprechende Nachfrage des Klägers bestätigte die Beklagte diese
Tatsache und verweigerte ernsthaft und endgültig die vereinbarungsgemäße
Vertragserfüllung, indem sie sich darauf berief, Preise für "Nebenleistungen" könne sie
jederzeit auch ohne Zustimmung der Kunden ändern. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus
dem Mobilfunkvertrag der Parteien verletzt, weil eine einseitige Erhöhung von Entgelten
auch nach Maßgabe von Ziffer 13 der AGB der Beklagten Stand Juli 2006 nicht möglich
ist. Die Klausel unter Ziffer 13 dieser AGB ist nämlich gemäß § 307 Abs. 1 BGB für
unwirksam zu erachten. Denn sie gestattet dem Verwender Preiserhöhungen nach
freiem Belieben, wobei der Kunde über eine Änderung von Entgelten für
"Nebenleistungen" noch nicht einmal zu informieren ist (vgl. zu
"Preisanpassungsklauseln" Palandt – Grüneberg, 66. Aufl., § 309 BGB Rz. 8 ff.). Im
Übrigen müsste die Preisanpassungsklausel auch zwingend ein Lösungsrecht des
Verbrauchers vorsehen, welches noch vor der Preiserhöhung ausgeübt werden kann (vgl.
BGH NJW 07, 1054, 1056), was die Beklagte hier gerade in Abrede stellt. Da sich die
Beklagte gegenüber dem Kläger darauf beruft, auch in Zukunft die Tarife für die Anwahl
von Rufnummern mit der Vorwahl 0180 sowie für weitere, noch nicht näher spezifizierte
"Nebenleistungen" jederzeit und beliebig ändern zu können, ohne ihn darüber zu
informieren, erscheint die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der
ordentlichen Kündigungsfrist für den Kläger unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen unzumutbar, da er sich jederzeit darauf gefasst machen muss, ohne
entsprechenden Hinweis der Beklagten auch noch weitergehend erhöhte Tarife in
Rechnung gestellt zu bekommen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713
ZPO.
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