Urteil des AG Brandenburg vom 23.05.2007

AG Brandenburg: hinreichender tatverdacht, in dubio pro reo, wider besseres wissen, alkohol, ermittlungsverfahren, anklageschrift, vollzug, gespräch, anonymität, konkretisierung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Gericht:
AG Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 Ds 426 Js 1848/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 164 Abs 1 StGB, § 204 Abs 1
StGB
Eröffnung des Hauptverfahrens; Fehlen eines hinreichenden
Tatverdachts
Tenor
In der Strafsache … wird die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen
a b g e l e h n t .
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die
Staatskasse.
Gründe
I.
Den Angeschuldigten wird mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom
23.05.2007 vorgeworfen, am 22.11.2004, 23.08.2005, 05.09.2005, 12.04.2006 und
07.07.2006 in Brandenburg an der Havel einen anderen wider besseren Wissens bei
einer Behörde einer rechtswidrigen Tat und der Verletzung einer Dienstpflicht in der
Absicht verdächtigt zu haben, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen,
wider besseren Wissens in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache
behauptet zu haben, welche denselben verächtlich zu machen und in der öffentlichen
Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, als Zeuge vor Gericht falsch ausgesagt zu
haben.
Die Anklageschrift legt den Angeschuldigten im einzelnen Folgendes zur Last:
Zu 1.:
Am 22.11.2004 gegen 10:00 Uhr fand in der in der Anton-Saefkow-Allee 22 in
Brandenburg an der Havel gelegenen JVA Brandenburg ein Gespräch zwischen den drei
Angeschuldigten, der Zeugin M. und dem Zeugen K. statt. In diesem Gespräch wurden
die Zeugen H., S., D., K. und H. von den Angeschuldigten nach vorausgegangener
gemeinschaftlicher Absprache untereinander des Einschleusens von Alkohol, Drogen,
Handys und anderen Gegenstände in die JVA Brandenburg bezichtigt.
Wie von den Angeschuldigten beabsichtigt, wurde gegen die Zeugen H., S., D., K. und H.
ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
eingeleitet. In diesem Verfahren wurden die Angeschuldigten mehrfach als Zeugen
vernommen.
Zu 2.:
In der richterlichen Vernehmung am 23.08.2005 vor dem Ermittlungsrichter des
Amtsgerichts Brandenburg an der Havel gab der Angeschuldigte W. nochmals an, der
Zeuge K. würde Handys und Alkohol in die Anstalt bringen und dem Zeugen H. in dessen
Haftraum in der VA III übergeben. Weiterhin hätte ihm der Zeuge H. in der Zeit März
2004 bis zur Jahreswende 2004/2005 mehrfach Gegenstände mitgebracht.
Zu 3.:
Der Angeschuldigte M. äußerte in seiner richterlichen Vernehmung am 05.09.2005 vor
dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel erneut, der Zeuge
H. handele mit Handys und beziehe diese vom Zeugen K..
Zu 4.:
In seiner richterlichen Vernehmung vom 12.04.2006 vor dem Ermittlungsrichter des
Amtsgerichts Brandenburg an der Havel sagte der Angeschuldigte M. abermals aus, der
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Amtsgerichts Brandenburg an der Havel sagte der Angeschuldigte M. abermals aus, der
Zeuge H. betreibe einen Handel mit Handys, Drogen und Alkohol, wobei Drogen und
Alkohol von den Zeugen H. und D., sowie die Handys von dem Zeugen K. in die JVA
geschmuggelt werden.
Zu 5.:
Der Angeschuldigte P. bestätigte in seiner richterlichen Vernehmung am 07.07.2006 vor
dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel den Drogenhandel
mit Kokain des Zeugen H., sowie das Einschmuggeln von Gegenständen durch den
Zeugen H.. Er gab weiterhin an, der Zeuge H. würde die Ware vom Zeugen K. beziehen
und seine Schwester K. würde immer den Schnaps besorgen.
Aufgrund von Widersprüchlichkeiten, fehlender Tatkonkretisierung und mehrfacher
Aussageverweigerung durch die Angeschuldigten wurde das Verfahren gegen die
Zeugen H., S., D., K. und H. am 13.12.2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Angeschuldigten wussten in allen Fällen, dass die Vorwürfe nicht der Wahrheit
entsprechen. Sie erhofften so eine Verlegung in den offenen Vollzug zu erreichen.
II.
Ein hinreichender Tatverdacht besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der
Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung (Kleinknecht/Meyer- Goßner 45. Auflage, §
203 Rn 2). Ein hinreichender Tatverdacht ist nach allgemeiner Ansicht mit der
Begründung zu verneinen, wenn nach der Aktenlage bei den gegebenen
Beweismöglichkeiten am Ende das Gericht nach dem Grundsatz in dubio pro reo
freisprechen wird (BayObLG NStZ 1983, 123).
So liegt der Fall hier:
Der BGH hat in dem Beschluss vom 01-09-1987 - 5 StR 240/86 (Ergangen auf
Vorlagebeschluss des OLG Hamburg s. NStZ 1988, 81 ) zur Strafbarkeit bei einer
falschen Verdächtigung gem. § 164 StGB Folgendes grundsätzlich ausgeführt:
Der BGH gelangt zu folgendem grundsätzlichen Ergebnis:
„…Wer wider besseres Wissen ein falsches Beweismittel oder Beweisanzeichen für die
rechtswidrige Tat eines anderen vorbringt, erfüllt den Tatbestand des § 164 I StGB nicht,
wenn der andere die rechtswidrige Tat (möglicherweise) begangen hat….„ (vgl. NStZ
1988, 82).
Die Erwägungen zum Einstellungsvermerk (Bl. 1- 6 d. A.) zeigen, dass zwar
widersprüchliche Aussagen der Angeschuldigten existieren und daher dass
Ermittlungsverfahren gegen die seinerzeit Beschuldigten H., K., S. und D. eingestellt
wurden. Die angeordneten Nachvernehmungen (s. Bl. 4 d. A.) vor dem
Ermittlungsrichter hatten insoweit auch keine für eine Erhebung der Klage hinreichende
Konkretisierung der Tatmodalitäten erbracht. Ausweislich der Vermerke des
Ermittlungsrichters (s. z. B. Bl. 25 d. A) ist dies aber erklärlich, da die Anonymität der
hier Angeschuldigten und seinerzeitigen Zeugen nicht gewahrt werden konnte und auf
dem Vorführbogen die Stellung als „Zeuge im Ermittlungsverfahren gegen S. und H.„
vermerkt war. Diese vom Ermittlungsrichter getroffene Feststellung korrespondiert mit
dem Aussageverhalten des Angeschuldigten P. als Zeuge, der Angst vor „Repressalien
in der Justizvollzugsanstalt“ hatte. Gleiches gilt für die Zeugen M. und W. (Bl. 26- 29 d.
A.). Damit kann nach der Aktenlage nicht aufgeklärt werden, ob die Taten nicht
möglicherweise doch begangen wurden. Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des
BGH wäre aber eine solche Feststellung zu treffen.
Eine Hauptverhandlung verspricht hier keine anderen Erkenntnisse, so dass es auch
keiner Hauptverhandlung bedarf, um festzustellen, „ob noch bestehende Restzweifel
gerechtfertigt sind„. Allein auf widersprüchliche Aussagen kann eine Verurteilung ohne
hinzutretende weitere Indizien nicht gestützt werden. Im Übrigen ist auch das in der
Anklage vorgetragene Motiv durch die (Zeugen-) Aussage W. (Bl. 65) ganz offensichtlich
aus dem Zusammenhang des übrigen Aussageinhalts entnommen. W. hat gerade nicht
gesagt, die Angaben seien unwahr, weil er in den offenen Vollzug wollte. Die Aussage
lautete: „… Ich kann nur betonen, dass unsere damaligen Angaben alle stichhaltig
waren….„ . Die Aussage ist offensichtlich so zu lesen, dass sich W. von der Aufdeckung
der Straftaten Vollzugslockerungen versprochen hat und sich deshalb von P. „verleiten„
ließ; später aber wegen befürchteter Represalien hiervon Abstand genommen hat.
Anders ist auch der Vermerk des Ermittlungsrichters nicht zu verstehen.
23
24
25
Aus den gleichen Gründen erscheint ein hinreichender Tatverdacht wegen uneidlicher
Falschaussage bzw. Verleumdung nicht gegeben.
III.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher gemäß § 204 Abs. 1 StPO aus
tatsächlichen Gründen abzulehnen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum