Urteil des AG Brandenburg vom 14.03.2017

AG Brandenburg: mittelwert, wohnung, stadt, vermieter, beweislast, mietzins, grundeigentum, ausstattung, abgabe, prozess

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Gericht:
AG Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
34 C 174/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 558 BGB, § 558a Abs 4 BGB
Wohnraummiete: Beweislast des Vermieters bei
Mieterhöhungsbegehren über dem Mittelwert der Mietenspanne
des qualifizierten Mietspiegels
Leitsatz
Macht ein Vermieter eine Mieterhöhung über den im qualifizierten Mietspiegel der Stadt
angegebene Mittelwert der Mietspiegelspanne (§ 558a Abs. 4 BGB) - d. h. im oberen Bereich
der Spanne - geltend und gibt es keine weiteren Orientierungshilfen, so muss der Vermieter
auch darlegen und ggf. beweisen, dass eben diese Wohnung Merkmale aufweist, die über
dem Mittelwert im oberen Bereich der Mietspiegelspanne liegen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete von bisher monatlich
200,40 Euro netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung über den von ihr bereits
vorprozessual anerkannten Betrag von 215,43 Euro netto auf nunmehr monatlich
232,46 Euro netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung mit Wirkung ab dem 01.07.2006
zuzustimmen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 32%, die Beklagte 68% zu tragen.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Wert des Streitgegenstandes des Verfahrens wird auf insgesamt 300,60 Euro
festgesetzt.
Tatbestand
Eines Tatbestandes bedarf es in dieser Sache , da ein Rechtsmittel gegen dieses
Urteil unzweifelhaft zulässig ist (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 495a ZPO
unter Beachtung von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat sowie die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4
Nr. 1 ZPO) und zudem die Partei durch das Urteil mit mehr als 600,00 Euro
beschwert ist (§ 511 Absatz 4 Nr. 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten gemäß § 558 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung von bisher monatlich 200,40 € netto bzw. von
den bereits vorprozessual anerkannten 215,43 € netto auf nunmehr 232,46 € netto kalt
mit Wirkung zum 01.07.2006.
Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 20.04.2006 ist formwirksam. Es ist
gemäß § 558a Abs. 1, § 126b BGB in Textform erklärt und unter Bezugnahme auf den
qualifizierten Mietspiegel der Stadt Brandenburg an der Havel für 2002 begründet
worden. Da bei Abgabe und Zugang des Mieterhöhungsverlangen vom 20.04.2006 nur
der qualifizierte Mietspiegel 2002 veröffentlicht war, hatte die Klägerin ihr
Erhöhungsverlangen auf diesen zu stützen. Die gesetzlichen Anforderungen an die
Textform wahrt das Mieterhöhungsverlangen im Übrigen. Dass das Wohnmerkmal
„Teilmarkt des nach dem 02.10.1990 umfassend sanierten Wohnraumes der Baujahre
1949 bis 02.10.1990 in mittlerer Wohnlage bei mittlerer Ausstattung“ bei der hier
streitbefangenen Wohnung vorliegt, ergibt sich zum einen aus den nunmehr unstreitigen
Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen der Klägerin im Jahre 1997 und ist
darüber hinaus jetzt wohl auch zwischen den Parteien unstreitig. Nicht zu beanstanden
ist auch, dass das Mieterhöhungsverlangen selbst keine Ausführungen zur
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ist auch, dass das Mieterhöhungsverlangen selbst keine Ausführungen zur
Spanneneinordnung in Bezug auf das herangezogene Mietspiegelfeld macht. Dieses ist
gemäß § 558a Abs. 4 Satz 1 BGB nämlich nicht erforderlich (
BGB bei einem Mietspiegel, der - wie hier der qualifizierte Mietspiegel der Stadt
Brandenburg an der Havel - Spannen enthält (hier für den Teilmarkt des nach dem
02.10.1990 umfassend sanierten Wohnraumes der Baujahre 1949 bis 02.10.1990 und
einer Wohnfläche von 40 qm bis 80 qm, mittlerer Ausstattung und mittlerer Wohnlage
in Höhe
), wenn die vom Vermieter verlangte Miete noch
innerhalb dieser Spanne liegt. Damit soll berücksichtigt werden, dass die Einordnung
einer Wohnung in den Mietspiegel eine Wertungsfrage ist, die so oder auch anders
in: Schmidt-Futterer 2007, § 558a BGB,
Rdn. 38
Das Mieterhöhungsverlangen ist aber nur teilweise begründet.
Die begehrte Miete übersteigt die ortsübliche Vergleichsmiete zwar nicht, auch wenn für
die Beurteilung der Frage, ob die verlangte Miete ortsüblich ist, der inzwischen
2006
per 01.07.2006 begehrt und dieser Mietspiegel die im Mai 2006 üblichen
Vergleichsmieten ausweist (
). Enthält ein einschlägiger Mietspiegel Spannen, so ist das Mieterhöhungsverlangen
zunächst ausreichend begründet, wenn die mit der Mieterhöhungserklärung verlangte
Miete sich innerhalb dieser Mietspiegelspanne bewegt. Die nähere Einordnung des
Mietobjektes der Spanne ist (noch) nicht erforderlich; diesbezügliche Angaben
sind jedoch für die spätere Zustimmungsklage - wie nunmehr hier - unerlässlich (
Spanneneinordnung nicht notwendige Angabe in der Mieterhöhungserklärung ist,
bedeutet dies doch nicht, dass die Mieterhöhungserklärung stets in materiell-rechtlicher
Ober
zutreffende Einordnung des Mietobjektes innerhalb der Spanne eines einschlägigen
Mietspiegels, insbesondere eines mit Vermutungswirkung versehenen qualifizierten
Mietspiegels ist deshalb noch vor der Abgabe der Erhöhungserklärung durch den
Vermieter zu ermitteln, um ggf. eine spätere (Teil-) Abweisung der Zustimmungsklage -
wie nunmehr hier - zu vermeiden.
4,64 Euro/m²
4,80 Euro/m²
Gesetz zwar auf einen punktuellen Wert innerhalb des Mietenspektrums ab,
sondern auf eine durch die Streubreite der üblichen Mietentgelte bestimmte
Rahmengröße. Dieser Rahmen gruppiert sich aber gerade um einen bestimmten
Mittelwert (
). Das Gericht geht insofern zunächst davon aus, dass hinsichtlich der Spannenwerte
des Mietspiegels gemäß § 558d Abs. 3 BGB die Vermutungswirkung des § 292 ZPO
eingreift. Gemäß § 558d Abs. 3 BGB wird nämlich – widerlegbar – vermutet, dass die in
einem qualifizierten Mietspiegel enthaltenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete
wiedergeben, wenn die Vorschrift des § 558d Abs. 2 BGB - wie hier - eingehalten ist.
Soweit jedoch die klagende Vermieterin die Auffassung vertritt, dass diese
Vermutungswirkung auch die Spanne betreffe, so dass vermutet werde, dass
auch der Oberwert des Mietspiegelfeldes die ortsübliche Vergleichsmiete für die konkrete
Vertragswohnung darstelle, so ist dies so richtig. Wenn ein Mietspiegel Spannen
ausweist, dann wird zwar vermutet, dass die ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb
dieser Spanne liegt (
Bewertung, die der Mietspiegel gerade mehr vornehmen kann, da er ja eine
abstrakte generelle Datenbasis ist, in die eben jede Wohnung eingeordnet werden muss.
Letztendlich wird also nur vermutet, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die
konkrete Vertragswohnung nicht höher als der Oberwert der Spanne und nicht niedriger
als der Unterwert der Spanne ist. Für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete
einer konkreten Vertragswohnung hilft die Vermutungswirkung deshalb bei den -
üblichen weiten -Spannen (hier: 4,14 €/qm bis 5,11 €/qm) gerade weiter (
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üblichen weiten -Spannen (hier: 4,14 €/qm bis 5,11 €/qm) gerade weiter (
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, sie könne bei Anwendung des Mietspiegels in jedem
Fall die maximale Spanne nach oben ausnutzen, so dass es offensichtlich für die
materielle Berechtigung der Mieterhöhung bereits ausreichen soll, dass sich das
Erhöhungsverlangen überhaupt im Rahmen des Mietspiegels hält, greift dies nach der
Feststellung, ob die verlangte Miete die ortsübliche Miete übersteigt, erfordert im
Prozess vielmehr eine konkrete Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Sinne
einer Einzelvergleichsmiete. Diese kann schon deshalb nicht in jedem Fall mit dem
höchsten Wert der Mietspiegelspanne übereinstimmen, weil die Ausweisung von
Mietzinsspannen im Mietspiegel sonst jegliche Funktion verlieren würde (
Nach der bereits zitierten Rechtsprechung (
ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb der Mietspiegelspanne durch Schätzung gemäß §
287 ZPO zu ermitteln. Dabei ist auch nicht zu beanstanden, dass das erkennende
Gericht den Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
vollständig aufklärt (§ 286 ZPO), da die Voraussetzungen des § 287 ZPO hier vorliegen.
Insoweit weist die herrschende Rechtsprechung (
ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb der im einschlägigen Mietspiegel vorgegebenen
Spanne durch Sachverständigengutachten gemäß § 286 Abs. 1, 144 Abs. 1, 402 ff. ZPO
mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden ist, der zu der Höhe der
geltend gemachten Mieterhöhung unter Berücksichtigung der als Schätzgrundlage
vorhandenen Orientierungshilfe außer Verhältnis steht. Ein Sachverständigengutachten,
das im Rahmen der Gutachtenerstellung nach Besichtigung der zu begutachtenden
Wohnung die ortsübliche Vergleichsmiete durch eine ausreichend große, repräsentative
Stichprobe vergleichbarer Wohnungen ermitteln müsste, würde einen erheblichen
Aufwand verursachen, der nur dazu diente, die Wohnung in die Mietspiegelspanne
einzuordnen. Ein solcher Aufwand ist nach der herrschende Rechtsprechung (
gerechtfertigt, wenn zusätzlich zu dem qualifizierten Mietspiegel, der nach anerkannten
wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde/Stadt und von
Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden ist (§ 558d Abs. 1
BGB), eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zur Verfügung steht. Soweit es
in der Gemeinde/Stadt einen Mietspiegel gibt, muss eine Einordnung in diesen erfolgen.
In Gemeinden, in denen zudem eine weitere Orientierungshilfe für die Einordnung zur
Verfügung gestellt wird, wird diese von den Gerichten in der Regel wohl auch zur
Einordnung benutzt, auch wenn einer solchen Orientierungshilfe keine
Vermutungswirkung zukommt (
Da es in der Stadt Brandenburg an der Havel jedoch solche Orientierungshilfen zum
Mietspiegel gibt, muss das erkennende Gericht selbständig zu einer solchen
Einordnung kommen. Dabei kommt aber dem „Mittelwert“ des Mietspiegelfeldes eine
besondere Bedeutung zu. Nach der herrschenden Rechtsprechung (vgl. u. a.:
nämlich dann vom Median (soweit angegeben) oder dem Mittelwert (arithmetisches
4,64 €/qm
das Mieterhöhungsverlangen schon wirksam ist, wenn die verlangte Miete innerhalb der
Spanne liegt. Damit soll der Streit gerade von der Zulässigkeit der Mieterhöhung in die
Begründetheit verlagert werden. Dadurch wird aber nicht zugleich gesagt, dass die
Mieterhöhung bis zum Oberwert der Mietspiegelspanne begründet ist (
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist zwar auch nach der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung nicht als bestimmter Durchschnitts- bzw. Mittelwert (arithmetisches
Mittel) von Mieten für eine bestimmte Wohnungsmerkmalskombination innerhalb des
maßgeblichen Berechnungszeitraumes zu begreifen. Vielmehr handelt es sich bei der
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maßgeblichen Berechnungszeitraumes zu begreifen. Vielmehr handelt es sich bei der
ortsüblichen Vergleichsmiete um eine durch die Mietenwirklichkeit geprägte Maßgröße,
deren Funktion, einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darzustellen,
ihre Dimensionalität bestimmt und eingrenzt, mithin geometrisch ausgedrückt „nicht
um einen Punkt innerhalb einer bestimmten Strecke, sondern um die Strecke selbst“,
wobei die „Strecke“ der Streubreite der üblichen Mietentgelte für nicht preisgebundene
Wohnungen entspricht, die in den gesetzlichen Wohnwertmerkmalen übereinstimmen
unter dem Gesichtspunkt der Vermutungswirkung keine Bedeutung zukommt
dieser Mittelwert doch der innerhalb der Spanne wohl am häufigsten verlangte –
ortsübliche – Mietzins. Insoweit handelt es sich aber gerade um den Mietzins, bei dem
die in Betracht kommenden Wohnwertmerkmale (Ausstattung, Beschaffenheit und Lage)
wohl zunächst als „durchschnittlich“ anzusehen sind. Der im Bereich des
zulässigen Rahmens liegende Mietzins kann dann aber auch dann vom Vermieter
verlangt werden, wenn diese Vergleichsmerkmale bei der konkreten Wohnung als
durchschnittlich eingeordnet werden können (
hier im Prozess darzulegen und ggfs. zu beweisen. Es entspricht nämlich einem
allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei der Behauptung eines Anspruchs die Beweislast
- ebenso wie die Darlegungslast - grundsätzlich denjenigen trifft, der - wie hier die
Klägerin - den den erhöhten, d. h. hier über den „Mittelwert“ liegenden Anspruch
geltend macht. Die Klägerin traf hier insofern sowohl die Beweislast als auch die
Darlegungslast für die insofern rechtsbegründenden Tatsachen und die Beklagte
lediglich die Darlegungs- und Beweislast für evtl. rechtshindernde Tatsachen (
soweit die Klägerin hier eine Mieterhöhung dem Mittelwert des Mietspiegels von
der Beklagten begehrt hat. Im Zivilrecht ist nämlich als Beweislastprinzip der Grundsatz
anerkannt, dass jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, auch die
Voraussetzungen des ihr Rechtssatzes zu beweisen hat (
des Beweisrechts hatte dementsprechend hier die Klägerin die rechtsbegründenden
Tatsachen zu beweisen, soweit sie eine Zustimmung der Beklagten diesen
Mittelwert von 4,64 €/qm begehrt.
Die in Anspruch genommene Beklagte musste hingegen diejenigen Umstände darlegen
und ggf. beweisen, die entweder dem über den Mittelwert geltend gemachten höheren
Anspruch der Klägerin ggf. entgegen gestanden hätten (
diesem Mittelwert rechtfertigen würde. Insoweit musste die Beklagte hier aus selbigen
Gründen darlegen und beweisen, dass die vergleichbare Netto-Miete ihrer Wohnung - wie
von ihr behauptet - diesem Mittelwert der Spanne von 4,64 €/qm liegt. Der im
unteren Bereich des zulässigen Rahmens liegende Mietzins ist nämlich ebenfalls auch
dann heranzuziehen, wenn die Vergleichsmerkmale der Wohnung als
durchschnittlich eingeordnet werden müssen.
Diesen jeweiligen Beweis hat hier aber weder die Klägerin noch die Beklagte erbracht, so
dass der Klägerin hier gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zustimmung in der
4,64 €/qm
der Klägerin gegenüber der Beklagten hier eine Erhöhung der Nettomiete von bisher
monatlich 200,40 Euro netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung über den von ihr bereits
vorprozessual anerkannten Betrag von 215,43 Euro netto auf nunmehr monatlich
232,46 Euro netto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung mit Wirkung ab dem 01.07.2006 zu.
Im Übrigen ist die Klage jedoch abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits stützt sich auf §§ 91 und 92 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 und
713 ZPO.
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