Urteil des AG Bonn vom 28.01.2010

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Amtsgericht Bonn, 102 C 100/09
Datum:
28.01.2010
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
102. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
102 C 100/09
Schlagworte:
Ersatz Mietwagenkosten, Schwacke-Mietpreisspiegel
Normen:
BGB § 249
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 823,91 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 92,35 Euro seit
dem 01.03.2009 und aus 731,56 Euro seit dem 13.07.2009 zu zahlen.
Wegen der weitergehenden Forderung wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über
dem jeweils vollstreckbaren Betrag abwenden, wenn nicht die Klägerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
TATBESTAND:
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Bei der Klägerin handelt es sich um ein Autovermietungsunternehmen, bei der
Beklagten um eine Versicherung, die auch Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherungen
vertreibt. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht hinsichtlich zweier
Versicherungsfälle, für die die Beklagtenseite unstreitig dem Grunde nach zu 100 %
eintrittspflichtig ist.
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Es handelt sich um 1.) Schadenfall L L1-I, Verkehrsunfall vom 08.01.2009 in C,
Mietdauer 12.01. bis 16.01.2008.
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Wegen des Inhalts des Anmietvertrages wird auf Bl. 17 d. A. verwiesen.
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Die Klägerin hat unter dem 16.01.2008 Rechnung über insgesamt 672,97 Euro erteilt.
Wegen des Inhalts dieser Rechnung wird auf Bl. 16 d. A. verwiesen.
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Auf diesen Schadensbetrag hat die Beklagte 580,62 Euro bezahlt. Zahlungen des
offenen Restbetrages in Höhe von 92,35 Euro begehrt die Klägerin mit der vorliegenden
Klage.
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2.) Schadenfall I1 T, Verkehrsunfall vom 12.05.2009 in C, Mietdauer 12.05. bis
23.05.2009. Wegen des Inhalts dieses Vertrages wird auf Bl. 20 d. A. verwiesen.
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Über ihre Leistungen hat die Klägerin unter dem 03.06.2009 Rechnung über insgesamt
1.661,51 Euro erstellt. Wegen des Inhalts dieser Rechnung wird auf Bl. 19 d. A.
verwiesen.
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Auf diese Rechnung hat die Beklagte 900,00 Euro gezahlt. Zahlung des Restbetrages in
Höhe von 761,51 Euro begehrt die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
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Die Parteien streiten darüber, ob die von der Klägerin berechneten Kosten die
erforderlichen Mietwagenkosten im Sinne von § 249 BGB des Geschädigten darstellen.
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Die Klägerin trägt vor, als geeignetes Mittel zur Ermittlung der erforderlichen Mietkosten
sei die Schwacke-Liste (Automietpreisspiegel) ein geeignetes Mittel. Unter
Berücksichtigung von Grund- und Tagespreis nach der Schwacke-Liste, eines
pauschalen Aufschlages von 25 % sowie der angesetzten Nebenkosten sei im Fall L1-I
ein Betrag von 728,00 Euro als erforderliche Mietwagenkosten anzusetzen. Der
Rechnungsbetrag der Klägerin liege hier unter diesem Betrag.
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Was den Schadensfall T betrifft, so betrügen die erforderlichen Mietwagenkosten unter
Zugrundelegung der Schwacke-Liste nach Grundpreis, pauschalem Aufschlag von 25 %
und Nebenkosten insgesamt 1.679,13 Euro. Auch hier liege der von der Klägerin
berechnete Betrag unter diesem Betrag.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 853,86 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 92,35 Euro seit dem
01.03.2009 und aus 761,51 Euro seit dem 13.07.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, die Schwacke-Liste sei nicht als Schätzungsgrundlage geeignet.
Vielmehr seien die erforderlichen Mietwagenkosten unter Zugrundelegung einer Studie
des Fraunhofer-Institutes zu ermitteln. Auch seien die Geschädigten nicht auf eine
Zustellung und Abholung des Mietfahrzeuges angewiesen gewesen. Es werde
bestritten, dass die Mietfahrzeuge überhaupt zugestellt bzw. abgeholt worden seien.
Kosten für einen Zusatzfahrer würden üblicherweise überhaupt nicht berechnet. Ein
Aufschlag in Höhe von 25 % sei nicht berechtigt. Schließlich hätten die Geschädigten
problemlos ein Fahrzeug durch Vorlage einer Kreditkarte bzw. Hinterlegung einer
entsprechenden Kaution preiswerter anmieten können. Ein Zuschlag für Winterreifen sei
nicht gerechtfertigt, da ohnehin sämtliche Fahrzeuge mit Winterreifen ausgerüstet seien.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
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Die Klage ist - bis auf einen geringen Betrag - begründet. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes kann ein Geschädigter von einem Schädiger und dessen
Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den
Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich
denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig
halten dürfe. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der
Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm
zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg der
Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass der Geschädigte von mehreren, auf
dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarife für die
Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen
Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv
erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht
alleine deshalb gegen seine Pflicht zur Schadens-geringhaltung, weil er ein
Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem "Normaltarif"
teuer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation
einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen
des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und
infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Was die
Berechtigung der Abrechnungen nach dem Unfallersatztarif angeht, so muss bei der
Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die
Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Fall nachvollzogen werden.
Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der
Vermietung ein Unfallgeschädigter allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter
Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt.
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Der Bundesgerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass gegen die Ermittlung des
Normaltarifs auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-
Mietpreisspiegels" keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Dem schließt sich das
Gericht an. Auch in den vorliegenden Fällen stellt der Schwacke-Mietpreisspiegel eine
geeignete Schätzgrundlage für die Ermittlung der Mietwagenkosten dar.
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Hingegen hält das Gericht die von der Beklagtenseite herangezogene Untersuchung
des Fraunhofer-Institutes nicht als Schätzgrundlage geeignet.
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Wesentlicher Grund für die Auffassung des Gerichtes ist, dass Grundlage des vom
Fraunhofer-Instituts gestellten Marktpreisspiegels eine Erhebung von Daten über
Telefon und Internet sind. Ermittelt sind die Preise auf der Grundlage einer einwöchigen
Vorbuchungsfrist.
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Dieserart ermittelten Preise spiegeln nicht die Realität wieder, der sich ein
Unfallgeschädigter bei der Anmietung eines Kraftfahrzeuges gegenüber sieht. Ein
Unfallgeschädigter benötigt in der Regel unverzüglich - so vorliegend auch im
Schadensfall T - ein neues Fahrzeug. In der konkreten Situation der Anmietung eines
Fahrzeuges stehen einem Unfallgeschädigten regelmäßig nicht die Möglichkeiten einer
Recherche über Internet zur Verfügung. Ein Unfallgeschädigter ist auch nicht in der
Lage, die Tatsache seines Unfalls eine Woche im Voraus vorherzusehen. Ein
Unfallgeschädigter ist vielfach adhoc nicht in der Lage, eine Sicherheit zu leisten oder
eine Kreditkarte vorzulegen. Es ist allgemein bekannt, dass Buchungen über Internet zu
geringeren Preisen erreicht werden können als solche unmittelbar bei einem
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Vertragspartner, weil bei Buchungen über Internet die Aufwendungen eines Anbieters
von den Leistungen weniger kostenintensiv sind. Auch ist ein Anbieter von Fahrzeugen
bei einer Vorbuchungsfrist von einer Woche in erheblich besserem Umfange in der
Lage, die Verfügbarkeit seiner Fahrzeuge zu steuern. Dadurch durfte es möglich sein,
den Fuhrpark kleiner zu halten und hierdurch geringere Kosten zu haben. Das Gericht
sieht deshalb die Ermittlungen des Fraunhofer-Institutes nicht als geeignete Grundlage
für eine Schadensschätzung an.
Entsprechend kann die Klägerin für die Schadensfälle Vergütung nach dem Schwacke-
Modus entsprechend ihrer in der Klageschrift vorgenommenen Berechnung verlangen.
Sie kann auch einen pauschalen Aufschlag auf den Grundpreis verlangen, wobei sie
spezifische Kostenpositionen nach Schadensfällen getrennt hinreichend dargelegt hat.
Allerdings ist nach der mittlerweile überwiegenden Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts in Köln, dem sich das Gericht anschließt, ein pauschaler Aufschlag
lediglich Höhe von 20 % angemessen, was bei der weiter unten vorzunehmenden
Berechnung zu berücksichtigen war.
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Die Klägerin kann desweiteren die Zusatzkosten für Voll/Teilkasko verlangen, weil ein
verständiger Geschädigter solche Kosten in Anspruch nehmen würde. Solche Kosten
sind im Normaltraif der Schwacke-Liste nicht enthalten.
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Im Fall L1-I kann die Klägerin auch den Ansatz der Kosten für Winterreifen verlangen.
Die Berechtigung für den Ansatz dieser Kosten wird von der überwiegenden
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln als berechtigt angesehen. Soweit die
Beklagte vorträgt, solche Kosten würden nicht immer angesetzt, so können einzelne
Lockvogelangebote an der Regel nichts ändern.
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Zustellungskosten sind offensichtlich angefallen, was sich aus den jeweiligen
Mietverträgen ergibt, den nicht am Sitz der Klägerin sondern im Fall L1-I am Sitz der
Mieter und im Fall T offensichtlich am Sitz einer Werkstatt abgeschlossen worden sind.
Auch gegen den Ansatz von Kosten für einen zusätzlichen Fahrer bestehen keine
Bedenken. Ein solcher zusätzlicher Fahrer war in beiden Fällen Vertragspartner der
Klägerin.
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Es ergibt sich damit folgende Berechnung:
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Im Fall L1-I ist von einem pauschalen Aufschlag von 20 % und nicht von 25 % und damit
von 72,00 Euro und nicht von 90,00 Euro auszugehen. Es ergeben sich damit
erforderliche Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 710,00 Euro. Da der von der
Klägerin berechnete Betrag von 672,97 Euro unter dem Betrag liegt, stellt dieser
jedenfalls die erforderlichen Mietwagenkosten dar. Hier kann die Klägerin die
verbleibende Differenz von 92,35 Euro erstattet verlangen.
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Was der Fall T betrifft, so ergibt ein pauschaler Aufschlag von 20 % 190,26 Euro und
nicht wie von Klägerseite ausgerechnet 237,83 Euro. Es ergeben sich damit
erforderliche Mietwagenkosten von insgesamt 1.631,56 Euro Verlangen. Die Rechnung
der Klägerin liegt mit 1.661,51 Euro um 29,95 Euro über diesem Betrag. Diesen
überschießenden Betrag kann die Klägerin nicht verlangen. Dieser stellt keine
erforderlichen Mietwagenkosten mehr dar.
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Die berechtigte Klageforderung summiert sich folglich auf insgesamt 823,91 Euro.
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Erstattung dieses Betrages nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe aus einem Betrag von
92,35 Euro seit dem 01.03.2009 sowie aus einem Betrag von 733,56 Euro seit dem
13.07.2009 verlangen. Spätestens mit diesen Zeitpunkten ist die Beklagte mit der
Zahlung in Verzug gekommen, was sich aus den in der Rechnung gesetzten
Zahlungsfristen ergibt.
Wegen des geringfügig weitergehenden Betrages war die Klage abzuweisen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Ziffer 11, 711
ZPO.
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Streitwert: 853,86 Euro.
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