Urteil des AG Bonn vom 25.03.2010

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Amtsgericht Bonn, 103 C 315/09
Datum:
25.03.2010
Gericht:
Amtsgericht Bonn
Spruchkörper:
103. Zivilabteilung
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
103 C 315/09
Schlagworte:
Internetkauf,Lieferung,Bordsteinkante,Verwendungsart
Normen:
BGB §§133,157,433 II
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden,
wenn nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Am 30.09.2008 bestellte die Beklagte bei dem von der Klägerin unter der
Internetadresse www.m.de deren Inhalt mit dem Stand 25.02.2010 in Bezug genommen
wird, betriebenen Internetshop ein Sofa des Typs U. Die Parteien vereinbarten dabei
einen Kaufpreis von 1.299,00 Euro zuzüglich Lieferkosten in Höhe von 179,00 Euro und
Nachnahmekosten in Höhe von 40,00 Euro. Am 07.10.2008 leistete die Beklagte eine
Anzahlung in Höhe von 259,80 Euro. Am 19.12.2008 erfolgte die Anlieferung des Sofas
bei der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten verweigerte jedoch dessen
Annahme und bestand darauf, dass das Sofa in seinen Geschäftsraum gebracht wird.
Auch ein später unterbreitetes Angebot, das Sofa noch einmal bis zur Bordsteinkante zu
liefern, lehnte die Beklagte ab. Mit Schreiben vom 20.01.2009 trat die Klägerin daraufhin
von dem geschlossenen Vertrag zurück. Anschließend versuchte sie, das Sofa
bestmöglich an einen Dritten zu verkaufen, wobei sie über die Internetplattform f einen
Kaufpreis von 312,00 Euro erzielte.
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Die Klägerin meint, die Beklagte sei ihr zur Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem
vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis abzüglich der
geleisteten Anzahlung sowie zur Zahlung der Versandkosten und der vorgerichtlich
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entstandenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Vertragsbestandteil sei unter anderem
eine Versandbedingung geworden, nach der der Versand des Sofas ausschließlich per
Spedition ebenerdig bis zur Bordsteinkante oder Haustür erfolgt. Dazu behauptet sie,
dass die Versandbedingungen auf der Website www.m.com über das Untermenü
Versand abrufbar seien, und zwar auch zum Zeitpunkt der Bestellung durch die
Beklagte. Die Internetseite sei insoweit heute nicht anders aufgebaut als im
Bestellzeitpunkt. Darüber hinaus sei die Beklagte auf die vorgenannte
Versandbedingung noch einmal per E-Mail vor der eigentlichen Versendung informiert
worden. Zudem entspreche es der üblichen Praxis, Möbel lediglich bis zur
Bordsteinkante zu liefern. Dies gelte insbesondere dann, wenn, wie hier, ein
Gewerbetreibender Möbel für seinen Gewerbebetrieb bestelle. Dies ergäbe sich auch
aus §§ 412, 421 HGB.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 727,20 Euro nebst Verzugszinsen hieraus
seit dem 05.05.2009 nach einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen;
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weitere 179,00 Euro nebst Verzugszinsen hieraus seit dem 05.05.2009 nach
einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank zu zahlen
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weitere 192,90 Euro nebst Verzugszinsen hieraus seit dem 05.05.2009 nach
einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank zu zahlen
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, dass das Sofa in der falschen Farbe geliefert worden sei. Sie
habe das Sofa in der Farbe Creme-Beige bestellt, geliefert worden sei es in der Farbe
schwarz. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die von der Klägerin in Bezug
genommene Versandbedingung im Zeitpunkt der Bestellung durch die Beklagte auf der
Internetseite abrufbar gewesen sei.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Bonn aufgrund des
Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 24.11.2009 örtlich zuständig.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Die mit der Klage geltend gemachten
Zahlungsansprüche gegen die Beklagte stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt zu. Insbesondere ergibt sich kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280
Abs. 1, Abs. 2, 286, 249 BGB, denn die Beklagte hat keine Pflicht verletzt.
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Wie auch beim Annahmeverzug gilt beim Schuldnerverzug, dass der Schuldner mit der
Annahme im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB nur dann in Verzug gerät, wenn ihm der
Kaufgegenstand ordnungsgemäß angeboten wird. An einem solchen
ordnungsgemäßen Angebot fehlt es, denn die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, das
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Sofa am Verwendungsort, also in den Geschäftsräumen der Beklagten, anzubieten.
Haben die Parteien bei einem Internetkauf die Versendung der Kaufsache durch den
Verkäufer ohne weitere Absprachen vereinbart, schuldet der Verkäufer aufgrund dessen
die Lieferung der Sache bis an den Verwendungsort und nicht lediglich bis zur
Bordsteinkante, §§ 133, 157 BGB. Mit der Vereinbarung einer Versendung durch den
Verkäufer bringt der Käufer zum Ausdruck, dass er gerade von dem mit einem Transport
zusammenhängenden Umständen befreit werden will. Dieser auch für den Verkäufer
erkennbare Wille würde nicht realisiert, müsste der Käufer einen Teil des Transportwegs
doch auf sich nehmen. Wenn der Verkäufer dann ohne weitere Einschränkungen den
Transport zusagt, darf der Käufer aus Sicht eines objektiven Empfängers darauf
vertrauen, dass er von der Transportpflicht insgesamt befreit wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 346 HGB. Zwar stellt der zwischen den
Parteien geschlossene Vertrag ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 HGB dar, doch
existiert kein Handelsbrauch, nach dem eine Lieferung des Sofas lediglich bis zur
Bordsteinkante geschuldet gewesen wäre. Ein dahingehender Handelsbrauch ist von
der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin (vgl. Ebenroth u.a./Joost, HGB,
2. Aufl., § 346 Rn. 24) schon nicht substantiiert vorgetragen worden.
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Entgegen der Annahme der Klägerin stehen dem dargelegten Grundsatz, wonach der
Transport bis an den Verwendungsort zu erfolgen hat, auch die §§ 412, 421 HGB nicht
entgegen. Die vorgenannten Paragraphen betreffen Pflichten aus und im
Zusammenhang mit einem Frachtvertrag im Sinne des § 407 HGB. Sie beziehen sich
deshalb primär auf das Verhältnis zwischen dem Versender und dem Frachtführer. Nach
diesen Vorschriften trifft die Pflicht zur Entladung im Zweifel den Versender, nicht dem
Empfänger, § 412 Abs. 1 HGB (vgl. dazu etwa OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2008, Az.
18 U 98/07 = BeckRS 2009 03903). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 421
HGB. Die dort angesproche Ablieferung ist ein zweigliedriger Akt, der den Übergang der
Sachherrschaft von dem Frachtführer auf den Empfänger beschreibt (vgl. Koller,
Transportrecht, 6. Aufl., § 425 HGB Rdnr. 24). Eine Sache ist abgeliefert im Sinne des §
421 HGB, wenn der Frachtführer den vollständigen Besitz und Gewahrsam an dem Gut
mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten
wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut
auszuüben (vgl. OLG Hamm aaO.). Für die Bestimmung des Ortes, an dem die Sache
dem Käufer anzubieten ist, lässt sich dementsprechend § 421 HGB nichts entnehmen.
Dieser Ort richtet sich nach der Vereinbarung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer
bzw. – bezogen auf einen Frachtvertrag – zwischen dem Versender und dem
Empfänger.
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Die Parteien haben weiter auch keine vertragliche Vereinbarung getroffen, nach der
eine Lieferung lediglich bis zur Bordsteinkante geschuldet war. Insbesondere sind die
dahingehenden Versandbedingungen der Klägerin nicht Vertragsbestandteil geworden.
Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbeziehung ist zwar nicht an den
Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB zu messen, § 310 Abs. 1 S. 1 BGB.
Voraussetzung der Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingung ist aber auch im
Rechtsverkehr zwischen Unternehmen jedenfalls, dass vorformulierten Klauseln
rechtsgeschäftslich in das Vertragsverhältnis einbezogen wurden. Eine ausdrückliche
Einbeziehung in diesem Sinne erfolgte nicht. Die Voraussetzungen einer konkludenten
Einbeziehung liegen nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob es im Rechtsverkehr
zwischen Unternehmen grundsätzlich ausreicht, wenn sich auf der Internetseite, über
die eine Bestellung vorgenommen wird, eine Button befindet, mit dem auf Allgemeine
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Geschäftsbedingungen verwiesen wird und über den diese Bedigungen eingesehen
werden können (vgl. dazu BGH NJW 2006, 2976 bezogen auf Verbrauchergeschäfte). In
jedem Fall müsste nämlich ein solcher Verweis das Klauselwerk klar und unzweideutig
bezeichnen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 305 Rn. 52). Der Verwender muss
erkennbar auf seine AGB verweisen (vgl. OLG Bremen, NJOZ 2004, 2854 (2856)).
Diesen Anforderungen wird die Internetseite der Klägerin im Hinblick auf die
Versandbedingungen nicht gerecht. Dort befindet sich ein Link mit der Bezeichnung
"AGB", über den Allgemeine Geschäftsbedingungen abgerufen werden können. Diese
Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten allerdings keine den Versand
betreffende Klausel. Auf der Internetseite befindet sich sodann ein weiterer Link mit der
Bezeichnung "Versandkosten". Schon die Bezeichnung dieses Links legt nahe, dass
hier tatsächlich lediglich die Kosten des Versands aufgezeigt werden. Folgt man diesem
Link, finden sich dort tatsächlich zunächst nur Ausführungen zu Zöllen, Steuern und den
Kosten eines Versands. Erst wenn der Leser dort nach unten scrollt, gelangt er zu einem
Absatz mit der Überschrift "Versandbedingungen", unter der sich der von der Klägerin
angegebene Text befindet. Ein solche versteckte Klausel hinter einem Link, dessen
Bezeichnung einen solchen Hinweis nicht erwarten lässt, wird jedenfalls dann nicht
Vertragsbestandteil, wenn sich auf der Internetseite gleichzeitig ein Link mit der
Bezeichnung "AGB" befindet, hinter dem diese Klausel nicht aufgeführt ist. Dabei kann
dahinstehen, ob die in Frage stehende Klausel auch überraschend im Sinne des § 305c
Abs. 1 BGB ist. Jedenfalls wird sie bei einer solchen Gestaltung nicht wirksam
einbezogen. Der Nutzer der Internetseite darf nämlich darauf vertrauen, dass die hinter
dem Link "AGB" zu findenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließend sind.
Er muss nicht damit rechnen, dass sich hinter einem weiteren Link, dessen
Bezeichnung dies zudem nicht nahe legt, weitere Klauseln befinden, und zwar
unabhängig davon, ob der Nutzer Verbraucher oder Unternehmer ist. Gleiches gilt auch
in Bezug auf einen weiteren, mit "Versand" betiteltem Link auf der Internetseite der
Klägerin. Dieser in der linken Spalte befindliche, durch die Farbauswahl in den
Hintergrund gerückte Link verweist auf die Seite, die auch über den Link
"Versandkosten" zu erreichen ist. Auch hier legen weder Gestaltung des Links noch
dessen Bezeichnung nahe, dass sich hinter ihm eine weitere Vertragsbedingung
befindet. Auch dieser Link ändert dementsprechend nichts daran, dass der Kunde
darauf vertrauen darf, dass die hinter dem Link "AGB" aufgeführten Klauseln
abschließend sind. Dies gilt schließlich auch für den weiteren Link, der von der
Unterseite "AGB" abzweigt. Am Ende dieser Unterseite, noch nach dem Punkt
"Schlussbestimmungen", findet sich unter anderem die Textpassage: "Weitere Infos zum
Versand: HIER KLICKEN". Erneut vermitteln weder Bezeichnung noch Gestaltung des
Links den Eindruck, dass sich hinter ihm weitere Vertragsbedingungen verbergen.
Vertragsbestandteil wurde die fragliche Vertragsbedingung schließlich auch nicht
dadurch, dass ihr Inhalt in der E-Mail, die die Klägerin der Beklagten angeblich im
Vorfeld der Versendung übersandt hat, wiedergegeben ist. Dabei kann dahinstehen, ob
der Inhalt dieser E-Mail überhaupt geeignet gewesen wäre, den Inhalt des zuvor
geschlossenen Vertrags zu beeinflussen. Jedenfalls hat die Beklagte nämlich den
Zugang dieser E-Mail wirksam bestritten, ohne dass die Klägerin Beweis angetreten
hätte.
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Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Versandkosten gegen die
Beklagte. Der Versendung des Sofas an die Beklagte ist spätestens mit der
Aussonderung des Sofas durch die Klägerin zur Stückschuld und durch den
Weiterverkauf an einen Dritten mit der der sich aus § 326 BGB ergebenden Rechtsfolge
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unmöglich geworden.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr vorgerichtlich
entstandenen Rechtsanwaltskosten. Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht ein
dahingehender Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
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Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO, diejenige
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: bis 1.200,00 Euro
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