Urteil des AG Bochum vom 22.10.2008

AG Bochum: erfüllungs statt, wiederherstellung, vergütung, berechtigung, zedent, preiskontrolle, abtretung, unfall, pauschalierung, taxe

Amtsgericht Bochum, 42 C 241/08
Datum:
22.10.2008
Gericht:
Amtsgericht Bochum
Spruchkörper:
42. Abteilung des Amtsgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
42 C 241/08
Tenor:
hat das Amtsgericht Bochum
gemäß § 495 a ZPO
im schriftlichen Verfahren
am 22. 10. 2008
durch den Richter am Amtsgericht
für R e c h t erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Absatz 1
ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen weiteren Anspruch auf
Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, 3 PflVG, 398, 823,
249 BGB in Höhe von 101,71 €.
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die Schadensfolgen aus
dem Verkehrs-unfall vom 13.02.2008 steht außer Streit.
Der Kläger ist aktiv legitimiert. An der Vornahme der Abtretung an
Erfüllungs Statt vom 14.02.2008 bestehen angesichts der vorgelegten
Abtretungsurkunde keine Zweifel. Außerdem hat die Beklagte an den
Kläger bereits die geltend gemachte Schadensposition
„Sachverständigenkosten“ zum Großteil beglichen, so dass ihr jetziges
Bestreiten der Aktivlegitimation ohne nähere Begründung
widersprüchlich ist.
Insbesondere verstößt die Abtretung im Gegensatz zur
Rechtsauffassung der Beklagten nicht gegen § 134 BGB i. V. m. Artikel 1
§ 1 Abs. 1 S. 1 RBerG. Denn der Zedent hat die vermeintliche Forderung
– wie dargelegt - an Erfüllungs Statt an den Kläger abgetreten mit der
Folge, dass seine Schuld vollständig erloschen ist, ohne dass das
Einziehungsrisiko des Zessionars hierauf irgend einen Einfluss hätte.
Damit ist der Schutzbereich des Rechtsberatungsgesetzes verlassen,
weil der Abtretungsempfänger keine fremde, sondern eine eigene
Angelegenheit besorgt (Rennen/Calibe, RBerG, Rn. 51 zu Art. 1 § 1
m.w.N.).
Die Beklagte kann nicht erfolgreich einwenden, dass der Erwerb von
Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung unter
die Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 S.1 der 5. AVO zum RBerG fällt, wenn
er geschäftsmäßig erfolgt. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung
des BVerwG, dessen überzeugender Begründung sich das erkennende
Gericht anschließt, mangels gesetzlicher Grundlage nichtig (BVerwG
NJW 2003, 2767).
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur
Wiederherstellung der beschä-digten Sache erforderlichen Geldbetrag
zu zahlen.
Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des
zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages zu befriedigen und
nicht etwa vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten.
Der tatsächliche Aufwand bildet zwar bei der Schadensschätzung nach
§ 287 ZPO auch einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur
Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne der Vorschrift des § 249
BGB. Jedoch ist der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig
mit dem zu ersetzenden Schaden identisch.
Insbesondere kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht
von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich
eingegangenen Verbindlichkeiten abhängig gemacht werden (vgl. BGH
NJW 2007,1450). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur
Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das
Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle
durchzuführen.
Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (BGH,
a.a.O.).
Dabei kann der Geschädigte jedoch als erforderlichen
Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom
Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich den-kenden Menschen in
der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig
und angemessen erscheinen (BGHZ 115, 364, 369). Zwar ist der
Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm
zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen
Sachverständigen ausfindig zu machen. Jedoch verbleibt das Risiko bei
ihm, wenn er ohne nähere Erkundigung einen Sachverständigen
beauftragt, der sich später im Prozess „als zu teuer erweist“ (BGHZ 163,
362, 367 f).
Nach diesen Grundsätzen kommt es deshalb nicht darauf an, ob eine
zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen getroffene
Preisvereinbarung wirksam ist oder nicht. Ebenso ist es nicht von
Bedeutung, welche Vergütung bei fehlender Honorarvereinbarung
zwischen Geschädigtem und dem Sachverständigen von diesem nach
„billigem Ermessen" gem. § 315 BGB bestimmt werden könnte.
Maßgeblich ist vielmehr, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten
Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen
Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen
halten.
Nach dem einschlägigen Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs
(BGHZ 167, 139 – 150, 10. ZS, fortgeführt vom 6. ZS am 23.01.2007,
NJW 2007, 1450) ist für die Be-messung der Vergütung des
Sachverständigen mangels tatsächlicher Absprache nach § 632 BGB
eine eventuell vorliegende Taxe bzw. die übliche Vergütung
maßgeblich, wobei eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene
Pauschalierung grundsätzlich zulässig ist.
Eine konkrete Honorarvereinbarung liegt nicht vor.
Zumindest in Standardfällen - wie dem vorliegenden - erscheint es dem
Gericht geboten, die Höhe der Sachverständigengebühren nach § 287
ZPO zu schätzen, um den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand zu
ermitteln.
In rechtsirriger Weise vertritt der Kläger dagegen die Auffassung, dass er
einem Ge-schädigten jeden x-beliebigen Betrag als Honorar in
Rechnung stellen kann, ohne dass das Gericht berechtigt sei, die Höhe
seines Honorars zu überprüfen. Indem der Kläger sich auf den
Standpunkt stellt, dass für die Berechtigung seines Anspruchs lediglich
Voraussetzung ist, ob eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach
besteht, der Ge-schädigte einen Sachverständigen beauftragen durfte
und ob er von der Erforderlichkeit der Gutachterkosten ausgehen konnte,
verkennt er den Inhalt der genannten Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 23.1.2007 (NJW 2007, 1450). Wenn der
Kläger schon wortwörtlich zitiert: "Wahrt der Geschädigte bei der
Einholung des Gutachtens den Rahmen des zur Wiederherstellung
Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im
Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen ...
Das gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars" , so hätte er
erkennen können und müssen, dass zur Schlüssigkeit der
Klageforderung zwangsläufig auch die Darlegung der Wahrung des
Rahmens des zur Wiederherstellung Erforderlichen gehört, also die
Berechtigung gerade des hier in Streit stehenden Betrages von 375,45 €
als zu Wiederherstellung erforderlich. Gleichwohl verhält sich die Klage
lediglich über theoretische Ausführungen und wäre damit auf jeden x-
beliebigen Betrag, der einem Geschädigten in Rechnung gestellt würde,
anzuwenden.
Der Kläger hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch
insoweit missverstanden, als er die Auffassung vertritt, dass die
Einholung eines Sachverständigengutachtens oder eine
Schadensschätzung nach § 287 ZPO nicht der Überprüfung der
einzelnen Positionen der Sachverständigenrechnung dienen dürfe,
sondern nur der Frage, ob der Geschädigte gegen seine Verpflichtung
zur Geringhaltung des Schadens verstoßen hat, indem er gerade diesen
von ihm ausgewählten Sachverständigen beauftragt hat.
Die Frage eines Mitverschuldens, also eine von Amts wegen zu
berücksichtigende Frage, lässt sich jedoch nicht durch eine
Schadensschätzung, die allein die Höhe einer Schadensersatzforderung
betreffen kann und nicht den Schadensgrund (so auch das
Sachverständigengutachten), beantworten.
Wenn also nach der zitierten BGH-Rechtsprechung der Geschädigte nur
den erforder-lichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 BGB ersetzt
verlangen kann, kann es nicht streitig sein, dass auch Berücksichtigung
finden muss, welche Honorare andere Sachverständige für ähnliche
Gutachten verlangen.
Nach der gerichtsbekannten Tabelle des Bochumer Sachverständigen-
Büros Liermann ergäbe sich bei einem Brutto-Reparaturkostenaufwand
bis 1000,-- € ein Grundhonorar von 115 € netto, eine Stadtfahrpauschale
in Höhe von 30 € netto, Fotokosten von 37,20 Euro netto, Schreibkosten
in Höhe von 27,50 Euro, zuzüglich der Mehrwertsteuer von 39,84 € ein
Gesamthonorarbetrag von 249,54 Euro. Bei dem in der Nachbarstadt
Dortmund ansässigen Kraftfahrzeugsachverständigenbüro hätte der
Zedent für das Gutachten knapp 279 € zahlen müssen.
Zu einem anderen Ergebnis kommt das erkennende Gericht auch nicht
bei einer Schätzung auf der Grundlage der von der Beklagtenseite
vorgetragenen (der Kläger hat seiner Rechtsauffassung entsprechend
eine andere Schätzungsgrundlage nicht vor-gebracht) Ergebnisse der
Verhandlungen u.a. der Beklagten und dem Sachverständi-genverband
BVSK 2005/2006.
Auch danach hat der Kläger das vorgeschlagene Honorar, das eine
Nebenkostenpau-schale bestehend aus den Fotokosten, Schreibkosten,
Porto- und Telefonkosten und einem Grundanteil Fahrtkosten sowie
MWSt enthält, bei einem geschätzten Repara-turaufwand von 835,43 €
mit seiner Liquidation indes erheblich überschritten, sodass sein
Honoraranspruch zu reduzieren war, mit der Folge, dass der von der
Beklagten gezahlte Betrag von 273,74 Euro völlig ausreichend war, um
die Position Sachverstän-digenkosten als erforderlichen
Wiederherstellungsaufwand ausreichend zu erfüllen.
Soweit der Kläger sich noch auf ein Urteil des Oberlandesgerichts
Düsseldorf 16.6.2008 beruft, muss gesehen werden, dass dieses Urteil
zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer des
Schädigers erging und deshalb auf § 255 BGB zurückgegriffen wurde.
Im Schadensersatzprozess des Sachverständigen selbst als Zessionar
gegen den Schädiger ist dieser Umweg entbehrlich.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713
ZPO.
Die Zulassung der Berufung entsprechend den Anträgen der Parteien
war nicht veranlasst, da das erkennende Gericht auf der Grundlage der
höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden hat und davon nicht
abgewichen ist.