Urteil des AG Bernau vom 14.03.2017

AG Bernau: grundstück, see, steg, pflicht zur duldung, widerklage, einwilligung, rechtliches gehör, duldungspflicht, ddr, unterlassen

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Gericht:
AG Bernau
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 C 356/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 903 BGB, §
985 BGB, § 1004 BGB
Grundstückseigentum: Feststellung des Eigentümers eines
Seegrundstücks, zu dem ein Steg gehört; Pflicht zur Duldung
des Betretens des Stegs
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die auf dem W.see Grundstück Gemarkung W.see Flur ...,
Flurstücke 32, 36, 37, 40, 41, 43, 44, 45, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54 und 56 (Flurstück
31 alt) befindliche Steganlage, gelegen jenseits der nordwestlichen Grundstücksgrenzen
des Flurstücks des Beklagten (Gemarkung W., Flur .., Flurstück 9/2) sich vollständig im
Eigentum der Klägerin befindet.
2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück der Klägerin
Gemarkung W., Flur ..., Flurstücke 32, 36, 37, 40, 41, 43, 44, 45, 47, 48, 49, 50, 51, 52,
53, 54 und 56 (Flurstück 31 alt) zu betreten, soweit es nordwestlich an das Grundstück
des Beklagten Gemarkung W., Flur ..., Flurstück 9/2 anschließt, und nicht Wasserfläche
des W.sees darstellt.
3. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen die jenseits der nordwestlichen
Grundstücksgrenzen des Grundstücks der Beklagten Gemarkung W., Flur ..., Flurstück
9/2 befindliche, in den W.see hineinragende Steganlage, zu betreten und zu benutzen.
4. Dem Beklagten wird angedroht, dass gegen ihn für jeden Fall der Zuwiderhandlung
gegen die Punkte zu 2. und 3. des Tenors dieses Urteils ein Ordnungsgeld bis zu
250.000.- € oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Für die Klägerin jedoch nur gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000.- €. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
8. Der Streitwert für die Klage beträgt 2.000.- €.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung und Unterlassung in Anspruch. Der
Beklagte nimmt die Klägerin ebenfalls auf Feststellung in Anspruch.
Die Klägerin ist Eigentümer des Grundstücks „die Wasserfläche Der W.see„ mit der
.
Aus der Grundbucheinsicht des Dezernenten am 13.3.2007 ergab sich, dass das
ursprüngliche Flurstück der Klägerin „31„ bereits zerlegt wurde in die Flurstücke 32, 36,
37, 40, 41, 43, 44, 45, 47, 48 – 54 und 56. Auf Blatt wird 221 f. verwiesen.
Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks Flur ... Flurstück 9/2. Sein Grundstück wird
begrenzt in Richtung W.see von den Grenzsteinen 32 , 29,28 und 33 (Bl. 106). Der
Beklagte kaufte das vorgenannte Grundstück m Jahre 2002 von der TLG. Das
„Seegründstück„ wurde im Rahmen der Bodenreform 1949/1951 enteignet und in das
Eigentum des Volkes überführt. Der Rat der Gemeinde W. war ab 1952 Rechtsträger. Die
Klägerin erwarb der Folgezeit, firmierend als T. das Seegründstück. Im Kaufvertrag vom
1.7.2003 zur Urkundsrolle des Notars M. erklärte die Klägerin:
„(...) Dem Käufer ist bekannt, dass die Nutzung des Kaufgegenstandes in Form
des Betriebes einer Badestelle vom Gemeingebrauch erfasst ist (...).„
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„(...) Der Käufer übernimmt alle anderen ..öffentlichen Lasten, die zur Eintragung
in das Grundbuch nicht geeignet sind. Gleiches gilt... für Nutzungsrechte Dritter.„
Die Rechtsvorgänger des Beklagten errichteten befugtermaßen eine Steganlage am
See, der dort ins Wasser führt. Der Steg ist durch Pfähle mit dem Seegrund fest
verbunden. Die Klägerin bot den Anliegern den Kauf von Vorzugsaktien, die die weitere
Nutzung des Steges sichern sollte, an. Der Beklagte lehnte dies ab. Den Abschluß eines
Pachtvertrages lehnte der Beklagte ebenfalls ab. Am 15.9.2006 fand ein
Vermessungstermin mit den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren P. und M.
statt. Auf die Grenzniederschrift auf Blatt 105 ff. wird verwiesen. Aus der
Inaugenscheinnahme des Gerichts am 24.10.2006 ergab sich, dass die
wiederhergestellten Grenzpunkte 32 und 33 zwischen den Grundstücken der Klägerin
und des Beklagten nicht direkt am Seeufer bzw. der Uferlinie liegen, sondern durch einen
ca. 25 m breiten mit Erde und Anpflanzungen bedeckten Uferstreifen. Der
Sachverständige P. teilte mit, dass die Grenzpunkte 33 und 32 bereits vor 1907 so
festgestellt waren und nunmehr nur „wiederhergestellt„ worden seien. Auf das
Terminsprotokoll vom 24.10.2006 (Bl. 118 ff.) wird verwiesen.
Die Anlieger sind von der Fa. S., mit Boots- und Steggebühren belegt worden. Auf Blatt
208 wird verwiesen.
Die Klägerin behauptet, die Steganlage sei nach 1976 errichtet worden.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die auf dem W.see (Grundstück Gemarkung W.see Flur ...,
Flurstück 31 befindliche Steganlage, gelegen jenseits der nordwestlichen
Grundstücksgrenzen des Flurstücks des Beklagten (Gemarkung W., Flur ..., Flurstück 9/2)
sich vollständig im Eigentum der Klägerin befindet; 2. den Beklagten zu verurteilen, es zu
unterlassen, das Grundstück der Klägerin Gemarkung W., Flur ..., Flurstück 31 zu
betreten, soweit es nordwestlich an das Grundstück des Beklagten Gemarkung W., Flur
..., Flurstück 9/2 anschließt, und nicht Wasserfläche des W.sees darstellt; 3. den
Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen die jenseits der nordwestlichen
Grundstücksgrenzen des Grundstücks der Beklagten Gemarkung W., Flur ..., Flurstück
9/2 befindliche, in den W.see hineinragende Steganlage, zu betreten und zu benutzen; 4.
dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die
Klaganträge zu 2. und 3. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000.- € oder eine Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt er,
festzustellen, dass sich die angelandete Fläche auf dem Grundstück W., Flur ...,
Flurstück 35 ausgehend von den Grenzsteinen 32,29,28 und 33 der Gemarkung W., Flur
..., Flurstück 9/2 bis zum Ufer, Beginn der Wasserfläche W.see gemäß beigefügter
Lageskizze A-B-C-D-E-F-A, grün schraffiert, mit einer Fläche von ca. 500 qm im
Eigentum des Eigentümers des Flurstücks 9/2, dem Beklagten, befinde.
Der Beklagte behauptet, die Steganlage sei in den 1930-er Jahren mit Zustimmung des
Voreigentümers B. errichtet worden. Er beruft sich auf Verjährung und Verwirkung.
Zudem müsse sich die Klägerin die Duldung bzw. Genehmigung ihrer Rechtsvorgänger
gegen sich gelten lassen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen. Der klägerische
Schriftsatz vom 26.9.2006 ist der Beklagtenvertreterin am 11.12.2006 per EB (Bl. 140)
zugestellt worden. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung sind am 5.3. und 13.3.2007
Schriftsätze eingegangen.
Entscheidungsgründe
Klage
Antrag zu 1 (Feststellungsantrag):
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Die Feststellungsklage ist zulässige. Die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse, weil der
Beklagte, wie sich auch aus der Widerklage ergibt, die Eigentümerposition streitig macht.
Der Vorrang der Leistungsklage greift vorliegend nicht, weil die Klägerin sich nicht für
einen Leistungsantrag (Entfernung der Steganlage) entscheiden muß, zudem umfasst
der Feststellungsantrag einen anderen Streitgegenstand als der vorgenannten
Leistungsantrag. Die Klägerin hat auch ein Rechtschutzbedürfnis auch wenn sich ihre
Eigentümerposition inzident aus der Vermessung des Grundstücks ergibt. Denn der
Beklagte behauptet Rechte am Steg und Grundstück zu haben. Zudem ist ein
Grundstückseigentümer nicht gehindert, die wirkliche Grenze seines Eigentums im
Zivilrechtsweg festzustellen lassen (OVG Münster, Urteil vom 5.2.1970 Az: IX A 450/68).
Die Feststellungsklage ist auch nicht deshalb gemäß § 261 Abs.3 ZPO unzulässig, weil
etwa der Feststellungsantrag erst nach der Widerklage rechtshängig geworden ist und
beide Anträge sich ganz oder zum Teil widersprechen. Denn entgegen des Vortrags des
Beklagten ist der Schriftsatz vom 26.9.2006, indem der Feststellungsantrag zu 2
enthalten war und auf welchen die Klägervertreterin sich bei der Antragstellung am
24.10.2006 bezogen hat, zum seinerzeitigen Zeitpunkt bereits anhängig gewesen und
mit Zusendung am 11.12.2006 – belegt durch EB - rechtshängig geworden.
Die Klagänderungen sind auch zulässig, weil sich jedenfalls der Beklagte rügelos
eingelassen hatte, § 267 ZPO.
Die Anträge sind auch bestimmt. Zwar stimmt die Flurstückbezeichnung „31„ des
klägerischen Grundstücks, wie sich auch aus der Grenzniederschrift des Herrn P. (Bl.
105) und der Grundbucheinsicht vom 13.3.2007 ergibt, nicht mehr mit der tatsächlichen
Grundbuchlage überein. Am 13.3.2007 ist das ursprüngliche Flurstück bereits in weitere
Flurstücke, wie aus dem Tenor und dem Tatbestand ersichtlich, zerlegt. Auf die
Änderung der Flurstückbezeichnung hat das Gericht die Rechtsanwälte der Parteien am
13.3.2007 fernmündlich hingewiesen. Einen Anlaß wegen der für den Rechtsstreit
unmaßgeblichen Bezeichnungsänderung des alten Flurstücks 31 gemäß § 156 ZPO in
die mündliche Verhandlung einzutreten, hatte das Gericht nicht.
Die Klägerin hat einen Feststellungsanspruch aus §§ 985, 903, 1004 BGB.
Ausweislich der Grenzabmarkung und der Inaugenscheinnahme des Gerichts ergab sich,
dass das Grundstück des Beklagten von den Grenzsteinen 32, 29, 28 und 33 zum
Grundstück der Klägerin begrenzt ist. Der Uferbereich, eine ca. 25 breite Fläche von den
Grenzpunkten aus gesehen bis zum tatsächlichen Seeufer, der Uferlinie (§ 8 BbgWG),
nämlich der Abgrenzung zwischen dem Gewässerbett und dem Ufergrundstück, gehört
dem Beklagten demnach nicht.
Die Frage, ob der Steg wesentlicher Bestandteil des Grundstücks des Beklagten ist,
braucht eigentlich keiner Entscheidung zugeführt werden. Denn in jedem Fall befindet
sich der Steg nicht auch nur zum Teil auf dem Grundstück des Beklagten. Der Beginn
des Stegs ist ausweislich der Inaugenscheinnahme ca. 25 Meter vom Grundstück des
Beklagten entfernt. In jedem Fall haben die Rechtsvorgänger nach 1976 oder in den
1930 –er Jahren, je nachdem wann der Steg errichtet wurde, ihr Eigentum an den
Baumaterialien durch Verbindung mit dem Grundstück der Klägerin Flur ..., Flurstück 31
„W.see„ an die Rechtsvorgänger der Klägerin gemäß §§ 946 ff. BGB verloren. Die noch
von der Klägerin in der Klage unter Hinweis auf BGH MDR 1967, 749 problematisierte
Frage, dass der Steg ein Scheinbestandteil des Sees sein könnte, ist angesichts der
jetzt erkenntlichen Grundstückssituation obsolet. Denn selbst wenn der Steg ein
Scheinbestandteil des Sees wäre, ist er in jedem Fall ein wesentlicher Bestandteil des
vorgelagerten Grundstücks (Uferbereich) geworden, welcher aber ebenfalls der Klägerin
gehört. Denn der Steg ist mit dem Boden fest verbunden. Eine Trennung würde zu einer
Beschädigung des Stegs führen (vgl. Palandt-Heinrichs § 94 Randnr.2).
Auf die Frage, ob dem Beklagten etwa wegen des Baus des Steges – ggfs. durch seine
Rechtsvorgänger - Schadensersatz- oder schuldrechtliche Kondiktionsansprüche aus §
951 BGB zustehen, braucht nicht nachgegangen werden, weil diese Ansprüche nicht
streitgegenständlich sind.
Auf die im rechtlichen Hinweis noch erörterte Frage, ob das PrWG Anwendung findet, ist
nur kurz einzugehen. Das PrWG ist nicht mehr Streit entscheidend, wie das Gericht in der
mündlichen Verhandlung am 27.2.2007 mitteilte. Denn eine Anlandung dürfte nicht
vorliegen. Denn der ca. 25 m breite Uferstreifen kann nicht erst nach dem Inkrafttreten
des PrWG im Jahre 1913 „angelandet„ worden sein. Dafür ist er zu breit und mit hohen
Pflanzen bewachsen.
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Selbst wenn man indes auf das PrWG abstellen würde, wäre auch nach der Anwendung
dieses Gesetzes (§ 17 Abs.3 PrWG) die Klägerin Eigentümerin der „Anlandung„. Dabei ist
der „W.see„ nicht als stehendes Gewässer zu betrachten. Denn „Teil eines Wasserlaufs„
nach § 17 Abs.2 PrWG sind auch Seen, wenn ein Wasserlauf von ihnen abfließt
(Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Das preußische Wassergesetz, Nachdruck der 3. und 4.
Auflage 1955, Band I, § 1 Anm. 6 a). Dies ist nach Einlassung des Beklagten der Fall.
Denn der See wird durch den flacheren R. See entwässert (Bl. 201).
Bei der Eigentumssituation kommt es nicht darauf an, inwieweit dem Beklagten die
Steganlage mitverkauft wurde oder die Klägerin den Kaufgegenstand im gegenwärtigen
Zustand gekauft hatte. Denn der Verkäufer des Grundstücks des Beklagten konnte nicht
verkaufen, was ihm nicht gehört. Verkäufer des Grundstücks der Klägerin und des
Beklagten waren personenverschieden. Der Steg befindet sich entgegen der
Formulierung im Kaufvertrag Ur-Nr. 152/2002 des Notars S. nicht im Uferbereich,
sondern im See bzw. auf dem alleinigen Grundstück der Klägerin. Der See gehörte nach
eigenem Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt seines Erwerbs im Jahre 2002 der Fa. B.
Der Erwerb durch die Klägerin erfolgte im Jahre 2003. Eventuelle
Schadensersatzansprüche gegen den ursprünglichen Verkäufer sind ebenfalls nicht
streitgegenständlich.
Auf eine Duldungspflicht nach §§ 1004 Abs.2, 242 BGB muß sich die Klägerin nicht
verweisen lassen. Denn die Klägerin verlangt Feststellung ihrer Eigentumsposition. Diese
kann durch eine Duldungspflicht nicht negiert werden, selbst wenn eine Duldungspflicht
der Benutzung des Stegs bzw. des Verbleibs des Stegs wegen der Duldung der
Voreigentümer der Klägerin gegeben wäre.
Soweit der Beklagte sich auf Verjährung beruft, kann dies bei dem Antrag schon nicht
greifen. Es geht um Feststellung. Wenn überhaupt könnte man über Buchersitzung nach
§ 900 BGB nachdenken. Die Voraussetzungen liegen aber ersichtlich nicht vor. Im
Grundbuch steht der Beklagte ja nun ganz bestimmt nicht für das Grundstück der
Klägerin seit 30 Jahren. Überdies ist wegen der Umzäunung des Beklagtengrundstücks
der Eigenbesitz fraglich.
Antrag zu 2 (Verbot des Betretens des Grundstücks der Klägerin):
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs.1 BGB.
Das Eigentum ist geschütztes Rechtsgut der vorgenannten §§.
Durch das unstreitige Betreten des Grundstücks zum Erreichen des Stegs beeinträchtigt
der Beklagte das Eigentum der Klägerin. Dabei ist es unerheblich, dass das der Klägerin
gehörende Ufergrundstück „verwahrlost„ ist. Denn der Eigentümer kann gemäß § 903
BGB in den Grenzen der Sozialbindung mit der Sache nach seinem Belieben verfahren
und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
Der Anspruch ist auch nicht durch § 1004 Abs.2 BGB ausgeschlossen.
Eine Duldungspflicht des Beklagten besteht nicht. Eine vertragliche Duldungspflicht
besteht schon nicht. Die Klägerin ist mit dem Beklagten in keiner Weise vertraglich
verbunden. Nicht sie, sondern die Fa. T. verkaufte das Flurstück 9/2 an den Beklagten.
Eine gesetzliche Duldungspflicht ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auf § 24 WHG ist nicht
abzustellen. Der Beklagte ist schon kein Anlieger des Sees. Ggfs. ist er gemäß § 24
Abs.2 ein „Hinterlieger„. Darüber hinaus handelt es sich bei dem WHG um ein
Bundesgesetz, welches den Länder lediglich bestimmte Regelungsbefugnisse einräumt.
Hiervon hat das Land Brandenburg mit dem BbgWG in seinem § 45 WHG Gebrauch
gemacht. § 45 BbgWG regelt den Anliegergebrauch. Das dort dem Anlieger eingeräumte
Recht die oberirdischen Gewässer ohne Erlaubnis zu benutzen, wird dem Beklagten von
der Klägerin nicht streitig gemacht. Er kann nach wie vor im See baden.
Eine Duldungspflicht aus Einwilligung ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Einwilligung setzt
einen Rechtsbindungswillen, wie jede Willenserklärung, voraus. Dieser kann bei der
behaupteten Einwilligung aus dem vorherigen Jahrhundert schon nach dem Vortrag des
Beklagten nicht vorhanden gewesen sein. Denn offenbar ging der Beklagte und wohl
seine Rechtsvorgänger fälschlicherweise davon aus, dass sein Grundstück direkt an die
Uferlinie (zum Wasser) grenzt. Einer Einwilligung des vermeintlich eigenen Grundstücks
bedurfte es ja dann nicht.
Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem erlaubten Bau der Steganlage in
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Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem erlaubten Bau der Steganlage in
den 1930-er Jahren oder nach 1976. Zwar macht der Bau eines Stegs wohl nur dann
einen Sinn, wenn man vom Ufer aus den Steg betreten kann, dazu gehört dann auch
das Betreten des Uferstücks. Indes kann sich der Beklagte, der das Grundstück ja erst
im Jahre 2002 erwarb, nicht bis zum „St. Nimmerleinstag„ auf eine Duldung oder
Einwilligung eines Voreigentümers aus den 1930-er Jahren berufen. Zudem bedeutet
eine längere Duldung noch keine Einwilligung (Palandt-Bassenge § 1004 Randnr.38). Es
muß dem Eigentümer auch möglich sein, eine neue Gestaltung vor zu nehmen und
seine Einwilligung zurückzunehmen, wie dies die Klägerin durch die Inanspruchnahme
des Beklagten bzw. des Angebots Aktien (siehe den Internetauftritt der Klägerin unter
www.w.see.de)zu erwerben, getan hatte. Die Duldung bzw. Einwilligung, die nicht auf
Vertrag beruht, ist zweifelsohne nicht unwiderruflich (vgl. Palandt aaO., OLG München
OLGZ 90,97). Wenn dies so wäre, würde dies einen groben Eingriff in das Eigentumsrecht
des Eigentümers nach Art. 14 GG bedeuten.
Eine Duldung ergibt sich auch nicht durch die Zahlung von Nutzungsgebühren. Zum
einen hat der Beklagte nicht dargetan, dass er jemals Nutzungsgebühren gezahlt hätte.
Zudem braucht sich die Klägerin die Zahlung von Boots- und Steggebühren an die
Seenfischerei P. (Bl. 208) nicht zurechnen lassen. Die Fa. S. hat mit der Klägerin oder
ihrer Rechtsvorgängerin nichts zu tun.
Selbst wenn Voreigentümer, nicht der Beklagte, Nutzungsgebühren an eine mit dem
Rechtsvorgänger der Klägerin verbundene Person gezahlt haben sollten, mag für diesen
Zeitraum während die Gebühren erhoben wurden, die Duldung des Betretens des
Grundstücks und des Stegs einher gegangen sein. Die Klägerin, als jetzige Berechtigte,
verlangt aber solche Gebühren von den Anrainern nicht, sie hat sie auch niemals vom
Beklagten verlangt. Dann gilt die Duldung oder konkludente Einwilligung nicht mehr fort.
Damit musste der Beklagte rechnen. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass er bis weit
in die Zukunft unangefochten den Steg wird benutzen können. Zudem war der Beklagte,
als „Neuerwerber„ nicht schutzwürdig. Dies ergibt sich zudem aus folgendem: die
Klägerin bietet den Anrainern Aktienoptionen aber auch Miet bzw. Pachtverträge zur
weiteren Nutzungen der Stege an. Der Beklagte könnte also auch in Zukunft wie bisher
den Steg und wohl das Überqueren des Grundstücks zum Erreichen des Stegs
benutzen. Er will die Kosten hierfür ersparen. Wenn er aber vorträgt, die Klägerin müsse
wegen der Erhebung von Gebühren in den Vorjahren (ohne selbst jemals Gebühren
gezahlt zu haben) die Steganlage hinnehmen, so setzt er sich mit seinem eigenen
Vortrag in Widerspruch. Denn auch für seine Rechtsvorgänger war ja – jedenfalls nach
seinem eigenen Vortrag- die „Duldung„ der Steganlage nur mit der Zahlung von
Gebühren verbunden. Dann ist es aber nicht einzusehen, dass der Beklagte auf einmal
ohne Gebühren die Steganlage bzw. den vorgelagerten Uferbereich nutzen darf.
Antrag zu 3 (Verbot der Benutzung des Stegs):
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs.1, 823 Abs.1 BGB. Das
zu Punkt 2 Gesagte gilt entsprechend. Da die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks
und des Stegs ist, kann sie den Beklagten von der Benutzung ausschließen.
Duldungspflichten ergeben sich – wie bereits ausgeführt - nicht.
Antrag zu 4 ( Androhung eines Ordnungsgeldes)
Gemäß § 890 Abs.1,2 ZPO kann die Androhung bereits im Urteil ausgesprochen werden
(vgl. auch Zöller-Stöber § 890 Randnr. 12 a). Die Androhung setzt eine Zuwiderhandlung
nicht voraus (Zöller aO.). Sie auf Antrag des Gläubigers, wie geschehen, auszusprechen.
Widerklage
Die Widerklage vom 26.2.2007 ist bereits gemäß § 261 Abs.3 Nr.1 ZPO unzulässig. Denn
die Widerklage hat ganz oder teilweise denselben Streitgegenstand wie die Klage (Antrag
zu 1 und 2), die bereits am 24.10.2006, jedenfalls am 11.12.2006 rechthängig wurde.
Die Behauptung des Beklagten, ihm sei der Schriftsatz vom 26.9.2006 nicht zugestellt
worden, ist, wie sich aus dem Empfangsbekenntnis auf Blatt 140 d.A. ergibt, falsch. Ob
die Klage auch wegen der mangelnden sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts bei
einem Streitwert von über 5.000.- € unzulässig ist, mag offen bleiben. Das Gericht hatte
in der mündlichen Verhandlung am 27.2.2007 auf die mangelnde Zulässigkeit wegen
anderweitiger Rechtshängigkeit hingewiesen.
Im Klagantrag zu 2 war inzidenter die Eigentumssituation des streitgegenständlichen
„Uferstreifens„ zu prüfen gewesen (s.o.). Ein Rechtschutzbedürfnis für eine erneute
Prüfung im Sinne des Beklagten ist dann nicht ersichtlich.
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Unabhängig davon hat der Beklagte aber auch keinen Feststellungsanspruch. Wie
bereits ausgeführt, gehört das streitgegenständliche Grundstück der Klägerin. Daher
und da kein Miteigentum entstanden ist, kann es nicht gleichzeitig dem Beklagten
gehören.
Zudem hat der Beklagte keinen Anspruch aus §§ 9, 5 Abs.2 BbgWG. Denn jedenfalls
erfolgte der Zuwachs der Uferlinie (§ 8 BbgWG) weit vor dem Inkrafttreten des
vorgenannten Gesetzes im Jahre 1994. Gemäß § 154 Abs.3 BbgWG greift das BbgWG
nicht für davor liegende Tatbestände ein. Für § 5 Abs.2 BbgWG folgt dies auch aus § 7
Abs.1 BbgWG.
Ein Eigentumserwerb des Beklagten (bzw. seines Rechtsvorgängers) ergibt sich auch
nicht aus dem Wassergesetz der DDR vom 2.7.1982 (GBl. Teil I vom 21.7.1982, S. 467
ff.). Unabhängig davon, dass das WasserG-DDR keine Regelungen über einen
Eigentumserwerb bei Verlandung oder Anlandung enthält (vgl. Loger/Nögel,
Brandenburgisches Wasserrecht, Erl. zu § 5 Randnr. 1, 1. Auflage 1998), kommt es
gemäß § 46 WasserG-DDR auf die vor dem Inkrafttreten des WasserG-DDR (1.10.1982- §
48) geltenden Vorschriften an, weil der Zuwachs der Uferlinie bereits vor 1900 –wegen
der Breite des Ufers- erfolgt ist. Dasselbe gilt übrigens für das Wassergesetz der DDR
aus dem Jahre 1963/Loger/Nögel aaO.).
Soweit nach Schluß der mündlichen Verhandlung Schriftsätze am 5.3. und 13.3.2007
eingegangen sind, fanden sie bei der Entscheidung nach § 296 a ZPO keine
Berücksichtigung. Die dort gemachten Ausführungen sind überwiegend
Rechtsausführungen. Es wäre der Klägerin zwar rechtliches Gehör wegen der erst kurz
vor dem Termin am 27.2.2007 eingereichten Widerklage zu geben gewesen. Die
Ausführungen der Klägerin zur Widerklage im Schriftsatz vom 5.3.2007 brauchen aber
nicht berücksichtigt werden, weil sie sich lediglich auf den Streitwert der Widerklage
beziehen. Die Entscheidung über den Streitwert der Widerklage hat das Gericht zunächst
noch zurückgestellt. Das Gericht hatte jedenfalls keinen Anlaß erneut gemäß § 156
Abs.1 ZPO in die mündliche Verhandlung einzutreten. Die Voraussetzungen nach § 156
Abs.2 ZPO hierfür liegen nicht vor.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.11, 709, 711 ZPO.
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