Urteil des AG Bergisch vom 10.07.2008

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Amtsgericht Bergisch Gladbach, 66 C 245/07
Datum:
10.07.2008
Gericht:
Amtsgericht Bergisch Gladbach
Spruchkörper:
Abteilung 66
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
66 C 245/07
Nachinstanz:
Landgericht Köln, 9 S 180/08
Tenor:
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages.
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Am 27.11.2006 bestellte die Beklagte eine Faksimileausgabe "Beschreibung und
Contrafactur der vornembster Stät der Welt" zu einem Teilzahlungspreis in Höhe von
2119,00 € (Gesamtpreis: 1.698,00 €). Das Beratungsgespräch mit dem
Abschlussvertreter A fand in der Wohnung der Beklagten statt. Die Beklagte
unterschrieb hierbei ein Bestellformular, in dem als Liefertermin "frühestens April 2007"
angegeben wurde. Überschrieben ist das Bestellformular mit "T Exklusiv ®". Des
weiteren wurde eine Teilzahlungsvereinbarung getroffen. Die Beklagte hatte hiernach
den Kaufpreis in 69 fortlaufenden Monatsraten in Höhe von 29,00 € und mit einer letzten
Rate in Höhe von 18,00 € zu entrichten. Bei Anlieferung sollte eine Anzahlung in Höhe
von 100,00 € geleistet werden. Am Ende des Formulars befindet sich eine
Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut:
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”Der Käufer kann die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben
von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der
Ware widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur
Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder
der Ware. Der Widerruf ist zu richten an: Y GmbH, Z-straße, Postfach 600, ####1
H2"
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Wegen des weiteren Inhalts des Bestellformulars wird auf die Anlage zur Klageschrift
(Bl. 5 GA) Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 11.12.2006 bestätigte die Klägerin die Bestellung. Die Lieferung der
Ware wurde in diesem Schreiben "ca. zum 01.04.2007" in Aussicht gestellt. Unter dem
19.12.2006 wurde der Beklagten dann die Lieferung innerhalb der kommenden zwei
Wochen angekündigt, die Lieferung erfolgte bereits am 18.12.2006. Mit E-Mail vom
23.12.2006 widerrief die Beklagte daraufhin den Vertrag. Mit Schreiben vom 05.01.2007
widersprach die Klägerin der Wirksamkeit des Widerrufs unter Verweis auf die 14-tägige
Widerrufrist und deren Ablauf am 11.12.2006. Am 16.02.2007 sendete die Beklagte die
erhaltene Ware zurück. Nach erneutem Zustellversuch kam es schließlich am
18.06.2007 zur endgültigen Rücksendung an die Klägerin.
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Die Beklagte leistete keine Zahlungen. Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos unter
Fristsetzung bis zum 27.12.2007 auf, den Gesamtkaufpreis zu zahlen. Mit Erhebung der
Klage hat die Klägerin die Teilzahlungsabrede gekündigt.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagten sei eine Durchschrift der Bestellurkunde nach
deren Unterzeichnung ausgehändigt worden.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.119,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinsaatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um
Zug gegen Übergabe des Werkes "Beschreibung und Contrafactur der
vornembster Stät der Welt",
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2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Klageantrag zu 1)
näher bezeichneten Bücher in Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, erstmals mit dem Schreiben vom 05.01.2007 ein Exemplar der
Bestellurkunde erhalten zu haben. Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht
aktivlegitimiert, da ausweislich der Bestellurkunde die Fa. T Exklusiv Verkäuferin sei.
Zudem meint sie, eine wirksame vertragliche Verpflichtung liege aufgrund des erklärten
Widerrufs bzw. der rechtzeitigen Rücksendung der Ware nicht vor.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht kein Anspruch gem. §§ 433 Abs. 2, 498 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf Zahlung
des Kaufpreises zu. Das Gericht hat an der Aktivlegitimation der Klägerin zwar keine
durchgreifenden Zweifel. Dies kann im Ergebnis jedoch offen bleiben. Denn die
Beklagte hat ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung mit E-
Mail vom 23.12.2006 wirksam widerrufen, § 355 BGB.
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Der Beklagten stand ein Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 501, 495 Abs. 1
BGB zu. Sie handelte als Verbraucherin gem. § 13 BGB, wohingegen die Klägerin
Unternehmerin gem. § 14 BGB ist. Weiterhin liegt zunächst ein Haustürgeschäft i.S.v.
§ 312 BGB vor. Aus dem beiderseitigen Vortrag der Parteien unter Bezugnahme auf
§ 312 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die Beklagte durch mündliche Verhandlungen im
Bereich ihrer Privatwohnung zum Abschluss des Kaufvertrages bestimmt worden ist.
Die in dem Bestellschein getroffene Teilzahlungsvereinbarung beinhaltet zudem ein
Teilzahlungsgeschäft im Sinne von §§ 501, 499 Abs. 2 BGB. Der Beklagten wurde die
Zahlung des Kaufpreises durch die getroffene Ratenvereinbarung gegen Entgelt,
nämlich durch Erhöhung des ursprünglichen Kaufpreises, ermöglicht.
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Der Widerruf ist mit der E-Mail vom 23.12.2006 form- und fristgerecht erklärt worden.
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Die von §§ 355 Abs. 1 S. 2, 126 lit. b) BGB vorgeschriebene Textform wird durch eine E-
Mail gewahrt. Eine Erklärung per E-Mail beinhaltet eine dauerhafte Wiedergabe in
Schriftzeichen (vgl. Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., § 126b Rn. 3
m.w.N.). Die Klägerin gab durch die Mitteilung ihrer Mail-Adresse in dem Schreiben vom
11.12.2006 auch zu erkennen, dass sie mit einer Übermittlung rechtserheblicher
Erklärungen auf diese Weise einverstanden war. Schließlich ist durch die Klägerin nicht
bestritten worden, dass die E-Mail die Person der Beklagten als Erklärende erkennen
ließ sowie einen Erklärungsabschluss beinhaltete. Im Übrigen hat die Beklagte von
ihrem Widerrufsrecht jedenfalls durch Rücksendung der Sache Gebrauch gemacht,
§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB.
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Die zweiwöchige Widerrufsfrist hatte zum Zeitpunkt der Erklärung bzw. der
Rücksendung der Ware noch nicht zu laufen begonnen, unabhängig von der ebenfalls
zwischen den Parteien streitigen Frage, wann der Beklagten ein Exemplar der
Bestellurkunde ausgehändigt worden war. Jedenfalls war das Widerrufsrecht mangels
ordnungsgemäßer Belehrung gem. § 355 Abs. 3 S. 3 BGB noch nicht erloschen. Gemäß
§ 355 Abs. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu welchem dem
Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm
entsprechend des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in
Textform mitgeteilt worden ist. Die der Beklagten am ausgehändigte Widerrufsbelehrung
entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Anforderung. Die von der Klägerin verwendete
Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" entspricht zwar
dem bis zum 31.03.2008 vorgesehenen Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 der
Verordnung über Informations- und Nachweispflicht nach Bürgerlichem Recht (BGB-
InfoV). Allerdings genügt diese Formulierung nicht §§ 355 Abs. 2 und 187 Abs. 1 BGB.
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So beginnt zunächst gem. § 187 Abs. 1 BGB die Widerrufsfrist nicht mit Erhalt der
Belehrung, sondern erst am darauf folgenden Tag (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67.
Aufl., § 14 BGB-InfoV, Rn. 5). Insbesondere Verstößt die Formulierung "frühestens mit
Erhalt dieser Belehrung" aber gegen § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Danach ist erforderlich,
dass dem Verbraucher seine Rechte "deutlich" gemacht werden. Es hat eine möglichst
umfassende, unmissverständliche und aus der Sicht des Verbrauchers eindeutige
Belehrung zu erfolgen, die es ihm ermöglicht, auf der Grundlage der in seinem Besitz
befindlichen Unterlagen den Beginn der Frist ohne weiteres zu erkennen (vgl. BGH
NJW 1993, 1013 ff.; NJW 1994, 1800 ff.). Für einen Rechtsunkundigen ist die
Formulierung "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" jedoch missverständlich. Sie
erweckt den Eindruck, als könnten für den Beginn der Widerrufsfrist andere, in der
Zukunft liegende Umstände maßgeblich sein. Der Verbraucher befindet sich insoweit im
Ungewissen (vgl. OLG Schleswig, MDR 2008, 254; LG Halle, BB 2006, 1817 ,1818f.;
Grüneberg, in: Palandt, BGB, 66. Aufl, 2007, § 14 BGB-InfoV, Rn. 5; Masuch, NJW 2002,
2931 f.; Ulmer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4.Aufl., 2003, § 355 Rn. 45, 52).
Die Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-InfoV (BGBl. 2008 I S. 292 ff.; vgl. hierzu
Masuch, NJW 2008, 1700 ff.) berücksichtigt dies mit einer klarstellenden
Alternativformulierung: "Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung ... " (Hevorh. d. d.
Gericht). Das fristauslösende Ereignis wird durch diese Formulierung eindeutig
bezeichnet.
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Welche Konsequenzen aus der fehlerhaften Formulierung der BGB-InfoV a. F. zu
ziehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Es wird teilweise vertreten, § 14 Abs. 1 BGB-
InfoV und dessen Anlage 2 seien nichtig, weil sie den Rahmen der
Verordnungsermächtigung des Art. 245 EGBGB überschritten und daher rechtswidrig
seien (OLG Schleswig, MDR 2008, 254; LG Halle, BB 2006, 1817; LG Koblenz, BB
2007, 239). Andere sehen die Verordnung noch von der Ermächtigung des Art. 245
EGBGB gedeckt (so Bodensiek MDR 2003, 1). Eine dritte Ansicht ist schließlich der
Auffassung, die Verordnung sei trotz der Mängel zwar grundsätzlich wirksam. Jedoch
sei dem Unternehmer der Schutz des § 14 Abs.1 BGB-InfoV zu versagen, wenn sich ein
Fehler aus dem Muster konkret zum Nachteil des Verbrauchers auswirke (vgl. LG Köln,
Beschluss vom 20.03.2007, Az.: 31 O 13/07; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., § 14
BGB-InfoV, Rn. 6 m.w.N.). Letzterer Auffassung schließt sich das Gericht an. Jedenfalls
dann, wenn sich ein Fehler konkret zum Nachteil des Verbrauchers auswirkt, ist § 14
Abs.1 BGB-InfoV a. F. nicht mehr maßgeblich, sondern die Widerrufsbelehrung an § 355
Abs. 2 S. 1 BGB zu messen. Auf diese Weise werden Sinn und Zweck des § 355 BGB
gewahrt, wonach eine deutliche Widerrufsbelehrung für den Verbraucher
sicherzustellen ist. Hiernach kann sich die Klägerin jedoch nicht auf die vormalige
Formulierung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen. Der Fehler der
Musterbelehrung hat sich für die Beklagte konkret nachteilig ausgewirkt. Bei Erhalt der
Widerrufsbelehrung war der Beginn der Widerrufsfrist nicht ohne weiteres für sie zu
erkennen. So liegen hier mehrere Umstände vor, an welche der Beginn der
Widerrufsfrist geknüpft werden könnte: Zunächst käme der Erhalt des Bestellscheines
mit Widerrufsbelehrung in Betracht. Des weiteren könnte aber auch der Erhalt der
Bestätigungserklärung vom 11.12.2006 als maßgeblich erachtet werden. Schließlich
könnte aus Verbrauchersicht aber auch die konkret vereinbarte und in dem
Bestellschein vermerkte Lieferung der Ware im April 2007 von Einfluss auf den Beginn
der Widerrufsfrist gewesen sein.
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Der Feststellungsantrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet. Mangels wirksamen Vertrages
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befindet sich die Beklagte nicht in Annahmeerzug gem. §§ 293 ff. BGB.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 2.119 €
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