Rechtsanwalt Bernd Fleischer

20354, Hamburg
Rechtsgebiete
Gewerblicher Rechtsschutz IT-Recht Urheberrecht und Medienrecht
17.04.2020

BVerfG sorgt für Klarheit im Lebensmittelrecht – Blankettstrafnorm verfassungsmäßig

Eine Blankettstrafvorschrift aus dem Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (LFGB) lässt den sachkundigen Lebensmittelproduzenten erkennen, welches Verhalten strafbar ist und genügt damit den Bestimmtheitsanforderungen des Grundgesetzes. Der enthaltene Verweis auf Vorschriften des europäischen Lebensmittelrechtes sei unproblematisch, so das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG).

 

Unsicherheiten um  Strafvorschrift

 

Genügen § 58 Abs. 3 Nr. 2 und § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot? Diese Frage hatte sich das Landgericht Stade im Verfahren um einen Lebensmittelproduzenten gestellt. Diesem wurde vorgeworfen, Schweinefleisch mit unerlaubten Knorpelanteilen ausgeliefert zu haben. Das Fleisch wäre für den Verzehr damit nicht geeignet gewesen. Zwar waren die Richter in Stade von der Schuld des Geschäftsführers überzeugt, zweifelten aber an der einschlägigen Strafvorschrift. Das BVerfG sollte nun klären, ob diese verfassungsgemäß ist.

 

Bei der einschlägigen Norm handelt es sich um eine sogenannte Blankettstrafnorm, also einer Vorschrift, bei der der Gesetzgeber die Beschreibung des Straftatbestandes durch eine Verweisung auf eine Ergänzung in demselben oder einem anderen Gesetz ersetzt. Auch eine Verweisung auf Unionsrecht ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich. Entscheidend ist aber, dass für den Normadressaten hinreichend klar erkennbar wird, worauf sich die Verweisung und damit auch die Strafbarkeit bezieht.

 

Die Frage nach dem Bestimmtheitsgebot

 

Das BVerfG hat nun geurteilt, dass sich für einen sachkundigen Lebensmittelproduzenten aus der Vorschrift durchaus ergebe, wann er sich strafbar mache und damit auch die Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit der Norm gewahrt wurden (Beschl. v. 11.03.2020 Az. 2 BvL 5/17).


Zwar gebe die Vorschrift selbst nicht direkt vor, welches Verhalten strafbar ist, sondern verweist dabei auf Vorschriften des europäischen Lebensmittelrechtes. Dieser Verweis sei verfassungsrechtlich aber unbedenklich.


Die industrielle Lebensmittelherstellung stelle einen hochtechnisierten Prozess dar und erfordere viel Sachverstand. Durch den Verweis werde die Detailarbeit und Konkretisierung der Vorgaben an den Verordnungsgeber delegiert. Dadurch solle ohne zeitlich aufwendiges Gesetzgebungsverfahren eine kurzfristige Anpassung des Rechts an sich ändernde Verhältnisse erfolgen können. Zwar werde so dem Verordnungsgeber eine weitreichende Regelungskompetenz zugesprochen. Dies sei aber auch legitim und erforderlich, so das BVerfG.

 

Produzenten wissen was verboten ist

 

Damit erfülle die Blankettstrafnorm trotz ihrer Rückverweisungs- und Entsprechungsklauseln der kompetenzsichernden Funktion des Bestimmtheitsgebotes. Eine ausreichende Klarheit für die sachkundigen Lebensmittelproduzenten sei gewährleistet; die Voraussetzungen der Strafbarkeit auf gesetzlicher Ebene noch hinreichend deutlich beschrieben. Trotz der Gesetzgebungstechnik einer Blankettstrafvorschrift werde die Grundentscheidung über eine Strafbarkeit nicht aus der Hand gegeben, betont das BVerfG.

 

Für das Verfahren in Stade bedeutet dies nun, dass die Unsicherheiten über die Strafnorm beseitigt sind und der Prozess nun weiter fortgesetzt werden kann. Dem Lebensmittelproduzenten drohen bis zu drei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe.

 

Nicht immer genug Klarheit

 

Die Unsicherheiten über eine fehlende Bestimmtheit von Blankettstrafvorschriften im Lebensmittelrecht war nicht zum ersten Mal Grundlage einer Entscheidung des BVerfG. 2016 hatte Karlsruhe ebenfalls über die Verfassungsgemäßheit einer solchen Vorschrift aus dem Rindfleischetikettierungsgesetz zu entscheiden. Angeklagt war ein Unternehmer, der in seiner Dönerproduktion gelagertes Rindfleisch nicht ausreichend etikettiert hatte. Auch hier hatte das befasste Gericht die zugrundeliegende Strafnorm wegen Zweifeln der Verfassungsmäßigkeit dem BVerfG vorgelegt.

 

Im Unterschied zum aktuellen Fall aber war damals die Blankettstrafnorm verfassungswidrig, wie das BVerfG entschied. Die Beschreibung des Straftatbestandes erfolgte auch hier über eine Verweisung auf Rechtsakte der Europäischen Union über die Etikettierung von Rindfleisch. Allerdings ließ die Vorschrift auch in Verbindung mit der Verweisung nicht hinreichend klar erkennen, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen. Die Strafvorschrift im Rindfleischetikettierungsgesetz genügte damit nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Beschl. v. 03.11.2016, Az. 2 BvL 1/15).

Weitere Informationen zum Lebensmittelrecht finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/lebensmittelrecht.html