Rechtsanwalt Dr. Timo Ehmann

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07.09.2010

OpenAccess (Teil 1): Stand der Diskussion nach der Anhörung beim BMJ

  1. Einführung in das Problem "Open Access" - worum es bei der Anhörung ging

Am 13.7.2010 fand die zweite Anhörung zum „Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft statt“ - verkürzt inzwischen stets „Dritter Korb“ genannt. In diesem Termin wurden neben dem Thema OpenAccess auch die Themen Kabelweitersendung und das sog. Kneipenrecht diskutiert. OpenAccess bildete aber den zeitlichen Schwerpunkt der Veranstaltung. Das Thema OpenAccess wurde in drei Blöcke zu den Themen Anbietungspflicht, Zwangslizenzen und Zweitverwertung unterteilt. Beim Thema OpenAccess stehen sich folgende Interessen gegenüber:
  1. Das Interesse der Autoren an größtmöglicher Verbreitung ihres Werkes.
  2. Das Interesse der Verlage eine Verbreitung nur soweit zuzulassen, wie dafür bezahlt wird.
  3. Das Interesse der Bibliotheken daran, möglichst umfassende Bestände finanzieren zu können.
Dr. Weis vom Bundesjustizministerium führte in das Thema ein und eröffnete die Veranstaltung mit der These, dass die Situation des wissenschaftlichen Publizierens aufgrund der de facto Dreifachfinanzierung durch die öffentliche Hand unbefriedigend sei: Wissenschaftliche Informationen seien dreifach finanziert, da die öffentliche Hand zuerst die Professoren bezahle, die Informationen „produzieren“, dann die Printprodukte erwerbe und schließlich beim Zugang zu Online-Datenbanken ein drittes Mal bezahle.

2. Vorgeschichte

Vor der Veranstaltung gab es Kritik von Seiten des Deutschen Hochschulverbands an den OpenAccess-Bemühungen der Allianzinitiative der Wissenschaftsverbände. Der Deutsche Hochschulverband, der bei der Anhörung nicht anwesend war (oder sich nicht zu Wort meldete) kritisierte, dass die Forderung nach einem Zweitverwertungsrecht der Allianzinititative dazu führe, dass Wissenschaftler verpflichtet würden, auf eine bestimmte Art und Weise zu publizieren. Dies sei mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar. Dieser Vorwurf war indessen verfehlt. Bei der Forderung nach einem Zweitverwertungsrecht geht es nicht darum, die Rolle der Wissenschaftler zu schwächen und Wissenschaftsfreiheit zu beschneiden – vielmehr geht es darum, die vertragliche Position von Wissenschaftlern gegenüber den Verlagen zu stärken und ihnen mehr Rechte in die Hand zu geben. Die Kritik seitens des Hochschulverbands wurde von den Interessenvertretern der Verlage, insbesondere vom Börsenverein des deutschen Buchhandels dankbar aufgenommen. In seinem Blog „Netethics“ replizierte Prof. Dr. Rainer Kuhlen auf die Kritik des Deutschen Hochschulverbands und warnte insbesondere davor, Wissenschaftsfreiheit auf die Möglichkeit der Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte zu reduzieren. (wörtlich: „Die Freiheit der Wissenschaft und das Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zudem wohl kaum an die  exklusive individuelle Verfügung über das produzierte Wissen gebunden.“)

3. Der Verlauf der Diskussion

Es war wohl etwas ungeschickt von den Veranstaltern, die Diskussion mit der Frage nach einer Anbietungspflicht zu eröffnen. Besser wäre es gewesen, zuerst zu diskutieren, ob man die vertragliche Stellung von Wissenschaftlern beim Abschluss von Verlagsverträgen stärken will und erst in einem zweiten Schritt, ob man die Vermarktung dieser Rechte dem Wissenschaftler überlässt oder man diese dem Wissenschaftler verbleibenden Rechte dann über die Hochschulen zentral vermarktet und ob für letztere Lösung eine Anbietungspflicht erforderlich ist. So stand aber die Frage der Anbietungspflicht am Anfang und hing angesichts der Unklarheit darüber, was gegebenenfalls angeboten werden sollte (Erstverwertungs- oder Zweitverwertungsrechte?), etwas in der Luft. Entsprechend eröffnete Prof. Dr. Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft die Diskussion mit einer Klarstellung: Er wies darauf hin, dass es keine Institutionen gibt, die Wissenschaftler über eine Publikationspflicht dazu verpflichten wollen, ihre Erstveröffentlichungen Open Access zu publizieren. Niemand habe etwas dagegen, dass Autoren in kommerziellen Verlagen publizieren.  Da also niemand eine Anbietungspflicht ohne Zweitverwertungsrechte forderte, verschwamm die geplante Dreiteilung der Anhörung und es mischten sich Beiträge zum Zweitverwertungsrecht ein. Dies wurde zusätzlich verstärkt durch den Umstand, dass niemand für das durch Prof. Dr. Reto Hilty ins Spiel gebrachte Zwangslizenzmodell eintreten wollte, so dass sich die Diskussion auf die Einführung eines zwingenden urhebervertraglichen Rechterückfalls in § 38 UrhG konzentrierte. Von Seiten des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft wurde dabei auf die dem Deutschen Bundestag vorliegende Open-Access-Petition von Lars Fischer und die Zusatzpetition des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft verwiesen. In dieser Zusatzpetition wurde vom Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft folgender Vorschlag für eine Neuformulierung von § 38 UrhG ins Spiel gebracht: § 38 Abs. 1 Satz 3 (neu), Satz 4 (neu): „Urheber von wissenschaftlichen, publizierten Werken, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind und die in Periodika oder Sammelbänden bzw. Proceedings erscheinen, dürfen diese Werke zeitgleich oder längstens nach Ablauf von sechs Monaten seit der Erstveröffentlichung anderweitig vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen Eine vertragliche Verlängerung der in S. 3 (Abs. 1 § 38 UrhG) genannten Frist ist unwirksam.“ Im Saal zeichnete sich eine deutliche Mehrheit für die Einführung einer entsprechenden Regelung ab. Insbesondere Dr. Pflüger vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg sprach sich klar für ein Zweiverwertungsrecht aus. Die Position der Länder natürlich vor dem Hintergrund zu betrachten, dass es Ihre Haushalte sind, die unter den steigenden Kosten für wissenschaftliche Informationen leiden. Kritik gab es freilich von Verlegerverbänden, die darauf hinwiesen, dass ja auch die Verlage bereits eigene OpenAccess-Bemühungen Produkte entwickelt hätten und es daher keiner gesetzlichen Regelung bedürfe. Dr. Sprang vom Börsenverein wiederholte mehrfach das Argument einer angeblichen Unvereinbarkeit des Vorschlags mit der Wissenschaftsfreiheit. Er führte ferner aus, dass sich der Staat bei Eingriffen in Freiheitsrechte zurückhalten müsse. Wer einige Woche zuvor bei der Anhörung zum Leistungsschutzrecht den Ausführungen von Dr. Sprang lauschen durfte, warum Verlage zusätzlichen Schutz bedürfen, konnte einmal mehr seine rhetorische Flexibilität bewundern: einmal für Protektionismus, einmal marktliberal, wie es halt gerade passt. Das Freiheitsargument ist aufgrund des offensichtlichen Machtungleichgewichts von Autoren und Verlagen beim Vertragsschluss wenig überzeugend. Der Verlagsvertrag ähnelt hinsichtlich des Machtungleichgewichts beim Vertragsschluss dem Arbeitsvertrag, nur dass die Schutzbedürftigkeit des Autors noch nicht gesetzlich anerkannt ist. Entsprechend fand das Argument auch praktisch keine Resonanz. Etwas überraschend kam der Einwand des Diskussionsleiters vom BMJ Dr. Weis, die Einführung sei gegebenenfalls deswegen unsinnig, da die Mehrheit der Wissenschaftler bei ausländischen Verlagen veröffentliche und eine nationale Regelung solche Verlagsverträge möglicherweise nicht erfasse. Darauf waren bislang nicht einmal die Verlagsvertreter gekommen. Diese Ansicht kommt freilich einem politischen Offenbarungseid gleich: Da es von der Steuerpolitik bis zum Urheberrecht immer besser wäre, wenn man eine weltweit einheitliche Regelung hätte, könnte der Deutsche Bundestag auf Grundlage dieser Ansicht seine Arbeit einstellen. Hinzu kommt, dass Europäische Regelungen häufig nationale Vorbilder haben. Im speziellen Fall der angestrebten „Verbesserung des Zugangs zu Wissen“ liegt es ausnahmsweise sogar so, dass auf europäischer Ebene deutlich progressiver über die Bedeutung des Zugangs zu Wissen nachgedacht wird als auf nationaler Ebene. Ein Beispiel bildet das Grünbuch "Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft . Aber auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten fehlt es nicht an OpenAccess-Initiativen: In England gibt es z.B. die Initiative Copyright for knowledge, initiiert von British Library, Wellcome Trust, Research Libraries UK, JISC, Society of College, National and University libraries, JISC und Research Councils. Sogar in den USA gibt es entsprechende Strömungen in Richtung OpenAccess aus dem Hause Obama. Wer mehr wissen will, kann sich bei ENCES (European Network for Copyright in support of Education and Science)  informieren. So erscheint der Einwand, „eine nationale Regelung mache evtl. keinen Sinn“ wenig überzeugend und erweckt eher den Eindruck einer möglichen Rückzugsposition des BMJ im Falle unerwartet großen politischen Drucks von Seiten der Lobby der Wissenschaftsverlage.

Auch zum Thema:
Pressemitteilung des Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft zur Open-Access-Anhörung
Irights zur Open-Access-Anhörung
Iuwis zur Open-Access-Anhörung  

Demnächst in diesem Blog: OpenAccess – was ist das und was hat JUSMEUM damit zu tun?