Urteil des VG Stuttgart vom 16.12.2013

VG Stuttgart: übertragbare krankheit, anzeichen, kategorie, nummer, mensch, tierarzt, verordnung, in verkehr bringen, schlachtung, wirtschaftliches interesse

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 16.12.2013, 9 S 882/12
Leitsätze
Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Geflügel, welches im Rahmen der
Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im
Schlachthof geschlachtet wurde, stellen auch dann kein Material der Kategorie 3 im Sinne von
Art. 10 VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, wenn der amtliche Fachassistent im Rahmen der
Fleischuntersuchung Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten feststellt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März
2012 - 4 K 3474/11 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Einstufung von tierischen Nebenprodukten.
2 Die Klägerin betreibt die Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung von Geflügel. Hierbei
fallen tierische Nebenprodukte an, das heißt Teile, die für den menschlichen Verzehr nicht
bestimmt sind. Diese sind nach der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 nach dem Grad des
von ihnen ausgehenden Risikos in insgesamt 3 Kategorien einzuordnen. Von dieser
Einordnung hängt es ab, wie die Nebenprodukte verwertet werden können oder ob sie zu
vernichten sind: Material der Kategorie 2 ist grundsätzlich in Verarbeitungsbetrieben für
tierische Nebenprodukte abfallrechtlich zu entsorgen und kann ggf. noch für die
Herstellung von Düngemittel Verwendung finden, Material der Kategorie 3 kann im
Rahmen der Futtermittelproduktion verwertet werden.
3 Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 am 04.03.2011 vertrat die Klägerin
die Auffassung, nunmehr seien grundsätzlich alle tierischen Nebenprodukte, die im
Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden wurden, in Kategorie
3 einzuordnen. Daran ändere sich auch nichts mehr, wenn zu einem späteren Zeitpunkt,
etwa bei der lebensmittelrechtlichen Fleischuntersuchung, Anzeichen übertragbarer
Krankheiten am Schlachtkörper festgestellt würden. Die vom amtlichen Fachassistenten
mit Anzeichen einer Erkrankung aussortierten Innereien bzw. Magen-Darm-Pakete, die
vom Lungensauger abgesaugten Materialien und die vom amtlichen Personal aufgrund
von pathologisch-anatomischen Befunden, die auf eine auf Mensch oder Tier übertragbare
Krankheit hinweisen, als für den menschlichen Verzehr nicht geeignet beurteilten
Tierkörper und Tierkörperteile stellten daher kein Material der Kategorie 2 dar. Mit
Schreiben vom 29.03.2011 wies das Landratsamt Schwäbisch Hall die Klägerin darauf
hin, dass die Verwertung des im Rahmen der Putenschlachtung anfallenden
Lungenabsaugermaterials als „K 3-Material“ nur dann möglich sei, wenn Material von in
einem zugelassenen Betrieb geschlachteten Tieren gewonnen werde, das im Rahmen
einer Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich und im Rahmen einer
Fleischuntersuchung als genusstauglich oder -untauglich beurteilt worden sei, jedoch
keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen habe.
Werde auch nur einer dieser Punkte nicht eingehalten, müsse das gewonnene Material
komplett als „K 2-Material“ entsorgt werden. Seither sammelte die Klägerin das
Lungenabsaugermaterial durch organisatorische Vorkehrungen kategorierein.
4 Am 26.09.2011 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und der
Sache nach die Feststellung begehrt, dass es für die Zuordnung von bei der Schlachtung
von Geflügel anfallenden tierischen Nebenprodukten zur Kategorie 3 allein auf die
Feststellung der Schlachttauglichkeit im Rahmen der Schlachttieruntersuchung ankomme,
es sei denn, der amtliche Tierarzt stellte im Rahmen der Stichprobenuntersuchung auf
Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten fest.
5 Mit Urteil vom 15.03.2012 - 4 K 3474/11 - hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die von der
Klägerin begehrte Feststellung könne nicht getroffen werden. Zwar gehöre Geflügel, das
im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich befunden und in einem
Schlachthof geschlachtet worden sei, im Ganzen oder in Teilen grundsätzlich zu der
Kategorie 3 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz
sei aber nicht nur dann gegeben, wenn der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung
auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten feststelle, sondern auch dann, wenn der
amtliche Fachassistent eine solche Feststellung treffe, sowie weiter dann, wenn es sich
um einen bloßen Verdachtsfall einer solchen Krankheit handele. Schon der Wortlaut des
Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 zeige, dass es für die Zuordnung des Materials
zur Kategorie 3 maßgeblich darauf ankomme, ob die fraglichen Geflügelkörper oder -teile
Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufgewiesen hätten. Die
Vorschrift stelle selbst den Zusammenhang mit der Zurückweisung als genussuntauglich
und somit mit der Durchführung der Fleischuntersuchung her. Anders als die Klägerin
meine, erfolge nämlich bei der Schlachttieruntersuchung keine Zurückweisung einzelner
Tiere als genussuntauglich, sondern allein die Beurteilung der Schlachttauglichkeit der
ganzen Herde (Partie) zum menschlichen Verzehr. Angesichts des Vorsorgegrundsatzes
leuchte es auch ein, dass es nicht allein auf die Schlachttieruntersuchung, sondern auf
jegliche Untersuchung der zu schlachtenden und geschlachteten Tiere ankomme: immer
dann, wenn Anzeichen für eine auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheit aufträten, sei
der entsprechende Körper oder das Teil des Tiers der Kategorie 2 zuzuordnen. Der
Auffassung der Klägerin, eine solche Zuordnung zu Kategorien könne nur durch
Stichproben des amtlichen Tierarztes im Rahmen der Fleischuntersuchung erfolgen,
könne nicht gefolgt werden. Die Durchführung der Fleischbeschau sei in der Verordnung
(EG) Nr. 854/2004 geregelt. Nach Art. 5 Nummer 1 b) und d) dieser Verordnung führe der
amtliche Tierarzt in Schlachthöfen, die frisches Fleisch in Verkehr bringen, Inspektionen
u.a. in Bezug auf die Schlachttieruntersuchung und die Fleischuntersuchung durch. Nach
Nummer 3 des Art. 5 treffe er u.a. Entscheidungen bezüglich Fleisch. Nach Nummer 4 des
Art. 5 könnten amtliche Fachassistenten den amtlichen Tierarzt bei der amtlichen
Überwachung nach Anhang I Abschnitte I und II in der in Anhang I Abschnitt III Kapitel I
dargestellten Weise unterstützen. Nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D gehöre zu
den Inspektionsaufgaben die Fleischuntersuchung. Nach Nummer 1 dieser Vorschrift
seien die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung
unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Alle
äußeren Oberflächen seien zu begutachten. Dabei könnten eine geringfügige
Handhabung der Schlachtkörper und der Nebenprodukte der Schlachtung oder besondere
technische Vorrichtungen erforderlich sein. Besonderes Augenmerk müsse dabei
Zoonosen und Krankheiten gelten, die Gegenstand tierseuchenrechtlicher Vorschriften der
Europäischen Union seien. Die Geschwindigkeit der Schlachtlinie und die Zahl des
anwesenden Inspektionspersonals müssten eine ordnungsgemäße Untersuchung
erlauben. Es falle auf, dass an dieser Stelle nicht wie sonst häufig im Anhang I der
Verordnung 854/2004 vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ die
Rede sei. Abschnitt III Kapitel I des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 854/2004 zeige,
dass die Fleischuntersuchung grundsätzlich vom amtlichen Fachassistenten unter
gelegentlicher Aufsicht des Tierarztes durchgeführt werde. Nach Anhang I Abschnitt III
Kapitel II Nummer 2 b) müsse der amtliche Tierarzt bei der Fleischuntersuchung nicht
jederzeit anwesend sein, wenn ein amtlicher Fachassistent die Fleischuntersuchung
durchführe und jegliches Fleisch, das Anomalitäten aufweise, und alles andere Fleisch
desselben Tieres absondere, der amtliche Tierarzt solches Fleisch anschließend
untersuche und der amtliche Fachassistent ihr Vorgehen und ihre Befunde so
dokumentiere, dass der amtliche Tierarzt sich vergewissern könne, dass die Normen
eingehalten würden. Dies bedeute, dass der amtliche Fachassistent weitgehend
selbständig bei der Fleischuntersuchung arbeite, verdächtiges Material aber dem
amtlichen Tierarzt vorlege. Auch die Entscheidungen bezüglich Fleisch könne der
amtliche Fachassistent treffen (Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1). Schließlich sei
spezifisch für Geflügel im Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 die
Fleischuntersuchung nach den Abschnitten I und III vorgeschrieben und darüber hinaus,
dass der amtliche Tierarzt persönlich a) eine tägliche Besichtigung der Eingeweide und
Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe von Tieren und b) bei jeder Geflügelpartie
ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von
Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Untersuchung für genussuntauglich
erklärt worden sei, durchführe. Letztere Stichproben dienten wesentlich der
Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Wichtig für die
Frage der Kategorienzuordnung seien aber die Ergebnisse aller durchgeführten
Untersuchungen, da die Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 infektiöses Material in
Nebenprodukten der Kategorie 3 vermeiden wolle. Daher müsse auch der amtliche
Fachassistent für die Aussonderung solchen Materials sorgen. Der amtliche Tierarzt habe
die Oberaufsicht, treffe aber keineswegs alle notwendigen Entscheidungen. Auch seien
die Fachassistenten für die Durchführung ihrer Aufgaben hinreichend und spezifisch
ausgebildet (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr.
854/2004). Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass es bei der Fleischuntersuchung
immer nur darauf ankomme, ob Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren
Krankheiten aufgetreten seien, nicht aber, ob der Nachweis einer solchen Krankheit
geführt sei.
6 Gegen das am 22.03.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.04.2012, einem
Montag, Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Sie trägt vor:
7 Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht der Auffassung, dass die im Rahmen von Artikel
10 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009 zu treffende Entscheidung auch im
Rahmen bzw. aus Anlass der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Fachassistenten
getroffen werden könne. Die im Rahmen der Fleischuntersuchung stattfindende
lebensmittelrechtliche Feststellung, ob und welches im Rahmen der Schlachtung
gewonnene Material für den menschlichen Verzehr geeignet ist, habe eine völlig andere
Zielrichtung als die Prüfung, ob genussuntaugliches Material der Kategorie 2 oder der
Kategorie 3 zuzuordnen sei. Bei der vom Verwaltungsgericht gebilligten Verwerfung durch
den Fachassistenten „am Band" finde gerade keine Untersuchung statt, deren Ergebnis
erst feststehen müsse, sondern der Fachassistent entscheide „ad hoc", so dass sich bei
der Lesart des Verwaltungsgerichts die Verwendung des Präsens geradezu aufdränge.
Bei der Fleischuntersuchung handele es sich um eine morphologische Untersuchung der
Oberfläche von Tierkörper und Organen, bei der ermittelt werde, ob pathologisch-
anatomische Veränderungen oder Abweichungen hinsichtlich Konsistenz, Farbe und
Geruch vorliegen, welche die Genusstauglichkeit beeinträchtigen könnten oder nicht (z.B.
Blutergüsse, Hautabschürfungen, Knochenbrüche etc.). Sie diene nicht der Diagnose von
Krankheiten. „Anzeichen von Krankheit" würden hier als Krankheitssymptom verstanden
und könnten sich schon begrifflich nur auf ein lebendes Tier beziehen; ein geschlachtetes
Tier sei nicht gesund oder krank, sondern tot. Selbstverständlich könnten sich im Rahmen
der Genusstauglichkeitsprüfung Indizien dafür ergeben, dass das Tier, welches
geschlachtet worden sei, an einer übertragbaren Krankheit gelitten habe. Aber es sei nicht
Sinn und Zweck der Fleischuntersuchung, in erster und zugleich letzter Instanz darüber zu
entscheiden, ob eine wahrgenommene pathologisch-anatomische Veränderung zugleich
auch den Schluss auf ein Krankheitssymptom (Anzeichen einer Krankheit) rechtfertige.
Die Feststellung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten vorlägen oder nicht, könne
nicht durch einfachen Augenschein getroffen werden. Hierzu bedürfe es
wissenschaftlicher Methoden, wie sie nur im Rahmen der vom Tierarzt vorgenommenen
Schlachttieruntersuchung oder weitergehender (Labor-)Untersuchungen im Anschluss an
die Fleischuntersuchung (im Rahmen der Stichprobenuntersuchung) zur Verfügung
stünden. Nur bei der Frage „genusstauglich - nicht genusstauglich“ lasse der
Verordnungsgeber die visuelle Einschätzung durch den geschulten Fachassistenten
genügen. Auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten seien zuverlässig nur durch
Tierärzte in der Haltungsumgebung des Tieres, in seiner Tiergruppe und unter
Berücksichtigung einer umfassenden Betrachtung der Dokumentenlage im
Herkunftsbestand (Tierverluste, Futterverzehr, Wasserverbrauch, Laborergebnisse etc.)
festzustellen. Welche medizinische Ursache Anomalien hätten, insbesondere, ob sie auf
Zoonosen zurückzuführen seien, sei unter dem Gesichtspunkt „Genussuntauglichkeit"
irrelevant. Von entscheidender Bedeutung sei die Ursache hingegen für die Anwendung
der VO (EG) Nr. 1069/2009. Der Verordnungsgeber überlasse diese Entscheidung aber
gerade nicht dem Fachassistenten am Schlachtband. Vielmehr weise die Regelung in
Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 Buchstabe b dem Amtstierarzt die
Aufgabe zu, „bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eingehende
Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch
bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde" vorzunehmen. Ob eine
Anomalie, die sich an einem Einzeltier zeige, als Anzeichen einer übertragbaren Krankheit
einzustufen sei, werde sich bei Herdentieren zudem nicht an einem Einzeltier, sondern nur
in der Gesamtschau der Herde feststellen bzw. beurteilen lassen. Komme der
Amtsveterinär bei der Beurteilung der Geflügelpartie, die eine epidemiologische Einheit
darstelle, zu dem Ergebnis, dass im Bestand der lebenden Herde Anzeichen (im Sinne
eines Rückschlusses auf das lebende Tier) einer auf Mensch oder Tier übertragbaren
Erkrankung vorgelegen haben müssen, dann werde er die gesamte Partie
lebensmittelrechtlich für genussuntauglich erklären müssen, und genau dies sei dann
auch der Anwendungsfall für die Rückausnahme in Artikel 10 Buchstabe b der VO (EG)
Nr. 1069/2009. Die vom Beklagten praktizierte Auslegung einer Entscheidung durch den
Assistenten am Schlachtband aufgrund Augenscheins führe hingegen zu dem nicht
nachvollziehbaren Ergebnis, dass bestimmte Teile eines geschlachteten Tieres als
potentiell krankheitsübertragend nicht an Hunde, Katzen etc. verfüttert werden dürften,
während andere Teile desselben Tieres unbedenklich als Lebensmittel in Verkehr
gebracht würden.
8 Die Klägerin beantragt,
9
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. März 2012 (4 K 3474/11)
abzuändern und festzustellen, dass bei Geflügel, welches im Rahmen der
Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als schlachttauglich befunden und im
Schlachthof geschlachtet wurde, Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von Tieren
sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne VO (EG) Nr. 1069/2009 darstellen,
unabhängig davon, ob diese im Rahmen der lebensmittelrechtlichen
Fleischuntersuchung als genusstauglich oder genussuntauglich eingestuft wurden, es sei
denn, der amtliche Tierarzt und nur dieser stellt im Rahmen einer
Stichprobenuntersuchung gemäß Anhang 1 Abschnitt IV Kapitel V B Nummer 1
Buchstabe b der VO (EG) Nr. 854/2004 Anzeichen (im Sinne eines Rückschlusses auf
das lebende Tier) auf Mensch oder Tier übertragbarer Krankheiten fest.
10 Der Beklagte beantragt,
11 die Berufung zurückzuweisen.
12 Eine der Methoden in der Diagnostik von Infektionskrankheiten sei die pathologische
Untersuchung der Tierkörper. Dabei würden die Organe nach Größe, Form, Farbe,
Konsistenz und Kohärenz beurteilt, wobei von der Norm abweichende Veränderungen
festgestellt würden. Morphologisch sichtbare Organveränderungen hätten eine
Entsprechung in pathologisch-anatomischen Diagnosen, die ihrerseits bestimmten
klinischen Krankheitsbildern entsprächen. Die Behauptung der Klägerin, an toten Tieren
könnten keine Anzeichen auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheiten festgestellt
werden, sei daher falsch. So sei bei der Bekämpfung der Rindertuberkulose auf eine
Tuberkulinisierung am lebenden Tier zugunsten der Diagnostik am Schlachthof verzichtet
worden. Auch sei am 15.06.2011 am Schlachthof der Klägerin Rot am See eine Partie
Puten aus Niedersachsen formell korrekt mit einem Gesundheitszeugnis angeliefert und
geschlachtet worden. Diese Tiere hätten im lebenden Zustand keine auffälligen
Krankheitssymptome gezeigt. Eine Untersuchung der auf Grund der pathologisch-
anatomischen Veränderungen der Schlachttierkörper bzw. Schlachtkörperteile
entnommenen Proben durch das CVUA Stuttgart habe ergeben, dass die Proben
Mycoplasma gallisepticum und Ornithobacterium rhinotracheale positiv gewesen seien.
Darüber hinaus sei die serologische Untersuchung auf Turkey rhinotracheitis positiv
ausgefallen. Zumindest der Erreger Mycoplasma gallisepticum sei Gegenstand
tierseuchenrechtlicher Vorschriften der EU. Alle drei Erreger seien übertragbar auf andere
Tiere und könnten somit bei diesen zu Erkrankungen führen. Auch sei die Behauptung der
Klägerin falsch, es könne kein Material der Kategorie 2 am Geflügelschlachthof anfallen,
da eine übertragbare Krankheit schon bei der Schlachttieruntersuchung im
Herkunftsbestand festzustellen sei und bei einer solchen Feststellung die gesamte Partie
als schlachtuntauglich einzustufen wäre. Im Bereich der Geflügelschlachtung finde die
Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt. Hierbei werde - entgegen der
Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier einer
Schlachttieruntersuchung unterzogen, sondern immer die gesamte Herde begutachtet.
Befänden sich in einer Herde Tiere mit einer subklinischen Erkrankung, so fielen diese bei
der Kontrolle einer Herde mit mehreren tausend Tieren nicht zwangsläufig auf. Auch
chronische Infektionskrankheiten könnten inapparent und symptomlos verlaufen. Umso
wichtiger sei im Bereich der Geflügelschlachtung die Fleischuntersuchung, bei der jedes
einzelne Tier visuell kontrolliert und veränderte Schlachtkörper oder Schlachtkörperteile
entfernt würden. In diesen Fällen würden am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom
Schlachtkörper Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit
festzustellen sein, z.B. bei der ORT (Ornithobacterium-Rhinotracheale-Infektion) mit den
pathologischen Veränderungen am Luftsack. Ebenso seien bei Mycoplasmen-,
Coliinfektionen und der TRT (Turkey Rhinotracheitis) deutliche Veränderungen am
Luftsack feststellbar. Ausweislich Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO
(EG) Nr. 854/2004 habe der Verordnungsgeber bei der Fleischuntersuchung das
Augenmerk nicht nur auf die Entscheidung über die Genusstauglichkeit, sondern
besonders auch auf Anzeichen von übertragbaren Krankheiten gelegt. Demgemäß
würden amtliche Fachassistenten in den einschlägigen Fachgebieten auch geschult und
geprüft. Das Erkennen von Krankheitsanzeichen stelle demnach eine ihrer Hauptaufgaben
in der Fleischuntersuchung dar. In Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Satz 3 der
VO (EG) Nr. 854/2004 werde sogar festgelegt, dass im Falle von Geflügel und
Hasenartigen der amtliche Fachassistent Fleisch, welches Anomalien aufweist,
aussondern könne, ohne dass der amtliche Tierarzt, vorbehaltlich Abschnitt IV,
systematisch solches Fleisch untersuchen müsse. Stelle der amtliche Fachassistent eine
solche Veränderung an einem Schlachtkörper fest, so sei er gezwungen, diese Teile oder
den ganzen Schlachtkörper zu verwerfen. Nach Auffassung der Klägerin müsste der
amtliche Fachassistent alle diese Teile, die er als genussuntauglich eingestuft hat, in
einen Behälter zurücklegen, damit anschließend der amtliche Tierarzt stichprobenartig
überprüfe, ob diese Teile nun als Material der Kategorie 2 oder der Kategorie 3
einzustufen sind. Eine derartige Vorgehensweise widerspreche der grundsätzlichen
Auffassung der Klägerin und helfe ihr auch nicht weiter, da Gemische aus Material der
Kategorie 2 und 3 entsprechend Artikel 9 Buchstabe g der VO (EG) Nr. 1069/2009 immer
der Kategorie 2 zuzurechnen seien.
13 Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Schwäbisch Hall und des
Verwaltungsgerichts vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der
weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
14 Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und
mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist
nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
15 Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art.
267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der
Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für
erforderlich, weil er keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung der VO (EG) Nr. 1069/2009
hat. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts
angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei
Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom
10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in
Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV RdNr. 41).
16 1. Die Feststellungsklage ist statthaft und auch sonst zulässig.
17 Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind
die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt
aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder
juristischen) Personen untereinander ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen
etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche
Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1
VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts
auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteile vom 30.11.2011 -
6 C 20/10 -, BVerwGE 141, 223, 225, und vom 26.01.1996 - BVerwG 8 C 19.94 -,
BVerwGE 100, 262, 264 f.). Dies ist hier der Fall. Zwischen den Beteiligten bestehen
unterschiedliche Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen davon
auszugehen ist, dass bei der Geflügelschlachtung anfallende Nebenprodukte im Sinne
des Artikel 10 Buchstabe b Ziffer i der VO (EG) Nr. 1069/2009 „keine Anzeichen von auf
Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten“ aufweisen und demgemäß der Kategorie 3
zuzuordnen sind mit der Folge, dass die Klägerin dieses Material im Rahmen der
Futtermittelproduktion verwerten darf. Durch das Schreiben des Landratsamts
Schwäbisch-Hall vom 29.03.2011, auf das die Klägerin mit einer Änderung ihrer Praxis
reagiert hat, haben sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hinreichend
konkretisiert.
18 Die Klägerin verfügt über ein Feststellungsinteresse. Sie hat in vom Beklagten nicht
bestrittener Weise dargelegt, dass aus der geänderten Verfahrensweise monatlich
erhebliche finanzielle Verluste resultieren. Damit liegt ein berechtigtes wirtschaftliches
Interesse vor und ist die Entscheidung des Senats geeignet, die Rechtsposition der
Klägerin zu verbessern.
19 Die Feststellungsklage scheitert auch nicht am Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2
VwGO). Zwar setzt die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen behördliche
Regulierungen regelmäßig den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus, der nachfolgend
Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete
oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig. Etwas
anderes gilt indes dann, wenn dem Bürger ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde
tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse
an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Eine derartige Ausnahmekonstellation
liegt hier vor. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen
Feststellung der streitigen Fragen. Dies folgt zunächst bereits daraus, dass sie auf
gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen ist, um ihre wirtschaftlichen Dispositionen
entsprechend einstellen zu können, und sie bei der derzeitigen Verfahrensweise
wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss. Insbesondere aber verstieße es gegen die
Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, die Klägerin auf die ihr zur
Verfügung stehenden Rechtsmittel in einem etwaigen Bußgeldverfahren zu verweisen.
Denn es ist ihr nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „auf
der Anklagebank“ erleben zu müssen. Sie hat vielmehr ein als schutzwürdig
anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und
„fachspezifischere“ Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihr wegen
verwaltungsrechtlicher Fragen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. dazu auch
BVerfG, Beschluss vom 07.04.2003 - 1 BvR 2129/02 -, NVwZ 2003, 856, Rn. 14 sowie
Senatsurteil vom 09.02.2010 - 9 S 1130/08 -, Juris).
20 2. Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet.
21 Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat verweist (vgl. § 130b Satz 2
VwGO), hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass die von der Klägerin begehrte
Feststellung nicht getroffen werden kann. Schlachtkörper, ganze Körper oder Teile von
Geflügel, welches im Rahmen der Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand als
schlachttauglich befunden und im Schlachthof geschlachtet wurde, stellen auch dann kein
sogenanntes Material der Kategorie 3 im Sinne VO (EG) Nr. 1069/2009 dar, wenn der
amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung Anzeichen von auf Mensch oder Tier
übertragbare Krankheiten festgestellt hat. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen
Erwägungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.
22 Die Einstufung von in Schlachthöfen anfallenden tierischen Nebenprodukten von Geflügel
als Material der Kategorie 3 hängt nicht allein von der Einstufung der Tiere als
schlachttauglich im Rahmen der Schlachttieruntersuchung (ante mortem), sondern
zusätzlich vom Ergebnis der Fleischuntersuchung (post mortem) ab. Nach Art. 10
Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 1069/2009 erfolgt die Fleischuntersuchung in zwei
Schritten: Zunächst wird bezogen auf die „Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile
von Tieren“ die Genusstauglichkeit und anschließend - wenn die Genusstauglichkeit nicht
gegeben ist - das Vorliegen von Anzeichen übertragbarer Krankheiten geprüft. Allein diese
Auslegung ist vereinbar mit dem Wortlaut, der Systematik und dem Regelungszweck der
einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 (so auch Niedersächs.
OVG, Beschluss vom 15.11.2012 - 13 LA 175/12 -, Juris). Der Gebrauch des Präteritums
(„…keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten aufwiesen“)
verweist nicht auf die Schlachttieruntersuchung zurück, sondern belegt den von der Norm
hergestellten Zusammenhang mit der Genussuntauglichkeitsprüfung, bei der ebenfalls das
Präteritum verwendet wird („..als genussuntauglich zurückgewiesen wurde“). In
systematischer Hinsicht ergibt sich insbesondere daraus, dass die Verordnung lediglich
bestimmte Tierkörperteile automatisch als Material der Kategorie 3 einstuft (Art. 10
Buchstabe b Ziffer ii: Geflügelköpfe; Art. 10 Buchstabe b Ziffer iii: Häute, Füße; Art. 10
Buchstabe b Ziffer v: Federn), im Umkehrschluss, dass im Übrigen kein solcher
Automatismus greift, sondern die Einstufung, wie im Falle des Art. 10 Buchstabe b Ziffer i
VO (EG) Nr. 1069/2009, eine Prüfung anhand der dort aufgestellten Anforderungen
voraussetzt (Niedersächs. OVG, a.a.O.). Dafür, dass diese Prüfung im Rahmen der
Fleischuntersuchung geschehen soll, spricht die Bestimmung in Anhang I Abschnitt I
Kapitel II Teil D Nummer 1 der VO (EG) Nr. 854/2004. Danach sind die Schlachtkörper und
die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung unverzüglich nach der Schlachtung
einer Fleischuntersuchung zu unterziehen (Nummer 1 Satz 1), wobei besonderes
Augenmerk Zoonosen und Krankheiten gelten muss, die Gegenstand
tierseuchenrechtlicher Vorschriften der Europäischen Union sind (Nummer 1 Satz 4). Ein
alleiniges Abstellen auf die Schlachttieruntersuchung (ante mortem) würde schließlich zu
einer mit dem Normzweck unvereinbaren Schutzlücke führen. Denn im Bereich der
Geflügelschlachtung findet die Schlachttieruntersuchung im Herkunftsbestand statt, wobei
- entgegen der Schlachttieruntersuchung bei Klauentieren - nicht jedes einzelne Tier
untersucht sondern immer die gesamte Herde begutachtet wird. Eine Beschränkung auf
die Schlachttieruntersuchung wäre mit Blick auf den der VO (EG) Nr. 1069/2009 zugrunde
liegenden Vorsorgegrundsatz, der auf eine Verringerung (sämtlicher) mit tierischen
Nebenprodukten verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für
die Umwelt sowie auf den Schutz der Sicherheit der Lebens- und Futtermittelkette
gerichtet ist (vgl. die Erwägungsgründe (1), (2), (6), (8) und (11) der VO (EG) Nr.
1069/2009), offensichtlich unzulänglich (zum Vorsorgegrundsatz vgl. BayVGH, Urteil vom
27.09.2012 - 20 BV 11.2690 -, Juris). Soweit die Klägerin die „Gefährlichkeit“ einer
Einstufung in die Kategorie 3 mit dem Hinweis abzuschwächen sucht, dieses Material
werde lediglich zu Hunde- und Katzenfutter verwertet und gelange nicht in die
Lebensmittelkette, nimmt sie den nicht allein auf die menschliche Gesundheit abzielenden
Verordnungszweck nicht hinreichend in den Blick.
23 Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus in überzeugender Weise aus den
Bestimmungen der VO (EG) Nr. 854/2004 vom 29.04.2004 (vgl. Art. 5 Nummer 4; Anhang I
Abschnitt I Kapitel II Teil D; Anhang I Abschnitt III Kapitel II Nummer 2 Buchstabe b;
Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nummer 1; Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer
1) hergeleitet, dass die Zuordnung zu einer der genannten Kategorien im Rahmen der
Fleischuntersuchung nicht allein durch Stichproben des amtlichen Tierarztes, sondern
auch durch den amtlichen Fachassistenten erfolgen kann. Insbesondere hat es unter
Wiedergabe der maßgeblichen Regelungen dieser Verordnung dargelegt, dass der
amtliche Fachassistent bei der Fleischuntersuchung weitgehend selbständig arbeitet und
zur Vermeidung einer Einstufung in die Kategorie 3 auch für die Aussonderung von
Material mit Anzeichen einer übertragbaren Krankheit zu sorgen hat. Dabei ist
hervorzuheben, dass die Verordnung gerade im Zusammenhang mit der
Fleischuntersuchung, bei der - wie ausgeführt - Zoonosen und Krankheiten mit
tierseuchenrechtlicher Bedeutung besonderes Augenmerk gilt, nicht wie sonst häufig im
Anhang I vom amtlichen Tierarzt, sondern vom „Inspektionspersonal“ spricht. Darüber
hinaus hat das beklagte Land zutreffend auf die spezielle Regelung in Anhang I Abschnitt
III Kapitel II Nummer 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 854/2004 hingewiesen, wonach im Falle
von „Geflügel und Hasenartigen“ der amtliche Fachassistent Fleisch, welches Anomalien
aufweist, aussondern kann, ohne dass der amtliche Tierarzt, vorbehaltlich des Abschnitts
IV, systematisch solches Fleisch untersuchen muss. Dass diese Regelung nicht auch
tierische Nebenprodukte erfasst, vermag der Senat nicht festzustellen. Denn gemäß
Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nummer 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 854/2004 bezieht
sich die nach der Schlachtung durchzuführende „Fleischuntersuchung“ explizit auf „die
Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung“. Dem steht auch
nicht entgegen, dass das speziell für Geflügel geltende Kapitel V des Anhangs I Abschnitt
IV unter Teil B Nummer 1 Buchstabe b dem Amtstierarzt die Aufgabe zuweist, „bei jeder
Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eine eingehende Stichprobenuntersuchung von
Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für
genussuntauglich erklärt wurde" vorzunehmen. Denn diese Stichproben dienen
wesentlich der Zustandsbeurteilung einer ganzen Partie von geschlachtetem Geflügel. Für
die Frage der Einstufung in eine der Kategorien der VO (EG) Nr. 1069/2009 muss indes
mit Blick auf den Vorsorgegrundsatz auf sämtliche Untersuchungen zurückgegriffen
werden, also auch auf die in Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nummer 1 Satz 1
ausdrücklich angeordnete Fleischuntersuchung „gemäß den Abschnitten I und III“.
24 Dass es den amtlichen Fachassistenten an der erforderlichen Befähigung zur Feststellung
von Anzeichen übertragbarer Krankheiten fehlen könnte, ist nicht ersichtlich. Amtliche
Fachassistenten müssen im theoretischen Teil u.a. in den Fächern „Grundkenntnisse der
Schlachttieranatomie und -physiologie“, „Grundkenntnisse der Pathologie geschlachteter
Tiere“, „Grundkenntnisse der pathologischen Anatomie geschlachteter Tiere“,
„entsprechende Kenntnisse in Bezug auf transmissible spongiforme Enzephalopathien
(TSE) und andere wichtige Zoonosen und Zoonoseerreger“, „Grundkenntnisse der
Mikrobiologie“ geschult und geprüft worden sein (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV Teil B
Nummer 5 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 854/2004). Der praktische Teil der Schulung
umfasst u.a. die „Fleischuntersuchung im Schlachthof“ (Anhang I Abschnitt III Kapitel IV
Teil B Nummer 5 Buchstabe b Ziffer ii VO (EG) Nr. 854/2004). Nach Anhang I Abschnitt III
Kapitel IV Teil B Nummer 6 müssen die amtlichen Fachassistenten durch regelmäßige
Fortbildungsmaßnahmen und Fachliteratur ihre Kenntnisse aktualisieren und sich über
neue Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Demnach ist davon auszugehen, dass
das Erkennen von Anzeichen einschlägiger Krankheiten eine der Hauptaufgaben von
amtlichen Fachassistenten in der Fleischuntersuchung darstellt. Dies wird von der
Berufung substantiiert nicht in Frage gestellt.
25 Die Klägerin meint schließlich, die Feststellung, ob Anzeichen übertragbarer Krankheiten
vorlägen oder nicht, könne gerade nicht durch einfachen Augenschein von Teilen
geschlachteter Tiere im Rahmen der Fleischuntersuchung durch Fachassistenten
getroffen werden. Hierzu bedürfe es wissenschaftlicher Methoden, wie sie nur im Rahmen
der vom Tierarzt vorgenommenen Schlachttieruntersuchung oder weitergehender (Labor-
)Untersuchungen im Anschluss an die Fleischuntersuchung (im Rahmen der
Stichprobenuntersuchung) zur Verfügung stünden. Auch dieser Einwand verfängt nicht.
Die Klägerin nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass es die Verordnung für den
Ausschluss der Einstufung von Material in die Kategorie 3 ausdrücklich genügen lässt,
dass Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren (bloße) Anzeichen von auf
Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweisen (vgl. auch die tendenziell noch
geringeren Anforderungen in der englischen und in der französischen Fassung der
Verordnung: „…any signs of disease …“, „…de tout signe de maladie…“). Damit reichen
auf das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit hindeutende Anhaltspunkte aus, nicht
erforderlich ist es hingegen, dass die übertragbare Krankheit abschließend diagnostiziert
oder nachgewiesen sein muss. Auch diese erleichterten Voraussetzungen für die
Verwerfung als Material der Kategorie 2 erfahren ihre Rechtfertigung durch die Zielsetzung
der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009, Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und
für die Umwelt soweit als möglich zu minimieren. Dabei räumt der Beklagte ein, dass es im
Einzelfall zur Verwerfung als Material der Kategorie 2 kommen kann, obwohl sich der bei
der Fleischuntersuchung ergebende Verdacht einer Krankheit bei einer genaueren (Labor-
) Untersuchung nicht hätte erhärten lassen. Dies nimmt die Verordnung indes ersichtlich in
Kauf und kann angesichts des Rangs der mit ihr geschützten Rechtsgüter auch mit Blick
auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beanstandet werden. Dies gilt umso
mehr, als die für den vollen Nachweis einer übertragbaren Krankheit notwendige
Laboruntersuchung in der Praxis zu einem Verarbeitungsstopp und damit möglicherweise
gravierenderen wirtschaftlichen Nachteilen für die Klägerin führen würde, als sie mit der
derzeit praktizierten Vorgehensweise verbunden sind.
26 Dass auch bei der Geflügelschlachtung im Rahmen der Fleischuntersuchung durch den
amtlichen Fachassistenten am Schlachtkörper bzw. an Teilen vom Schlachtkörper
Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit festgestellt werden können,
hat der Beklagte detailliert und plausibel dargelegt. Der in der mündlichen Verhandlung
anwesende amtliche Tierarzt W. hat ausgeführt, erst bei der Fleischuntersuchung des
einzelnen Tiers könnten auf eine Krankheit hinweisende eitrige Prozesse, Schwellungen,
Rötungen bzw. lokal begrenzte Entzündungen festgestellt werden. Schriftsätzlich ist
darauf hingewiesen worden, dass z.B. bei der ORT (Ornithobacterium-Rhinotracheale-
Infektion) ebenso wie bei Mycoplasmen-, Coliinfektionen und der TRT (Turkey
Rhinotracheitis) deutliche Veränderungen am Luftsack feststellbar seien, die Ausdruck
einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit sein können. Hiergegen wendet die
Klägerin substantiiert nichts ein.
27 Ohne Erfolg trägt die Klägerin schließlich vor, dass sich bei Herdentieren nicht an einem
Einzeltier, sondern nur in der Gesamtschau der Herde feststellen bzw. beurteilen lasse, ob
eine Anomalie, die sich an einem Einzeltier zeige, als Anzeichen einer übertragbaren
Krankheit einzustufen sei. Auch insoweit hat der amtliche Tierarzt W. überzeugend
ausgeführt, dass es immer wieder vorkomme, dass nur einzelne Tiere einer ansonsten
gesunden Herde oder Partie krank seien. Grund dafür könne etwa sein, dass die restliche
Herde eine Infektionskrankheit bereits überstanden habe, einzelne Tiere mit schwächerer
Konstitution aber weiter an dieser Krankheit litten. Auch diese die Notwendigkeit einer
Einzelbetrachtung belegende Darstellung ist nicht konkret in Frage gestellt worden.
28 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
29 Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere
keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die
aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der
üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
30
Beschluss vom 16. Dezember 2013
31 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1
und § 52 Abs. 1 GKG).