Urteil des VG Stuttgart vom 04.07.2013

VG Stuttgart: genehmigung, gewässer, gefahr, grundstück, bad, ufer, fluss, anfechtungsklage, naturschutzgebiet, anzeige

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 4.7.2013, 3 S 2182/11
Leitsätze
Die Gewässerunterhaltungspflicht kann es im Einzelfall gebieten, Totholz in einem
Fließgewässer zu belassen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Juni 2011 -
6 K 1267/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der klagende Abwasserreinigungsverband wendet sich gegen eine wasserrechtliche
Anordnung, mit der ihm vom Beklagten aufgegeben wird, ein Teilstück einer von ihm
betriebenen Abwasserdruckleitung vom erodierten Ufer der Radolfzeller Aach (im
Folgenden: Aach) weg landeinwärts zu verlegen.
2 Der Kläger betreibt für die verbandsangehörigen Gemeinden eine
Abwasserreinigungsanlage. Diese bedingt auch die Errichtung und den Betrieb von
Abwasser(druck)leitungen. Auf seinen Antrag hin wurde ihm vom Landratsamt Konstanz
am 21.12.1970 die wasser- und baurechtliche Genehmigung für die Errichtung einer
Abwasserleitung unter anderem im Bereich einer Aachschlinge erteilt. Nach Eintritt der
Bestandskraft dieser Genehmigung erhielt der Kläger am 3.2.1971 eine entsprechende
Genehmigungsurkunde. Die Genehmigung enthält unter Anlage 1 den Hinweis, dass
wesentliche Abweichungen von den Planunterlagen eines erneuten wasserrechtlichen
Verfahrens bedürfen, während unwesentliche Abweichungen durch Bestandspläne nach
Ausführung der Anlagen nachzuweisen sind. Der genehmigte Plan sieht die Führung der
Leitungstrasse direkt parallel zur damaligen K 6159 vor. Der Abstand der Leitung zum im
Plan eingezeichneten westlichen Aachufer beträgt an der geringsten Stelle 30 m.
3 Die Leitung in diesem Bereich wurde im Herbst 1976 abweichend vom genehmigten Plan
verlegt, und zwar näher zum (damaligen) Westufer der Aach hin, mit einem
Mindestabstand von nur rund 7 m. Grund dafür war eine Straßenplanung, die eine
Verlegung der Trasse der damaligen K 6159 nach Osten näher zur Aach hin vorsah. In
diesem Zusammenhang teilte das damalige Straßenbauamt Konstanz mit Schreiben vom
22.3.1976 dem Kläger „wunschgemäß“ mit, dass die Abwasserleitung entsprechend der
Besprechung vom 19.3.1976 mit Rücksicht auf die Neuplanung der K 6159 „zu verlegen
ist“. Die Neuplanung der Kreisstraße wurde allerdings später nicht mehr realisiert.
Gleichwohl verlegte der Kläger die Abwasserleitung in diesem Bereich im Jahr 1976 in der
vom genehmigten Plan abweichenden Weise, nachdem er mit den Eigentümern der von
dem Bau der Leitung betroffenen Grundstücke Flst.-Nrn. 1284 und 1285 entsprechende
Gestattungsverträge abgeschlossen hatte.
4 Eine dingliche Sicherung des Durchleitungsrechts über die Grundstücke Flst.-Nrn. 1284
und 1285 erfolgte nicht. Diese Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Verordnung
des Regierungspräsidiums Freiburg vom 21.8.1973 über das Naturschutzgebiet
„Radolfzeller Aachried“ mit späteren Änderungen. Zugleich befinden sie sich im FFH-
Gebiet „Mettnau und Radolfzeller Aach unterhalb Singen“. Für diesen Bereich existieren
zudem ein wasserwirtschaftlich-ökologisches Entwicklungskonzept und ein „Pflege- und
Entwicklungsplan Lebensraumverbund westlicher Untersee“, kurz „LIFE-Projekt“.
5 Im Jahr 1986 übernahm der Beklagte durch Vereinbarung mit den Anliegergemeinden der
Aach die Unterhaltungslast für den Flusslauf der Aach. Mit Kaufvertrag vom 26.3.2002
erwarb der Beklagte zudem das Grundstück Flst.-Nr. 1285 vom vormaligen Eigentümer.
6 Das Grundstück Flst.-Nr. 1285 liegt in der Kurve einer Aachschlinge an einem
sogenannten „Prallhang“, an dem die Wasserströmung des Flusses aufgrund der starken
Krümmung des Flussverlaufs nahezu senkrecht auf das Ufer trifft und dann umgelenkt
wird. Im Laufe der Jahre kam es dazu, dass die Uferböschung der Aach hier durch
Wassererosion und Abbruch um 5 bis 6 m westlich landeinwärts zurückwich, so dass die
Abwasserleitung im November/Dezember 2008 durch ihren immer geringer werdenden
Gewässerabstand in gefährliche Nähe zum Wasserfluss der Aach geriet und Gefahr lief,
durch Unterspülung ganz freigelegt zu werden und dann mit allen katastrophalen Folgen
für das Naturschutzgebiet und die Aach zu brechen. Nachdem die Mitarbeiter des
Gewässerbauhofs des Beklagten Ende November 2008 im Zusammenhang mit
Unterhaltungsarbeiten hierauf aufmerksam geworden waren, wurde der Kläger hierüber
informiert. Der Kläger äußerte dabei die Ansicht, die aufgetretene Ufererosion sei
hauptsächlich die Folge davon, dass umgestürzte Bäume in der Aach nicht vom
gewässerunterhaltungspflichtigen Land beseitigt worden seien und so ein
Abflusshindernis geschaffen hätten, das zur Abtragung des Ufers geführt habe.
Insbesondere sei ein Weidenbaum umgestürzt und in der Flussmitte mit weitverzweigtem
Astwerk verblieben und habe dort erneut angefangen zu wachsen.
7 In der Folgezeit besprachen das Landratsamt, das Regierungspräsidium und der Kläger
mehrfach, wie auf die offenkundige Gefahr zu reagieren sei. Als kurzfristige
Sofortmaßnahme entfernte der Gewässerbauhof im Januar 2009 die umgestürzten Bäume
aus dem Fluss.
8 Mit Schreiben vom 21.9.2009 stellte der Kläger beim Landratsamt den Antrag, das Land
als Gewässerunterhaltspflichtigen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Ufers,
zumindest aber zur Wiederherstellung eines seine Abwasserleitung nicht mehr
gefährdenden Zustandes des Ufers zu verpflichten, hilfsweise für den Fall einer an ihn
gerichteten Anordnung zur Verlegung der Abwasserleitung die dafür anfallenden Kosten
einer solchen Verlegung dem Land aufzuerlegen.
9 Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9.12.2009 ordnete das Landratsamt an, dass der
Kläger die Abwasserleitung unverzüglich nach Westen an den dortigen Weg zu verlegen
habe (Ziffer 1 des Bescheids), lehnte den vom Kläger gestellten Antrag ab (Ziffer 2 des
Bescheids) und ordnete zugleich den Sofortvollzug von Ziffer 1 an (Ziffer 3 des
Bescheids). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei als
Eigentümer der Abwasserleitung, von der im Fall ihrer Unterspülung die Gefahr des
Brechens und des Verseuchens des Gewässers und des Naturschutzgebiets ausgehe,
Zustandsstörer. Im Rahmen des Gefahrenabwehrermessens sei er gegenüber dem
gewässerunterhaltspflichtigen Land vorrangig heranzuziehen, da die Verlegung der
Leitung langfristig die einzig wirklich wirksame Lösung darstelle, verglichen mit einer
Ufersicherung durch eine Spundwand, die nur unter Verletzung aller
naturschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Grundsätze eingebracht werden könne.
Eine solche Ufersicherung würde im Übrigen auch nur im Interesse des Klägers zum
Schutz seiner Leitung erfolgen, so dass er in einem solchen Fall zu einem Kostenbeitrag
herangezogen werden könne. Die Kosten der Ufersicherung wären mindestens genauso
hoch wie die der Verlegung der Leitung. Die Verlegungsanordnung sei deshalb auch
verhältnismäßig und angemessen.
10 Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 11.12.2009 Widerspruch. Auf
Grund der fortschreitenden Erosion des Uferbereichs entschloss er sich aber, der
Anordnung in Ziff. 1 des Bescheids nachzukommen, allerdings ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht und unter Hinweis darauf, das Land habe wegen Verletzung seiner
Gewässerunterhaltspflicht die Kosten zu tragen. Die Leitung wurde daraufhin
entsprechend der ursprünglichen Genehmigung näher zum heutigen Weg hin verlegt und
am 21.4.2010 wieder in Betrieb genommen. Die Kosten für die Verlegung beliefen sich auf
68.426 EUR.
11 Mit Widerspruchsbescheid vom 21.6.2010 wies das Regierungspräsidium Freiburg den
Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es hinsichtlich der
Verlegungsanordnung aus, insoweit sei der Widerspruch mangels Rechtsschutzbedürfnis
unzulässig, da sich dieser Teil des Bescheids mit der Verlegung erledigt habe.
12 Am 19.7.2010 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg mit den Anträgen
erhoben, - 1. - die Anordnung zur Verlegung der Leitung aufzuheben, - 2. - das beklagte
Land unter Aufhebung von Ziff. 2 des Bescheids vom 9.12.2009 zu verpflichten, über
seinen Antrag vom 21.9.2009 erneut zu entscheiden und - 3. - das beklagte Land zu
verpflichten, ihm eine Entschädigung von 68.426 EUR zu bezahlen. In der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger den Antrag 2 zurückgenommen. Das Verfahren bezüglich des
Antrags 3 hat das Verwaltungsgericht abgetrennt und den Rechtsstreit insoweit an das
Landgericht Konstanz verwiesen.
13 Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Verlegungsanordnung gerichtete Klage mit dem
angefochtenen Urteil abgewiesen. Sie sei zwar zulässig, da die Befolgung einer
Anordnung noch nicht zu deren Erledigung führe. Denn der Eintritt ihrer Bestandskraft
stünde der vom Kläger letzten Endes angestrebten Geltendmachung eines
Entschädigungsanspruchs für seine Aufwendungen zur Verlegung der Leitung entgegen.
Die Klage sei aber unbegründet, weil die Anordnung rechtmäßig sei. Der Kläger habe
zwar nicht als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden können. Er sei aber als
Eigentümer einer Abwasserleitung, die nach ihrer Lage gefährlich gewesen sei,
Zustandsstörer gewesen. Die vormalige Lage der Leitung sei polizeirechtswidrig
gewesen, da sich der Kläger nicht auf die Legalisierungswirkung der Genehmigung
1970/1971 berufen könne, schon weil er die Leitungstrasse abweichend verlegt habe.
Selbst wenn es sich dabei nur um eine unwesentliche Planabweichung gehandelt haben
sollte, hätte es hier jedenfalls an der Einhaltung des für diesen Fall laut Anlage 1 der
Genehmigung vorgesehenen Verfahrens gefehlt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die
veränderte Trassenführung sei mit Billigung und ausdrücklicher Genehmigung des
(damaligen) Straßenbauamtes und des (damaligen) Wasserwirtschaftsamts ausgeführt
worden, rechtfertige dies keine gegenteilige Beurteilung. Denn die wasser- und
baurechtliche Genehmigung 1970/1971 sei ihm klar erkennbar vom Landratsamt als
Wasserbehörde und nicht vom damaligen Wasserwirtschaftsamt erteilt worden. Zudem
habe der Hinweis des Straßenbauamts im Schreiben vom 22.3.1976, „wunschgemäß“
werde bestätigt, dass der Trassenverlauf „zu verlegen ist“, nicht die Bedeutung, das dafür
unzuständige Straßenbauamt genehmige eine Planabweichung. Nichts anderes gelte für
die Behauptung des Klägers, der damalige erste Landesbeamte des Landratsamts sei in
die Trassenänderung eingeweiht gewesen und habe diese gebilligt. Denn durch das
Vorhandensein von Abnahmescheinen für die Änderung anderer genehmigter
Anlagenteile in der Akte werde belegt, dass es keine Praxis nur stillschweigender
Abweichungsgenehmigungen gegeben habe. Die Inanspruchnahme des Klägers als
Zustandsstörer überschreite nicht die durch die Zumutbarkeit definierte Opfergrenze. Die
Ausübung des dem Beklagten somit eröffneten Ermessens über die Heranziehung des
Klägers lasse keine gerichtlich überprüfbaren Fehler erkennen. Der Heranziehung des
Klägers stehe nicht entgegen, dass die Wasserbehörde vom tatsächlichen Verlauf der
Abwasserleitung Kenntnis gehabt habe. Denn es gebe keine ausreichenden
Anhaltspunkte, dass die Wasserbehörde diese Kenntnis bereits vor der Meldung durch
Mitarbeiter des Gewässerbauhofs gehabt habe. Weiter lasse auch die Störerauswahl
keinen Ermessensfehler erkennen. Einen Vorrang der Heranziehung eines
Handlungsstörers gebe es ohnehin nicht. Das Landratsamt habe die Alternative, das
gewässerunterhaltspflichtige Land auf Durchführung von Ufersicherungsmaßnahmen in
Anspruch zu nehmen, geprüft, aber in beanstandungsfreier Weise wegen
naturschutzrechtliche Bedenken verworfen. Daher erübrige sich die Prüfung, ob überhaupt
eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht vorgelegen habe.
14 Gegen das ihm am 4.7.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.7.2011 - die vom
Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene - Berufung eingelegt
und sie am 19.9.2011 nach gewährter Fristverlängerung begründet. Er trägt vor, entgegen
der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei er kein Zustandsstörer gewesen. Dem stehe die
Legalisierungswirkung der Genehmigung 1970/1971 entgegen. Denn die von ihm erfolgte
abweichende Trassenwahl stelle auf Grund der geringen Differenz von 20 m nur eine
unwesentliche Planabweichung gegenüber der erteilten Genehmigung dar. Er habe davon
ausgehen dürfen, dass sich durch diese geringe Abweichung die Genehmigungsfrage
schon deswegen nicht neu stelle, weil der damals übliche Gewässerrandabstand von 7 m
noch eingehalten gewesen sei. Einer zusätzlichen Kenntnisgabe der Abweichung
gegenüber der Genehmigungsbehörde habe es nicht bedurft, weil dem damaligen ersten
Landesbeamten die abweichende Verlegung der Wasserleitung als Auswirkung des
beabsichtigten Baus der Straßentrasse der K 6159 bekannt gewesen sei. Aus der im
Protokoll einer Einspruchsverhandlung im Jahr 1970 enthaltenen Anmerkung des
damaligen ersten Landesbeamten, „die Durchführung der Baumaßnahmen unterliege der
Oberaufsicht durch die technischen Fachbehörden“, habe er, der Kläger, schließen dürfen,
dass auch Mitteilungen der technischen Fachbehörde verbindliche Weisungen hinsichtlich
einer geänderten Trassenführung seien. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle und
seine Zustandsstörereigenschaft bejahe, sei seine Inanspruchnahme unverhältnismäßig.
Denn das Land habe die ihm obliegende Gewässerunterhaltungspflicht jahrelang
vernachlässigt. Zu dieser Pflicht gehöre nach § 47 Abs. 1 Satz 4 WG und § 28 WHG a.F.
die Sicherung der Ufer und die Reinigung und Erhaltung des Gewässerbetts, somit auch
die Beseitigung von umgestürzten Bäumen und anderen Abflusshindernissen. Dass das
Land seiner Unterhaltungspflicht nicht nachgekommen sei und die Entwicklung der Aach
„sich selbst überlassen“ habe, führe dazu, dass der Landesbetrieb Gewässer
Handlungsstörer sei. Dessen Inanspruchnahme hätten Wasserbehörde und
Widerspruchsbehörde ermessensfehlerhaft nicht erwogen. Ebenso sei es
ermessensfehlerhaft, dass die alternative Sicherungsmöglichkeit zum Erhalt der
bisherigen Leitungstrasse, die Errichtung einer Spundwand, verworfen worden sei. Die
Behauptung, diese stelle einen erheblichen Eingriff in die Gewässerökologie und in den
Natur- und Landschaftsschutz dar, sei eine bloße Schutzbehauptung. Denn die in den
Boden einzulassende Spundwand wäre in der dortigen Wiese nicht sichtbar gewesen.
Ermessensfehlerhaft sei schließlich, dass die Wasserbehörde das Risiko, das durch
naturschutzrechtliche Vorgaben zur Mäandrierung der Aach geschaffen werde, einseitig
ihm aufbürde.
15 Der Kläger beantragt,
16 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6.6.2011 - 6 K
1267/10 - Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Konstanz vom 9.12.2009 und den
darauf bezogenen Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg
vom 21.6.2010 aufzuheben.
17 Der Beklagte beantragt,
18 die Berufung zurückzuweisen.
19 Er erwidert, die angefochtene Anordnung sei rechtmäßig. Denn der Kläger sei
Zustandsstörer gewesen. Er habe die Abwasserleitung abweichend vom genehmigten
Trassenverlauf verlegt. Die Abweichung sei nicht unwesentlich und hätte selbst dann
einer Anzeige bei der Genehmigungsbehörde bedurft. Abweichungen seien auch nicht
etwa formlos gebilligt worden. Die Heranziehung des Klägers als Zustandsstörer sei nicht
ermessensfehlerhaft. Der Landesbetrieb Gewässer sei kein Verhaltensstörer, da er nicht
gegen die ihm obliegende Gewässerunterhaltungspflicht verstoßen habe. Zwar könne
diese Pflicht auch die Beseitigung von Abflusshindernissen umfassen und zur Entfernung
von im Flusslauf wachsenden Bäumen führen. Die Schwelle der Pflicht zum Einschreiten
werde aber vom Ziel einer naturnahen Gestaltung des Ufers beeinflusst. Das gelte beim
hier maßgeblichen Abschnitt der Aach in besonderer Weise. Denn dieser liege nicht nur in
einem Naturschutzgebiet und in einem FFH-Gebiet, sondern auch im Geltungsbereich
eines Entwicklungskonzepts sowie eines LIFE-Projekts. Das Entwicklungskonzept und
das LIFE-Projekt hätten die Wiedererlangung eines natürlichen mäandrierenden
Uferverlaufs zum Ziel. Der Kläger verkenne zudem, dass die im Fluss
liegenden/stehenden Bäume nur Folge, nicht Ursache der Mäandrierung seien. Selbst
wenn der Landesbetrieb Gewässer trotz alledem Verhaltensstörer gewesen sein sollte, sei
die Heranziehung des Klägers nicht fehlerhaft. Denn ein dauerhafter Schutz des Ufers vor
dessen Abbrechen hätte nur durch eine rund 90 m lange Spundwand erreicht werden
können, die im Naturschutzgebiet unzulässig sei. Die Heranziehung des Klägers verstoße
auch nicht gegen das Übermaßverbot. Denn die Gefahr, die sich hier realisiert habe,
beruhe nicht auf Naturereignissen, sondern auf der eigenmächtigen von der Genehmigung
abweichenden Leitungsverlegung des Klägers, obwohl die Wahrscheinlichkeit einer
Mäandrierung schon damals erkennbar gewesen sei.
20 Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts, des Regierungspräsidiums Freiburg und
des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der
Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Akten einschließlich der darin
enthaltenen Fotografien und Pläne verwiesen.
Entscheidungsgründe
21 Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung ist auch sonst
zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und
ausreichend begründet (§ 124 Abs. 3 VwGO) worden. Sie bleibt aber in der Sache ohne
Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers gegen die
Anordnung des Beklagten und den darauf bezogenen Teil des Widerspruchsbescheids zu
Recht abgewiesen.
22 Der Senat lässt offen, ob die Anfechtungsklage überhaupt statthaft ist, obwohl der Kläger
mit ihr die Aufhebung einer Anordnung begehrt, die er bereits befolgt hat. Ein
Verwaltungsakt bleibt zwar nach § 43 Abs. 2 LVwVfG wirksam, solange er nicht erledigt
ist. Die Befolgung einer Anordnung führt noch nicht zu ihrer Erledigung, wenn die
Anordnung das Entstehen von Rückerstattungsansprüchen oder von
Folgenbeseitigungsansprüchen hindert (so VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.2.1993 - 8 S 515/92 -
VBlBW 1993, 298; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rn. 81; ähnlich auch
nach Vollstreckung eines Verwaltungsakts BVerwG, Urt. v. 25.9.2008 - 7 C 5.08 - VBlBW
2009, 55). Die Erledigung tritt erst dann ein, wenn von einem Verwaltungsakt keinerlei
Rechtswirkungen mehr ausgehen. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob von der befolgten
Anordnung derzeit noch Rechtswirkungen ausgehen. Denn jedenfalls für den vom Kläger
auch anhängig gemachten Rechtsstreit auf Entschädigung unter dem Gesichtspunkt der
Amtshaftung für unterlassene Gewässerunterhaltung des Landes dürften von der
angefochtenen Anordnung zur Verlegung des Leitungsabschnitts keine Rechtswirkungen
mehr ausgehen.
23 Der Senat sieht davon ab, der Frage weiter nachzugehen, da das Verwaltungsgericht die
Anfechtungsklage jedenfalls zu Recht als unbegründet abgewiesen hat. Ziffer 1 des
Bescheids des Landratsamts vom 9.12.2009 und der darauf bezogene Teil des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 21.6.2010 entsprechen
dem Gesetz und können schon deswegen den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen
(§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
24 Das Landratsamt war nach §§ 96 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 95 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 WG, § 15
Abs. 1 Nr. 1 LVG für den Erlass der Anordnung zuständig, die ihre Rechtsgrundlage in §
100 des am 1.3.2010 in Kraft getretenen Wasserhaushaltsgesetzes vom 31.7.2009 (WHG
n.F.) findet. Das Landratsamt hat zwar die am 9.12.2009 erlassene Anordnung zu Recht
noch auf § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. Satz 2 WG gestützt. Maßgeblicher Zeitpunkt zur
Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage gegen eine
wasserbehördliche Anordnung ist aber jener der letzten Behördenentscheidung, hier also
der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (Hess. VGH, Beschl. v. 20.4.2009
- 7 B 838/09 - ZfW 2010, 153; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004,
Rn. 806). Die Widerspruchsbehörde wäre deshalb gehalten gewesen, im
Widerspruchsbescheid vom 21.6.2010 als Ermächtigungsgrundlage den zwischenzeitlich
in Kraft getretenen § 100 Abs. 1 Satz 1 u. 2 WHG n.F. zu bezeichnen. Denn der
Bundesgesetzgeber hat mit dem Erlass des Wasserhaushaltsgesetzes vom 9.12.2009 von
seiner konkurrierenden Regelungskompetenz umfassend Gebrauch gemacht (so auch
Grundhewer, NuR 2013, 337, 339). Lediglich etwaige weitergehende landesrechtliche
Regelungen bleiben unberührt (Berends, WHG n.F., § 100 Rn. 3). Da die Regelungen des
§ 100 Abs. 1 WHG n.F. und § 82 Abs. 1 WG gerade bei Maßnahmen zum Schutz eines
Gewässer fast vollständig identisch sind und insbesondere vergleichbare
Ermessenserwägungen erfordern, ist die fehlende Bezeichnung der aktuell gültigen
Befugnisnorm im Widerspruchsbescheid jedoch unschädlich und vermag insbesondere
keinen Ermessensfehler zu begründen (vgl. zur Zulässigkeit des Austauschs der
Ermächtigungsgrundlage, wenn dieselben Ermessenserwägungen maßgeblich sind,
BVerwG, Urt. v. 30.6.1989 - 4 C 40.88 - BVerwGE 82, 185; VGH Bad.-Württ., Beschl. v.
25.5.2011 - 5 S 2494/10 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26.5.2009 - 1 LB 38/09 - juris).
25 Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Anordnung auch sonst rechtmäßig. Er
bestreitet nicht, dass die Grundvoraussetzung des § 100 Abs. 1 WHG n.F. für ein
wasserbehördliches Eingreifen, eine zu befürchtende (hier erhebliche) Beeinträchtigung
des Wasserhaushalts, vorlag. Entgegen seiner Ansicht war er vor der Wegverlegung des
maßgeblichen Leitungsabschnitts Störer (dazu I.) und seine Heranziehung nicht
ermessensfehlerhaft (dazu II.) oder sonst unverhältnismäßig (dazu III.).
I.
26 Der Kläger war zumindest Zustandsstörer.
27 Wer Adressat einer auf § 100 Abs. 1 WHG gestützten Anordnung sein kann, bestimmt sich,
sofern das Wasserhaushaltsgesetz keine Sonderregelungen enthält, nach den
allgemeinen Regelungen des Ordnungsrechts (so auch Schwind, in:
Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 100 Rn. 28; Gößl, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG,
§ 100 Rn. 105), wie sie etwa im Bundespolizeigesetz oder im Polizeigesetz Baden-
Württemberg Niederschlag gefunden haben (so für § 82 WG VGH Bad.-Württ., Urt. v.
8.2.1993 - 8 S 515/92 - VBlBW 1993, 298; Kibele, in: Bulling/Finkenbeiner/Eckardt/Kibele,
Wassergesetz für Bad.-Württ., Stand Oktober 2012, § 82 Rn. 26). In Betracht kommen
insbesondere Verhaltensstörer (§ 17 BPolG/§ 6 Abs. 1 PolG) und Zustandsstörer (§ 18
BPolG/§ 7 PolG).
28 Es kann dahinstehen, ob der Kläger Verhaltensstörer war oder ob es an der dazu
erforderlichen unmittelbaren Verursachung der Gefahr für den Gewässerhaushalt durch
ein von ihm gezeigtes Verhalten fehlte. Denn er war vor Wegverlegung des
Leitungsabschnitts jedenfalls Zustandsstörer. Dieser Leitungsabschnitt stand und steht in
seinem Eigentum (dazu 1.) und stellte durch seine Lage und seinen
gewässergefährdenden Inhalt eine Gefahr für die unmittelbar herangerückte Aach dar,
ohne dass sich der Kläger auf die Legalisierungswirkung der Genehmigung von
1970/1971 berufen kann (dazu 2.).
29 1. Obwohl der Beklagte im Jahr 2002 das Eigentum am Grundstück Flst.-Nr. 1285
erworben hat, ist er dadurch nicht Eigentümer des unterirdisch durch das Grundstück
führenden Leitungsabschnitts geworden.
30 Ob und in welchem Umfang „Bestandteile“ eines Grundstücks auf dessen Erwerber
übergehen, richtet sich nach §§ 93 ff. BGB. Nach § 93 BGB können Bestandteile einer
Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der
andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, nicht Gegenstand besonderer
Rechte sein. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 94
Abs. 1 BGB die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Ausnahmen davon
regelt § 95 BGB. Abwasser(fern)leitungen fallen regelmäßig unter die Bestimmung des §
95 Abs. 1 Satz 2 BGB (so OLG Celle, Urt. v. 5.12.2012 - 7 U 59/12 - BauR 2012, 621;
Bauer/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 34 Rn. 8). Danach gehört nicht zu den
wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks ein Werk, das in Ausübung eines Rechts
an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden
worden ist. Zu solchen Rechten an einem fremden Grundstück gehören nach
überwiegender Auffassung auch öffentlich-rechtliche Befugnisse zur Einfügung von
Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 95
Rn. 6; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, § 95 Rn. 14). Für Abwasserfernleitungen ergibt
sich eine solche Einfügungsbefugnis im Fall einer nicht zustande gekommenen Einigung
mit dem Grundstückseigentümer aus § 93 WHG n.F. (so auch OLG Celle, Urt. v. 5.12.2012,
a.a.O.; vgl. auch Beschl. d. Senats v. 21.7.2011 - 3 S 1905/11 - BWGZ 2012, 409). Vor
Inkrafttreten des WHG n.F. folgte diese Befugnis in Baden-Württemberg aus § 88 Abs. 2
WG.
31 Selbst wenn dem nicht zu folgen sein sollte und solche öffentlich-rechtlichen
Zwangsbefugnisse nicht mit „einem Recht an einem fremden Grundstück“ im Sinne des §
95 Abs. 1 Satz 2 BGB gleichzusetzen sein sollten, wäre die Verlegung eines
Leitungsabschnitts unter Berufung auf eine solche Befugnis ein Fall des § 95 Abs. 1 Satz
1 BGB einer nur vorübergehenden Einfügung in das fremde Grundstück (Holch, in:
Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 95 Rn. 18), was ebenfalls dazu führen würde,
dass der Leitungsabschnitt nicht zum wesentlichen Bestandteil des Grundstücks wird.
32 2. Die wasserrechtliche Genehmigung von 1970/1971 lässt die Zustandsstörereigenschaft
des Klägers nicht entfallen.
33 In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass eine erteilte Genehmigung unter
bestimmten Voraussetzungen durch ihre Legalisierungswirkung dazu führen kann, eine
ansonsten zu bejahende Verhaltens- oder Zustandsstörung zu verneinen (vgl.
insbesondere BVerwG, Urt. v. 2.12.1977 - IV C 75.75 - BVerwGE 55, 118;
Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Bad.-Württ., 6. Aufl., S. 218 ff. m.w.N.). Das gilt
auch für wasserrechtliche Genehmigungen (so auch Kibele, a.a.O., § 82 Rn. 64a). Die
Reichweite einer solchen Legalisierungswirkung richtet sich jeweils nach dem
Regelungshalt der Genehmigung und bedarf der Auslegung des Inhalts der
Genehmigungsurkunde (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.3.2000 - 1 S 1245/99 - VBlBW 2000,
362; Würtenberger/Heckmann, a.a.O.). Es erscheint dem Senat bereits zweifelhaft, ob die -
knapp gehaltene - Genehmigung für den Bau und den Betrieb „von verbandseigenen
Abwasserkanälen“ von 1970/1971 auch solche seltene Gefahrenmomente wie das
Heranmäandrieren eines Fließgewässers im Blick hatte und zudem auch für diesen Fall
den Weiterbetrieb legalisieren wollte.
34 Doch selbst wenn das der Fall wäre, scheidet die Annahme einer Legalisierungswirkung
hier jedenfalls deswegen aus, weil der Kläger im maßgeblichen Leitungsabschnitt auf
rund 200 m Länge nicht unerheblich von der erteilten Genehmigung abgewichen ist,
indem er die Leitungstrasse mit einem deutlich geringeren Mindestabstand (7 m statt
genehmigter 30 m) zum Ufer der Aach verlegt hat. Die solchermaßen abweichende
Trassenführung wäre nur dann noch von der Genehmigung gedeckt, wenn es sich um
eine nur „unwesentliche Abweichung“ im Sinne der Anlage 1 zur Genehmigung
1970/1971 handeln würde und das bei unwesentlichen Abweichungen in der Anlage 1
geregelte Verfahren eingehalten worden wäre. Doch zumindest Letzteres ist nicht der Fall.
Denn auch eine nur unwesentliche Abweichung wäre der Genehmigungsbehörde, d.h. der
zuständigen unteren Wasserbehörde, dem Landratsamt, anzuzeigen gewesen. Eine
solche wirksame Anzeige ist nicht erfolgt. Sie kann insbesondere nicht durch Gespräche
über den abweichenden Leitungsverlauf mit dem damaligen ersten Landesbeamten
ersetzt werden. Denn es lässt sich, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend
herausgearbeitet, nicht feststellen, dass es damals die Praxis nur mündlicher Anzeigen
gab. Gerade der Kläger selbst hat - z.B. im Jahr 1980 - gegenüber dem Landratsamt
Abweichungen angezeigt. Auch die Abnahme eines Plans mit dem geänderten
Trassenverlauf im Jahr 1984 kann die erforderliche Anzeige nicht ersetzen, da dieser zwar
einen Genehmigungsvermerk erhält, der sich aber erkennbar auf den im Plan als geändert
dargestellten Trassenabschnitt nördlich des umstrittenen Abschnitts bezieht. Auf ein
Schreiben einer damaligen nicht in das Landratsamt eingegliederten unteren
Sonderbehörde, des Straßenbauamts, als „Genehmigungsersatz“, durfte sich der Kläger
als Körperschaft öffentlichen Rechts erst recht nicht verlassen.
II.
35 Die damit mögliche Heranziehung des Klägers lässt keine Ermessensfehler (vgl. § 114
Satz 1 VwGO, § 40 LVwVfG) erkennen. Insbesondere gab es entgegen der Auffassung
des Klägers keinen weiteren Störer (dazu 1.), und selbst wenn das anders zu sehen sein
sollte, hätte dieser die damalige Gefahr nicht in einer vergleichbar effektiven Weise
bekämpfen können (dazu 2.).
36 1. Das Land - Landesbetrieb Gewässer - ist im Blick auf die Gefahr für die Aach durch die
zu bersten drohende Leitung kein Störer gewesen.
37 Wie bereits unter I.1 dargelegt, hat das Land kein Eigentum am maßgeblichen
Leitungsabschnitt erworben, so dass es kein Zustandsstörer gewesen sein kann. Der
Landesbetrieb Gewässer war aber auch nicht Verhaltensstörer. Denn es fehlt an einem
Verstoß des Landesbetriebs gegen die ihm nach §§ 46 Abs. 1, 49 Abs. 2 u. 5 WG
obliegende Gewässerunterhaltungspflicht.
38 a) Der Kläger ist zwar der Auffassung, dass es zu einer „Heranmäandrierung“ der Aach an
den maßgeblichen Abschnitt seiner Leitung nur gekommen sei, weil der Landesbetrieb
insbesondere im Zeitraum vor dem Jahr 2009 Bäume wie eine in der Flussmitte wurzelnde
Weide pflichtwidrig nicht entfernt habe. Diese Auffassung erscheint dem Senat schon im
Tatsächlichen nicht ausreichend plausibel, da das Luftbild des aktuellen Flussverlaufs in
der maßgeblichen Aachschlinge mit der Einzeichnung des Verlaufs in der Vergangenheit
(vgl. Bd. II AS 601 der Akten des LRA) Bereiche der Aach mit erheblich stärkerer
Uferveränderung erkennen lässt, als der Bereich vor dem inzwischen wegverlegten
Leitungsabschnitt, ohne dass der Kläger dazu vorträgt, dass dort noch zahlreichere Bäume
im Fluss den Uferabtrag noch stärker beschleunigt hätten. Weiter erscheint
bemerkenswert, dass die Ufererosion auch nach Entfernung der Weide und anderer
Bäume noch fortgeschritten und dadurch die Verlegung der Leitung durch den Kläger vor
Abschluss des Anfechtungsrechtsstreits erforderlich geworden ist.
39 b) Doch selbst wenn die fehlende Entfernung von Bäumen aus dem Flusslauf die Erosion
des maßgeblichen Uferbereichs erheblich beschleunigt oder verstärkt hätte, lässt sich eine
Rechtspflicht des Landes zur Entfernung dieser Bäume im konkreten Fall nicht feststellen.
Was die Gewässerunterhaltungspflicht erfordert hat, ist eine Frage der Auslegung des -
damals geltenden - § 28 WHG a.F. (heute § 39 WHG n.F.) und des § 47 WG unter
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Zutreffend weist der Kläger darauf hin,
dass nach § 28 Abs. 1 Satz 5 WHG a.F. und § 47 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WG zum Umfang der
Unterhaltung auch die Beseitigung von Störungen des Wasserabflusses gehört und nach
der landesrechtlichen Bestimmung zudem - soweit das Wohl der Allgemeinheit es
erfordert - die „Sicherung der Ufer“. Er blendet aber aus, dass sich die
Gewässerunterhaltung seit dem 7. WHG-Änderungsgesetz, der Richtlinie 2000/60/EG -
Wasserrahmenrichtlinie - Rechnung tragend, zudem an den Bewirtschaftungszielen der §§
25a bis 25d WHG a.F. (heute: §§ 27 bis 31 WHG n.F.) auszurichten hat (§ 28 Abs. 1 Satz 2
WHG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 2 WG). Zu diesen Zielen zählt nach § 25a Abs. 1 WHG a.F.
u.a. das Erreichen oder der Erhalt eines guten ökologischen Zustands eines oberirdischen
Gewässers. Zudem ist den Belangen des Naturhaushalts Rechnung zu tragen (§ 28 Abs.
1 Satz 4 WHG a.F.). Gewässer sind nicht nur zu pflegen, sondern auch zu entwickeln (§ 28
Abs. 1 Satz 1 WHG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 WG). Die pflichtgemäße Unterhaltung kann
danach grundsätzlich sowohl in einem positiven Tun, als auch in einem Unterlassen
bestehen (so Schwendner, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG a.F., § 28 Rn. 83;
Kibele, a.a.O., § 47 Rn. 72). Die im Einzelfall konkret erforderlichen
Unterhaltungsmaßnahmen bedürfen einer Abwägung, die auch zu berücksichtigen hat, ob
es spezielle Unterhaltungs- und Entwicklungskonzepte für den betroffenen
Gewässerabschnitt und sonstige zu beachtende Regelungen gibt. Das waren hier
insbesondere:
40 - Das „wasserwirtschaftlich-ökologische Entwicklungskonzept Radolfzeller Aach“ des
Regierungspräsidiums Freiburg vom November 1991. Es setzt sich zum Ziel, „einen
außergewöhnlichen Fluss“ und seinen Talraum „naturnäher zu entwickeln“. Dazu soll die
„Eigendynamik der Aachmäanderbildung“ gefördert werden (S. 10 des Konzepts). Zwar
liegt der Bereich um die wegverlegte Abwasserleitung nicht im Geltungsbereich einer der
auf Seite 14 f. aufgezählten konkreten Weiterentwicklungsmaßnahmen. Doch wird der
Flusslauf im maßgeblichen Abschnitt auf Seite 7 des Konzepts als bereits in einem
natürlichen Zustand befindlich eingestuft und auf Seite 19 des Konzepts die
Wiedervernässung von flussnahen Wiesen als Ziel benannt.
41 - Der „Pflege- und Entwicklungsplan Lebensraumverbund Westlicher Untersee“, kurz
„LIFE-Projekt“, der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Freiburg, Stand
15.10.2001. Er umfasst auch die Fläche des Naturschutzgebiets „Radolfzeller Aachried“
(vgl. S. 11 f. des Konzepts). Auf Seite 21 des Konzepts wird darauf hingewiesen, dass der
ursprüngliche Zustand der Aach in der Vergangenheit durch Schlingendurchstiche
verändert worden ist. Eine Förderung der Flussdynamik sei daher wichtigstes Ziel.
42 - Das FFH-Gebiet „Mettnau und Radolfzeller Aach unterhalb Singen“
(Schutzgebietsnummer 8219 -341), das als FFH-Lebensraumtyp Nr. 3260, nämlich als
„Fließgewässer der planaren bis momentanen Stufen mit Vegetation Ranculion fluitantis“
eingestuft ist. Im „Steckbrief“ der LUBW zum FFH-Lebensraumtyp 3260 findet sich bei der
Aufzählung von Schutzmaßnahmen „Förderung der Fließdynamik, Erhalt von Totholz im
Gewässer“.
43 Jedenfalls diese speziellen Regelungen verdeutlichen hinreichend, dass vorrangiges Ziel
der Gewässerunterhaltung im hier maßgeblichen Abschnitt die Förderung der
sogenannten Eigendynamik der Aach war und ist. Zu ihr gehört gerade auch, dass Bäume
in den Fluss fallen und dort belassen werden (vgl. nur Hessisches Landesamt für Umwelt
und Geologie, Ermittlung der morphologischen Gewässerentwicklungsfähigkeit in Hessen,
S. 4 ff. mit Bilderfolgen). Das Belassen von Bäumen im Flussbett erfolgte somit hier in
Erfüllung der dem Landesbetrieb Gewässer konkret obliegenden Unterhaltungspflicht und
kann daher nicht als pflichtwidrig angesehen werden.
44 Keiner Entscheidung bedarf, ob dennoch an einem punktuellen Flussabschnitt in der
Nähe einer Leitung, die dem öffentlichen Interesse an der geordneten
Abwasserbeseitigung dient, Unterhaltungsmaßnahmen im Sinne von
Sicherungsmaßnahmen erforderlich sein können, wenn der für die Leitung Verantwortliche
den Unterhaltspflichtigen rechtzeitig darauf hinweist, oder ob auch dann nur der jeweilige
Grundstückseigentümer oder der Eigentümer der Leitung zu Sicherungsmaßnahmen
verpflichtet wäre. Denn ein solcher Hinweis ist hier unterblieben. Vielmehr war es
umgekehrt so, dass Mitarbeiter des Landesbetriebs Gewässer den Kläger auf die Gefahr
für seinen Leitungsabschnitt hinweisen mussten, als die Aach der Leitung schon
bedrohlich nahe gekommen war.
45 2. Im Übrigen wäre es nach der Auffassung des Senats auch dann ermessensgerecht
gewesen, auf den Kläger zuzugreifen, wenn der Landesbetrieb Gewässer auch Störer
gewesen sein sollte. Denn der Landesbetrieb war zur Vornahme der effektivsten Handlung
zur Gefahrenabwehr, der Leitungsverlegung, rechtlich nicht befugt und hätte auch keine
Möglichkeit gehabt, den vorangehenden Leitungsabschnitt während der Verlegungsphase
abzuschalten. Dem Kläger ist es nicht gelungen, alternative Gefahrenabwehrmaßnahmen
aufzuzeigen, die mit den Bestimmungen der Naturschutzverordnung und insbesondere mit
den Erhaltungszielen und Schutzzwecken des FFH-Gebiets vereinbar gewesen wären
(vgl. nochmals den „Steckbrief“ der LUBW zum FFH-Lebensraumtyp 3260, S. 4, wonach
Uferbefestigungen aller Art zu den typischen Gefährdungsursachen für den Lebensraum
gehören).
III.
46 Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt seine Inanspruchnahme als Zustandsstörer
auch nicht gegen die Grenzen dessen, was einem Eigentümer durch eine solche
Inanspruchnahme zugemutet werden kann.
47 Der Kläger beruft sich dazu auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu
den Grenzen der Inanspruchnahme eines Zustandsstörers („Opferposition des
Zustandsstörers“, vgl. insbes. BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 - 1 BvR 242/91 u. 1 BvR
315/99 - BVerfGE 102,1). Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgericht ist der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Kläger
als Zweckverband ist aber eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 3 Abs. 1 Satz
1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit). Seine Mitglieder sind Gemeinden.
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist Gemeinden wegen des personalen
Schutzzwecks der Eigentumsgarantie eine Berufung auf Art. 14 GG verwehrt (BVerfG,
Beschl. v. 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82; BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 - 7 C
25.93 - BVerwGE 97, 143; Urt. d. Senats v. 23.1.2013 - 3 S 1409/11 - juris). Es ist nicht
ersichtlich, weswegen für einen Zweckverband etwas anderes gelten sollte.
48 Eine Schranke für die Heranziehung eines Eigentümers als Zustandsstörer ist im Übrigen
bisher, soweit ersichtlich, nur bei Grundstückseigentümern angenommen worden und
zwar dann, wenn die Befolgung einer Sanierungsanordnung eine außergewöhnliche
finanzielle Belastung bedeutete. Geht es aber um das Eigentum an einer Leitung, die in
Zusammenhang mit einer Abwasserreinigungsanlage steht, reicht es nicht aus, auf den
Verkehrswert des verlegten Leitungsabschnitts abzustellen, der sicher niedriger gewesen
ist, als die angefallenen Verlegungskosten. Vielmehr muss auf die Fähigkeit, die gesamte
Abwasserreinigungsanlage weiter zu betreiben, abgestellt werden. Insoweit ist der Fall
vergleichbar mit der Sanierungsanordnung hinsichtlich eines Grundstücks, das in einem
rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb (mit mehreren
Grundstücken) steht. Auch dann ist die Obergrenze der Belastbarkeit erst überschritten,
wenn die Inanspruchnahme in voller Höhe zur Betriebsaufgabe führen würde (BVerfG,
Beschl. v. 16.2.2000, a.a.O., juris-Rn. 62; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., S. 206). Die
Gefährdung der Aufgabenerfüllung des Zweckverbands ist schon nicht dargelegt und auch
nicht erkennbar.
IV.
49 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
50 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht
erfüllt sind.
51
Beschluss vom 3. Juli 2013
52 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1
GKG auf 68.426 EUR festgesetzt, da er sich nach der Rechtsprechung des Senats (vgl.
Beschl. v. 7.8.2012 - 3 S 1028/12 - u. v. 26.1.2012 - 3 S 1665/11 - BWGZ 2012, 412) an
den Kosten, die die Befolgung der wasserrechtlichen Anordnung nach sich zieht, zu
orientieren hat. Das sind hier die für die Leitungsverlegung aufgewendeten Kosten des
Klägers.
53 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.