Urteil des VG Stuttgart vom 04.07.2014

VG Stuttgart: aufschiebende wirkung, überstellung, ungarn, abschiebung, initiative, ausreise, rechtsschutz, form, hauptsache, mitgliedstaat

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 4.7.2014, A 11 S
1230/14
Leitsätze
Zwar bestehen Zweifel, ob § 34a Abs. 1 (i.V.m. § 27a) AsylVfG, der allein eine Abschiebung in
den zuständigen Mitgliedstaat vorsieht und keine Möglichkeit einer Ausreise auf Initiative des
Ausländers oder eine kontrollierte Ausreise im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) VO (EG)
Nr. 1560/2003 vom 02.09.2003 (ABl. L. Nr. 222, 3) i.d.F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr.
118/2014 - DVO Dublin III (ABl. L Nr. 39, 1) einräumt, mit Unionsrecht uneingeschränkt vereinbar
ist. Gleichwohl besteht keine Veranlassung, die Betroffenen vorläufig von den Vollzugsfolgen
freizustellen. Denn es ist eine unionsrechtskonforme Handhabung durch die für die
Aufenthaltsbeendigung zuständige Ausländerbehörde möglich.
Tenor
Der Abänderungsantrag des Antragstellers hinsichtlich des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. März 2014 - A 8 K 400/14 - wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtkostenfreien Abänderungsverfahrens.
Gründe
1 Der Abänderungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
2 Der Senat ist, nachdem das Hauptsacheverfahren bei ihm anhängig ist, als Gericht der
Hauptsache im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO zuständig, im Übrigen auch aufgrund
des bindenden Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24.06.2014.
3 Zwar kann eine grundsätzliche Änderung der Prozesslage einen veränderten Umstand im
Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausmachen (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 80 Rn.
142 m.w.N.), weshalb die mittlerweile durch Senatsbeschluss vom 02.07.2014 (A 11 S
1196/14) erfolgte Berufungszulassung in Bezug auf die in Ziffer 2 des Bescheids der
Antragsgegnerin vom 17.01.2014 enthaltene Anordnung der Abschiebung nach Ungarn
Grundlage einer Änderung sein könnte. Gleichwohl sieht der Senat keinen gerechtfertigten
Grund in Abkehr von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nunmehr die
aufschiebende Wirkung anzuordnen.
4 Dieses ergibt sich aus Folgendem: Nachdem der Senat die Zulassung der Berufung gegen
das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem die Klage gegen die in Ziffer 1 des Bescheids
der Beklagten vom 17.01.2014 erfolgte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (vgl. § 31
Abs. 5 AsylVfG) abgewiesen wurde, abgelehnt hat, steht unanfechtbar fest, dass Ungarn für
die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und diesbezüglich, insbesondere gegen
eine Überstellung nach Ungarn vom Antragsteller keine (zielstaatsbezogenen)
Einwendungen mehr erhoben werden können. Wie bereits im Beschluss vom 02.07.2014
angesprochen, sieht der Senat keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, die Bestimmung
des § 34a Abs. 1 AsylVfG unionrechtskonform durch die für die Überstellung zuständige
Ausländerbehörde zu handhaben, und zwar nach Maßgabe von Art. 7 VO (EG) Nr.
1560/2003 vom 02.09.2003 (ABl. L. Nr. 222, 3) i.d.F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr.
118/2014 - DVO Dublin III (ABl. L Nr. 39, 1). Dieses könnte in der Weise zu geschehen
haben, dass die für die Überstellung zuständige Ausländerbehörde zunächst prüft, ob in der
Person des oder der Betroffenen Abschiebungsgründe im Sinne des § 58 Abs. 1 und 3
AufenthG vorliegen und verneinendenfalls eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob
eine Überstellung in der Form des Art. 7 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) DVO Dublin III erfolgen soll.
Ggf. muss der Antragsteller, wenn die Ausländerbehörde abweichend von seinen
Wünschen auf einer Abschiebung bestehen sollte, insoweit vorläufigen Rechtsschutz nach
§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Anspruch nehmen.
5 Der Senat sieht ungeachtet dessen auch deshalb von einer Abänderung ab, weil der
Antragsteller zu keinem Zeitpunkt den Wunsch geäußert hatte, auf eigene Initiative oder
jedenfalls kontrolliert ausreisen zu wollen.
6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
7 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.