Urteil des VG Stuttgart vom 02.07.2014

VG Stuttgart: asylbewerber, ausreise, datum, vertreter, form, initiative, mitgliedstaat, behandlung, erlass, abschiebung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 2.7.2014, A 11 S
1196/14
Leitsätze
Zulassung der Berufung zur Klärung der Fragen, ob § 34a Abs. 1 AsylVfG mit den Vorgaben des
Unionsrechts vereinbar ist, und ob eine unionrechtskonforme Handhabung durch die
vollziehende Ausländerbehörde möglich ist.
Tenor
Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Stuttgart vom 21. Mai 2014 - A 8 K 399/14 - zugelassen, soweit es die Klage gegen die Ziffer 2
des Bescheids der Beklagten vom 17.01.2014 abgewiesen hat.
Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens; im
Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der abschließenden Entscheidung im
Berufungsverfahren vorbehalten.
Gründe
1 Der uneingeschränkt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart gestellte
Zulassungsantrag ist nur hinsichtlich der angegriffenen Ziffer 2 des Bescheids vom
17.01.2014 zulässig. Denn in Bezug auf die Ziffer 1 des Bescheids enthält die Begründung
des Zulassungsantrags keine Ausführungen. Die gegen die Vereinbarkeit des Erlasses
einer Abschiebungsanordnung mit Unionsrecht erhobenen Einwände, stehen ersichtlich
nicht in Zusammenhang mit der den Gegenstand der Ziffer 1 bildenden Frage, ob Ungarn
der für die Behandlung des Asylbegehrens zuständige Mitgliedstaat ist.
2 Der Kläger hat in Bezug auf die Ziffer 2 des angegriffenen Bescheids dem gesetzlichen
Darlegungserfordernis genügend begründet, dass die Sache grundsätzliche Bedeutung hat
(vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).
3 Die grundsätzliche Bedeutung liegt auch in der Sache vor. Es ist grundsätzlich
klärungsbedürftig, ob der Erlass einer Abschiebungsanordnung, der nach den
Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylVfG voraussetzt, dass eine
Abschiebung, d.h. eine Durchsetzung der Ausreisepflicht mit den Mitteln des unmittelbaren
Zwangs zulässig ist und durchgeführt werden soll und kann, mit den Vorgaben des
Unionsrechts vereinbar ist (vgl. hierzu GK-AsylVfG, § 27a Rn. 252 und 257; § 34a Rn. 53).
Das Unionsrecht geht von drei möglichen Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung aus,
nämlich der Überstellung (1) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen
Frist, (2) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen
des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird
und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Uhrzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten
Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden oder (3) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von
einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem
ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden
des zuständigen Staats überstellt wird (vgl. Art. 29 Abs. 1 UA 2 VO Dublin III i.V.m. Art. 7
Abs. 1 VO (EG) Nr. 1560/2003 vom 02.09.2003 (ABl. L Nr. 222, 3) i.d.F. DVO (EU) Nr.
118/2014 vom 30.01.2014 (ABl. L Nr. 39, 1). Der im nationalen Recht angelegte, eine
Prüfung der Umstände des Einzelfalls ausschließende Automatismus begegnet
unionsrechtlichen Bedenken. Im Berufungsverfahren wird insbesondere auch zu klären
sein, ob ggf. § 34a AsylVfG einer unionsrechtskonformen Auslegung oder Handhabung
zugänglich ist.
4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
5 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.