Urteil des VG Stuttgart vom 18.12.2012

VG Stuttgart: verfügung, grundstück, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, sanierung, ausschlagung der erbschaft, kreis, eltern, ersatzvornahme, juristische person, grundwasser

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 18.12.2012, 10 S 744/12
Leitsätze
1. Bei der bodenschutzrechtlichen Störerauswahl auf der Primärebene hat sich die Behörde in
erster Linie von dem Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes leiten zu lassen. Das Einschreiten gegen den Zustandsstörer,
der auch Inhaber der tatsächlichen Gewalt und wirtschaftlich leistungsfähig ist, ist jedenfalls
dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unklar ist, ob
und in welchem Umfang die Haftung anderer Personen als Gesamtrechtsnachfolger in Betracht
kommt.
2. Zur Frage, ob Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1
BBodSchG nur die erste oder auch die nachfolgenden Erbengenerationen sind (hier
offengelassen).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20. April
2011 - 1 K 1716/09 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Verfügung sowie gegen die
Anordnung der Ersatzvornahme.
2 Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. ..., ...straße ... in N... Auf dem
Grundstück befand sich eine Färberei und chemische Reinigung. Diese wurde von Juni
1939 bis September 1981 von Albert ... betrieben und vom Oktober 1981 bis Januar 1983
von K... Sch... Anschließend wurde der Betrieb endgültig eingestellt. Laut historischer
Erhebung fand der Betrieb spätestens seit 1948 auf dem Grundstück ...straße ... statt; laut
Gewerbekartei war das Betriebslokal zumindest seit 12.09.1955 in der ...straße ... Das
Grundstück stand - mit einer kurzen Unterbrechung - bis 1985 im Eigentum von Albert ...
und seiner Ehefrau Anna ... und wurde im Januar 1985 von den Eltern des Klägers
erworben; seit September 2002 ist der Kläger Grundstückseigentümer. Der im Jahre 1982
abgetrennte rückwärtige Grundstückteil (Flst.-Nr...), der mit einem Wohnhaus bebaut ist,
steht nach wie vor im Eigentum der Eltern des Klägers.
3 Albert ... verstarb im Oktober 1992 und wurde von seiner Ehefrau beerbt. Anna ... verstarb
im Juni 2000 und wurde von ihrer Nichte I. R... und ihrem Neffen E. T... beerbt. K... Sch...
verstarb im Dezember 1998.
4 Im Jahr 1983 wurden bei Abwasser- und Schlammproben im Zusammenhang mit dem
Neuanschluss des Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgung hohe
Konzentrationen von chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW) in einer Abwassergrube
festgestellt. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob es sich um die Abwassergrube vor
dem Hinterhaus auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... handelt oder um die Abwassergrube
unterhalb des Kellers des Vorderhauses auf dem Flst.-Nr. ... Im Januar 1984 wurde der
damalige Eigentümer des Grundstücks Albert ... aufgefordert, die Grube vollständig zu
leeren und den Grubeninhalt als Sondermüll zu entsorgen sowie im Bereich des Zulaufs
der gewerblichen Abwässer die Grubensohle aufzubrechen und das Material einer
Sondermülldeponie zuzuführen. Im März 1984 wurde er weiter aufgefordert, das unter der
Grubensohle anstehende verunreinigte Bodenmaterial bis zu einer Tiefe von 50 cm zu
entfernen und als Sonderabfall zu entsorgen sowie den Bereich bis zu 50 cm oberhalb der
ehemaligen Grubensohle mit Magerbeton zu verfüllen. Ob und in welchem Umfang noch
weitere Maßnahmen erforderlich seien, werde zwischen dem Wasserwirtschaftsamt und
dem Geologischen Landesamt abgesprochen werden müssen. Diesbezüglich werde er
einen weiteren Bescheid erhalten. Mit Aktenvermerk des Wasserwirtschaftsamts
Heidelberg vom 07.03.1984 wurde festgestellt, dass sich die kontaminierte Fläche mit
Sicherheit weit über den eigentlichen Sohlenbereich hinaus erstrecke, insofern habe eine
geringfügige weitere Bodenentnahme im Sohlenbereich keine nennenswerten
zusätzlichen Effekte. Eine weitere Auskofferung wurde aus statischen Gründen für
schwierig gehalten, weil sich die aufgebrochene Grube unmittelbar neben einer tragenden
Gebäudewand befinde. Die massivsten Verunreinigungen hätten entfernt werden können.
Weitere Maßnahmen müssten zwischen den beteiligten Behörden abgesprochen werden.
Mit Schreiben vom 20.07.1984 teilte Albert ... der Behörde die Durchführung der
angeordneten Maßnahmen mit. Weitere Erkundungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen
erfolgten zunächst nicht.
5 Nachdem das Landratsamt im Zuge flächendeckender historischer Erhebungen im Jahr
2000 erneut auf den Standort aufmerksam geworden war, führte die Gesellschaft für
Umwelttechnik (Dr. F...) im Sommer 2003 eine Gefahrenerforschungsmaßnahme durch.
Die Boden- und Bodenluftproben ergaben im Bereich des ehemaligen Standplatzes der
Reinigungsmaschine und im Bereich des ehemaligen Chemikalienlagers im Keller des
Vordergebäudes sehr hohe Konzentrationen von Leichtflüchtigen halogenierten
Kohlenwasserstoffen - im Folgenden: LHKW - (Rammkernsondierung RKS 3 und 4). Im
Bereich der ehemaligen Abwassergrube im Keller des Gebäudes konnten aufgrund von
Bohrhindernissen keine Untersuchungen durchgeführt werden (RKS 2a, 2b, 2c). Im
Bereich der Abwassergrube auf dem Hinterliegergrundstück Flst.-Nr. ... war der Befund
unauffällig (RKS 1). Im Ergebnis schloss der Gutachter eine Grundwassergefährdung nicht
aus und empfahl eine weitere Gefährdungsabschätzung (Ergebnisbericht September
2003).
6 Im Dezember 2004 wurde eine Grundwassermessstelle (MS 1) in der Nordwestecke des
Grundstücks Flst.-Nr. ... errichtet. Mit Gutachten vom 19.01.2005 kam das
Sachverständigenbüro für Umweltgeologie - Dr. S... - zu dem Ergebnis, dass ein
dringender weiterer Handlungsbedarf bestehe. Dies gelte sowohl für die festgestellte
Verunreinigung in der ungesättigten Bodenzone als auch für die Gebäude und das
Grundwasser. Die beiden Grundwasserproben hätten außerordentlich hohe LHKW-
Gesamtgehalte ergeben (11.122 µg/l bzw. 10.819 µg/l), wobei Tetrachlorethen, ein
reinigungstypisches Lösemittel, den Hauptkontaminanten darstelle. Der Gutachter schlug
als weitere Maßnahmen u.a. die Einrichtung von weiteren Grundwassermessstellen an der
Nordostecke des Grundstücks Flst.Nr. ... und an der westlichen Hauswand des
Vordergebäudes vor.
7 Mit Verfügung vom 27.12.2005 verpflichtete das Landratsamt den Kläger unter Anordnung
der sofortigen Vollziehung, zur Erkundung des Grundwasserschadens durch LHKW auf
dem Grundstück Flst.Nr. ... weitere Erkundungsmaßnahmen durchführen zu lassen.
Insbesondere wurden dem Kläger fünf Rammkernsondierungen (RKS) im
Parkplatzbereich bzw. zwischen Geschäftshaus und Parkplätzen aufgegeben. Aus den
Rammkernsondierungen ist jeweils eine Bodenluftprobe auf LCKW zu entnehmen (Ziffer 1
der Verfügung). Gefordert wurde ferner eine Grundwassermessstelle (MS 3) in der
Hofeinfahrt in Höhe der RKS 2a (Ziffer 2), eine Grundwassermessstelle (MS 2) auf der
gegenüberliegenden Hofeinfahrt des Gebäudes (Ostseite) in Höhe der MS 1 (Ziffer 3)
sowie eine weitere Grundwassermessstelle (MS 4) in der ...straße im direkten Abstrom der
Hauptbelastung, die mittels Grundwassergleichenplänen zu ermitteln sei (Ziffer 4). Die
genaue Lage und Tiefe der unter Ziffer 1 bis 4 aufgeführten Sondierungen und
Grundwassermessstellen ist mit der unteren Bodenschutzbehörde abzusprechen (Ziffer 5).
An allen vier Messstellen sind im Abstand von mindestens vier Wochen
Pumpwasserproben zu entnehmen und jeweils auf LCKW zu untersuchen (Ziffer 10). An
den Messstellen MS 1 oder MS 2 ist ein dreitägiger Pumpversuch durchzuführen, der
analytisch zu begleiten ist (Ziff. 13 und Ziff. 14). Das geförderte Grundwasser ist in die
Kanalisation zu leiten. Sofern die Einleitgrenzwerte in die öffentliche Kanalisation nicht
eingehalten werden, ist eine Aktivkohlefilteranlage zur Grundwasseraufbereitung zu
installieren (Ziffer 16). Im Keller des Geschäftshauses sowie im Gebäude auf dem
Nachbargrundstück ist eine Raumluftuntersuchung durchzuführen und auf LCKW hin zu
analysieren (Ziff. 20). Die Maßnahmen sind gutachterlich zu begleiten und zu
dokumentieren (Ziff. 21). Im Übrigen werden einzelne Bestimmungen über die Lage und
die Beschaffenheit der Grundwassermessstellen sowie über die Durchführung der
Probeentnahmen und des Pumpversuchs getroffen. Für den Fall, dass der Kläger der
Verfügung nicht bis 31.01.2006 nachkommen werde, wurde die Ersatzvornahme
angedroht.
8 Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf dem Grundstück des Klägers
gebe es vier potenzielle Eintragsstellen für eine Untergrundverunreinigung durch LHKW.
Hierbei handele es sich um das ehemalige Chemikalienlager, um den ehemaligen
Standort der großen Reinigungsmaschine und um eine Art „Bodeneinlauf“, jeweils im
Keller des Vordergebäudes, sowie um die ehemalige Abwassergrube im rückwärtigen
Hofbereich. Aufgrund der bei den Untersuchungen festgestellten Werte könne davon
ausgegangen werden, dass der größte Schadstoffanteil im Bereich der ehemaligen
Abwassergrube im rückwärtigen Hofbereich durch die Auskofferung im Jahr 1983 habe
saniert werden können. An den übrigen Stellen lägen hohe LHKW-Werte vor.
Rechtsgrundlage für die Durchführung der Erkundungsmaßnahmen seien §§ 9 Abs. 2, 4
Abs. 3 BBodSchG. Auf dem Betriebsgelände der ehemaligen Färberei und chemischen
Reinigung seien in der Bodenluft und im Grundwasser LHKW-Gehalte bis 21.136 mg/qm³
(RKS 4) bzw. 11.000 µg/l (MS 1) festgestellt worden, wobei die Geringfügigkeitsschwellen
um ein Vielfaches überschritten würden. Es sei daher bereits ein erheblicher
Grundwasserschaden eingetreten. Weiter bestehe ein dringender Sanierungsbedarf,
wobei jedoch noch entsprechende Untersuchungen erforderlich seien. Die angeordneten
Maßnahmen seien erforderlich und geeignet, die festgestellte Grundwasser- und
Bodenverunreinigung in ihrem Ausmaß näher zu untersuchen und geeignete
Sanierungsmaßnahmen zu planen. Durch die drei weiteren Grundwassermessstellen
könne das Ausmaß der Grundwasserverunreinigung und die Fließrichtung erkundet
werden. Durch die Pumpversuche und die Bodenluftabsaugversuche könne das
Schadstoffpotenzial aufgezeigt werden. Mittels dieser Erkenntnisse könne ein
Sanierungskonzept erarbeitet werden. Mit den Raumluftuntersuchungen im Vorderhaus
und im Nachbargebäude müsse geprüft werden, ob eine Gefahr für die Menschen
bestehe. Weniger einschneidende Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Der Kläger sei als
Grundstückseigentümer zur Durchführung der notwendigen Untersuchungen nach § 4
Abs. 3 BBodSchG verpflichtet. Zwar seien auch der Verursacher der schädlichen
Bodenveränderung bzw. dessen Erbe pflichtig; diese könnten aber nicht mehr zu den
Untersuchungen herangezogen werden, weil sowohl Albert ... als auch seine Erbin Anna
... verstorben seien. Die beiden Erben von Anna ... könnten nicht verpflichtet werden, weil
diese nicht Verursacherin der Untergrundverunreinigung gewesen sei. Da die Reinigung
nur 15 Monate durch K... Sch... betrieben worden sei, sei davon auszugehen, dass der
immense Grundwasserschaden nicht durch ihn verursacht worden sei. Im Übrigen sei
auch er bereits verstorben. Als frühere Eigentümer seien auch die Eltern des Klägers
pflichtig, weil davon auszugehen sei, dass sie bei Eigentumsübergang die schädliche
Bodenveränderung oder Altlast kannten oder hätten kennen müssen. Da der Kläger als
Eigentümer aber direkten Zugriff auf das Grundstück besitze, werde er als Zustandsstörer
herangezogen. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens werde der Kläger in
Anspruch genommen, weil davon auszugehen sei, dass er zum Vollzug der Verfügung in
der Lage sei.
9 Gegen diese Verfügung legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er u.a.
vortrug, die Behörde habe den Sachverhalt mangelhaft ermittelt. Im hinteren Hofbereich
habe es zwar eine Abwassergrube gegeben; in diese seien jedoch keine Abwässer aus
dem Vordergebäude, in dem die Reinigung betrieben worden sei, eingeleitet worden. Die
im Jahr 1983/84 untersuchte Abwassergrube befinde sich innerhalb des Vordergebäudes.
Diese sei in einem förmlichen Verfahren beantragt und genehmigt worden. Hieraus folge
eine Legalisierungswirkung.
10 Am 11.04.2006 stellte der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO. In diesem
Verfahren räumte das Landratsamt mit Schriftsatz vom 19.04.2006 ein, dass in der
Verfügung vom 27.12.2005 die Abwassergruben verwechselt worden seien. Hierdurch
ergebe sich jedoch keine Änderung an den festgesetzten Bohransatzpunkten. Die
Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
11 Mit Bescheid vom 07.07.2009 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch
des Klägers gegen die Verfügung vom 27.12.2005 zurück. Zur Begründung wurde im
Wesentlichen ausgeführt, die Verfügung finde ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 2
BBodSchG. Aufgrund der in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten Untersuchungen
bestehe der hinreichende Verdacht einer Altlast. Zum Schutz der Allgemeinheit und der
sich im Gebäude aufhaltenden Personen sei es erforderlich, die vorliegenden
Grundwasser- und Bodenverunreinigungen in ihrem tatsächlichen Ausmaß näher zu
bestimmen und hierdurch Grundlagen für geeignete Sanierungsmaßnahmen zu schaffen.
Das Landratsamt sei bei seiner Entscheidung zwar fälschlicher Weise davon
ausgegangen, dass sich die ehemalige Abwassergrube des Reinigungsbetriebs im
hinteren Hofbereich befunden habe. Daraus, dass in diesen Bereichen nur geringfügig
erhöhte LHKW-Bodenluftwerte gemessen worden seien, sei gefolgert worden, dass diese
Grube seinerzeit größtenteils saniert worden sei. Das Schreiben vom 19.04.2006, mit dem
die Verwechslung eingeräumt worden sei, stelle jedoch eine Umdeutung eines
fehlerhaften Verwaltungsaktes im Sinne des § 47 LVwVfG dar. Die Störerauswahl des
Landratsamts sei frei von Ermessensfehlern. Ein Gesamtrechtsnachfolger des
Verursachers sei nicht mehr vorhanden. Die Ehefrau Anna ... sei zu keinem Zeitpunkt
Betreiberin der Chemischen Reinigung gewesen, so dass sie nicht als Verursacherin der
schädlichen Bodenveränderung betrachtet werden könne. Eine Inanspruchnahme ihrer
Erben sei daher weder als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers noch als frühere
Eigentümer des Grundstücks möglich, da sich das Anwesen bereits seit 1985 im Eigentum
der Familie des Klägers befunden habe. Aufgrund des kurzen Zeitraums seiner
Betriebsführung sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, K... Sch... nicht in Anspruch zu
nehmen. Der Umfang der Inanspruchnahme des Klägers sei auch unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unverhältnismäßig. Bei Erwerb
des Grundstücks im Jahre 1985 seien umgerechnet 270.000,-- EUR bezahlt worden. Die
voraussichtlichen Kosten der Detailuntersuchung beliefen sich auf ca. 50.000,--EUR und
lägen damit weit unterhalb des Verkehrswertes des Grundstücks nach Abschluss der
Sanierung. Die vom Kläger geltend gemachte pflichtwidrige Untätigkeit der zuständigen
Behörden von 1984 bis 2002 hindere nicht die Inanspruchnahme des Zustandsstörers,
dessen Heranziehung sich aus der Sozialbindung des Eigentums ergebe. Die
Zustandsverantwortlichkeit bestehe ohne Berücksichtigung des konkreten
Ursachenzusammenhangs, auf den der Gefahrenzustand zurückzuführen sei. Ein
möglicherweise pflichtwidriges Verhalten Dritter habe daher nicht zur Folge, dass der
Grundstückseigentümer von seinen öffentlich-rechtlichen Pflichten entbunden werden
könne. Etwaige Schadensersatz- oder Freistellungsansprüche seien auf privatrechtlichem
Weg vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Eine Legalisierungswirkung
durch die abwasserrechtliche Genehmigung vom 02.09.1959 sei nicht eingetreten, weil
die Vorgaben zum Gewässerschutz in Ziffern 4 bis 8 des Genehmigungsbescheids nicht
eingehalten worden seien. Die Abwasseranlage sei somit zu keinem Zeitpunkt
vorschriftsgemäß betrieben worden. Auch der Umfang der angeordneten
Erkundungsmaßnahme begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die
Rammkernsondierungen befänden sich in den Bereichen der vermuteten
Haupteintragsorte; die Grundwassermessstellen in der Nähe des vermuteten
Kontaminationsherdes sowie im Grundwasserstrom. Die angegriffene Verfügung enthalte
auch keine über den Regelungsbereich des § 9 Abs. 2 BBodSchG hinausgehenden
Sanierungsanordnungen. Die Bodenluftabsaugung und die Grundwasserentnahmen
dienten ausschließlich dazu, die Schadensintensität und das Schadensausmaß zu
ermitteln. Nur wenn das im Rahmen der Grundwasserbeprobung geforderte Grundwasser
so stark verunreinigt sei, dass es nicht in die öffentliche Kanalisation zurückgeleitet
werden könne, seien aus Gründen des Gewässerschutzes weitere Schritte erforderlich.
Die für diesen Fall geforderte Grundwasseraufbereitungsanlage diene ausschließlich der
Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung der Erkundungsmaßnahmen.
12 Mit Verfügung vom 12.04.2006 ordnete das Landratsamt die Ersatzvornahme an. Den
hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe
mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2009 mit der Begründung zurück, die gesetzlichen
Voraussetzungen der Ersatzvorname lägen vor.
13 Am 24.07.2009 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Er hat
vorgetragen, weder seine Eltern noch er selbst hätten beim Erwerb des Grundstücks
Kenntnis von einem Altlastenverdacht gehabt. Die Rolle des Zustandsstörers sei ihm nur
deshalb zugewachsen, weil der Beklagte vor mehr als 25 Jahren versäumt habe, eine ihm
bekannt gewesene und als gravierend eingeschätzte Altlast entsprechend seinen
Amtspflichten zu ermitteln und einer Sanierung zuzuführen. Bereits 1971 und erneut im
Jahre 1983 hätten die Behörden davon Kenntnis erhalten, dass die Abwassergrube nicht
entsprechend den Auflagen im Genehmigungsbescheid vom 02.09.1959 errichtet und
betrieben worden sei. Im August 1983 seien bedenklich hohe Konzentrationen an CKW
ermittelt und festgestellt worden, dass eine Grundwasserbeeinträchtigung nicht
auszuschließen sei. Die angekündigten weiteren Maßnahmen und Untersuchungen seien
in den darauf folgenden Jahren nicht vorgenommen worden. Dies stelle eine
Amtspflichtverletzung dar. Denn die Behörden seien von Verfassungs wegen verpflichtet,
Boden und Grundwasser als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen.
Das Interesse, Ursachen und Ausmaß der Verunreinigungen zu erkunden und die
gegebenen Möglichkeiten einer Sanierung zu klären, habe besonders großes Gewicht
und sei zeitnah durchzuführen. Aufgrund ihrer jahrzehntelangen Untätigkeit habe die
Behörde ihm gegenüber die gesetzlichen Eingriffsbefugnisse verwirkt. Seine
Heranziehung als Zustandsstörer erscheine grob rechtsmissbräuchlich und treuwidrig,
weil die Behörde selbst die Ursache für seine Inanspruchnahme und für die eingetretene
Verschlechterung der Bodensituation gesetzt habe. Seine Inanspruchnahme sei darüber
hinaus unverhältnismäßig. Seine persönliche und berufliche Existenz werde in hohem
Maße gefährdet. Die aus seinem Sanitärbetrieb erwirtschafteten Überschüsse reichten
nicht aus, um die Aufwendungen einer Bodensanierung zu bezahlen. Die Nachlässigkeit
der Behörden zeige sich auch darin, dass sie nach wie vor von einem falschen Standort
der Kontaminationsquelle ausgehe. Der Kläger hat beantragt, die Verfügung des
Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.12.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.07.2009 und die
Verfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 12.04.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.07.2009
aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
14 Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat die angegriffenen Bescheide
verteidigt und macht geltend, die Frage von Amtspflichtverletzungen sei vor dem
Zivilgericht zu klären.
15 Mit Urteil vom 20.04.2011 hat das Verwaltungsgericht die Verfügungen des Landratsamts
Rhein-Neckar-Kreis vom 27.12.2005 und vom 12.04.2006 und die
Widerspruchsbescheide des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.07.2009 und vom
09.07.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es könne
offen bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG oder
eine andere Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der mit Verfügung vom 27.12.2005
getroffenen Anordnungen gegeben seien. Diese Verfügung sei jedenfalls deshalb
rechtswidrig, weil das Landratsamt bei der Auswahl des Adressaten sein Ermessen
fehlerhaft ausgeübt habe. Es habe verkannt, dass durchaus Gesamtrechtsnachfolger des
Verursachers Albert ... vorhanden seien, die ebenfalls herangezogen werden könnten.
Das Landratsamt habe in seiner Verfügung den Gesamtrechtsnachfolger mit dem Erben
gleichgesetzt und damit verkannt, dass es auch eine sukzessive Rechtsnachfolge im
Wege der Universalsukzession gebe (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 7 C
3/05 -, BVerwGE 125, 325; BayVGH, Beschluss vom 06.02.2004 - 22 Cs 98.2925 - NVwZ-
RR 2004, 648). Aus den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden ergebe sich,
dass das Landratsamt und die Widerspruchsbehörde rechtsirrtümlich davon ausgegangen
seien, dass die Erben von Anna ..., die vom Landratsamt ermittelt und namentlich bekannt
gewesen seien, nicht als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers hätten in Anspruch
genommen werden können. Da der Grundverwaltungsakt rechtswidrig sei, sei auch die
Anordnung der Ersatzvornahme in der Verfügung vom 12.04.2006 rechtswidrig und
verletze den Kläger in seinen Rechten.
16 Das Urteil ist dem Beklagten am 02.05.2011 zugestellt worden. Der Beklagte hat am
20.05.2011 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen am 21.06.2011
begründet. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 11.04.2012, dem Beklagten
zugestellt am 17.04.2012, zugelassen. Am 02.05.2012 hat der Beklagte einen
Berufungsantrag gestellt und die Berufung begründet. Er führt aus, die Voraussetzungen
für eine Untersuchungsanordnung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG hätten unstreitig
vorgelegen. Die Störerauswahl sei nicht zu beanstanden. Der Kläger sei Eigentümer des
Grundstücks. Weitere Adressaten bzw. Störer seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich,
so dass die Behörde kein Auswahlermessen gehabt habe. Die Eltern des Klägers als
frühere Eigentümer seien als Adressaten ausgeschieden, da sie die schädlichen
Bodenveränderungen bzw. die Altlast zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs auf ihren
Sohn nicht gekannt hätten. Der Kläger sei erst nach dem Eigentumserwerb im Jahre 2002
von der unteren Bodenschutzbehörde über das Ergebnis der historischen Untersuchung
informiert worden. Als Gesamtrechtsnachfolgerin des Verursachers Albert ... wäre Anna ...
zwar eine mögliche Adressatin der Verfügung gewesen. Sie sei aber im Jahre 2000
verstorben. Ihre Erben könnten zivilrechtlich nicht mehr als Gesamtrechtsnachfolger von
Albert ... angesehen werden, da im Erbrecht immer nur der Erbe Gesamtrechtsnachfolger
des Erblassers werde. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG spreche insoweit eindeutig vom
Verursacher sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger. Andernfalls entstehe eine Art
Ewigkeitshaftung für die weiteren Erbengenerationen. Die vom Verwaltungsgericht
zitierten Urteile seien nicht einschlägig. Die Gesamtrechtsnachfolge im Wege des
Handels- und Gesellschaftsrechts lasse sich mit reinen Erbfällen nicht vergleichen. Im
Übrigen seien die Erben der Anna ... auch aus Effektivitätsgründen nicht in Anspruch
genommen worden. Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch nicht
rechtsmissbräuchlich. In den Jahren 1983/1984 habe die Behörde nicht erkennen müssen,
welches gewaltige Ausmaß die Bodenverunreinigungen angenommen hatten. Anlass der
Überprüfungen im Jahr 1983/1984 sei ein Abwasserproblem auf dem Grundstück
gewesen. Es habe sich herausgestellt, dass das Grundstück nicht ordnungsgemäß an die
Kanalisation angeschlossen gewesen sei. Ein Anschluss des Vordergebäudes habe unter
Umgehung der hinter dem Wohngebäude vorhandenen Abwassergrube realisiert werden
sollen. Die hintere Abwassergrube sei damals noch benutzt worden und habe intensiv
nach LHKW gerochen. Nachdem die größten Verunreinigungen entfernt worden seien, sei
die Abwasserangelegenheit auf dem Grundstück in der ...straße ... zunächst einmal
erledigt gewesen. Der Kläger verkenne, dass die heute bekannten massiven
Verunreinigungen gerade nicht von der damals überprüften Grube stammten, sondern vom
Standort der Reinigungsmaschine selbst, die sich im Vordergebäude befunden habe.
Dass die Standorte von Reinigungsmaschinen Auslöser erheblicher Boden- und
Grundwasserverunreinigungen seien, sei nach dem damaligen Erkenntnisstand noch
nicht bekannt gewesen; zur damaligen Zeit habe man sich auf größere Industriezweige
konzentriert. Da der eigentliche Herd der Verunreinigung nicht bekannt gewesen und der
Bereich um die Abwassergrube saniert worden sei und das Grundstück auch nicht in
einem Wasserschutzgebiet liege, sei es nicht zu beanstanden, dass die Priorität weiterer
Erkundungen auf diesem Gelände verneint worden sei. Amtspflichten seien mithin nicht
verletzt worden, zumal das Bundesbodenschutzgesetz dem Gemeinwohlinteresse und
nicht der Wahrnehmung privater Interessen diene. Nach alledem begegne auch die
Anordnung der Ersatzvornahme keinen Bedenken.
17 Der Beklagte beantragt,
18 das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 20.04.2011 - 1 K 1716/09 - zu ändern
und die Klage abzuweisen.
19 Der Kläger beantragt,
20 die Berufung zurückzuweisen.
21 Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die Behörde habe die
Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Erben von Anna ... von vornherein ausgeschlossen.
Die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens erfordere aber, dass die potenziell
Sanierungspflichtigen im Rahmen der Ermessensbetätigung zutreffend erfasst würden.
Eine Beschränkung der Haftung der Erben des Verursachers führe im Ergebnis dazu, dass
die Erben zwar die Aktiva des Nachlasses vereinnahmen dürften, die zum Nachlass
gehörenden Verbindlichkeiten und Pflichten aus der Haftung des Verursachers aber
ignorieren könnten. Dies würde bedeuten, dass der aktuelle Grundstückseigentümer, der
schuldlos ein altlastenbehaftetes Grundstück erwerbe, sanierungspflichtig werde. Eine
Rechtfertigung für die Bevorzugung der Erben des Verursachers sei nicht erkennbar. Das
Unionsrecht kenne den Zustandsstörer nicht; auch im Immissionsschutz gelte das
Verursacherprinzip. Vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes
ergebe sich, dass die Inanspruchnahme des Eigentümers bei Altlasten nachrangig sein
müsse, wenn der Verursacher oder dessen Gesamtrechtsnachfolger feststehe. § 24 Abs. 2
BBodSchG gebe dem in Anspruch genommenen Eigentümer lediglich einen
Regressanspruch gegen den Verursacher, nicht aber gegen dessen Erben. Dies müsse
die Behörde im Rahmen ihres Auswahlermessens berücksichtigen. Hätte die Behörde im
Jahre 1983 pflichtgemäß gehandelt, wäre das Grundstück im Zeitpunkt seines Erwerbs
längst saniert gewesen. Die Behörde müsse daher als Mitverursacherin der heute
gegebenen Bodenkontamination angesehen werden, weil sie durch die jahrzehntelange
Untätigkeit die Verantwortung dafür habe, dass eine Kontamination des Grundwassers
eingetreten und zwangsläufig höhere Sanierungskosten entstanden seien. Es könne
dahinstehen, ob dies unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs, der
Treuwidrigkeit, der Verwirkung oder der Verhältnismäßigkeit zu würdigen sei; jedenfalls
könne dieser Umstand im Rahmen der Ermessensausübung nicht unberücksichtigt
bleiben.
22 Mit Schriftsatz vom 22.10.2012 hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, neben den
rechtlichen Bedenken habe die untere Bodenschutzbehörde auch die Effektivität der
Sanierung durch die Erben von Anna ... bezweifelt. E. T... habe Informationen über seine
Vermögensverhältnisse mit der Begründung verweigert, er könne aus Rechtsgründen
nicht herangezogen werden. I. Rx-... habe mitgeteilt, dass sie aus finanziellen Gründen
nicht in der Lage sei, die Sanierung durchzuführen.
23 Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis (6
Leitzordner), die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und die Akten
des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf und auf die
gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
24 Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, weil die
Verfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.12.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.07.2009 und die
Verfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 12.04.2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.07.2009
rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§§ 125 Abs. 1, 113
Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
25 Die Verfügung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.12.2005 begegnet im
Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
26 1. Rechtsgrundlage für die Anordnung von Maßnahmen zur Erkundung des
Grundwasserschadens mit Verfügung vom 27.12.2005 ist § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 des
Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenverunreinigungen und zur Sanierung von
Altlasten (Bundesbodenschutzgesetz - BBodSchG) vom 17.03.1998 (BGBl. I S. 502). Nach
dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6
BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur
Gefährdungsabschätzung durchzuführen oder von Sachverständigen oder
Untersuchungsstellen durchführen zu lassen haben, wenn aufgrund konkreter
Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder
einer Altlast besteht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
27 Die Bestimmung des § 9 BBodSchG sieht in ihren Absätzen 1 und 2 bei der Frage der
Pflichtigkeit für die Untersuchung einer altlastverdächtigen Fläche i.S.v. § 2 Abs. 6 i.V.m. §
2 Abs. 5 Nr. 2 BBodSchG ein gestuftes Verfahren vor. Solange es sich nicht bereits um
eine Altlast i.S.v. § 2 Abs. 5 BBodSchG handelt, weil der Verdacht bereits zur Gewissheit
geworden ist, unterscheidet das Gesetz zwischen einem Anfangsverdacht
(„Anhaltspunkte“) und einem „hinreichenden Verdacht“ (siehe § 9 Abs. 1 und 2
BBodSchG). Diese Vorschrift trifft damit eine Abgrenzung zwischen der
Amtsermittlungspflicht der Behörde und der Sanierungsverantwortung des
Sanierungspflichtigen. Sofern ein Anfangsverdacht besteht, bedarf es einer
„orientierenden Untersuchung“, die den Anfangsverdacht entweder entkräften oder
erhärten kann (§ 9 Abs. 1 BBodSchG, § 2 Nr. 3 der Bundesbodenschutz- und
Altlastenverordnung vom 12.07.1999 - BBodSchV -, BGBl. I S. 1554). Orientierende
Untersuchungen obliegen demnach der Behörde, erst nach Erhärtung des
Anfangsverdachts beginnt die Verantwortlichkeit der in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG
genannten Personen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 09.07.2003 - 20 CS 03.103 - NVwZ
2003, 1281). Vom Vorliegen von Anhaltspunkten i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG kann
bereits dann ausgegangen werden, wenn eine - auch nur geringe - Tatsachenbasis
besteht, die den Schluss rechtfertigt, dass das Vorliegen einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast nicht ganz unwahrscheinlich ist. Eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit bzw. ein hinreichender Verdacht i.S.v. § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG ist
dagegen nur dann zu bejahen, wenn sich die Hinweise auf eine schädliche
Bodenveränderung bzw. eine Altlast so weit verdichtet haben, dass mehr als eine bloße,
insbesondere spekulative Möglichkeit gegeben ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom
18.12.2007 - 10 S 2351/06 - NuR 2008, 424). Gemäß § 3 Abs. 4 BBodSchV liegen
konkrete Anhaltspunkte, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast i.S.v. § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG begründen, regelmäßig
dann vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben oder wenn
aufgrund einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 BBodSchV eine Überschreitung von Prüfwerten
zu erwarten ist.
28 Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt im vorliegenden Fall ein hinreichender Verdacht
i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG vor. Die Bodenschutzbehörde hat 2003 und 2004
orientierende Untersuchungen i.S.d. § 2 Nr. 3 BBodSchV durchgeführt. Diese ergab eine
erhebliche (1000fache) Überschreitung der Prüfwerte der Bundesbodenschutzverordnung
für LHKW - (Grundwasserproben 2004: 11.122 µg/l bzw. 10.819 µg/l LHKW; Prüfwert
gemäß Nr. 3.1 Anhang 2 zur Bodenschutzverordnung: 10 µg/l). Bereits aufgrund dieser
Überschreitung der Prüfwerte ist nach der Konzeption des Bundesbodenschutzgesetzes
eine weitere Gefahrerforschung und -abschätzung durch Anordnung von
Detailuntersuchungen vorzunehmen.
29 Die angeordneten Maßnahmen sind auch notwendig im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG,
d.h. geeignet, erforderlich und verhältnismäßig (vgl. Giesberts in Fluck,
Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar, Band 4, § 9 BBodSchG
Rn. 117).
30 Vom Kläger wird nicht bestritten, dass die angeordneten Maßnahmen prinzipiell geeignet
sind, die Menge und die räumliche Verteilung der Schadstoffe, das Ausmaß der
Bodenverunreinigung sowie die Ausbreitungsmöglichkeiten im Grundwasserstrom zu
ermitteln (vgl. § 2 Nr. 4 BBodSchV).
31 Die Notwendigkeit der angeordneten Maßnahmen wird auch nicht durch die wechselnden
Einlassungen der Behörde dazu, welche Abwassergrube in den Jahren 1983/1984
untersucht und teilsaniert worden ist, in Frage gestellt. Es spricht zwar vieles dafür, dass
damals - entgegen dem Vortrag des Landratsamts in der Berufungsbegründung - die
Abwassergrube unterhalb des Kellerauslaufs im Vordergebäude Gegenstand der
behördlichen Maßnahmen war. Andernfalls wäre es nicht erklärlich, warum aufgrund
statischer Bedenken wegen einer tragenden Wand von weiteren Maßnahmen einstweilen
abgesehen wurde. Auch nach der Zeugenaussage eines Mitarbeiters des
Bauunternehmens H. im Zivilprozess (Behördenakte 03 Seite 77 f.), das die Behörde
anlässlich von Bauarbeiten über den Fall informiert hat, und nach dem Aktenvermerk des
Bürgermeisters Sch. vom 20.02.1984 (Behördenakte 03 S. 75) ging es um eine Grube im
Haus. Auf diese im Laufe des Verwaltungsverfahrens umstrittene Frage kommt es aber im
Ergebnis nicht an. Das Landratsamt hat mit Schreiben vom 19.04.2006 gegenüber dem
Verwaltungsgericht klargestellt, dass eine Verwechslung der Abwassergruben keine
Auswirkungen auf die angeordneten Maßnahmen habe. Diese Einschätzung ist zutreffend,
denn das Landratsamt ist bei Erlass der Verfügung davon ausgegangen, dass die
Abwassergrube beim Hinterhaus (Flst.-Nr. ...) vollständig saniert worden ist, weil die
orientierende Untersuchung 2003 (RSK 1) dort unauffällige LHKW-Werte ergeben hatte.
Als potentielle Eintragsstellen wurden nur noch Orte im vorderen Grundstücksbereich
angesehen. Die angeordneten Detailuntersuchungen grenzen dementsprechend den
Schadensherd im Keller des ehemaligen Reinigungsgebäudes auf dem Grundstück des
Klägers Flst.-Nr. ... ein. Insoweit ist unerheblich, ob in die Abwassergrube im rückwärtigen
Grundstücksbereich (heute Flst.-Nr. ...) - wie der Kläger behauptet - niemals Abwässer der
Reinigung eingeleitet worden sind, oder ob diese Grube - wie das Landratsamt nunmehr
erneut behauptet - damals auf Anordnung des Wasserwirtschaftsamts erfolgreich saniert
wurde. Ist die angefochtene Verfügung insoweit rechtmäßig, bedarf es entgegen der
Auffassung der Widerspruchsbehörde keiner Umdeutung nach § 47 LVwVfG.
32 Auch der Einwand des Klägers, dass die Verpflichtung zur Installierung einer
Grundwasseraufbereitungsanlage (Ziffer 16 der angefochtenen Verfügung vom
27.12.2005) über eine Gefährdungsabschätzung hinausgehe und bereits Teil der
Sanierung sei, greift nicht durch. Wie bereits im Widerspruchsbescheid vom 07.07.2009
zutreffend ausgeführt, wird die Aufbereitung des beprobten Grundwassers nur insoweit
angeordnet, als dies zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Durchführung der
Erkundungsmaßnahmen erforderlich ist; sie ist daher als eine für die räumliche
Eingrenzung der Schadstoffeinträge notwendige und diese begleitende Maßnahme von
der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 BBodSchG gedeckt. Es kann deshalb
dahinstehen, ob die Anordnung in Ziffer 16 ihre Ermächtigungsgrundlage auch in § 10
Abs. 1 Satz 1 BBodSchG findet.
33 2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Kläger als Sanierungspflichtiger
herangezogen wird.
34 2.1 Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG kann der Verursacher einer
schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der
Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu
Detailuntersuchungen verpflichtet werden. Nach § 4 Abs. 6 BBodSchG kann unter den
dort genannten Voraussetzungen auch der frühere Eigentümer herangezogen werden.
Danach ist der Kläger als sog. Zustandsstörer möglicher Adressat einer Erkundungs- bzw.
Sanierungsanordnung.
35 2.2 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Störerauswahl des
Landratsamts nicht zu beanstanden, jedenfalls nachdem die Behörde ihre
diesbezüglichen Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 22.10.2012 und in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat in zulässiger Weise nach § 114 Satz 2 VwGO
i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 LVwVfG ergänzt hat. Die zwischen den Beteiligten
umstrittene Frage, ob Gesamtrechtsnachfolger im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodSchG auch
die nachfolgenden Erbengenerationen sind, bedarf daher keiner abschließenden
Entscheidung.
36 Im Falle einer sog. Störermehrheit ist bei der behördlichen Auswahlentscheidung, welcher
Störer mit einer Verfügung herangezogen wird, zwischen der primären Ebene und der
sekundären Ebene zu unterscheiden; dabei sind die Auswahlkriterien nicht
notwendigerweise identisch (vgl. zur Kostenheranziehung auf Sekundärebene
Senatsurteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 - NVwZ-RR 2012, 387). Auf der primären
Ebene geht es aus einer ex ante-Sicht um die Gefahrenabwehr. Leitender Gesichtspunkt
für die Störerauswahl ist die Effektivität der Gefahrenabwehr; anzustreben ist die schnelle
und wirksame Gefahrenbeseitigung. Ein gesetzliches Rangverhältnis zur
gefahrenabwehrrechtlichen Heranziehung von Störern gibt es grundsätzlich nicht. Bei der
Ausübung ihres Auswahlermessens hat sich die Behörde in erster Linie von dem
Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes leiten zu lassen. Dies schließt nicht aus, dass daneben
auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden; dies kann z. B. die größere
Gefahrennähe eines der Störer sein. Ferner darf die Behörde bereits auf der Primärebene
den Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung berücksichtigen (vgl. zum Ganzen
Senatsurteil vom 24.01.2012 - 10 S 1476/11 - a.a.O. m.w.N.; Senatsbeschluss vom
29.04.2002 - 10 S 2367/01 -VBlBW 2002, 431; Senatsbeschluss v. 04.03.1996 - 10 S
2687/95 - NVwZ-RR 1996, 387; Senatsurteil. v. 30.4.1996 - 10 S 2163/95 - VBlBW 1996,
351; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.3.1995 - 8 S 525/95 - VBlBW 1995, 281).
37 Nach diesem Maßstab hat der Beklagte den Kreis der möglichen Adressaten der
Verfügung zutreffend ermittelt und das ihm eingeräumte Auswahlermessen rechtsfehlerfrei
ausgeübt.
38 Die Beteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass der Betrieb der
Chemischen Reinigung W... die Bodenverunreinigungen verursacht hat. Hauptbestandteil
der aufgefundenen LHKW ist Tetrachlorethen (PER), das typischer Weise als
Lösungsmittel in chemischen Reinigungen Verwendung findet. Dies ergibt sich aus dem
Sachverständigengutachten vom 19.01.2005 (Dr. S...) und ist dem Senat auch aus vielen
anderen Verfahren bekannt. Andere Schadstoffquellen als der Reinigungsbetrieb W... sind
auch nicht ersichtlich.
39 Eine Inanspruchnahme des Betreibers der Reinigung bis zum Jahr 1981, Albert ..., als
Handlungsstörer kommt aber nicht in Betracht, weil dieser verstorben ist. Zutreffend geht
die Behörde auch davon aus, dass andere Handlungsstörer nicht vorhanden sind. Die
Ehefrau des Betreibers, Anna ..., ist ebenfalls verstorben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich,
dass sie als Verursacherin in Betracht kommen könnte. Sie war zwar bis ca. 1985
Miteigentümerin des Grundstücks ...straße ... Es gibt aber keine belastbaren Anhaltspunkte
dafür, dass sie in irgendeiner Weise (Mit)Betreiberin der Reinigung war. Der Betrieb
firmierte unter dem Namen „Färberei und Chem. Reinigung Albert ...“; in der Gewerbekartei
wird als Inhaber des Betriebs nur Albert ... genannt. Auch sonst ist eine Mitverantwortung
von Anna ... für die Betriebsabläufe und die rechtlichen und geschäftlichen
Angelegenheiten der Reinigung an keiner Stelle aktenkundig geworden. Bau- und
sonstige Anträge sind nur von Albert ... unterzeichnet worden; nur dieser war bei den
Ortsterminen und Besprechungen in den Jahren 1983/1984 anwesend. Auch der Kläger
vermochte seine Behauptung, Anna ... sei maßgeblich in den Betrieb einbezogen
gewesen, nicht zu substantiieren.
40 K... Sch..., der den Reinigungsbetrieb in der Zeit von Oktober 1981 bis Januar 1983 leitete,
ist ebenfalls verstorben ist. Davon abgesehen, wäre seine ausschließliche Heranziehung
als Handlungsstörer voraussichtlich ermessensfehlerhaft gewesen. Nach der
Rechtsprechung des Senats kann bei mehreren Handlungsverantwortlichen zwar
grundsätzlich jeder Verursacher auf die vollständige Beseitigung der Störung in Anspruch
genommen werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit setzt dies aber eine
Erheblichkeit des Verursachungsbeitrags voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 03.09.2002 -
10 S 957/02 -NVwZ-RR 2003, 103; Senatsurteil vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 - a.a.O.;
VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.03.1995 - 8 S 525/95 - a.a.O.; Senatsurteil vom
10.10.1993 - 10 S 2045/91 - NVwZ-RR 1994, 565; vgl. auch BVerwG, Urteil vom
16.03.2006 a.a.O.). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Da K... Sch... die Reinigung im
Vergleich zur gesamten Betriebsdauer nur für einen sehr kurzen Zeitraum als Pächter
betrieben hat, fällt sein Verursachungsbeitrag nicht weiter ins Gewicht.
41 Es ist ermessensfehlerfrei, dass der Beklagte von der Inanspruchnahme der noch
lebenden Erben der Verursacher abgesehen hat.
42 Eventuelle Gesamtrechtsnachfolger von K... Sch... sind namentlich nicht bekannt. Es ist
rechtlich aber im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz nicht zu beanstanden, dass die
Behörde von der Ermittlung der Erben des K... Sch... abgesehen hat. Da die
Inanspruchnahme des Erblassers K... Sch... – wie ausgeführt - aufgrund seines allenfalls
geringfügigen Verursachungsbeitrags unverhältnismäßig gewesen wäre, hätte dies erst
recht für seine Rechtsnachfolger gegolten. Durfte die Behörde diese Personen
ermessensfehlerfrei von vorneherein als mögliche Adressaten der Verfügung
ausschließen, waren diesbezüglich auch keine aufwendigen und ins Leere gehenden
Ermittlungen geboten.
43 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und des Klägers hat das Landratsamt
auch ermessensfehlerfrei von der Inanspruchnahme der Erben der Anna ..., I. R... und E.
T..., abgesehen.
44 Das Landratsamt hat sich bei Erlass der Verfügung zum einen von der Überlegung leiten
lassen, dass die Erben der Anna ... nicht Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers Albert
... seien, wie es der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG erfordere, und bei Annahme
einer sukzessiven Gesamtrechtsnachfolge von natürlichen Personen im Wege des
Erbfalls eine Art Ewigkeitshaftung begründet werde. Zum anderen hat die Behörde -
zumindest hilfsweise - auch aus Gründen der Effizienz von der Inanspruchnahme der
zweiten Erbengeneration abgesehen. Nach dem ergänzenden Vortrag des Landratsamts
im Schriftsatz vom 22.10.2012 und in der mündlichen Verhandlung seien dabei die
Erwägungen tragend gewesen, dass I. R... nur eine geringe Rente erhalte, das Erbe der
Anna ... verbraucht sei und sie daher schon aus finanziellen Gründen nicht zu
Sanierungsmaßnahmen in der Lage sei. Von der Heranziehung des E. T... sei abgesehen
worden, weil dieser - anders als der Kläger - keinen Zugriff auf das Grundstück habe und
die Mitwirkung an der Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse mit der Begründung
verweigere, er sei nicht sanierungspflichtig. Für die Heranziehung des Klägers sei
demgegenüber entscheidend gewesen, dass er direkten Zugriff auf das betroffene
Grundstück habe und bei den angeordneten Maßnahmen außerdem auf seinen laufenden
Geschäftsbetrieb Rücksicht zu nehmen sei.
45 Die ergänzenden Ausführungen des Beklagten zur Störerauswahl sind in die rechtliche
Prüfung einzubeziehen. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre
Ermessenserwägungen hinsichtlich des angefochtenen Verwaltungsakts auch noch im
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergänzen. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2
LVwVfG kann die erforderliche Begründung eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der
letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. In der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Ergänzung von Ermessenserwägungen
durch die Behörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO, sofern im einschlägigen materiellen Recht
und Verwaltungsverfahrensrecht dafür eine Rechtsgrundlage eröffnet ist, keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom
30.04.2010 - 9 B 42.10 - juris; BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 -BVerwG 1 C 17.97-
BVerwGE 106, 351). Damit ist allerdings kein uneingeschränktes Nachschieben von
Ermessenserwägungen eröffnet, insbesondere nicht deren vollständige Nachholung oder
Auswechslung, sondern nur die Ergänzung einer zumindest ansatzweise bereits
vorhandenen Ermessensentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 30.04.2010 a.a.O.;
BVerwG, Urteile vom 5. Mai 1998 a.a.O., und vom 17. Juli 1998 -BVerwG 5 C 14.97-
BVerwGE 107, 164). So liegt es hier. Sowohl in der angefochtenen Verfügung vom
27.12.2005 als auch im Widerspruchsbescheid vom 07.07.2009 kommen umfangreiche
Ermessenerwägungen zur Störerauswahl zum Ausdruck. Die Erben der Anna ... sind
zunächst auch in den Kreis der potentiellen Adressaten einbezogen und zum Sachverhalt
angehört worden. Zwar hat die Behörde die Inanspruchnahme der zweiten
Erbengeneration in der Folge in erster Linie aus rechtlichen Erwägungen ausgeschlossen;
bereits in der angefochtenen Verfügung wird aber im Rahmen der Ermessensausübung im
Ansatz auch auf den Gesichtspunkt der Effektivität abgestellt, indem die Heranziehung des
Klägers zusammenfassend und abschließend damit begründet wird, dass er zur
Sanierung in der Lage sei.
46 Die Ermessenserwägungen des Beklagten sind auch in der Sache nicht zu beanstanden.
Wie ausgeführt, hat sich die Behörde bei der Auswahl unter mehreren Störern primär von
dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr leiten zu lassen. In der
vorliegenden Konstellation durfte die Behörde bei der Abwägung deshalb maßgeblich
darauf abstellen, dass der Adressat der Verfügung als Eigentümer und Inhaber der
tatsächlichen Gewalt einen direkten Zugriff auf das Grundstück hat und an seiner
finanziellen Leistungsfähigkeit keine grundlegenden Zweifel bestehen, wohingegen die
Inanspruchnahme des Verursachers ausscheidet und die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der anderen potentiellen Adressaten aus tatsächlichen oder rechtlichen
Gründen zumindest zweifelhaft ist. Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines
Sanierungspflichtigen darf unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des
ordnungsrechtlichen Handelns in die Ermessenserwägungen auf der Primärebene
eingestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 30.04.1996 - 10 S 2163/95 - a.a.O.). I. R... hat ihre
wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit substantiiert geltend gemacht; die Leistungsfähigkeit
von E. T... ist zumindest unklar.
47 Ungeachtet der Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit der Erben von Anna ... ist auch
nicht abschließend geklärt, ob diese Personen bodenschutzrechtlich als
Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG
anzusehen sind. Der erkennende Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass ein
Einschreiten gegen den Zustandsstörer jedenfalls dann nicht ermessensfehlerhaft ist,
wenn unklar ist, ob und in welchem Umfang eine Haftung bestimmter Personen als
Verhaltensstörer in Betracht kommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.03.1995 - 8
S 525/95 - a.a.O. m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.10.1999 - 8 S 2407/99 -
VBlBW 2000, 154). Gleiches gilt, wenn es um die eventuelle Inanspruchnahme der
Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers geht.
48 Wie ausgeführt, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Anna ... Betreiberin der Reinigung
war; ihre Erben können daher nicht als (unmittelbare) Gesamtrechtsnachfolger der
Verursacherin herangezogen werden. Ob sie als sukzessive Gesamtrechtsnachfolger des
Verursachers Albert ... in Anspruch genommen werden können, ist zweifelhaft. Soweit
ersichtlich, ist die Frage, ob auch die nachfolgenden Erbengenerationen in die abstrakte,
noch nicht durch einen Verwaltungsakt konkretisierte Polizeipflicht nach
Bundesbodenschutzgesetz eintreten, weder in der Rechtsprechung noch im
umfangreichen Schrifttum zur Gesamtrechtsnachfolge im Bodenschutzrecht vertieft erörtert
worden. Insbesondere sind die vom Verwaltungsgericht zitierten Gerichtsentscheidungen -
worauf der Beklagte zutreffend hinweist - insoweit nicht aussagekräftig. Der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof (Beschl. v. 06.02.2004 - 22 CS 98.2925 - NVwZ-RR 2004, 648,
juris) hat lediglich festgestellt, dass die Fragestellung in den Wassergesetzen der Länder
nicht beantwortet wird; die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
(BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 7 C 3/05 - BVerwGE 125,325) betrifft eine
gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge. Auch die Rechtsprechung der
Oberverwaltungsgerichte behandelt - soweit ersichtlich - nur die Universalsukzession im
Gesellschaftsrecht.
49 Die Gesetzesmaterialien verhalten sich nicht ausdrücklich zur sukzessiven
Gesamtrechtsnachfolge im Gesellschafts- oder Erbrecht. Die Haftung des
Gesamtrechtsnachfolgers war im ursprünglichen Entwurf des
Bundesbodenschutzgesetzes nicht enthalten und wurde auf Betreiben des Bundesrats
durch Vorschlag des Vermittlungsausschusses nachträglich eingefügt. Die Aufnahme des
Gesamtrechtsnachfolgers in den Kreis der Verpflichteten sollte einerseits dem
Verursacherprinzip stärker Rechnung tragen; zum anderen sollte für den
Anwendungsbereich des Gesetzes die bislang umstrittene Rechtsfrage geklärt werden, ob
eine Gesamtrechtsnachfolge in die abstrakte Verhaltensverantwortlichkeit stattfindet (vgl.
BT-Drs. 13/6701 S. 51). Gleichwohl könnte die vom Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung
des Verursacherprinzips für die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des
Klägers sprechen, dass auch nachfolgende Erbengenerationen heranzuziehen sind. Denn
der dieses Prinzip tragende Gedanke, dass aus dem Vermögen des Verursachers die
Kosten der Sanierung zu begleichen sind, greift grundsätzlich auch dann, wenn dieses
Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein- oder mehrmals übergegangen ist.
Hinzu kommt, dass der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG nicht zwischen der
gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge juristischer Personen und der
Gesamtrechtsnachfolge bei natürlichen Personen durch Erbfall differenziert. Bei der
gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge geht die verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung aber ohne weiteres von einer sukzessiven Gesamtrechtsnachfolge aus
(vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 a.a.O.; Senatsurteil vom 18.12.2007 a.a.O.;
Senatsurteil vom 22.02.2005 - 10 S 1478/03 -, VBlBW 2005, 388). Bedenken gegen die
Inanspruchnahme der nachfolgenden Erbengenerationen könnte dadurch Rechnung
getragen werden, dass die Haftung der Erben - ähnlich wie beim Zustandsstörer -
verfassungskonform auf den Wert des übernommenen Vermögens begrenzt wird.
50 Für die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung spricht hingegen, dass der Wortlaut
des § 4 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BBodSchG („Der Verursacher und dessen
Gesamtrechtsnachfolger…“) auf den (oder die) Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers
Bezug nimmt. Nach allgemeiner Auffassung ist der Begriff des Gesamtrechtsnachfolgers
zivilrechtlich geprägt. Die Vererblichkeit öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen als solche
bestimmt sich zwar nach öffentlichem Recht (vgl. Leipold in Münchener Kommentar,
Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Auflage, Band 9, Erbrecht, Einleitung Rn. 86 ff.; § 1967 Rn.
75 ff.); wann ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, beantwortet sich aber unter
Rückgriff auf das Zivilrecht (BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 a.a.O.; Senatsbeschluss vom
11.12.2000 - 10 S 1188/00 - VBlBW 2001, 281 m.w.N.; Bickel; Bundes -
Bodenschutzgesetz, Kommentar, 3.Aufl. Rn. 23; Frenz, BBodSchG Kommentar, 1. Aufl., §
4 Abs. 3 Rn. 57). Gesamtrechtsnachfolger ist diejenige natürliche oder juristische Person,
die kraft gesetzlicher Anordnung oder vertraglicher Vereinbarung in die gesamten Rechte
und Pflichten einer anderen Person eintritt. Die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit
nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG durch Gesamtrechtsnachfolge knüpft an jenen
zivilrechtlichen Vorgang an, setzt also den Eintritt einer Rechtsnachfolge im Sinne des
Zivilrechts voraus (Senatsbeschluss vom 11.12.2000 - a.a.O. m.w.N.; HessVGH, Urt. v.
09.09.1999 - 8 UE 656/95 - juris). Im Fall der Erbfolge tritt die Gesamtrechtsnachfolge
durch den Erbfall ein (vgl. §§ 1922, 1967 BGB). Damit ist nur der unmittelbare Erbe
Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers; eine „sukzessive Gesamtrechtsnachfolge“ der
zweiten und weiterer Erbengenerationen kennt das Erbrecht - unbeschadet eventueller
Ausnahmen bei Vor- und Nacherbschaft - hingegen nicht. Zivilrechtlich gesehen ist die
zweite Erbengeneration mithin nicht Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers. Auch
Sinn und Zweck der Regelung erfordern nicht zwingend eine zeitlich unbegrenzte Haftung
der nachfolgenden Erbengenerationen, zumal sich die Erbfolge unter natürlichen
Personen in wesentlichen Punkten von der gesellschaftsrechtlichen
Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet. Der innere Grund für die Haftung des
Gesamtrechtsnachfolgers, das gefahrenabwehrrechtliche Verursacherprinzip, ist bei der
Erbfolge nicht ohne weiteres tragfähig, weil die Erben gerade nicht die Verursacher der
Bodenverunreinigung sind; vielmehr wird ihnen ein Verhalten des Verursachers
zugerechnet (vgl. Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355, 360; Joachim/Lange, ZEV 2011, 53).
Die Gefahrennähe geht mit den ferneren Erbengenerationen zunehmend verloren. Ist
Zurechnungsgrund aber nicht das eigene Verhalten, sondern die Übernahme des
Vermögens des Verursachers, wäre verfassungsrechtlich wohl eine Begrenzung der
Haftung auf das vom Verursacher übernommene Vermögen geboten (vgl. Spieth/Wolfers,
NVwZ 1999, 355, 360; Joachim/Lange, ZEV 2011, 53); dies würde es mit sich bringen,
dass die Behörde über den Verbleib des Vermögens - zwar nicht erfolglose, aber
typischerweise aufwendige - Nachforschungen anstellen müsste, was dem Grundsatz der
effektiven und raschen Gefahrenabwehr zuwiderliefe. Auch die Intention des
Gesetzgebers, es den verantwortlichen Unternehmen durch die Sanierungspflichtigkeit der
Gesamtrechtsnachfolger zu erschweren, sich der Verantwortung für Altlasten durch das
Herbeiführen einer rechtsgeschäftlichen Gesamtrechtsnachfolge zu Lasten der
Allgemeinheit zu entziehen, greift bei einer Gesamtrechtsnachfolge, die durch den Tod
einer natürlichen Person eintritt, naturgemäß nicht ein. Anders als im Handels- und
Gesellschaftsrecht passt auch der Gedanke der freiwilligen Risikoübernahme nicht. Im
Unterschied zur gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge tritt die
Gesamtrechtsnachfolge im Erbfall kraft Gesetzes ein. Die Möglichkeit zur Ausschlagung
der Erbschaft ist zeitlich eng begrenzt (vgl. § 1944 BGB). Ansonsten kann der Erbe seine
Haftung nur durch einen Antrag auf Nachlassverwaltung beschränken (§ 1981 BGB).
Ungeachtet der Frage, ob ein solcher Antrag der zweiten und den nachfolgenden
Erbengenerationen zumutbar ist, sind auch dem gewisse Grenzen gesetzt (Siegmann in
Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Auflage , Band 9 Erbrecht § 1981
Rn. 2 Fn. 4). Eine Gleichbehandlung des Erbfalls mit der gesellschaftsrechtlichen
Gesamtrechtsnachfolge ist mithin nicht zwingend geboten.
51 Nach alledem sprechen gute Gründe sowohl für den vom Verwaltungsgericht und dem
Kläger vertretenen als auch für den vom Beklagten vertretenen Rechtsstandpunkt.
Insbesondere im Hinblick auf die Heranziehung des E. T..., der anwaltlich vertreten bereits
rechtliche Bedenken gegen seine Inanspruchnahme geltend gemacht hat, hätte die
Behörde auch mit einer ggf. langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung mit
ungewissem Ausgang rechnen müssen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht als
ermessensfehlerhaft zu bewerten, wenn die Behörde zur Abwehr einer Gefahr auf der
Primärebene nicht die Personen in Anspruch nimmt, die aus rechtlichen Gründen nur
möglicherweise als Störer in Betracht kommen, sondern denjenigen heranzieht, an dessen
Störereigenschaft es keinen Zweifel gibt (ähnlich VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
25.10.1999 - 8 S 2407/99 - a.a.O.). Im Hinblick auf diese rechtliche Unsicherheit ist es
dann aber auch nicht zu beanstanden, dass die Behörde von weiteren Ermittlungen
bezüglich der Vermögensverhältnisse des E. T... abgesehen hat.
52 2.3 Auch im Übrigen leidet die Störerauswahl nicht an Rechtsfehlern. Die Behörde hat
erkannt, dass nach § 4 Abs. 6 BBodSchG grundsätzlich auch die Eltern des Klägers als
ehemalige Grundstückseigentümer unter den dort genannten Voraussetzungen als
Sanierungspflichtige in Betracht kommen. Ungeachtet des wechselnden Vortrags der
Behörde zu der Frage, ob die Eltern des Klägers Kenntnis von der Altlast hatten oder
hätten haben müssen, ist es jedenfalls frei von Ermessensfehlern, dass das Landratsamt
letztlich von ihrer Inanspruchnahme mit der Begründung abgesehen hat, der Kläger habe
unmittelbaren Zugriff auf das Grundstück. Dieses an der Effizienz der Sanierung orientierte
Auswahlkriterium ist nach dem Vorstehenden rechtlich nicht zu beanstanden.
53 2.4 Zu Unrecht macht der Kläger schließlich eine Verhaltensverantwortlichkeit der
Behörde durch Unterlassen geltend, weil diese trotz Kenntnis vom Sanierungsfall
jahrzehntelang keine Erkundungs- und Sanierungsanordnungen getroffen und damit die
Inanspruchnahme des Handlungsstörers unmöglich gemacht habe. Mit diesem Vortrag
wird nicht dargetan, dass die Behörde als Handlungsstörerin durch ein eigenes Tun oder
Unterlassen einen Verursachungsbeitrag zu der Bodenverunreinigung geleistet hat, selbst
wenn ihre Untätigkeit dazu geführt haben mag, dass der Verhaltensstörer nicht mehr in
Anspruch genommen werden kann. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die
Bodenverunreinigung durch die eventuelle Säumigkeit der Behörde ab 1983/1984
wesentlich vergrößert hätte; denn der Betrieb der Reinigung wurde bereits im Januar 1983
endgültig eingestellt (ähnlich BayVGH, Beschl. v. 22.03.2001 - 22 ZS 01.738 - NVwZ
2001, 812). Darüber hinaus kommt der Behörde allein aufgrund ihrer Kenntnis von einer
möglichen Kontamination und ihrer gesetzlichen Zuständigkeit keine eine polizeirechtliche
Störerhaftung begründende Garantenstellung zu, wie sie für die Unterlassenshaftung
erforderlich ist. Fehlerhaftes behördliches Handeln oder behördliche
Überwachungsdefizite beseitigen weder die grundsätzliche Verantwortlichkeit des
Zustands- oder Verhaltensstörers noch begründen sie eine eigene Störerhaftung der
Behörde (Senatsurteil vom 18.09.2001 - 10 S 259/01 - ZUR 2002, 227; Senatsbeschluss
vom 11.12.2000 - 10 S 2075/00 – a.a.O.; Senatsbeschluss vom 17.03.1998 - 10 S 177/97 -
VBlBW 1998, 467; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.07.1990 -5 S 2021/89-; Kloepfer, NuR 1987,
7). Denn die polizeiliche Störerhaftung steht nicht unter dem Vorbehalt einer
ordnungsgemäßen Überwachung durch die Polizeibehörde. Vielmehr sind der
Verursacher eines rechtswidrigen Zustandes und der Eigentümer einer störenden Sache
völlig unabhängig von der Frage einer möglichen oder sogar gebotenen Kontrolle durch
die zuständigen Behörden verpflichtet, den rechtswidrigen Zustand auf ihre Kosten zu
beseitigen. Die Vorschriften über die Überwachungspflichten dienen dem Schutz der
Allgemeinheit vor Schäden, nicht aber dem Schutz der zu überwachenden Personen vor
einer Belastung mit Kosten für Maßnahmen, die zur Beseitigung des rechtswidrigen
Zustandes notwendig sind. Abgesehen davon, dass es insoweit auch an der unmittelbaren
Verursachung im Sinne des Polizeirechts fehlte, würde andernfalls die Allgemeinheit zum
Polizeipflichtigen, was letztlich die im Polizeirecht angelegte Differenzierung zwischen
Verhaltensstörer und Zustandsstörer auflösen würde. Allein durch möglicherweise
fehlerhaftes behördliches Handeln wird eine eigene Störerhaftung der Behörde mithin
nicht begründet (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 18.09.2001 a.a.O.).
54 3. Der Inanspruchnahme des Klägers stehen auch keine sonstigen rechtlichen Bedenken
entgegen.
55 3.1 Der Beklagte hat die Befugnis, gegenüber dem Kläger einzuschreiten, nicht verwirkt.
Nach der Rechtsprechung des Senats können polizei- und ordnungsrechtliche
Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nicht verwirkt werden. Diesen
Befugnissen kommt im öffentlichen Interesse ein überragendes Gewicht zu, das deren
Verwirkung nicht zulässt. Polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse, die die
zuständigen Behörden unter den verschiedensten sachlichen Aspekten ermächtigen,
gegen bestehende Störungen vorzugehen, stellen kein subjektives Recht dar, dessen
Bestand oder Ausübung durch Nicht- oder Fehlgebrauch in Frage gestellt und daher in
letzter Konsequenz verwirkt werden könnten. Sie knüpfen vielmehr an das Vorhandensein
einer Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. einer Gefahr an und sind den
zuständigen Behörden im öffentlichen Interesse an der Gewährleistung rechtmäßiger
Zustände zur pflichtgemäßen Erledigung auferlegt. Dieses öffentliche Interesse und diese
zur pflichtgemäßen Erledigung übertragene Aufgabe werden nicht dadurch geschmälert
oder gar obsolet, dass zu deren Durchsetzung von der Behörde über längere Zeit hinweg
nichts bzw. wenig unternommen worden ist (vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom
01.04.2008 - 10 S 1388/06 - VBlBW 2008, 339 und vom 18.12.2007, - 10 S 2352/06 - NuR
2008, 424, jeweils m.w.N.).
56 Unabhängig davon steht einer Verwirkung entgegen, dass der Beklagte keinen
entsprechend eindeutigen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte, der bei dem Kläger ein
schützenswertes Vertrauen darauf entstehen lassen konnte, dass er nicht mehr
sanierungsrechtlich in Anspruch genommen werden würde. Vielmehr hat die Behörde in
den Schreiben und Verfügungen im Jahre 1984 ausdrücklich angekündigt, weitere
Maßnahmen prüfen zu wollen. Abgesehen hiervon ist nichts dafür ersichtlich, dass sich
beim Kläger gerade aufgrund der Maßnahmen der Behörde in den Jahren 1983/1984 und
ihrer anschließenden Untätigkeit ein konkretes Vertrauen auf die Altlastenfreiheit des
Grundstücks gebildet hat, das durch dessen Erwerb betätigt worden ist. Nach Aktenlage
spricht vielmehr alles dafür, dass dem Kläger bzw. seinen Eltern die Vorgeschichte nicht
bekannt war; dem entspricht auch der eigene Vortrag des Klägers. Der behördliche
Schriftwechsel wurde ausschließlich mit dem Betreiber der Reinigung geführt.
57 3.2 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Heranziehung des Klägers auch nicht als
treuwidrig angesehen werden kann. Wie ausgeführt, hatte die Behörde weder eine
Garantenstellung inne noch hat sie einen wie immer gearteten Vertrauenstatbestand
gegenüber dem Kläger gesetzt.
58 3.3 Auch eine Verjährung steht der Inanspruchnahme des Klägers nicht entgegen. Eine
ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche eine Verjährungsfrist für die Befugnis
bestimmt, von einer polizeirechtlichen Ermächtigung Gebrauch zu machen, existiert nicht.
Entsprechendes gilt für die Befugnis aus einer bodenschutzrechtlichen Ermächtigung. Die
Verpflichtungen des Verursachers einer Bodenverunreinigung unterliegen daher nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats keiner Verjährung, insbesondere scheidet eine
entsprechende Anwendung zivilrechtlicher Regelungen aus (vgl. im Einzelnen
Senatsurteile vom 01.04.2008 - 10 S 1388/06 - a.a.O. und vom 18.12.2007 - 10 S 2351/06-
a.a.O.; Beschluss vom 03.09.2002 -10 S 2687/95- a.a.O.; Beschluss vom 04.03.1996 -10 S
957/02- a.a.O.).
59 3.4 Entgegen der Ansicht des Klägers kann er sich auch nicht auf eine Legalisierung der
Bodenverunreinigungen durch die Genehmigung der Abwassereinleitung berufen. Es
spricht vieles dafür, dass sich der Zustandsstörer, anders als der Handlungsstörer, von
vorneherein nicht auf eine eventuelle Legalisierungswirkung durch behördliche
Betriebsgenehmigungen oder sonstige Erlaubnisse berufen kann. Denn diese
Genehmigungen erlauben nicht einen polizeiwidrigen Grundstückszustand, sondern ein
bestimmtes Verhalten. Dies kann aber dahinstehen, denn ein Genehmigungstatbestand
liegt ohnehin nicht vor. Eine "Legalisierungswirkung", die den Betreiber vor einer
Inanspruchnahme aufgrund ordnungsrechtlicher Bestimmungen schützen könnte, lässt
sich allenfalls aus Gegenstand, Inhalt und Umfang der konkreten Regelung des
Genehmigungsbescheids herleiten (BVerwG, Urteil vom 02.12.1977, BVerwGE 55, 118,
123; Senatsbeschluss vom 04.03.1996 a.a.O.). Mit Genehmigungsbescheid der Stadt ...
vom 02.09.1959 wurde der Färberei Albert ... die Genehmigung zur Einleitung von
„Brauch- und Fäkal- sowie von gewerblichen Abwässern“ aber ausdrücklich unter dem
Vorbehalt vorheriger Reinigung erteilt. In den dem Bescheid beigefügten Bedingungen
Ziffern 4 - 7 wird im Einzelnen ausgeführt, dass die gewerblichen Abwässer klar und
farblos, neutral, frei von Giften und praktisch frei von Ölen und organischen Lösungsmitteln
sein müssen. Der LHKW-Gehalt der Abwässer und seine Auswirkungen auf die
menschliche Gesundheit, den Boden und das Grundwasser wurden bei der
Genehmigungserteilung offensichtlich nicht geprüft und waren daher auch nicht
Gegenstand der erteilten Erlaubnis. Darüber hinaus wird die Verursachung
gemeinwohlwidriger Gefahren, wie sie hier bestehen, durch die Legalisierungswirkung
einer Genehmigung rechtlich nicht gedeckt. Auch einer etwaigen behördlichen Duldung
oder Untätigkeit ist eine solche Wirkung nicht beizulegen (vgl. Senatsbeschluss vom
04.03.1996 a.a.O.).
60 3.5. Schließlich ist die Inanspruchnahme des Klägers auch nicht unverhältnismäßig.
61 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 16.02.2000 - 1
BvR 242/91 u.a. - BVerfGE 102, 1) begegnet es grundsätzlich keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, die Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit
dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks wegen seiner durch
die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrenverursachende
Sache verpflichtet werden kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu
beseitigen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat. Der
Belastung des Eigentümers mit den Kosten der Sanierungsmaßnahme wird durch den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt, soweit sie dem Eigentümer nicht
zumutbar ist. Als Anhaltspunkt dient insoweit der Verkehrswert des Grundstücks nach
Durchführung der Sanierung. Die Belastung des Zustandsverantwortlichen mit
Sanierungskosten kann auch bis zur Höhe des Verkehrswertes in den Fällen unzumutbar
sein, in denen das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des
Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner
Familie darstellt.
62 Nach diesem Maßstab ist die Heranziehung dem Kläger zumutbar. In der Verfügung vom
27.12.2005 wurde die Kostenbelastung des Klägers auf 50.000 EUR geschätzt. Die
tatsächlichen Kosten liegen deutlich niedriger. Mit Kostenbescheid vom 07.07.2010 hat
das Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis die Kosten der Ersatzvornahme auf 29.594,06 EUR
festgesetzt (vgl. das Verfahren 10 S 1567/11). Der Marktwert des Grundstücks nach
Sanierung unter Berücksichtigung der Altlast bemisst sich auf 96.000 EUR, sofern das für
das Grundstück bestehende Nießbrauchsrecht der Eltern des Klägers berücksichtigt wird;
ohne Nießbrauch beträgt der Grundstücksmarktwert ca. 181.000 EUR (vgl.
Markwertgutachten vom 21.10.2010 - Behördenakte 03). Der Verkehrswert des
Grundstücks nach Sanierung wird daher durch die Kosten der angeordneten
Erkundungsmaßnahmen nicht überschritten. Es ist auch nicht hinreichend substantiiert
dargetan oder sonst ersichtlich, dass dem Kläger und seiner Familie die wirtschaftliche
Lebensgrundlage entzogen werden würde, zumal die Volksbank N. mit Urteil des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 01.07.2008 zur Freistellung des Klägers von allen
öffentlich-rechtlichen Forderungen aus dem Altlastenfall verpflichtet worden ist.
II.
63 Nach alldem ist auch die Anordnung der Ersatzvornahme mit Verfügung vom 12.04.2006
rechtlich nicht zu beanstanden.
64 Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 2 Nr. 2, § 18, § 19 Nr. 2, § 20 Abs. 1, Abs.
2, Abs. 5 und § 25 LVwVG. In der Verfügung vom 27.12.2005 war die sofortige
Vollziehbarkeit angeordnet und die Ersatzvornahme unter Angabe der voraussichtlichen
Kosten angedroht worden. Spezifisch vollstreckungsrechtliche Einwendungen sind vom
Kläger nicht erhoben worden.
III.
65 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
66 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
vorliegt.
67
Beschluss vom 18.12.2012
68 Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts
für beide Rechtszüge auf jeweils 30.000 EUR festgesetzt.
69
Gründe
70 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1
GKG. Die Herabsetzung gegenüber der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht
darauf, dass die tatsächlichen Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten
Erkundungsmaßnahmen niedriger als die geschätzten Kosten bei Erlass der
Grundverfügung waren. Die hiervon abweichende Streitwertfestsetzung des
Verwaltungsgerichts ändert der Senat in Ausübung seiner Befugnis nach § 63 Abs. 3 Satz
1 GKG.
71 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.