Urteil des VG Sigmaringen vom 13.03.2017

stipendium, stiftung, freibetrag, reisekosten

VG Sigmaringen Urteil vom 13.3.2017, 1 K 4773/15
Einkommen; Stipendium; öffentliche Mittel
Leitsätze
Das Reisestipendium der Fulbright Kommission und das Baden-Württemberg-Stipendium der Baden-
Württemberg Stiftung gGmbH sind als Einkommen aus öffentlichen Mitteln voll auf den Bedarf anzurechnen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt höhere Ausbildungsförderung und wendet sich gegen die Anrechnung von monatlich
144,44 EUR Einkommen im Förderungszeitraum 09/2015 - 05/2016.
2 Die Klägerin studiert allgemeine Sprachwissenschaften und war im streitigen Bewilligungszeitraum zu
Studienzwecken an der University of Massachusetts Amherst, USA immatrikuliert.
3 Mit Bescheid vom 25.08.2015 wurde der Klägerin ein monatlicher Gesamtbetrag von 680 EUR bewilligt. Bei
der Festsetzung des monatlichen Bedarfs wurde der Klägerin ein Betrag i.H.v. 111,12 EUR für entstehende
Reisekosten zugesprochen. Bei der Festlegung der Höhe der Bewilligung wurde Einkommen der Klägerin
i.H.v. 144,44 EUR monatlich angerechnet.
4 Das monatlich anzurechnende Einkommen setzte sich aus dem der Klägerin gewährten Reisestipendium der
Fulbright Kommission i.H.v. 1.000 EUR sowie dem ihr ebenfalls zugedachten Baden-Württemberg-
Stipendium der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH i.H.v. 3.000 EUR zusammen. Das Fulbright-Stipendium
war derart zweckgebunden, dass es für die Finanzierung der transatlantischen Flugkosten zum
amerikanischen Studienort und zurück nach Deutschland eine Pauschale von 1.350 EUR und zusätzlich eine
weitere Nebenkostenpauschale i.H.v. 650 EUR in Anerkennung der Kosten, die für den Flughafentransfer,
den Abschluss einer Auslandskrankenversicherung und für die Beantragung des Visums anfallen, gewährte.
Von diesen insgesamt gewährten 2.000 EUR wurden 1.000 EUR als Einkommen angerechnet, da verhindert
werden sollte, dass durch die Gewährung des Reisestipendiums der Fulbright Kommission eine doppelte
Begünstigung in Bezug auf die Reisekosten – die ja bereits in Höhe von insgesamt 1.000 EUR (9 × 111,12
EUR) durch den Beklagten bewilligt worden waren – stattfindet. Eine solche Zweckbindung gab es beim
Baden-Württemberg-Stipendium nicht. Gemeinsam war beiden Stipendien, dass Sie begabungs- bzw.
leistungsabhängig gewährt wurden.
5 Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 18.09.2015 Widerspruch ein, der mit
Widerspruchsbescheid vom 13.10.2015 zurückgewiesen wurde. Zunächst begründete die Klägerin ihr
Vorgehen in ihrem Widerspruchsschreiben damit, dass das ihr gewährte Fulbright-Stipendium vollständig
zweckgebunden sei, so dass es nicht angerechnet werden dürfe. Gegen diesen Widerspruchsbescheid legte
die Klägerin am 22.10.2015 ebenfalls „Widerspruch“ ein, woraufhin sie durch den Beklagten mit Schreiben
vom 28.10.2015 auf das Klageverfahren verwiesen wurde.
6 Mit Bescheid vom 19.10.2015 wurde der Förderungsbetrag zwischenzeitlich neu berechnet und belief sich in
der Folge für den oben genannten Förderungszeitraum auf 838 EUR. Hierbei wurden wiederum 144,44 EUR
als Einkommen angerechnet. Ein erneuter Bescheid gleichen Inhalts erging am 29.10.2015.
7 Mit Schreiben vom 13.11.2015 hat die Klägerin am 18.11.2015 Klage auf Bewilligung von
Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 09/2015 - 05/2016 ohne Anrechnung von Einkommen
erhoben.
8 Am 22.06.2016 erging erneut ein Bescheid für den in Rede stehenden Bewilligungszeitraum, in dem der
Klägerin bei einem Bedarf von 1.081,38 EUR abermals 144,44 EUR an Einkommen angerechnet wurden, so
dass ihr 937 EUR bewilligt wurden.
9 In allen Änderungsbescheiden wurde jeweils ein Betrag i.H.v. 111,12 EUR für zu erwartende Reisekosten
bewilligt.
10 In ihrer Klage führt sie nun aus, dass Baden-Württemberg-Stipendium falle unter den Freibetrag nach § 23
Abs. 1 Nr. 1 BAföG, womit ihr dieser Freibetrag in Höhe von monatlich 255 EUR zu gewähren sei. Bei der
Baden-Württemberg Stiftung handele es sich um eine privatrechtlich verfasste, gemeinnützige GmbH,
welche dementsprechend aus privaten Mitteln finanziert werde. In der mündlichen Verhandlung hat die
Klägerin ihre Ansicht bekräftigt. Es handele sich bei den der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH
überlassenen Mittel nicht um öffentliche Mittel, da die Mittel aus dem Verkauf der EnBW bewusst in eine
privatrechtliche GmbH überführt worden seien und diese lediglich von den von ihr erwirtschafteten Erträgen
das Stipendium finanziere. Aus dieser Überführung und der Ertragserwirtschaftung folge, dass es sich um
private Mittel handele. Darüber hinaus stelle der Gesetzeswortlaut nicht darauf ab, ob die Mittel
„ursprünglich“ öffentliche Mittel gewesen seien, sondern nur, ob diese jetzt noch öffentliche seien. Die
Tatsache, dass die privatrechtliche Organisationsform in anderen Bereichen von Vorteil sei, sei
dementsprechend im Bundesausbildungsförderungsgesetz fortzuführen, so dass die Mittel als private
einzustufen seien. Eine unterschiedliche Behandlung stelle sich ansonsten als widersprüchlich dar. Überdies
sei aus der Stellungnahme der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH nicht klar erkenntlich, dass die Mittel
ihres Stipendiums aus den ursprünglich zur Verfügung gestellten Mitteln stammten, da diese die Passage
enthalte, dass es sich bei den gewährten Mitteln um „private Mittel“ handele, die „auf freiwilliger Basis und
damit ohne rechtliche Pflicht und ohne sittliche Verpflichtung gezahlt“ würden. Die GmbH finanziere auch
andere Projekte. Nur diese seien gemeint, wenn auf S. 2 der Stellungnahme (AS 50) ausgeführt werde, die
Stiftung gewähre gemeinnützigen Projekten Unterstützung; das an sie vergebene Stipendium sei ihr im
Gegensatz dazu allein auf privatrechtlicher Basis zugewendet worden.
11 Die Klägerin beantragt,
12 den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihr
Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 09/2015 - 05/2016 in Höhe von weiteren 145 EUR
monatlich zu bewilligen.
13 Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14 die Klage abzuweisen.
15 Er führt an, das Fulbright-Stipendium sei nur in Höhe von 1.000 EUR nicht anzurechnen, da dieses
Stipendium ebenso einen Zuschuss zu Reisekosten beinhalte, wie bereits vorab in Höhe von 1.000 EUR
bewilligt worden worden; rechnete man dies nicht an, erhielte die Klägerin diesen Betrag doppelt.
16 Darüber hinaus sei das Baden-Württemberg-Stipendium aus öffentlichen Mitteln finanziert, weshalb der
Freibetrag nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG nicht zur Anwendung komme, § 23 Abs. 4 Nr. 2 BAföG. Es sei davon
auszugehen, dass Leistungen der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH als 100-prozentige Tochter des
Landes Baden-Württemberg als öffentliche Mittel anzusehen seien.
17 Dem Gericht lag die Behördenakte vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die
Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
18
1.
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung
nicht vertreten war, da er in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
19
2.
Die Klage ist zulässig.
20 Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin gegen die Bescheide vom 19.10.2015,
29.10.2015 und 22.06.2016 nicht mittels Widerspruchs vorgegangen ist. Zwar ersetzten die Folgebescheide
den bereits vorangegangenen Bescheid für denselben Bewilligungszeitraum, jedoch stellte sich ein
Festhalten an dem Erfordernis der Durchführung eines Vorverfahrens als reiner Formalismus dar, wenn der
in Streit befindliche Gegenstand des ersten Widerspruchs sich erneut in den Folgebescheiden jeweils wieder
findet, ihm also nicht abgeholfen wurde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.02.1977 - VI 2097/76
-, FamRZ 1978, 281). Durch die erstmalige Einlegung des Widerspruchs machte die Klägerin deutlich, dass
sie sich gegen die erfolgte Anrechnung ihres Einkommens (Stipendien) zur Wehr setzen wollte. Da die
Folgebescheide ersichtlich das Einkommen in derselben Höhe anrechneten und die Klägerin ihr Recht
weiterhin durchzusetzen versuchte, indem sie „Widerspruch“ gegen den Widerspruchsbescheid und sodann
- nach Hinweis seitens des Beklagten auf das Klageverfahren - Klage erhob, war es offensichtlich, dass sie
sich nicht mit der getroffenen Regelung einverstanden erklärte. Überdies wäre auch nicht zu erwarten
gewesen, dass der Beklagte bei erneuter Durchführung des Widerspruchsverfahrens Abhilfe schaffen würde.
Im Hinblick auf das eindeutige Ziel der Verpflichtungsklage ist daher der Klageantrag so zu verstehen, dass
er alle dem Klagebegehren entgegenstehenden Bescheide erfasst (BVerwG, Urteil vom 17.07.1980 - 5 C
63.78 -, FamRZ 1980, 1165). Hinzu kommt, dass der sich der mit der Widerspruchsbehörde identische
Beklagte vorbehaltlos auf die Sache eingelassen hat, so dass die Durchführung eines Vorverfahrens
entbehrlich war (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.09.1991 - 1 S 1746/91 -, juris; BVerwG, Urteil
vom 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, juris).
21
3.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Anrechnung von Einkommen i.H.v. 144,44 EUR erfolgte zu Recht.
22
a) aa)
Nach § 21 Abs. 1 S. 1 BAföG gilt als Einkommen grundsätzlich die Summe der positiven Einkünfte im
Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes. Ferner gelten als Einkommen nach § 21 Abs. 3 S.
1 BAföG in Höhe der tatsächlich geleisteten Beträge (1.) Waisenrenten und Waisengelder, die der
Antragsteller bezieht (Nr. 1); (2.) Ausbildungsbeihilfen und gleichartige Leistungen, die nicht nach diesem
Gesetz gewährt werden; wenn sie begabungs- und leistungsabhängig nach von dem Geber allgemeingültig
erlassenen Richtlinien ohne weitere Konkretisierung des Verwendungszwecks vergeben werden, gilt dies
jedoch nur, soweit sie im Berechnungszeitraum einen Gesamtbetrag übersteigen, der einem
Monatsdurchschnitt von 300 EUR entspricht; Abs. 4 Nr. 4 bleibt unberührt (Nr. 2); (3.) sonstige Einnahmen,
die zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt sind, mit Ausnahme der Unterhaltsleistungen der Eltern des
Auszubildenden und seines Ehegatten oder Lebenspartners, soweit sie das Bundesministerium für Bildung
und Forschung in einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat (Nr. 4). Gemäß
§ 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG gelten nicht als Einkommen Einnahmen, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung
auf den Bedarf entgegensteht; dies gilt insbesondere für Einnahmen, die für einen anderen Zweck als für die
Deckung des Bedarfs im Sinne dieses Gesetzes bestimmt sind.
23
bb)
Von dem so ermittelten Einkommen des Auszubildenden bleiben nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG in
der bis zum 31.07.2016 gültigen Fassung für den Auszubildenden selbst 255 EUR anrechnungsfrei. Nach §
23 Abs. 4 BAföG werden abweichend von Absatz 1 (1.) von der Waisenrente und dem Waisengeld der
Auszubildenden, deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 bemisst, monatlich 180 EUR, anderer
Auszubildender 130 EUR monatlich nicht angerechnet (Nr. 1); (2.) Ausbildungsbeihilfen und gleichartige
Leistungen aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel
erhalten, sowie Förderungsleistungen ausländischer Staaten voll auf den Bedarf angerechnet; zu diesem
Zweck werden Ausbildungsbeihilfen und gleichartige Leistungen, die zugleich aus öffentlichen und privaten
Mitteln finanziert und dem Empfänger insgesamt als eine Leistung zugewendet werden, als einheitlich aus
öffentlichen Mitteln erbracht behandelt. Voll angerechnet wird auch Einkommen, das aus öffentlichen Mitteln
zum Zweck der Ausbildung bezogen wird (Nr. 2); (3.) Unterhaltsleistungen des geschiedenen oder dauernd
getrennt lebenden Ehegatten werden voll auf den Bedarf angerechnet; dasselbe gilt für
Unterhaltsleistungen des Lebenspartners nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft oder des dauernd
getrennt lebenden Lebenspartners (Nr. 4).
24
b)
Das Reisestipendium der Fulbright Kommission und das Baden-Württemberg-Stipendium stellen
Ausbildungsbeihilfen bzw. gleichartige Leistungen im Sinne des § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 1. Hs. BAföG dar und
gelten daher grundsätzlich als Einkommen. Dabei kommt es in diesem Kontext nicht darauf an, ob die beiden
Stipendien als Ausbildungsbeihilfen, für die kennzeichnend ist, dass sie sich ausschließlich auf die individuelle
Ausbildungsförderung durch den Staat beziehen, oder als gleichartige Leistungen (Individualhilfen von
privater Seite) zu qualifizieren sind, da insoweit ein rechtlicher Gleichlauf dieser Unterstützungsleistungen
erfolgt. Als Ausbildungsbeihilfen und gleichartige Leistungen sind alle Zuwendungen in Geld oder
Geldeswert (Sachleistungen), die ein Auszubildender für den Lebensunterhalt oder zur Deckung besonderer
Ausbildungskosten erhält, zu verstehen (vgl.
Stopp, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, § 21 Rn.
32). Das Fulbright-Stipendium diente der Finanzierung der besonderen Ausbildungskosten der Klägerin
aufgrund ihres USA-Aufenthalts gleichermaßen wie das Baden-Württemberg-Stipendium (vgl. AS 130 und
148 bzw. 147 der Behördenakte).
25
aa)
Für das Reisestipendium der Fulbright Kommission greift jedoch die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 4
Nr. 4 BAföG, wonach es nicht als Einkommen gilt, wenn und soweit die Zweckbestimmung des Stipendiums
einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht. Dies ist bei der Gewährung von Reisekosten vorliegend
insoweit der Fall, als es den nach § 4 Abs. 1 BAföG-Auslandszuschlagsverordnung in Höhe von 1.000 EUR
bewilligten Betrag in derselben Höhe übersteigt. Die Förderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz und die Förderung im Rahmen des Fulbright-Stipendiums verfolgen zum
Teil unterschiedliche Zwecke. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz verfolgt das Ziel, Auszubildenden,
denen die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur
Verfügung stehen, die Möglichkeit zu geben, bestimmte Ausbildungsstätten zu besuchen und einen
berufspraktischen Abschluss zu erwerben (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 16.09.2002 - 4 A 4255/99 -, juris).
Dabei soll im Rahmen des Möglichen auch Ausbildungsförderung für den Besuch einer ausländischen
Ausbildungsstätte gewährt werden, wie sich aus der BAföG-Auslandszuschlagsverordnung ergibt. Das
Reisestipendium verfolgt demgegenüber einen eingeschränkteren Zweck. Es soll gezielt der Vertiefung des
fachlichen Studiums an einer anerkannten amerikanischen Hochschule in den USA dienen und den
erheblichen Mehraufwand, den der Besuch einer amerikanischen Ausbildungsstätte (insbesondere
hinsichtlich der zu entrichtenden Gebühren) mit sich bringt, teilweise abdecken. Daher ist der Teil des
Stipendiums, der den nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewährenden Freibetrag übersteigt,
durch die spezielle Zweckrichtung der Gewährung des Stipendiums geprägt und verfolgt auch besondere
Förderungszwecke, was dazu führt, dass er insoweit nicht als Einkommen anzurechnen ist (vgl. VG
Göttingen a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 15.11.1979 - 5 C 66.77 -, juris; siehe auch die Gesetzesbegründung
zu § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BAföG, BT-Drs. 17/1551, S. 31).
26 Die Freistellung eines Betrags nach § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 2. Hs. BAföG a.E für die weiteren 1.000 EUR des
Fulbright-Stipendiums scheidet aus, da es für einen konkretisierten Zweck, nämlich zur Deckung der
entstehenden Reisekosten (Flugkosten sowie Kosten für den Flughafentransfer, den Abschluss einer
Auslandskrankenversicherung und für die Beantragung des Visums) vergeben wurde.
27
bb)
Da das Baden-Württemberg-Stipendium begabungs- und leistungsabhängig (vgl. AS 49) und ohne
weitere Konkretisierung des Verwendungszwecks vergeben wurde (vgl. den Stipendiumsvertrag, AS 145 der
Behördenakte), ist es nur soweit als Einkommen anzurechnen, als es im Berechnungszeitraum einen
Gesamtbetrag übersteigt, der einem Monatsdurchschnitt von 300 EUR entspricht, § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 2.
Hs. BAföG a.E. Der Bewilligungszeitraum umfasst neun Monate, womit 2.700 EUR (9 × 300 EUR) des
Stipendiums nicht als Einkommen gelten, so dass nur noch 300 EUR (3.000 EUR - 2.700 EUR) als
Einkommen zu berücksichtigen sind.
28
cc)
Von diesen beiden Stipendien sind nach § 21 BAföG folglich 1.300 EUR als Einkommen anzurechnen.
29
c)
Ein Freibetrag nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG i.H.v. monatlich 255 EUR wurde zu Recht nicht gewährt.
Bei den beiden Stipendien handelt es sich um öffentliche Mittel, was dazu führt, dass sie voll auf den Bedarf
anzurechnen sind, § 23 Abs. 4 Nr. 2 BAföG.
30
aa)
Um öffentliche Mittel handelt es sich zunächst dann, wenn eine Leistung vom Bund, von einem Land,
von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt oder Stiftung
gewährt wird (vgl.
Humborg, in: Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Auflage, § 23 Rn. 41,
Stand: Januar 2011). Darüber hinaus sind nach der Zielsetzung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes,
wonach vermieden werden soll, dass öffentliche Mittel für denselben Zweck zweimal vergeben werden (BT-
Drs. 17/1551, S. 31; vgl. auch
Humborg a.a.O.), auch Mittel von Förderungseinrichtungen erfasst, die für
eine entsprechende von ihnen vorzunehmende Förderung öffentliche Mittel erhalten. Dies gilt auch bei einer
gemischten Finanzierung aus öffentlichen und privaten Mitteln, sofern nicht explizit die Leistung aus einem
ausschließlich separierten, privaten Vermögensbestandteil geleistet wird, § 23 Abs. 4 Nr. 2, 2. Hs. BAföG. Die
Aufnahme der Regelung des § 23 Abs. 4 Nr. 2, 2. Hs. BAföG spricht überdies dafür, dass der Begriff der
öffentlichen Mittel weit zu fassen ist. Gleiches ergibt sich auch aus der Zielsetzung des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (vgl. oben). Folge dessen ist, dass öffentliche Mittel auch dann
vorliegen, wenn sie durch eine privatrechtliche Organisationsform zur Verfügung gestellt werden, sofern
diese zuvor mit öffentlichen Mitteln ausgestattet worden ist. Um öffentliche Mittel handelt es sich auch (und
erst recht) dann, wenn die privatrechtliche Organisationsform (zusätzlich) in (ausschließlich) staatlicher
Hand ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.02.2011 - 7 A 11082/10 -, juris; ebenso
Humborg, a.a.O.).
31
bb)
Das Reisestipendium der Fulbright Kommission wird nach deren Aussage aus deutschen und
amerikanischen öffentlichen Mitteln gemischt finanziert (AS 55); die Herkunft dieser Mittel war im Rahmen
der Klage auch unstreitig. Anhaltspunkte dafür, dass eine von dieser Aussage abweichende Beurteilung zu
treffen ist, sind nicht ersichtlich.
32 Auch das Baden-Württemberg-Stipendium wird ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Aus der
Stellungnahme der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH (AS 49/50) geht hervor, dass das Baden-
Württemberg-Stipendium von der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH finanziert wird, deren
Alleingesellschafter das Land Baden-Württemberg ist. Die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH entstand im
Jahr 2000 aus den Erlösen der Privatisierung der EnBW durch die Landesbeteiligung Baden-Württemberg
GmbH. Die der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel stammen aus dieser Landesbeteiligung Baden-
Württemberg GmbH. Bereits die Tatsache, dass die der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH zur Verfügung
gestellten Mittel öffentliche sind, führt dazu, dass es sich bei den aus dieser Gesellschaft gewährten
Leistungen um solche aus öffentlichen Mitteln handelt. Die vormals an der EnBW gehaltenen
Gesellschaftsanteile des Landes sind unstreitig als Mittel des Landes anzusehen, so dass sie allein dadurch
als öffentliche Mittel zu qualifizieren sind. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Mittel (direkt) aus dem
Haushalt stammen oder den Haushalt durchlaufen haben bzw. hätten müssen, sondern nur, dass sie vom
Land an die Gesellschaft zugeflossen sind. Allein die Weitergabe dieser Mittel an eine privatrechtlich
organisierte Gesellschaft vermag nicht deren Charakter zu ändern (vgl.
Humborg, a.a.O.). Insoweit geht die
Aussage der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH in ihrer Stellungnahme fehl, als sie ausführt, aufgrund der
von ihr gemachten Aussagen werde das Stipendium dementsprechend aus privaten Mitteln auf freiwilliger
Basis gezahlt. Insoweit ist auch die Aussage, wer außer Bundesausbildungsförderung und dem Stipendium
keine weiteren Einkünfte beziehe, könne einen weiteren Freibetrag i.H.v. 255 EUR monatlich geltend
machen, im Merkblatt für Stipendiaten der Baden-Württemberg Stiftung gGmbH (AS 146 der Behördenakte)
unrichtig.
33 Hinzu kommt, dass die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH ausschließlich vom Land Baden-Württemberg
getragen wird und sich die Baden-Württemberg Stiftung gGmbH damit ausschließlich in staatlicher Hand
befindet.
34 Die Tatsache, dass durch die privatrechtliche Organisationsform in anderen Bereichen des Rechts u.U.
Vorteile einhergehen, kann - aufgrund der eindeutigen Zielsetzung des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (s.o.) - nicht zu einer anderen Beurteilung führen.
35
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 S. 2 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit
des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen
Gebrauch.