Urteil des VG Saarlouis vom 19.11.2008

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VG Saarlouis Beschluß vom 19.11.2008, 9 L 1777/08
Mitbestimmung bei Privatisierung von Teilaufgaben einer
Verwaltungsvollstreckungsbehörde; Rechtsschutz im Eilverfahren
Leitsätze
Zur Frage der Mitbestimmung des Personalrates bei Übertragung von
Vollstreckungstätigkeiten einer Vollstreckungsbehörde auf ein privates Inkassounternehmen
und zum Rechtsschutz im vorläufigen Rechtschutzverfahren
Tenor
Die Beteiligte wird gemäß § 113 Abs. 1 lit. c) und 2 SPersVG i. V. m. § 85 Abs. 2 ArbGG
vorläufig verpflichtet, das Mitbestimmungsverfahren gemäß §§ 84, 73 SPersVG für die von
ihr geplante Maßnahme der Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt A-Stadt und
einem privaten Inkassounternehmen (Vorlagen für den Stadtrat - Drucksachen
VWT/1445/08 und VWT/1312/08) einzuleiten.
Gründe
I.
Die Landeshauptstadt A-Stadt beabsichtigt das private Inkassounternehmen C. A-Stadt ab
01.01.2009 auf der Grundlage einer im Entwurf vorliegenden Vereinbarung mit Stand vom
20.10.2008 mit Einziehungsaufträgen der Stadtkasse A-Stadt als Vollstreckungsbehörde
für eine Versuchsphase von sechs Monaten zu beauftragen, wobei der Versuch mit Ablauf
des vereinbarten Zeitraums automatisch enden soll und die Frage einer zukünftigen
weitergehenden Zusammenarbeit mit privaten Inkassounternehmen für diesen Bereich
über den Modellversuch hinaus unter Auswertung der Ergebnisse des Modellversuchs
ergebnisoffen beantwortet werden soll. Unter Vorlage der Stadtratsdrucksache
VWT/1312/08 vom 16.10.2008 informierte die Beteiligte den Antragsteller über das
Vorhaben „Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt A-Stadt und privaten
Inkassounternehmen“ unter Beifügung des o. a. Vereinbarungsentwurfs. Hieraus und aus
der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Drucksache VWT 1445/08 vom 05.11.2008
mit dem Betreff „Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt und privaten
Inkassounternehmen (Mitwirkung des Personalrates)“ geht hervor, dass über die
Maßnahme in der Stadtratsitzung am 25.11.2008 entschieden werden soll. Der
Beschlussvorschlag für den Stadtrat in der Vorlage VWT 1445/08 lautet: „Der Stadtrat
entscheidet endgültig über die Beauftragung der Firma D. für eine Versuchsphase von
sechs Monaten.“ Der Beschlussvorschlag in der Drucksache VWT 1312/08 lautet: „Der
Stadtrat nimmt das Vorhaben zustimmend zur Kenntnis.“ Die Beteiligte vertritt hierzu die
Auffassung, dass die Maßnahme lediglich der Mitwirkung des Personalrates unterliege und
ein Mitbestimmungstatbestand nicht eingreife. Nach Erörterung der Angelegenheit mit dem
Antragsteller auf der Grundlage von § 83 SPersVG könne der Stadtrat nach Anhörung des
Personalrats gemäß § 74 Abs. 3 SPersVG endgültig entscheiden (Drucksache
VWT/1445/08).
Der Antragsteller vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die beabsichtigte
Maßnahme, wie sie aus dem ihm vorgelegten Vereinbarungsentwurf hervorgeht,
Mitbestimmungstatbestände nach § 84 Nr. 3 und Nr. 7 SPersVG erfülle und daher ohne
vorherige Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 73 SPersVG getroffen
werden könne. Im Einzelnen trägt er dazu Folgendes vor:
Der Mitbestimmungstatbestand gemäß § 84 Nr. 3 SPersVG betreffe Änderungen der
Arbeitsorganisation und -methoden und werde durch die intendierten Maßnahme der
Stadtkasse beim Forderungseinzug mit einem privaten Inkassounternehmen erfüllt. Zweck
der Übertragung der Arbeiten sei nämlich die Erhöhung der Effektivität der Durchführung
von behördlichen Vollstreckungsaufgaben durch Übertragung von Aufgaben, die an sich den
Angehörigen der Vollstreckungsbehörde oblägen. Mit diesem Vorgang sei zugleich eine
Änderung der Arbeitsorganisation im Sinne einer Änderung bzw. Ausweitung von neuen
Arbeitsmethoden verbunden. Aus den Angaben der Beteiligten ergebe sich, dass die
geplante Zusammenarbeit vor dem Hintergrund stattfinden solle, dass das
Inkassounternehmen eine völlig andere Arbeitsweise als die Vollstreckungsbehörde
verfolge. So greife es etwa auf ein anderes Kontaktaufnahmesystem zurück, das durch
modernste Technik unterstützt werde. Die Vollstreckungsbehörde werde hier von
veränderten Arbeitsmethoden, gegebenenfalls sogar im Sinne einer Ausweitung
betrieblicher Informations- und Kommunikationsnetze gemäß § 84 Nr. 6 SPersVG,
betroffen. So werde von der Beteiligten ausdrücklich der Einsatz modernster technischer
Mittel bei der Vollstreckungstätigkeit als Vorzug der Ausführung durch ein privates
Inkassounternehmen hervorgehoben. Es sei damit zu rechnen, dass dies auch
Auswirkungen erheblicher Art auf das zu diesem Zweck erforderliche Informations- bzw.
Kommunikationsnetz, in das die betroffenen Mitarbeiter der Landeshauptstadt A-Stadt
eingebunden seien, habe.
Mit der Beauftragung des Inkassounternehmens sei zugleich ein Übergang behördlicher
Arbeiten auf Private auf Dauer im Sinne von § 84 Nr. 7 SPersVG verbunden mit der Folge,
dass auch dieser Mitbestimmungstatbestand eingreife. Nachdem nach ständiger
Rechtsprechung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Übertragung auf Dauer im
Sinne von § 84 Nr. 7 SPersVG nicht auf die mit dem Privaten vereinbarte Vertragsdauer
abzustellen sei, sei hier unter Berücksichtigung von Motivation und Ziel der angedachten
Maßnahme von entscheidender Bedeutung, dass mit der probeweise vereinbarten
Maßnahme letztlich die Übertragung von Vollstreckungsaufgaben auf Privatunternehmen
auf Dauer verfolgt werde. Dies lege bereits die Konstellation eines Versuches nahe.
Weiteres Indiz für die beabsichtigte Langfristigkeit der Maßnahme sei zudem die seit über
einem Jahr bestehende Vakanz von zwei für die Vollstreckung vorgesehenen Stellen, die im
Hinblick auf das Privatisierungsprojekt bis heute beibehalten worden seien, um den
Kostenaufwand für die Privatisierungsmaßnahme abzudecken bzw. zu reduzieren. Diese
gewichtige Einschränkung der Arbeit der Dienststelle bei zugleich als unzureichend
beklagter Beitreibungsquote erscheine nur vor dem Hintergrund eins auf Langfristigkeit
angelegten Projektes überhaupt verständlich. Hier komme hinzu, dass Sinn und Zweck der
Regelung des § 84 Nr. 7 SPersVG, der auf den Schutz vorhandener Arbeitsplätze im
öffentlichen Dienst abziele, hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Übertragung auf
Dauer eine restriktive Handhabung geboten sei. Habe mithin die bloße Absicht einer
Übertragung auf private Unternehmen dazu geführt, dass zwei Stellen in der
Vollstreckungsbehörde zwecks Kosteneinsparung unbesetzt geblieben seien, sei bereits
hierdurch ein negativer Effekt für die in der Dienststelle bestehenden Arbeitsplätze
eingetreten. Nach der Rechtsprechung greife der fragliche Mitbestimmungstatbestand ein,
wenn dem Grunde nach die Entscheidung anstehe, eine bestimmte Art von Arbeiten zu
privatisieren. Dabei genüge schon das Erarbeiten einer Vorlage für die beabsichtigte
Maßnahme bzw. ein entsprechender Planungsauftrag in der Absicht, behördliche
Tätigkeiten im Anschluss an die getroffene grundsätzliche Entscheidung lediglich
probeweise an Private zu übertragen. Dies ergebe sich insbesondere aus der
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinen Beschlüssen
vom 04.11.1992, CL 51/89, vom 25.03.1999, 1 A 4469/98.PVL, und vom 06.03.1997, 1
A 1910/93.PVL.
Der Antragsteller beantragt,
die Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung
vorläufig zu verpflichten, das Mitbestimmungsverfahren
gemäß §§ 84, 73 Saarländisches
Personalvertretungsgesetz -SPersVG- für die Maßnahme
der geplanten Zusammenarbeit zwischen der
Landeshauptstadt A-Stadt und einem privaten
Inkassounternehmen einzuleiten und durchzuführen.
Die Beteiligte beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen, bestreitet dabei indes nicht, dass es
sich bei der Beauftragung privater Inkassounternehmen, sollte sie auf Dauer erfolgen, um
eine Privatisierung im Sinne von § 84 Nr. 7 SPersVG handele. Eine derartige dauerhafte
Übertragung sei derzeit allerdings nicht vorgesehen, zumal hierzu auch eine Vergabe im
Wege einer Ausschreibung vorgeschrieben sei. Es werde bestritten, dass die dauerhafte
Übertragung bereits jetzt vorgesehen sei. Der bisherige Beschluss der
Dezernentenkonferenz umfasse nur eine Versuchsphase. Wie die endgültige Entscheidung
lauten werde, sei nicht absehbar. Im Übrigen gelte, dass dann, wenn eine endgültige
Übertragung derartiger Aufgaben auf Private erfolgen solle „zuvor ein
Mitbestimmungsverfahren gemäß §§ 73 ff. SPersVG durchzuführen“ sei, was auch
zugesichert werde. Dem gegenüber handele es sich bei der in der Sitzung des Stadtrates
am 25.11.2008 vorgelegten Maßnahme nicht um eine solche dauerhafte Übertragung, so
dass ein Mitbestimmungstatbestand gemäß § 84 Nr. 7 SPersVG ausscheide, weil es an
dem Merkmal „auf Dauer“ fehle.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
vorgelegten Verwaltungsunterlagen der Beteiligten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 113 Abs. 1 lit. c)
und Abs. 2 SPersVG i. V. m. § 85 Abs. 2 ArbGG und §§ 935, 940 ZPO, über den der
Vorsitzende der Fachkammer ungeachtet der Bestimmung des § 85 Abs. 2 ArbGG alleine
entscheidet, weil die Heranziehung der zur Mitwirkung berufenen ehrenamtlichen Richter
der Kammer im Hinblick auf das vom Antragsteller geltend gemachte Eilbedürfnis zu einer
unvertretbaren Verzögerung führen würde,
vgl. dazu den Beschluss der Kammer vom 28.03.2006, 9
F 1/06.PVL, m. w. N.
ist begründet.
Allgemein gilt, dass Rechtsschutz in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten in der
Regel nicht der Durchsetzung von Ansprüchen, sondern der Klärung von Zuständigkeiten
dient, insoweit in der Regel also alleine ein Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts in
Betracht kommt. Hiervon ausgehend werden in der Rechtsprechung unterschiedliche
Meinungen zur Möglichkeit der Sicherung von Beteiligungsrechten durch einstweilige
Verfügungen vertreten. Die Kammer hat hierzu etwa in ihren
Beschlüssen vom 28.03.2006, a. a. O., vom 12.01.2007,
9 F 2/02.PVL, und vom 03.04.2008, 9 L 258/08
(bestätigt durch den Beschluss des OVG Saarlouis vom
17.04.2008, 5 B 190/08)
im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
vgl. den Beschluss vom 27.07.1990, 6 PB 12.89, PersV
1991, 71
den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit ausschließlich verfahrensrechtlichem Inhalt für
möglich angesehen.
Vgl. zur Problematik etwa den Beschluss des OVG
Saarlouis vom 08.03.1993, 5 W 3/93, sowie
Lechtermann, Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes
in Beteiligungsangelegenheiten, PersV 2006, 4, 11, m. w.
N. in Fn. 40, und Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler,
BPersVG, 6. Auflage 2008, § 83 Rdn. 120 ff., m. w. N.
Der Antragsteller hat sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund
glaubhaft gemacht mit der Folge, dass seinem Antrag nach Maßgabe des Tenors zu
entsprechen ist. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der im
vorliegenden Zusammenhang ein Unterlassungsanspruch bezogen auf die Durchführung
der beabsichtigten Maßnahme zur Sicherung eines personalvertretungsrechtlichen
Beteiligungsverfahrens vor deren Durchführung abgelehnt wird,
vgl. zum Meinungsstand: Altvater/…, a. a. O., § 83 Rdn. 121 ff.
folgend, genügt es, der Dienststelle aufzugeben, das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten,
zumal diese aus dem Grundsatz der Rechtstaatlichkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3
GG heraus gehalten ist, die beabsichtigte Maßnahme nicht vor Abschluss des von ihr
einzuleitenden Mitbestimmungsverfahrens zu beschließen und durchzuführen.
Der Antragsteller kann sich nach summarischer Bewertung der Sach- und Rechtslage im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf einen Anordnungsanspruch berufen, weil die von der
Beteiligten beabsichtigte Maßnahme der Mitbestimmung des Antragstellers auf der
Grundlage der Mitbestimmungstatbestände aus § 84 Nr. 5 und Nr. 7 SPersVG unterfällt.
Ausgangspunkt für die Zuordnung der beabsichtigten Maßnahme zu den § 84 SPersVG zu
entnehmenden Mitbestimmungstatbeständen sind die für die Sitzung des Stadtrates der
Landeshauptstadt A-Stadt am 25.11.2008 vorgeschlagene Entscheidungen über die
Beauftragung der Firma C. für eine Versuchsphase von sechs Monaten, wie sie aus der
Drucksache VWT/1445/08 vom 05.11.2008 in Verbindung mit dem aus der Drucksache
VWT/1312/08 vom 16.10.2008 parallel hervorgehende Beschlussvorschlag der
zustimmenden Zurkenntnisnahme der Zusammenarbeit zwischen der Landeshauptstadt
A-Stadt und privaten Inkassounternehmen unter Berücksichtigung des dort beigefügten
Entwurfs eines Vertrages mit Stand vom 20.10.2008 hervorgehen, sowie die danach
konkret beabsichtigten Verfahrensregelungen. Im Einzelnen ergibt sich für die
personalvertretungsrechtliche Bewertung aus dem Vereinbarungsentwurf folgendes:
Nach der Vorbemerkung betrifft die Vereinbarung „die technisch-organisatorische
Verwaltungshilfe bei der Durchführung des Forderungseinzugs“ durch das private
Inkassobüro, wobei eine Forderungsabtretung allerdings nicht stattfinden soll.
Vertragsgegenstand sind nach § 1 Abs. 1 „angemahnte Geldforderungen gemäß dem
Saarländischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz“, hinsichtlich derer der Auftragnehmer
(Inkassobüro) als Verwaltungshelfer tätig werden und dazu sämtliche im Zusammenhang
mit der Vereinbarung von der Landeshauptstadt erhaltenen personenbezogenen Daten im
Wege der Auftragsdatenverarbeitung verwenden soll (§ 1 Abs. 2). Dabei umfasst der
Auftrag nach § 1 Abs. 3 „die Übernahme der Einzugsfälle in das Forderungsmanagement“.
Aus der Verwendung des Wortes „Forderungsmanagement des Auftragnehmers“ geht
hervor, dass dieser die ihm nach (erster) Anmahnung durch die Vollstreckungsbehörde zur
Weiterverarbeitung übertragenen einzelnen Geldforderungen nach den
arbeitsorganisatorischen und vorgehensorganisatorischen Regelungen, die er für die ihm
aus dem privaten Bereich zur Einziehung übertragenen Forderungen anwendet, eintreiben
soll. Dazu gehören, wie § 1 Abs. 3 weiter zu entnehmen ist, insbesondere die
Einzeltätigkeiten der Führung der gesamten Korrespondenz mit den Schuldnern
einschließlich aktiver und passiver Telefonkontakte, der Überprüfung der Bonität der
Schuldner durch Einholung von Wirtschaftsauskünften, der Adressermittlung, der
Arbeitgeberermittlung und der Kontenermittlung. Bezogen auf diese Tätigkeiten übernimmt
der Auftragnehmer Vollstreckungstätigkeiten, die so auch bisher von der Stadtkasse der
Beteiligten ausgeführt worden sind und werden, wenn sie Forderungen mit eigenem
Personal einzutreiben versucht. Hierzu gehört weiter auch die Überwachung der Einhaltung
von getroffenen Ratenzahlungsvereinbarungen, soweit die Vermittlung von
Ratenzahlungsvereinbarungen im Bereich der übertragenen Forderung durch den
Auftragnehmer „als Bote“ erfolgreich getätigt worden ist. Gemäß § 4 Abs. 3 der
Vereinbarung stellt die Beteiligte korrespondierend hinsichtlich der weiteren Einziehung der
übertragenen Forderung die eigene Einziehungstätigkeit ein und leitet jegliche, insoweit bei
ihr selbst eingehende Korrespondenz oder Information an den Auftragnehmer weiter,
behält sich jedoch vor, die Weiterleitung erforderlichenfalls mit einer entsprechenden
Anweisung zu versehen.
Bilden die so übertragenen Tätigkeiten im Wesentlichen die Tätigkeit der Beteiligten bei der
Forderungseintreibung im hier fraglichen Stadium ab, so treten auf der Auftragnehmerseite
gemäß § 1 Abs. 3 Vereinbarung weitere Tätigkeiten hinzu, die bei der
Forderungseintreibung durch die Stadtkasse nicht im gleichen Maße erforderlich wären.
Dies betrifft die Vermittlung von Ratenzahlungsvereinbarungen als Bote, die Vermittlung
von Vergleichen als Bote des Auftraggebers entsprechend der Anweisung des
Auftraggebers, die Übermittlung von Sachstandsmitteilungen und Erfolgsübersichten an
den Auftraggeber sowie das Abführen eingezogener Beträge und die Abrechnung
gegenüber dem Auftraggeber, also hier der Beteiligten. Diesen letztgenannten Tätigkeiten
auf Auftragnehmerseite steht gegenüber, dass sie gegenüber der Beteiligten erfolgen und
auf deren Seite bearbeitet werden müssen. Hinzu treten weitere Bearbeitungsschritte auf
Seiten der Beteiligten, die losgelöst vom konkreten Forderungseinzug sich auf die
Überwachung und Kontrolle des Auftragnehmers sowie auf die Genehmigung der von
diesem vorgeschlagenen Maßnahmen, zu denen dieser nicht berechtigt ist, beziehen. Dies
betrifft insbesondere diejenigen Tätigkeiten, in denen der Auftragnehmer als „Bote“
verpflichtet ist, Ratenzahlungsvereinbarungen und Vergleiche zu vermitteln (§ 1 Abs. 3, § 3
Abs. 2) und auch abzuschließen (§ 3 Abs. 3). Hinsichtlich letztgenannter Befugnis geht die
Tätigkeit des Auftragnehmers dabei ersichtlich über die reine Botentätigkeit oder die
Betätigung als eine Art „Vermittlungsvertreter“ hinaus und bedarf deshalb einer
weitergehenden Überwachung durch Bedienstete der Beteiligten. Hinzu treten dann im
Bereich der Forderungsübergabe und Abwicklung verbunden mit den getroffenen
Regelungen zur Datenverarbeitung (vgl. insbesondere § 6 Vereinbarung) weitere
Kontrolltätigkeiten auf Seiten des Auftraggebers verbunden mit erforderlichen
Abstimmungen und Weisungen (vgl. insbesondere § 6 Abs. 2 lit. b. und c.) sowie
Informationspflichten (lit. d.) sowie darüber hinaus das Erfordernis einer Abrechnung mit
dem Auftragnehmer hinsichtlich dessen Vergütung (§ 9 der Vereinbarung).
Aus dieser verfahrensbedingt summarischen Auswertung des an den privaten
Auftragnehmer übergehenden Tätigkeitsfeldes folgt bereits, dass es sich dabei nicht
lediglich um die Wahrnehmung von Aufgaben, die bisher durch Bedienstete der Beteiligten
in vollem Umfang wahrgenommen worden sind durch einen privaten Dritten handelt,
sondern das mit der partiellen Übertragung des Forderungseinzuges im Bereich der
Beteiligten Tätigkeiten anfallen, die so bisher nicht angefallen sind und im Schwerpunkt im
Bereich der fachlichen Steuerung, Begleitung und Überwachung der Tätigkeit des
Verwaltungshelfers angesiedelt sind. Hinzu tritt der Umstand, dass es sich nach der
Konzeption der Beteiligten bei der beabsichtigten Maßnahme um einen Probelauf handelt,
der der kritischen Begleitung und Auswertung bedarf, die - jedenfalls was die
Materialsammlung für die abschließende Bewertung angeht – schlechterdings nicht ohne
Einbindung der im hier betroffenen Bereich der Beteiligten tätigen Bediensteten erfolgen
kann.
Von daher kommen insgesamt mit der Maßnahme auf die betroffenen Bediensteten
Änderungen in der bisherigen Arbeitsstruktur und Arbeitsweise zu, die deutlich den
Maßnahmen zur Änderung der Arbeitsorganisation im Sinne von § 84 Nr. 5 SPersVG
zuzuordnen sind. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dem privaten Auftragnehmer nur
ein Teil der weiter zu verarbeitenden Forderungen zur Bearbeitung übertragen werden soll,
da der Mitbestimmungstatbestand insoweit nicht unterscheidet, ob die maßgebliche
Organisationseinheit nur teilweise oder insgesamt betroffen ist. Hinzu kommt dabei, dass
die erforderliche Auswahl derjenigen Forderungen, die überhaupt übertragen werden
können und sollen, als weitere Tätigkeit hinzutritt und bei ihrer Umsetzung in die gesamte
vorhandene Organisation des Forderungsmanagements der Beteiligten hineinwirkt.
Demgegenüber scheidet in Abgrenzung hierzu der Mitbestimmungstatbestand aus § 84 Nr.
3 SPersVG aus, da dieser sich speziell auf die wesentliche Änderung oder wesentliche
Ausweitung bereits eingeführter neuer Arbeitsmethoden bezieht und zudem vorliegend,
soweit ersichtlich, in eher geringerem Umfang – möglicherweise im Bereich des
Datenaustauschs mit dem Auftragnehmer – neue Arbeitsmethoden im Betrieb der
Beteiligten eingeführt werden. Vielmehr verändert sich die Wahrnehmung der vorhandenen
Arbeitsmethoden stärker hin von der eigenständigen Durchführung der Vollstreckung von
Geldforderungen zur Überwachung und Anleitung des für den hier fraglichen Bereich
verpflichteten privaten Trägers des „operativen Geschäfts gegenüber dem Kunden“, wobei
die Letztverantwortung bei den Bediensteten der Beteiligten verbleibt. Es kann daher nicht
ohne Weiteres gesagt werden, dass die damit verbundene Änderung der
Arbeitsorganisation als Änderung oder Ausweitung „neuer Arbeitsmethoden“ zu
qualifizieren ist. Wird der Begriff der Arbeitsorganisation im Sinne dieser Vorschrift
zutreffenderweise als die Ganzheit und Symbiose aller Elemente - auch der Interessen -
und der formellen, aber auch informellen Strukturen bei der Verwirklichung der Ziele,
Aufgaben und Interessen des Bereiches der Verwaltungsvollstreckung verstanden, so ist
die hier feststellbare Änderung, wie sie sich auf den „Binnenbereich“ der
Arbeitsorganisation der Verwaltungsvollstreckung der Beteiligten auswirkt, ziemlich deutlich
als dem § 84 Nr. 5 SPersVG unterfallende Maßnahme zu verstehen.
Vgl. Aufhauser/Brunhöber/Warger, SPersVG, 1991, § 84
Rdnr. 62
Von daher unterscheidet sich die Maßnahme auch von der Einführung grundlegend neuer
Arbeitsmethoden im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 10 SPersVG, weil es sich hier bei den
Auswirkungen der Übertragung auf das private Inkassobüro und die damit im Bereich der
Beteiligten diesbezüglich zu bewältigende Tätigkeit nicht um die Einführung grundlegend
neuer Arbeitsmethoden handelt. Vielmehr wird der Charakter der Tätigkeit bei der
Beteiligten in diesem Bereich und deren Ablauf- und Arbeitsorganisation im hier fraglichen
Bereich, wie dargestellt, verändert.
Diese mit der beabsichtigten Erprobung verbundene Veränderung in der Arbeitsorganisation
der Vollstreckungstätigkeit im Bereich der Beteiligten wird von dem gegenüber § 84 Nr. 3
SPersVG zugleich als eine Art Auffangtatbestand konzipierten § 84 Nr. 5 SPersVG für den
Bereich der Mitbestimmung u. a. in Organisationsangelegenheiten – so die Überschrift des
§ 84 SPersVG – erfasst. Hierunter fallen auch partielle Änderungen der Arbeitsorganisation,
wenn ihnen ein gewisses Gewicht zukommt, sowie deren probeweise Einführung, wobei es
nicht auf die Dauer der Erprobungsphase ankommt.
Vgl. dazu Fischer/Goeres, GKÖD Bd. V: PVR Lfg. 3/02-XII.02, § 76
Rdn. 48b und 49, für die Einführung grundlegend neuer
Arbeitsmethoden i. S. des BPersVG
Die oben beschriebene Änderung der Arbeitsabläufe im Betrieb der Stadtkasse kann, wie
bereits dargelegt, im Unterschied zur Bewertung der Beteiligten im Schriftsatz vom
19.11.2008 nicht als bloße „Zuarbeit für die Fa. C.“ beschrieben werden. Entscheidend ist
dabei nämlich nicht, dass die Zusammenarbeit mit dem privaten Unternehmen zu einem
großen Teil auch mit vorhandenen Arbeitsmethoden und -schritten zu bewältigen ist. Die
Zusammenarbeit erfordert vielmehr die Abstimmung zwischen privater Außentätigkeit und
der Organisation im Behördenbereich bei zusätzlicher verantwortlicher Kontrolle des
Auftragnehmers, der, wie die Beteiligte zugesteht, zudem eine völlig andere Arbeitsweise
verfolgt, als die Vollstreckungsabteilung der Beteiligten. Die diesbezügliche Behauptung der
Beteiligten, diese Arbeitsweise wirke sich nicht auf den Arbeitsbereich der Stadtkasse aus,
wird durch nichts belegt. Dabei wird – was auf der Hand liegt – zudem übersehen, dass
gerade eine gegenüber der bei der Beteiligten bisher geübten Herangehensweise völlig
andere Vorgehensweise des beauftragten privaten Unternehmens einen weiteren und
größeren Klärungs- und Abstimmungsbedarf und -aufwand an der Schnittstelle zwischen
privatisierter Außentätigkeit im Kontakt zum Schuldner und in den Innenbereich der
Verwaltung zurückverlagerter, dort aber weiterhin bestehender Verantwortung für den
einzelnen Vollstreckungsvorgang erfordert. Auch wenn die Übertragung von
Forderungseinzugsfällen auf den Auftragnehmer erprobungsbedingt begrenzt worden ist,
belegt etwa der in den Verwaltungsakten befindliche Vermerk zur Frage der zu
erwartenden Fallzahlen und zur Personalisierung der Zusammenarbeit vom 27.10.2008
(Bl. 99 f. Behördenakte), dass die zu erwartende Änderung der Arbeitsorganisation bei der
Beteiligten absehbar von einigem Gewicht sein wird.
Darüber hinaus stellt die mit der Vereinbarung verbundene Übertragung bestimmter
Tätigkeiten auf das Inkassounternehmen unstreitig eine Privatisierung dar, wobei zwischen
den Beteiligten streitig ist, ob insoweit der Mitbestimmungstatbestand des § 84 Nr. 7
SPersVG eingreift, weil die verfahrensgegenständliche Vereinbarung auf sechs Monate
befristet ist und die Beteiligte darauf hinweist, dass die Maßnahme lediglich probeweise
erfolgt und nach deren Auswertung erst entschieden werden soll, ob eine Übertragung
dieser Tätigkeiten auf Dauer ins Auge gefasst wird, wobei sie zugesteht, dass jedenfalls für
die letztgenannte Maßnahme der hier fragliche Mitbestimmungstatbestand eingreift. Dabei
verkennt die Beteiligte jedoch, dass in der Rechtsprechung
vgl. etwa den Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen
vom 04.11.1992, CL 41/89, für die parallele Vorschrift
des § 72 Abs. 3 Nr. 7 LPVG NW
auch die probeweise Übertragung der bisher von Beschäftigen ausgeübten Tätigkeit eine
mitbestimmungspflichtige Privatisierung darstellen kann. Entscheidend ist vorliegend, wie
der Antragsteller zu Recht dargelegt hat, dass seitens der Dienststelle eine Privatisierung
im hier fraglichen Sinne dem Grunde nach geplant ist, wobei die Befristung der hier
fraglichen Vereinbarung aus dem mit dem im Vorfeld beabsichtigten Probecharakter der
Übertragung herrührt. Von daher kommt es nicht darauf an, ob der Probelauf erfolgreich
sein wird oder nicht. Maßgebend ist, dass die jetzt getroffene Maßnahme darauf abzielt, -
bei entsprechendem erfolgreichen Ausgang des Probelaufs- eine Maßnahme auf Dauer
anzustreben. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass Sinn und Zweck der Regelung
in § 84 Nr. 7 SPersVG auf den Schutz vorhandener Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst
durch den Personalrat abzielen und das Merkmal „auf Dauer“ restriktiv auszulegen ist.
Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass es sich hier nicht um die vorübergehende
Auslagerung einer Verwaltungstätigkeit handelt, die etwa der Überbrückung eines
vorübergehenden Engpasses dient. Vielmehr soll durch den Probelauf die Privatisierung
eines nicht unwesentlichen Teils des Vollstreckungswesens vorbereitet werden. Von daher
ist die Zielrichtung der Dienststelle und der Dienststellenleitung (berechtigterweise) darauf
ausgerichtet, diese Möglichkeit im Praxisversuch „auszuloten“. Eine hieraus hervorgehende
Erfolgschance der beabsichtigten Privatisierung wirkt sich dabei auf die Beurteilung des
Tatbestandsmerkmales der zeitlichen Sperre des § 87 Nr. 7 SPersVG dahingehend aus,
dass ungeachtet der vorliegend festgeschriebenen zeitlichen Befristung der Maßnahme von
einer Maßnahme auf Dauer im Sinne der Vorschrift auszugehen ist.
Ausgehend vom Sinn und Zweck der Vorschrift hat der Personalrat dabei in dem dann
durchzuführenden eingeschränkten Mitbestimmungsverfahren die Gelegenheit, die ihm
obliegenden Belange bereits in einem frühen Stadium einzubringen und sachdienliche
Vorschläge - auch über das Einigungsstellenverfahren nach § 73 Abs. 6 SPersVG - an die
oberste Dienstbehörde, die dann zur Entscheidung berufen ist, heranzutragen.
Im Gegensatz zur Ansicht der Beteiligten wird diesem Belang eine Mitwirkung im Sinne von
§ 83 SPersVG offensichtlich nicht gerecht, da die dort in Absatz 1 aufgeführten Fallgruppen
für die hier konkret beabsichtigte Maßnahme ersichtlich nicht einschlägig sind und es sich
dabei auch nicht im Sinne des § 83 Abs. 2 SPersVG um die Vorbereitung von
Verwaltungsanordnungen handelt.
Besteht somit ein Verfügungsanspruch auf Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens
für die beabsichtigte Maßnahme auf der Grundlage von § 84 SPersVG, ergibt sich auch eine
genügender Verfügungsgrund im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 2 Art. GG i.V.m. §§ 935, 940
ZPO. Angesichts der am 25.11.2008 bevorstehenden Sitzung des Stadtrates der
Landeshauptstadt A-Stadt und der dort vorgeschlagenen Beschlussfassung über die
Beauftragung der Firma C. ist zu besorgen, dass die Verwirklichung der
Mitbestimmungsrechte des Antragstellers vereitelt wird, wenn die einstweilige Verfügung
ausbleibt.
Vgl. dazu etwa den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2008, 6 P 6.08,
m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 19.05.2008, 9 L
362/08
Nach allem ist dem Antrag nach Maßgabe des Tenors zu entsprechen.