Urteil des VG Saarlouis vom 29.11.2010

VG Saarlouis: befreiung, härtefall, untätigkeitsklage, vollstreckung, empfang, kreis, form, original, kopie, vollstreckbarkeit

VG Saarlouis Urteil vom 29.11.2010, 3 K 773/10
Rundfunkgebührenpflicht - bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der zuletzt bis einschließlich Mai 2010 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit
war, begehrte mit Antrag vom 27.5.2010 die weitere Befreiung. Der Antrag erfolgte
vorsorglich mit Blick auf noch nicht zuerkannte soziale Leistungen entsprechend dem
Befreiungsgrund gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV),
wonach Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach §
22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) auf
Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Der Kläger fügte seinem Antrag
einen Bescheid seiner Rentenversicherung über den Bezug von Übergangsgeld ab dem
11.1.2010 bei.
Der Beklagte bestätigte dem Kläger den Eingang des Antrages und wies darauf hin, dass
über diesen entschieden werde, sobald eine Bescheinigung über die Gewährung von
Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nachgereicht werde. Ferner bat er um Verständnis
dafür, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung über den Befreiungsantrag
Rundfunkgebühren zu zahlen seien. In der Folgezeit legte der Kläger eine Bescheinigung
seiner Rentenversicherung über die mit Blick auf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben
fortlaufende Gewährung von Übergangsgeld gemäß §§ 20 ff. SGB VI i.V.m. §§ 45 ff. SGB IX
vor.
Mit Bescheid vom 19.7.2010 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab, weil ein
Befreiungstatbestand nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 RGebStV nicht vorliege bzw. dessen
Voraussetzungen nicht nachgewiesen worden seien.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger mit Schreiben vom 27.7.2010 Widerspruch ein
und wies zur Begründung auf sein niedriges Einkommen hin. Hierauf antwortete ihm der
Beklagte unter dem 30.7.2010 mit Erläuterungen zu seinem ablehnenden Bescheid. Dabei
merkte er insbesondere an, dass eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wegen
einer Einkommensschwäche nicht mehr vorgesehen sei. Für den Fall, dass der Kläger
dennoch einen rechtsmittelfähigen Bescheid (über den Widerspruch) wünsche, bat er um
Mitteilung.
Am 12.8.2010 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung führte er an, dass er zurzeit von einem Übergangsgeld in Höhe von
monatlich 708,-- EUR lebe. Nach Abzug von Miete und anfallenden Nebenkosten liege sein
Einkommen "unter dem Regelsatz". Deshalb klage er seinen Anspruch auf Befreiung von
der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum ab Juni 2010 ein.
Mit Schreiben vom 7.10.2010 beantragte der Kläger über die GEZ erneut seine Befreiung
von der Rundfunkgebührenpflicht und legte dazu sowohl eine Bescheinigung der Arge -
Arbeitsgemeinschaft A-Stadt - über die Gewährung von Arbeitslosengeld II einschließlich
Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 SGB II für den Zeitraum vom 1.11.2010
bis 30.4.2011 als auch den dazugehörigen Bewilligungsbescheid vor. Der Beklagte teilte
dem Gericht unter dem 2.11.2010 mit, dass der Kläger aufgrund des vorgenannten
Antrages für den Zeitraum vom 1.11.2010 bis einschließlich 30.4.2011 von der
Rundfunkgebührenpflicht befreit worden sei.
Mit Schreiben vom 4.11.2010 wies das Gericht den Kläger darauf hin, dass sich das
Klagebegehren bei verständiger Auslegung lediglich noch auf einen Anspruch auf Befreiung
von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum von Juni bis Oktober 2010 richte. Mit
diesem Rechtsschutzziel sei die Klage mittlerweile als so genannte Untätigkeitsklage (§ 75
VwGO) zulässig. Nach der Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte sei
indes ein geringes Einkommen und Vermögen für sich allein genommen – ohne dass ein
Befreiungstatbestand gemäß § 6 RGebStV vorliege – kein ausreichender Grund für eine
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Aus diesem Grunde werde gebeten, bis zum
15.11.2010 mitzuteilen, ob an der Klage festgehalten werde. Mit Schriftsatz vom
9.11.2010 erklärte der Kläger, dass er an der Klage hinsichtlich der angestrebten
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum Juni bis einschließlich Oktober
2010 festhalte.
Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss der Kammer vom 4.11.2010 dem Einzelrichter zur
Entscheidung übertragen worden. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über welche mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entschieden wird (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig.
Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), mit welcher er
einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum von Juni
bis einschließlich Oktober 2010 geltend macht, ist gemäß § 75 VwGO in Form der so
genannten Untätigkeitsklage und somit abweichend von § 68 VwGO ohne vorherige
Durchführung eines Widerspruchsverfahrens statthaft. Die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Untätigkeitsklage, die spätestens im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder -
wie hier - der Entscheidung durch das Gericht im schriftlichen Verfahren vorliegen müssen,
sind gegeben, nachdem über den vom Kläger gegen den ablehnenden Bescheid des
Beklagten eingelegten Widerspruch (Eingangsbestätigung des Beklagten mit Schreiben vom
30.7.2010) nach Ablauf von drei Monaten ohne zureichenden Grund nicht entschieden
worden ist.
Die mangels anderweitiger Bedenken insgesamt zulässige Klage ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht zu. Der ablehnende Bescheid vom 19.7.2010 ist daher
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag sieht in seinem § 6 Abs. 1 vor, dass von der
Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag natürliche Personen und deren Ehegatten im
ausschließlich privaten Bereich befreit werden, wenn sie einen der Befreiungstatbestände
gemäß § 6 Abs. 1 Nrn. 1 bis 11 RGebStV erfüllen. Auf den Kläger traf im hier maßgeblichen
Zeitraum von Juni bis einschließlich Oktober 2010 keiner dieser Befreiungsgründe zu. Dies
gilt insbesondere für den von ihm geltend gemachten Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1
Nr. 3 RGebStV. Danach gehören zum Kreis der Begünstigten Empfänger von Sozialgeld
oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24
des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches. Der Kläger hat entgegen den Anforderungen
nach § 6 Abs. 2 RGebStV keinen Nachweis über den Empfang diesbezüglicher Leistungen
im streitbefangenen Zeitraum durch die Vorlage des entsprechenden Bescheides (im
Original oder in beglaubigter Kopie) erbracht. Vielmehr war er in dieser Zeit nach seinem
eigenen Vortrag und belegt durch entsprechende Bescheide bzw. Bescheinigungen
Bezieher von Übergangsgeld, d.h. heißt einer Leistung, an die kein Befreiungstatbestand
anknüpft.
Entgegen der Ansicht des Klägers führt die von ihm geltend gemachte
Einkommensschwäche als solche - im Gegensatz zur früheren Rechtslage – nicht (mehr)
zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Vielmehr soll die geltende Regelung das
Massenverfahren der Erhebung/Befreiung von Rundfunkgebühren erleichtern, indem die
zuvor mögliche Befreiung wegen geringen Einkommens und die damit verbundenen
umfangreichen und schwierigen Berechnungen (auch) der Rundfunkanstalten entfallen sind.
Stattdessen besteht für einkommensschwache Personen eine verfassungsrechtlich
unbedenkliche "bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit" mit abschließend aufgeführten
Befreiungstatbeständen, wobei die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die
entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sind. In Anbetracht dessen lässt sich
für einkommensschwache Personen auch aus der Härtefallregelung des § 6 Abs. 3
RGebStV regelmäßig keine Gebührenbefreiung herleiten, denn weder begründet geringes
Einkommen und Vermögen für sich allein einen besonderen Härtefall im Sinne der
Vorschrift, noch stellt § 6 Abs. 3 RGebStV aus den bereits aufgezeigten Gründen eine
Auffangvorschrift für alle jene Fälle dar, in denen die in § 6 Abs. 1 RGebStV abschließend
aufgezählten Befreiungstatbestände nicht oder nicht vollständig erfüllt sind oder
Rundfunkteilnehmer auf die Inanspruchnahme ihnen zustehender einschlägiger
Hilfeleistungen verzichten
BVerwG, Beschluss vom 18.6.2008 - 6 B 1.08 -, NVwZ-RR 2008,
704 = Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44, zitiert nach juris; ferner
in Anschluss an diese Rechtsprechung des BVerwG: Beschluss des
OVG des Saarlandes vom 16.9.2008 – 3 A 185/08 - sowie die
Urteile der Kammer vom 28.3.2010 – 3 K 586/09 – und 25.11.2008
– 3 K 618/08 -, letzteres dokumentiert bei juris; OVG Sachsen-
Anhalt, Beschluss vom 20.10.2009 – 3 L 417/08 – mit zahlreichen
weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Im Falle des Klägers liegt auch keine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht als
Befreiungsgrund berücksichtigte Situation (besonderer Härtefall) vor, weil das von ihm im
fraglichen Zeitraum gemäß §§ 20 ff. SGB VI i.V.m. §§ 45 ff. SGB IX mit Blick auf eine
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bezogene Übergangsgeld nicht - wie die in § 6 Abs.
1 RGebStV genannten Sozialleistungen – zur Bedarfsdeckung gezahlt wird, sondern eine
Entgeltersatzleistung darstellt
Siehe auch Gall/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum
Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 6 RGebStV Rdnr. 58.
Ist ein besonderer Härtefall aus diesem Grunde bereits ausgeschlossen, kommt es nicht
darauf an, dass der Kläger einen gesonderten Befreiungsantrag nach § 6 Abs. 3 RGebStV
wegen eines besonderen Härtefalls nicht gestellt hat
dazu Gall/Siekmann, a.a.O., Rdnr. 49.
Ihm steht folglich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf die
von ihm geltend gemachte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs.1, 188 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. §§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124
Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).