Urteil des VG Saarlouis vom 04.11.2009

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VG Saarlouis Urteil vom 4.11.2009, 5 K 110/09
Einschreitensanspruch des Nachbarn gegen einen Edelstahlkamin
Leitsätze
1. Ein 8 m hoher Edestahlkamin mit einem Außendurchmesser von 22,5 cm stellt sich
abstandsflächenrechtlich als ein "vor die Außenwand vortretendes untergeordnetes Bauteil"
i.S.v. § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO SL dar.
2. Die von einem Schornstein ausgehenden Emissionen werden von anderen Vorschriften,
nicht vom Abstandsflächenrecht erfasst.
3. Die Immissionen eines vom Bezirksschornsteinfegermeister freigegebenen Kamins
verletzen regelmäßig nicht das Gebot der Rücksichtnahme.
4. Naturgegebene Umstände wie Höhenlagen und Windrichtungen begründen regelmäßig
keine Abwehransprüche gegen die Immissionen abgenommener Kamine.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger, Mutter und Sohn, begehren ein Einschreiten der Beklagten als
Bauaufsichtsbehörde gegen ihre beigeladene Nachbarin, die am Giebel ihres Wohnhauses
in der Abstandsfläche einen 8 m hohen Edelstahlkamin mit einem Durchmesser von 22,5
cm angebracht hat, der einem Kaminofen in ihrem Haus dient.
Die Kläger sind Eigentümer des an das Grundstück der Beigeladenen angrenzende, derzeit
unbebauten Grundstücks S 26, A-Stadt, und bewohnen das in ihrem Eigentum stehende
Grundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite, S 17.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des nordöstlich gelegenen Grundstücks, S 24, auf dem
mit einem Abstand der westlich Außenwand von 3 m zu den Flurstücken ein
zweigeschossiges Wohnhaus steht. An dieser Außenwand errichtete die Beigeladene im
Februar 2007 den in Streit stehenden Edelstahlkamin, der als Abzug für einen Kaminofen
mit einer Wärmeleistung von 4 kW im Erdgeschoss dient. Der handelsübliche
Edelstahlkamin ist 8 m hoch, hat einen (Außen-) Durchmesser von 22,5 cm und ist mit
Abstandshaltern an der Wand befestigt. Der Abstand zur Wand entspricht mit ca. 20 – 25
cm dem Dachüberstand, an dem der in Höhe des Erdgeschossfußbodens beginnende
Kamin bis auf die Höhe des Dachfirstes vorbeiführt.
Mit Schreiben vom 10.02.2007 verlangten die Kläger von der Beklagten die Anordnung der
Beseitigung des Schornsteins, der den Mindestgrenzabstand nicht einhalte und Rauch- und
Schmutzbelästigungen zur Folge habe, die den Wert ihres Grundstücks minderten. Der
Kamin sehe wie ein Fabrikschornstein aus und passe nicht in das Gesamtbild des
Wohngebietes.
Im Rahmen der Anhörung legte die Beigeladene der Beklagten die Bescheinigung des
Bezirksschornsteinfegermeisters über die sichere Benutzbarkeit der Feuerungsanlage vom
12.02.2007 vor. Mit dieser wird die Überprüfung des Edelstahlschornsteins bescheinigt und
dem Betrieb der Feuerstätte zugestimmt.
Am 29.03. 2007 wandten sich die Kläger erneut an die Beklagte und begehrten ein
Einschreiten gegen den Kamin. Die Beklagte erwiderte darauf, dass sie in Ausübung des ihr
zustehenden Ermessens eine teilweise oder vollständige Beseitigung des Schornsteins nicht
anordnen werde. Die Baumaßnahme sei nach § 61 Abs. 1 LBO verfahrensfrei. Wegen des
nicht eingehaltenen Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze werde nicht eingeschritten.
Gegen Edelstahlkamine werde nur vorgegangen, wenn das zur Abwehr von Gefahren für
Leben und Gesundheit oder von unzumutbaren Belästigungen erforderlich wäre. Davon sei
nicht auszugehen.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2007 bestellten sich die damaligen Bevollmächtigten der Kläger
und rügten die Unzulässigkeit des Schornsteins in der Abstandsfläche und die Verletzung
des Gebotes der Rücksichtnahme wegen unzumutbarer Geruchsbelästigungen beim
Betrieb der Abgasanlage, die die Nutzung beider Grundstücke unangemessen
beeinträchtige. Daraus ergebe sich ein Anspruch auf Einschreiten. So habe das OVG
Münster im Urteil vom 13.10.1999 – 7 A 998/99 -, NVwZ-RR 2000, 205, entschieden,
dass allein die Nichteinhaltung der Abstandsfläche zu einem nachbarlichen
Beseitigungsanspruch führe. Das VG des Saarlandes habe im Urteil vom 12.09.2006 – 5 K
98/05 – ausgeführt, dass sich das der Bauaufsichtsbehörde zustehende Ermessen bei
einer Verletzung nachbarschützender Bestimmungen zu einer Einschreitenspflicht
verdichte.
Die Beklagte erwiderte unter dem 19.07.2009, sie halte an ihrer rechtlichen Beurteilung im
Schreiben vom 29.03.2007 fest: Das Abgasrohr sei ein „untergeordnetes Bauteil“ im
Verständnis von § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO, beeinträchtige weder die Besonnung noch die
Belüftung noch die Belichtung des Nachbargrundstücks, störe auch nicht den Wohnfrieden
und sei auch nicht im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos. Der
Bezirksschornsteinfeger habe die mängelfreie Abnahme bescheinigt. Gemäß der
Feuerungsverordnung (FeuVO) sei der Edelstahlkamin über das Dach geführt und
dementsprechend ziehe der Rauch nach oben ab. Das angeführte Urteil des OVG Münster
sei nicht einschlägig, weil vorliegend keine öffentlich-rechtlich geschützten Interessen
verletzt seien. Das VG des Saarlandes habe in der zitierten Entscheidung einen Anspruch
auf Einschreiten gegen einen Schornstein abgelehnt, weil dieser Anspruch verwirkt
gewesen sei.
Die Kläger erwiderten mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 24.09.2007, das streitige
Abgasrohr sei kein „untergeordnetes Bauteil“ im Verständnis von § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO. Es
rage nicht 15 cm, sondern ca. 65 cm in die Abstandsfläche und trete gegenüber dem
restlichen Gebäude nicht in der erforderlichen Weise zurück. Das hätten etwa das VG
München am 06.12.2000, das VG Augsburg am 29.01.2001 und der Bayerische VGH am
13.09.2002 entschieden, die zudem die Auffassung vertreten hätten, ein Stahlkamin der
vorliegender Art sei nicht verfahrensfrei. Die Rücksichtslosigkeit des Kamins ergebe sich
vorliegend aus der vorhandenen Topografie, aufgrund derer die Abgase des Kamins
unmittelbar auf ihre Grundstücke gelangten, was zur Folge habe, dass bei einem Betrieb
des Kamins an ein Öffnen der Fenster nicht zu denken sei.
Unter dem 04.10.2007 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie halte ihre bisherige
Rechtsposition aufrecht. Die zitierten Gerichtsentscheidungen seien vorliegend nicht
einschlägig.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 19.11.2007 erhoben die Kläger Widerspruch
gegen die Bescheide vom 29.03., 19.07. und 04.10.2007 und beantragten, die Beklagte
zu verpflichten die Beseitigung des Edelstahlkamins anzuordnen und bis zur vollständigen
Beseitigung die Nutzung zu untersagen. Der Kamin rage ca. 65 cm in die Abstandsfläche
hinein und führe aufgrund der besonders ungünstigen topografischen Lage – da das
Gelände zum schräg gegenüberliegenden Hausanwesen der Kläger ansteige, befinde sich
die Spitze des Kamins etwa in der Höhe ihres Küchenfensters – zu einer unzumutbaren
Geruchsbelästigung, die die Nutzung ihrer beiden Grundstücke unzumutbar beeinträchtige,
und deshalb das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verletze. Der Rauch aus dem
Abgasrohr ziehe nicht, wie von der Beklagten behauptet, nach oben ab, sondern werde
aufgrund der Hanglage auf ihre Grundstücke gedrückt. Das führe für sie zu einer akuten
Gefahr für Leib und Leben. Sie hätten bereits mit Erstickungsanfällen ins Haus rennen
müssen. Da das Haus der Beigeladenen eine Zentralheizung habe, stelle deren
Allesbrennerofen nur einen zusätzlichen Luxus dar, der für sie – die Kläger – nur zu einer
erhöhten Umweltbelastung durch Feinstaub führe. Sie hätten sich in dieser Angelegenheit
deshalb auch an das Umweltministerium gewandt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 28.10.2008 zurückgewiesen: Zu Recht habe die Beklagte ein Einschreiten gegen den
Edelstahlkamin abgelehnt. Grundsätzlich stehe ein Einschreiten gegen baurechtswidrige
Zustände gemäß § 57 Abs. 2 LBO 2004 im Ermessen der Behörde. Dieses Ermessen sei
im Falle der Missachtung nachbarschützender Bestimmungen – vorbehaltlich eines
individuellen Rechtsverlustes im Einzelfall – regelmäßig auf ein Einschreiten reduziert.
Welchen Vorschriften des öffentlichen Baurechts nachbarschützende Funktion zukomme,
sei jeweils nach Inhalt, Zweck und Wirkung der einzelnen Vorschrift darauf zu untersuchen,
ob die spezielle Norm zumindest auch den Schutz des Nachbar bezwecke, also gerade
darauf abziele, Baumaßnahmen oder Nutzungen zu verhindern, welche typischerweise das
Nachbargrundstück schädigten oder gefährdeten. Ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang das streitige Vorhaben mit den sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang stehe, sei
dagegen für das Verfahren ohne Bedeutung. (VG des Saarlandes, Beschluss vom
23.01.2008 – 5 L 62/08 -)
Der Edelstahlkamin habe als „sonstige Anlage der technischen Gebäudeausrüstung“
gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 c LBO keiner Baugenehmigung bedurft, müsse allerdings
gleichwohl die öffentlich-rechtlichen Anforderungen erfüllen (§ 60 Abs. 2 LBO). Der Kamin
verletze indes keine öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechte. Das gelte zunächst für
die dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften über die Einhaltung von Abstandsflächen
(§§ 7 und 8 LBO). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO seien vor den Außenwänden von Gebäuden
sowie vor Anlagen nach Absatz 7 („Für Anlagen, von denen Wirkungen wie von
oberirdischen Gebäuden ausgehen, gelten die Absätze 1 bis 6 entsprechend.“) Flächen von
oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Gebäudegleiche Wirkung komme nach der
Rechtsprechung nur solchen Anlagen zu, die Gebäuden vergleichbare Abmessungen hätten
und aus diesem Grunde die mit den Abstandsflächen verfolgten Zwecke beeinträchtigten.
Das werde im Allgemeinen bei Höhen um die 2,00 m und/oder Längen ab 3,00 bzw. 5,00
m angenommen, d.h. wenn sie von der Länge oder Breite sowie Höhe der Ausdehnung von
Gerätehütten oder Schuppen vergleichbar seien. (VG des Saarlandes, Beschluss vom
23.01.2008 – 5 L 62/08 -) Das treffe auf ein Edelstahlrohr mit einem Außendurchmesser
von ca. 20 cm nicht zu.
Der Rechtsausschuss teile die Auffassung der Beklagten, dass der Kamin aufgrund seiner
konstruktiven Verbindung mit der Giebelwand einen Bestandteil dieser Außenwand
darstelle. Allerdings begründe er als ein nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO vor die Außenwand
vortretendes untergeordnetes Bauteil kein weiteres Abstandsflächenerfordernis. Nach
dieser Bestimmung blieben vor die Außenwand vortretende untergeordnete Bauteile wie
Gesimse und Dachvorsprünge sowie Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen
außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vorträten und von Nachbargrenzen
mindestens 2 m entfernt blieben. Untergeordnet seien Bauteile, wenn sie ihrer Art und
ihrem Umfang nach und auch in ihren Auswirkungen auf die Schutzgüter der
Abstandsflächenbestimmungen namentlich im Verhältnis zu der jeweiligen Außenwand, vor
die sie vorträten, nicht nennenswert ins Gewicht fielen und wenn sie im Verhältnis hierzu
von der Baumasse her unbedeutend seien. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom
28.06.2002 – 2 W 4/02 – und Urteil vom 30.07.1991 – 2 R 451/88 – zum früheren § 6
Abs. 6 LBO) Insoweit könne allenfalls fraglich sein, ob sich der Edelstahlkamin nach seiner
Art und seinen Auswirkungen auf die Schutzgüter der Abstandsflächenbestimmungen
gegenüber der Giebelwand unterordne, denn als Baukörper falle er kaum ins Gewicht.
Soweit sich die Kläger auf den Beschluss des Bayerischen VG vom 13.09.2002 – 2 ZB
01.313 – stützten, sei es dort um einen gemauerten, 10 m hohen Außenkamin mit den
Maßen 0,80 x 0,60 m gegangen, der mit dem vorliegenden Edelstahlkamin nicht
vergleichbar sei. Dieser erscheine eher wie ein überdimensioniertes Regenfallrohr. Dass
eine Abgasanlage in der Abstandsfläche nicht generell unzulässig sei, ergebe sich aus dem
zitierten Beschluss des Bayerischen VGH, aber auch aus dem Beschluss des VG Ansbach
vom 22.09.2004 – AN 9 E 04.543 -, der durch Beschluss des Bayerischen VGH vom
18.01.2005 – 14 CE 04.3270 – bestätigt worden sei. Auch das OVG des Saarlandes habe
im Urteil vom 30.07.1991 – 2 R 451/88 – ausgeführt, dass der in die Abstandsfläche
hineinragende Schornstein nach § 6 Abs. 6 LBO 1988 außer Acht zu lassen sei.
Demgegenüber hätten sich die von den Klägern angeführten Entscheidungen des VG
Augsburg und des VG München mit privilegierten Grenzgebäuden beschäftigt, in denen
Feuerstätten nicht zulässig seien.
Dass die Abstandsflächenbestimmungen nicht jegliche Auswirkungen baulicher Anlagen
erfassten, zeige der Beschluss des Bayerischen VGH vom 18.01.2005 – 14 CE 04.3270 –
anschaulich. Dort hätten die Nachbarn ohne Erfolg eine Verletzung der Abstandsfläche
durch die von einem 1,70 m hohen und 2 m langen, 2 m von der Grenze entfernten
Flüssiggasbehälter mit einem Durchmesser von 1,20 m ausgehende Brandgefahr geltend
gemacht. Die Zulässigkeit der Errichtung von Kaminen ergebe sich nicht aus dem
Abstandsflächenrecht, sondern aus den einschlägigen immissionsschutzrechtlichen
Bestimmungen. Vorliegend habe der Bezirksschornsteinfegermeister den Kamin
abgenommen und dessen Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit entsprechend § 41 Abs.
6 LBO bestätigt. Auch das Gebot der Rücksichtnahme greife nicht zu Gunsten der Kläger.
Denn die einschlägigen DIN-Normen seien nach der Bescheinigung des
Bezirksschornsteinfegermeisters eingehalten. Die Behauptung der Kläger, sie hätten mit
Erstickungserscheinungen ins Haus rennen müssen, erscheine deutlich überzogen. Die
vorhandene Hanglage verpflichte die Beigeladene nicht zu mehr Rücksicht. Ein Kaminofen
entspreche inzwischen wieder einer weit verbreiteten Praxis und beschränke sich
naturgemäß auf die Heizperiode, während der Fenster üblicherweise nicht länger offen
stünden und Garten und Terrasse kaum genutzt würden.
Am 17.02.2009 haben die Kläger gegen die Ablehnung des Einschreitens durch die
Beklagte und den ihnen am 22.01.2009 zugestellten Widerspruchsbescheid beim
Verwaltungsgericht Klage erhoben. In der Sache machen sie geltend, von dem
Edelstahlkamin, der 0,65 – 0,70 m in die Abstandsfläche hineinrage, gingen im Falle des
Betriebes des daran angeschlossenen Allesbrenners im Verständnis von § 7 Abs. 7 LBO
Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden aus. Die Abgase dieser Feuerstätte würden
nicht gemäß § 41 Abs. 3 LBO so abgeführt, dass keine Gefahren oder unzumutbaren
Belästigungen entstünden. Durch den freien Stand und die ständigen Winde und bedingt
durch die Topografie ziehe der Rauch auf ihre Grundstücke. Das sei ihnen schlechthin nicht
zumutbar, zumal davon auszugehen sei, dass der Ofen während der Wintermonate rund
um die Uhr und im Sommer an kühlen Tagen betrieben werde. Die Entfernung vom
Ofenrohr bis zu ihrem Grundstück S 19 betrage nur 19 m. Wenn sie das Grundstück S 26
wie geplant bebauten, befände sich der Kamin nur 5,30 m neben Fenstern und Balkonen.
Das sei nicht hinnehmbar. Bei der Abnahme der Feuerungsanlage durch den
Bezirksschornsteinfegermeister habe die Beigeladene eine andere Stelle als Grenze
bezeichnet. Sie seien vor 30 Jahren wegen der sauberen Luft von nach gezogen und
wollten diese auch für ihre Enkelkinder sauber behalten.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29.03., 29.07. und
04.10.2007 und des Widerspruchsbescheids aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 28.10.2008 zu verpflichten, gegenüber
der Beigeladenen die Beseitigung des Edelstahlkamins anzuordnen
und bis zur vollständigen Beseitigung die Nutzung zu untersagen,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, eine Erhöhung des Kamins
um 1 m bis 1,50 m anzuordnen, so dass er den First des Gebäudes
überragt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie widerspricht der Behauptung der Kläger, der Schornstein rage 65 – 70 cm in die
Abstandsfläche hinein. Tatsächlich seien es nur ca. 40 cm. Im Übrigen nimmt sie auf den
Widerspruchsbescheid Bezug. Auf den Einwand der Kläger, im Widerspruchsbescheid
stehe, dass der Kamin einen Durchmesser von ca. 20 cm habe und in einem Abstand von
ca. 40 cm an der Außenwand mit Stahlstützen befestigt sei, die wiederum auf nachträglich
angebrachten Verputzplatten säßen, was zusammen einen Abstand von der Wand von
mindestens 60 cm ergebe, erklärt die Beklagte, bei einer erneuten Ortsbesichtigung hätten
sich folgende Maße ergeben: Schornsteindurchmesser: 22,5 cm, Abstand zur
Gebäudewand: 22 cm, Tiefe der Putzöffnung: 4,0 cm. Das ergebe eine maximal Tiefe von
48,5 cm und ohne die Tiefe der Putzöffnung von 44,5 cm. Die Kläger bestreiten die
Maßangabe von 22 cm Abstand zur Gebäudewand, die 25 cm betrage, der Putzkasten sei
nur 3 cm tief und die Eternitplatten samt Unterbau seien mindestens 10 cm dick.
Die Beigeladene stellt keinen förmlichen Antrag.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 30.09.2009 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
beigezogenen Verwaltungs- und Bauakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten
gegen die Beigeladene und zwar weder mit dem Ziel der Beseitigung noch der Erhöhung
des Kamins noch der Nutzungsuntersagung. Die Ablehnung des Einschreitens durch die
Beklagte ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren öffentlich-rechtlich
geschützten Rechten.
Zur Begründung wird hinsichtlich des Hauptantrages zunächst vollinhaltlich auf die in jeder
Hinsicht zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen (§ 117
Abs. 5 VwGO). Dort ist zutreffend ausgeführt, dass das der Bauaufsichtsbehörde nach §
57 Abs. 2 LBO zustehende Ermessen im Falle der Missachtung nachbarschützender
Bestimmungen vorbehaltlich eines individuellen Rechtsverlustes im Einzelfall regelmäßig auf
ein Einschreiten reduziert ist und weder die nachbarschützenden Bestimmungen über die
Abstandsflächen noch das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme durch die
Errichtung und den Betrieb des Edelstahlkamins die Rechte der Kläger verletzen. Diesen
Ausführungen ist nichts Wesentliches hinzuzufügen.
Keine Rolle spielt im vorliegenden Verfahren die von den Klägern problematisierte Frage, ob
der Edelstahlkamin nach § 61 Abs. 1 LBO verfahrensfrei ist. Denn die gesetzlichen
Regelungen über die Verfahrensfreiheit stellen sich als bloßes Verfahrensrecht dar und
dienen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt dem Nachbarschutz.
Der Einwand der Kläger, bei dem Edelstahlkamin handele es sich nicht um einen
Gebäudebestandteil, sondern um eine (eigenständige) bauliche Anlage, von der im
Verständnis von § 7 Abs. 7 LBO Wirkungen wie von oberirdischen Gebäude ausgingen, liegt
neben der Sache. Das zeigt sich bereits ohne weiteres daran, dass das Kaminrohr ohne
das Gebäude, an dem es befestigt ist, sich gerade nicht wie ein freistehender
Fabrikschornstein darstellt. Es hat ohne das Gebäude auch keine Funktion. Denn diese
besteht allein in der Entlüftung des in dem Wohnhaus aufgestellten Kaminofens. Damit
liegen alle Ausführungen der Kläger zu § 7 Abs. 7 LBO erkennbar neben der Sache.
Die Kammer teilt in jeder Hinsicht die Einschätzung der Beklagten und des
Widerspruchsausschusses, dass es sich bei dem Kaminrohr im Verständnis von § 7 Abs. 6
Nr. 1 LBO um ein „vor die Außenwand vortretendes untergeordnetes Bauteil“ handelt, das
bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht bleibt.
Die Kammer schließt sich insoweit vollumfänglich der Einschätzung des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 30.09.2004 (- 3 ZU 1788/03 -, BRS 67 Nr.
134) an, in dem es heißt:
„Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass es sich
bei dem genehmigten Schornstein um eine gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 HBO
innerhalb der Abstandsfläche zulässige Anlage handelt. Gemäß § 6 Abs. 6 HBO
bleiben vor die Außenwand hervortretende Bauteile und Vorbauten wie
Gesimse, Dachvorsprünge, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen
sowie Erker und Balkone bei der Bemessung der Tiefe der Abstandsflächen
außer Betracht, sofern sie nicht mehr als 1,50 m vortreten und von
Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben. Das Verwaltungsgericht
weist unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hin,
dass der Schornstein mit einem Außendurchmesser von 205 mm und
unmittelbar an der Außenwand angebracht im Verhältnis zu der gesamten
Außenwand ein untergeordneter Bauteil ist. Diese Sicht werde noch dadurch
verstärkt, dass der Schornstein deutlich innerhalb des Bereichs bleibe, der von
dem Dachüberstand des Nachbarhauses, der in § 6 Abs. 6 HBO ausdrücklich als
Beispiel eines untergeordneten Bauteils aufgeführt werde, ausgefüllt werde.
Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass das OVG Nordrhein-Westfalen
in seiner Entscheidung vom 22.10.1993 zu dem gegenteiligen Ergebnis kommt
und insoweit ausführt, dass sich die Auslegung des § 6 Abs. 7 Bauordnung NW
an der Funktion und den Auswirkungen der fraglichen Bauteile auf die
Schutzgüter, denen durch die Abstandsflächen Rechnung getragen werden
solle, zu orientieren habe. Die wichtigsten Ziele, die mit der Einhaltung von
Abstandsflächen verfolgt würden seien: die ausreichende Belichtung und
Belüftung und Besonnung der Räume auf dem Baugrundstück und den
Nachbargrundstücken, ein ausreichender Brandschutz, ausreichende Flächen für
Nebenanlagen sowie die Wahrung des nachbarlichen Wohnfriedens und die
Verhinderung einer übermäßigen Ausnutzung der Grundstücke zu lasten des
Nachbargrundstücks. Messe man hieran den Metallschornstein der beigeladenen
des dortigen Verfahrens in der Abstandsfläche, so werde deutlich, dass nicht
seine bloße Existenz als Bauteil, sondern insbesondere auch die von ihm
ausgehenden Immissionen in die Betrachtung mit einzubeziehen seien. Diese
seien geeignet, gerade die Belüftung der Nachbargebäude und den
Nachbarfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen. Infolgedessen sei es
ausgeschlossen, ihn über § 6 Abs. 7 BauO NW in der Abstandsfläche
zuzulassen.
Der Senat folgt der Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der
Beschreibung der Ziele der Abstandsflächen, nicht jedoch hinsichtlich der Frage,
ob ein schmaler Schornstein ein untergeordnetes Bauteil im Sinne der
bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen sein kann oder nicht. Je
nach landesrechtlicher Regelung wird für Bauteile und/oder Vorbauten gefordert,
dass sie „untergeordnet“ sein müssen. Dabei ist zu beachten, dass nicht in
jedem Fall die Qualifizierung als Vorbau oder Gebäudeteil bereits das Merkmal
der Unterordnung beinhaltet. Allerdings wird es in vielen Fällen, insbesondere in
Zusammenhang mit dem meist vorgegebenen Höchstmaß für ein zulässiges
Vortreten vor die Außenwand von 1,50 m, gegebenen sein. Umgekehrt können
auch Bauteile/ Vorbauten, die die vorgegebenen Höchstmaße für das Vortreten
vor die Außenwand einhalten, unzulässig sein, wenn sie aus anderen Gründen
nicht mehr untergeordnet erscheinen. Die Bauteile/ Vorbauten sind
„untergeordnet“, wenn sie nach dem Gesamteindruck im Verhältnis zu der
ihnen zugehörigen Außenwand nicht ins Gewicht fallen; der erste Eindruck muss
das Gesamtvorhaben, insbesondere die Außenwand, erfassen und darf nicht
unmittelbar auf die Bauteile oder Vorbauten gelenkt werden. Wann ein Bauteil
untergeordnet ist, kann immer nur im konkreten Fall beurteilt werden, absolute
Maße können, außer von dem in den meisten Landesbauordnungen
festgesetzten Maß von maximal 1,50 m Vorsprung vor die Außenwand, nicht
angegeben werden. Im Einzelfall ist über den optischen Eindruck hinaus zu
prüfen, ob und in welchem Ausmaß der konkrete Bauteil / Vorsprung sich auf die
vom Abstandsflächenrecht verfolgten Ziele, ein Mindestmaß an Freiräumen
zwischen Gebäuden zu wahren sowie zur Sicherstellung von Belichtung und
Belüftung und zum Erhalt des Wohnfriedens und des Schutzes der Privatsphäre
zu dienen, auswirkt. (Vgl. Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht,
München, April 2004, Kap. 3 Rdnr. 139 ff.) Unter Zugrundelegung dieser
Kriterien kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass an der Auffassung des
Verwaltungsgerichts keine Bedenken bestehen, den Schornstein mit einem
Außendurchmesser von 205 mm als untergeordnetes Bauteil im Sinne von § 6
Abs. 6 HBO anzusehen. Von dem Schornstein als Bauteil gehen keine
Beeinträchtigungen aus, die für die Klägerin wahrnehmbar sein könnten. Die von
dem Schornstein ausgehenden Emissionen werden von anderen Vorschriften
wie § 40 HBO, § 15 BauNVO sowie das Gebot der gegenseitigen
Rücksichtnahme erfasst, die es ermöglichen, wie weiter noch unten
auszuführen sein wird, den Nachbarfrieden, der auch, aber nicht abschließend
durch das Abstandsflächenrecht mit erfasst wird, zu wahren. So kann auch das
als untergeordnetes Bauteil errichtete Regenabfallrohr bei unsachgemäßer
Anbringung zu Beeinträchtigungen des Nachbarfriedens führen, dieser Konflikt
wird jedoch nicht über § 6 Abs. 6 HBO gelöst, sondern über diejenigen
Regelungen, die sich mit dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung beschäftigen.“
Maßgebend für die Frage, ob der Edelstahlkamin ein „untergeordnetes“ Bauteil im
Verständnis von § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO darstellt, ist somit der optische Eindruck der
Außenwand mit dem Kaminrohr unter Berücksichtigung der mit den
Abstandsflächenregelungen verfolgten Ziele, zu denen der Immissionsschutz nicht gehört.
Betrachtet man die Außenwand mit dem Kaminrohr zeigt sich, dass die westliche
Gebäudeaußenwand etwas mehr als 8 m breit ist und das Kaminrohr mit einem
Außendurchmesser von 22,5 cm damit etwa ein fünfunddreißigstel der Wandbreite
ausmacht. Von der Höhe her entspricht es in etwa der Haushöhe. Entgegen der
Einschätzung der Kläger kommt es für den Eindruck der „Unterordnung“ nicht darauf an,
wie viele cm der Kamin exakt vor die Außenwand tritt und ob bei dieser
Abstandsberechnung noch eine Verkleidung mitgerechnet werden muss oder kann. Denn
der mittels Abstandshaltern vorhandene Abstand des Kaminrohrs wirkt sich auf den
Gesamteindruck der Wand mit dem Kamin und damit auf die Einschätzung, ob sich das
Kaminrohr als „untergeordnet“ darstellt, nicht aus. Geht man weiterhin davon aus, dass
Vorbauten nach § 7 Abs. 6 Nr. 2 a LBO in der Abstandsfläche zulässig sind, wenn sie
insgesamt nicht mehr als ein Viertel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch
nehmen, zeigt sich, dass das Kaminrohr nur einen Bruchteil dieser maximal zulässigen
Breite einnimmt. Nur der Klarheit halber sei erwähnt, dass sich die Maßangabe „bis 50 cm
Außenkante Dachrinne“ in § 7 Abs. 6 Nr. 1 LBO allein auf den Begriff Dachvorsprünge und
nicht auch auf die „untergeordneten Bauteile“ bezieht.
Damit lässt sich eine Verletzung des Abstandsflächenrechts durch die Installation des
Edelstahlkamins am Wohnhaus der Beigeladenen nicht feststellen.
Auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes vermag die Kammer nicht festzustellen.
Der Betrieb des Kaminofens mit dem Edelstahlkamin durch die Beigeladene ist den Klägern
gegenüber nicht rücksichtslos.
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen
Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht,
sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts. Im unbeplanten
Innenbereich findet das Rücksichtnahmegebot seine gesetzliche Grundlage im Begriff des
Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB, in Bebauungsplangebieten in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO,
demzufolge die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen
unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach
der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar
sind. (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.12.2000 - 4 C 3.00 -, NVwZ 2001, 813 = BRS 63 Nr.
160)
Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewähren.
Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem
Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso
weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen. Der begünstigte Dritte muss es hinnehmen, dass Beeinträchtigungen, die von
einem legal genutzten vorhandenen Bestand ausgehen, bei der Interessenabwägung als
Vorbelastung berücksichtigt werden, die seine Schutzwürdigkeit mindern kann. (BVerwG,
Urteil vom 14.01.1993 -4 C 19.90-, BRS 55 Nr. 175 m.w.N.)
Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten,
begründen auch unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots keine
Abwehr- oder Schutzansprüche. (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -,
BVerwGE 68, 58 = BRS 40 Nr. 206)
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass wegen der auf die Grundstücke
der Kläger gelangenden Immissionen beim Betrieb des Kaminofens der Beigeladenen eine
Beseitigung ohnehin nicht in Betracht käme, weil nicht das Kaminrohr, sondern allein der
Betrieb des Ofens die von den Klägern beanstandeten Immissionen hervorruft. Der
Anspruch kann insoweit sinnvoll nur auf den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung
gerichtet sein.
Das OVG des Saarlandes hat zwar mit Urteil vom 18.09.2008 – 2 A 4/08 – die
Bauaufsichtsbehörde verpflichtet, der (dort) Beigeladenen die Nutzung eines unmittelbar an
das Nachbarhaus angebauten Schornsteins zu untersagen und dazu im Einzelnen
ausgeführt:
Begrifflich sind Schornsteine Schächte in oder an Gebäuden, die Abgase von
Feuerschächten über das Dach in Freie fördern. (Vgl. Simon/Busse, Bayerische
Bauordnung, Bd. I, Art. 41 Rdnr. 44) Hiervon geht § 14 Abs. 3 FeuVO
(Verordnung über Feuerungsanlagen, Anlagen zur Verteilung von Wärme und
zur Warmwasserversorgung sowie über Brennstofflagerung vom 14.12.1980
(ABl. 1981, 21), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 18.02.2004 (ABl. S.
822)) aus, wenn er etwa festlegt, dass Abgasschornsteine Dächer mit einer
Neigung von mehr als 20° im First oder in unmittelbarer Nähe durchdringen
sollen – und diesen mindestens 40 cm überragen müssen – sowie über einseitig
geneigten Dächern die Schornsteinmündungen entsprechend nahe über der
höchsten Dachkante anzuordnen sind (Satz 3); Dachflächen mit einer
niedrigeren Neigung müssen von ihnen mindestens 1 m überragt werden (Satz
4). Sind jedoch Gefahren oder unzumutbare Belästigungen zu befürchten,
können nach § 14 Abs. 3 Satz 6 FeuVO größere Schornsteinhöhen als nach den
Sätzen 2 bis 5 verlangt werden. Diese Vorschriften machen deutlich, dass der
Verordnungsgeber sich von der Vorstellung leiten ließ, dass Schornsteine an
möglichst hoch gelegener Stelle im Dachbereich vorzusehen sind. Das bedeutet
für das nachbarliche Austauschverhältnis, dass sie, wenn ein Anwesen aus
mehreren unterschiedlich hohen Hausteilen besteht, nicht an einem niedrigen
Hausteil vorgesehen werden und betrieben werden dürfen, wenn das
nachbarliche angrenzende Hausanwesen höher und deshalb durch austretende
Abgase beeinträchtigt ist….
Diese Feststellung rechtfertigt zwar nicht die Anordnung der Beseitigung des
Kamins, denn diese ist zur Schaffung rechtmäßiger Zustände nicht erforderlich.
Der Kläger wird nämlich durch die Existenz des Kamins – auch nicht durch ein
von ihm vorgetragenes Geblendetsein durch das Stahlrohr bei Sonnenschein,
dem erforderlichenfalls durch andere geeignete Maßnahmen wie einem Anstrich
begegnet werden könnte – unzumutbar belastet, sondern nur durch seinen
Betrieb.
Diese Ausführungen verhelfen den Klägern im vorliegenden Verfahren zur Überzeugung der
Kammer nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass die Kammer im Hinblick auf die
überzeugenden Ausführungen des Hessischen VGH die Auffassung nicht teilt, dass die
Nutzung von Abgasrohren durch das Abstandsflächenrecht geregelt wird, und darüber
hinaus der Auffassung ist, dass in Fällen der geschlossenen Bauweise wie auch des Anbaus
nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gerade keine Fläche im Grenzbereich
grundsätzlich von Bebauung frei bleiben sollte, befindet sich die Kaminmündung vorliegend
zwar nur etwas mehr als 2 m von der Grenze zum derzeit unbebauten Grundstück der
Kläger entfernt, allerdings in einer Höhe, dass eine unzumutbare Geruchsbelästigung auf
diesem Grundstück – entgegen den vehementen Beteuerungen der Kläger - nicht ernsthaft
anzunehmen ist.
Der Umstand, dass die Kläger vor 30 Jahren wegen der sauberen Luft von nach gezogen
sind, begründet als solcher keinen Schutz dagegen, dass andere Grundstückseigentümer
auf ihrem Grundstück in der Nähe der Kläger keine oder keine bestimmten
Feuerungsanlagen errichten. Ebenso wie ein Nachbar keinen Anspruch auf den Fortbestand
einer faktischen Ruhezone hat, als dass er damit die Bebauung bzw. Nutzung von
Nachbargrundstücken verhindern kann, (BVerwG, Urteil vom 18.09.2003 - 4 CN 3.02 -)
kann er im Rahmen der Bewertung der wechselseitigen Interessen nach
Billigkeitsgesichtskriterien weder generell noch auch nur regelmäßig von seinem Nachbarn
verlangen, dass dieser sein Grundstück nicht im Rahmen des Zulässigen nutzt, um die ihm
in der Vergangenheit faktisch gehabte Vorteile wie den Blick in die freie Landschaft, die
größere Anzahl von Stellplätzen auf der Straße oder aber die frischere Luft zu erhalten. Auf
den Fortbestand dieser Faktoren in dem Sinne, dass Nachbarn diese oder andere Vorteile
nicht zuteil werden, hat kein Eigentümer einen Rechtsanspruch. Darin liegt – entgegen der
Ansicht der Kläger im Schriftsatz vom 05.08.2009 – insbesondere keine Enteignung.
In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass es ein ausdrückliches Ziel
des Bundesgesetzgebers bei den letzten Novellen des BauGB war, eine Verdichtung der
Bebauung im Stadtnahbereich zuzulassen, um die Ausweisung von Neubaugebieten „auf
der grünen Wiese“ zu verhindern. Das hat allerdings zwangsläufig zur Folge, dass etwa bei
kleinteiligen Grundstückszuschnitten nicht nur die Gebäude, sondern auch die
Abzugskamine stets in der Nähe der Grundstücksgrenzen stehen müssen. Darüber hinaus
ist es bei geschlossener Bauweise wie auch bei Doppel- und Reihenhäusern seit jeher völlig
üblich, dass der Kamin unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet wird.
Dass die immissionsrechtlichen wie feuerpolizeilichen Voraussetzungen für den Betrieb des
Edelstahlkamins durch die Beigeladene vorliegen, ergibt sich ohne weiteres aus der
Bescheinigung des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters. Der dagegen gerichtete
Einwand der Kläger auf Seite 2 der Klageschrift, die Beigeladene habe den
Bezirksschornsteinfegermeister über die wahren Grenzverhältnisse im Unklaren gelassen,
verkennt, dass es für die Freigabe des Kamins durch den Bezirksschornsteinfegermeister
auf die Grenzverhältnisse nicht ankommt. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 FeuVO dürfen
Schornsteinmündungen nicht in unmittelbarer Nähe von Fenstern und Balkonen liegen, was
vorliegend der Fall ist. Über Dachflächen mit Brüstungen von mehr als 50 cm Höhe dürfen
Schornsteinöffnungen nach Satz 2 nur angeordnet sein, wenn die Brüstungen Öffnungen
haben, die ein gefährliches Ansammeln von Abgasen verhindern. Das wiederum bedeutet,
dass Schornsteinöffnungen grundsätzlich auch über Dachflächen mit Brüstungen errichtet
werden dürfen und allein der „Abfluss“ der Abgase gesichert sein muss.
Soweit die Kläger „unzumutbare“ Geruchsbelästigungen auf ihrem auf der
gegenüberliegenden Straßenseite in südwestlicher Richtung liegenden Wohngrundstück
beklagen, ist darauf hinzuweisen, dass der Edelstahlkamin der Beigeladenen ausweislich
der Katasterkarte eine Entfernung von mehr als 40 m zu diesem Wohnhaus hat. Dass die
Entfernung des Abzugsrohres bis zur Nordostecke des Grundstücks der Kläger „nur 19 m“
beträgt, spielt keine wesentliche Rolle.
Wenn der Wind die Abgase aus dem Ofenrohr häufig in Richtung auf das höher gelegene
Grundstück der Kläger treibt, liegt das an der Topografie und der von den Beteiligten nicht
steuerbaren Windrichtung vor Ort und damit an der naturgegebenen Situation der
Grundstücke, die stets Vor- wie Nachteile bietet.
Auch der Hilfsantrag der Kläger hat keinen Erfolg. Die Kläger irren mit ihrer Annahme, eine
Verschiebung des Kamins um wenige Meter oder aber eine Erhöhung desselben würde ihre
Situation unter dem Gesichtspunkt der Kaminimmissionen verbessern. Betrachtet man die
Lage des Kaminaustritts im Verhältnis zu den Grundstücken der Kläger, fällt auf, dass diese
Grundstücke bei dem im Saarland regelmäßig vorherrschenden Wind von Südwesten von
den Kaminimmissionen eigentlich so gut wie gar nicht betroffen werden. Geht man des
Weiteren mit den Klägern davon aus, dass der Wind im Bereich ihrer Grundstücke aufgrund
der Tallage zum Einen anders kanalisiert wird und zum Anderen nach unten drückt und
deshalb regelmäßig von Nordwesten her in Richtung auf die Grundstücke der Kläger weht,
würde sich an den an den Grundstücken der Kläger ankommenden Immissionen durch eine
Erhöhung des Kamins etwa um einen bis eineinhalb Meter ebenso wenig etwas ändern wie
wenn der Kamin nicht neben der Dachfläche befände, sondern aus dieser heraus auf dem
Dach aufstehen würde. Denn auch dann würde sich, wenn die Annahme der Kläger
zutreffend wäre, dass der Wind am Westende des Daches massiv nach unten drücken
würde, der Wind die gleiche und nur um einen bis einige Meter längere Wegstrecke zu den
Grundstücken der Kläger nehmen. Da sie allerdings der Meinung sind, selbst bis zu ihrem
vom Kaminrohr mehr als 40 m entfernten Wohnhaus habe sich das Abgas nicht
verflüchtigt, kann eine um einen bis wenige Meter längere Wegstrecke zur festen
Überzeugung der seit vielen Jahren mit derartigen Fragen beschäftigten Kammer keinen
greifbaren Vorteil bringen.
Hat die Beklagte es somit ohne Rechtsfehler abgelehnt, gegen den Edelstahlkamin auf dem
Grundstück der Beigeladenen bauaufsichtlich vorzugehen, ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind den Klägern nicht auf der Grundlage von § 162 Abs. 3 VwGO
aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen förmlichen Antrag gestellt hat und damit nicht
zugleich das Risiko eingegangen ist, im Falle des Unterliegens an den Kosten des
Verfahrens beteiligt zu werden (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG.