Urteil des VG Saarlouis vom 20.04.2010

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VG Saarlouis Beschluß vom 20.4.2010, 11 L 353/10
Fragen der Sitzungsöffentlichkeit unterliegen der Prüfungskompetenz des Bürgermeisters
Leitsätze
Die Frage, ob im Gemeinderat in öffentlicher oder nicht-öffentlicher Sitzung verhandelt
wird, ist eine Rechtsfrage, die eine sachgerechte und willkürfreie Überprüfung des
Einzelfalls durch den Bürgermeister erfordert.
Tenor
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Tagesordnungspunkt „Verzicht auf Rechtsmittel
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (Az.: 5 K 895/09) vom
14.04.2010, Genehmigung für Lager“ in öffentlicher Sitzung zu behandeln.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag hat Erfolg.
Der Antragstellerin steht ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO
dahingehend zu, den Tagesordnungspunkt „Verzicht auf Rechtsmittel gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Saarlandes (Az.: 5 K 895/09) vom 14.04.2010, Genehmigung für
Lager“ in öffentlicher Sitzung zu behandeln.
Die Festlegung über die Behandlung eines Verhandlungsgegenstandes, der zum
Aufgabenbereich des Gemeinderates gehört, im öffentlichen oder nicht-öffentlichen Teil der
Sitzung obliegt dem Bürgermeister (hier dem Antragsgegner), der nach allgemeinen Regeln
unter Beachtung des § 40 KSVG bzw. hier (auch) des § 13 der Geschäftsordnung für den
Stadtrat und seiner Ausschüsse in der Fassung vom 18.12.2009 (im Folgenden:
Geschäftsordnung) entscheidet
vgl. hierzu Beschluss des OVG des Saarlandes vom
04.02.2010 – 3 B 27/10 – m.w.N., der den Beteiligten
bekannt ist.
Aus diesen Vorschriften kann die Antragstellerin vorliegend einen Anordnungsanspruch
herleiten.
Dahinstehen kann dabei zunächst weiterhin, ob – wofür nach Ansicht des OVG des
Saarlandes in seinem obigen Beschluss vieles spricht – der Öffentlichkeitsgrundsatz des §
40 KSVG als Ausprägung des Demokratieprinzips nach Art. 20 GG grundsätzlich ein
„wehrfähiges“ organschaftliches Recht der Antragstellerin zu begründen vermag.
Denn die Frage, ob in öffentlicher oder nicht-öffentlicher Sitzung verhandelt wird, ist
jedenfalls eine Rechts- und keine im Ermessen des Antragsgegners liegende
Wertungsfrage, die eine sachgerechte und willkürfreie Überprüfung des Einzelfalls erfordert
(vgl. hierzu Lehné/Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, Stand November 2008, § 40
Anm. 2 a.E.) und insoweit als es um diese ordnungsgemäße Anwendung des § 40 KSVG
geht, ist diese Norm der Antragstellerin – jedenfalls soweit es, wie hier, um die Behandlung
ihres Antrages geht – im Sinne der Vermittlung eines subjektiven Rechts zu dienen
bestimmt.
Im Rahmen der allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung fehlt es an
einer solchen an den Grundsätzen des § 40 KSVG ausgerichteten Einzelfallprüfung des
Antragsgegners.
Nach § 40 Abs. 1 KSVG sind Sitzungen öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das
öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen (so wortgleich auch
§ 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung). § 40 Abs. 3 KSVG bestimmt ferner, dass die
Geschäftsordnung festlegen kann, dass Angelegenheiten bestimmter Art unter Ausschluss
der Öffentlichkeit zu behandeln sind.
Gemäß § 13 Abs. 2 der hier einschlägigen Geschäftsordnung sind
Personalangelegenheiten, Bürgschaftsübernahmen, Grundstücksangelegenheiten sowie
Auftragsverfahren nach Verdingungsordnungen, in denen die Geheimhaltung der Angebote
vorgeschrieben ist, grundsätzlich in nicht-öffentlicher Sitzung zu behandeln.
Ausgehend hiervon kann der Antragstellerin der begehrte Anordnungsanspruch nicht
abgesprochen werden.
Der streitgegenständliche Verhandlungsgegenstand fällt von vorneherein nicht unter die
geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten des § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung.
Anders als in dem zwischen den Beteiligten mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlandes vom 04.02.2010 – 3 B 27/10 – entschiedenen Eilrechtsschutzverfahren
können vorliegend auch keine prozesstaktischen Erwägungen mit Blick auf das beim
Verwaltungsgericht des Saarlandes anhängig gewesene Verfahren 5 K 895/09 von
Bedeutung sein, für die der Natur der Sache nach ein Öffentlichkeitsbedürfnis nach Ansicht
des OVG des Saarlandes nicht gegeben ist. Zwar beruft sich der Antragsgegner im
Schriftsatz vom 20.04.2010 weiterhin auf solche prozesstaktischen Erwägungen. Zugleich
legt er aber dar, dass die schriftliche Urteilsbegründung in dem Verfahren 5 K 895/09 noch
nicht vorliege und es von daher „deshalb derzeit schlichtweg nichts Gesichertes (gibt),
worüber im Stadtrat am 22.04.2010 sinnvoll geredet und entschieden werden kann.“ Dies
berücksichtigend und mit Blick darauf, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz des § 40 Abs. 1
KSVG sich aus der durch Art. 20 GG verbürgten demokratischen Grundordnung herleitet,
die einen offenen Prozess der Willensbildung verlangt, damit einen tragenden Grundsatz
des gesamten Kommunalrechts bildet (vgl. Lehné/Weirich, a.a.O., § 40 Anm. 1) und daher
der Ausschluss der Öffentlichkeit eine eng auszulegende Ausnahmebestimmung darstellt,
sind keine durchgreifende Anhaltspunkte dafür erkennbar, warum hier von der Regel der
Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung abzuweichen wäre.
Mithin ist ein Anspruch der Antragstellerin, den hier in Rede stehenden
Tagesordnungspunkt in öffentlicher Sitzung zu behandeln, zu bejahen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 GKG.