Urteil des VG Saarlouis vom 24.06.2010

VG Saarlouis: kosovo, medikamentöse behandlung, körperliche unversehrtheit, sozialhilfe, mazedonien, registrierung, verfügung, herkunftsort, familie, bevölkerung

VG Saarlouis Urteil vom 24.6.2010, 10 K 484/09
Abschiebungsschutz von Roma aus dem Kosovo
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtkostenfreien Verfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der
aus der Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Roma aus dem Kosovo und am 14.01.2009 von Mazedonien aus über
Frankreich in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo sie am 27.01.2009 ihre
Anerkennung als Asylberechtigte beantragten. Zur Begründung gaben sie an, bis Sommer
1999 in Gnjilane, Kosovo, gewohnt zu haben und zusammen mit ihrer Tochter, der
Klägerin zu 2. des Verfahrens 10 K 485/09, zuerst nach Serbien und dann nach
Mazedonien geflüchtet zu sein, wo sie den überwiegenden Teil der seit Sommer 1999
vergangenen Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft gewohnt hätten. Anlass für die Flucht aus
dem Kosovo sei gewesen, dass nach der Rückkehr der Albaner in ihre Wohngegend sie von
vier Soldaten und einem Nachbarn in Zivil bedroht worden seien und die Klägerin zu 2.
ebenso wie ihre Tochter, die Klägerin zu 2. im Verfahren 10 K 485/09, in Anwesenheit des
Klägers zu 1. vergewaltigt worden seien. Nach Angaben des Klägers zu 1. habe der
benannte Nachbar einen Tag später das Haus angezündet und sie seien geflüchtet. Nach
seinen weiteren Angaben hat dieser vor der Ausreise aus Mazedonien seinen in der Nähe
von Gnjilane befindlichen Landbesitz von 34 ar für 23.000,-- Euro verkauft und mit diesem
Geld u.a. die Ausreise aus Mazedonien und die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
für die Kläger und die Kläger des Verfahrens 10 K 485/09 für 16.000,-- Euro finanziert,
wobei ursprünglich vorgesehen gewesen sei, sich nach Schweden zu zwei Söhnen der
Kläger zu begeben, dies aber durch den Aufgriff durch die deutsche Bundespolizei
verhindert worden sei.
Mit Bescheid vom 12.05.2009, , lehnte die Beklagte die Anträge auf Anerkennung als
Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik
Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen
und drohte ihnen bei Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in den Kosovo oder
in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme
verpflichtet ist, an. Wegen des Vorbringens der Kläger im Verwaltungsverfahren im Übrigen
und der Begründung des angefochtenen Bescheides wird auf dessen Gründe Bezug
genommen und gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG insoweit von einer weiteren Darstellung des
Tatbestandes abgesehen.
Gegen den ihnen am 14.05.2009 zugestellten Bescheid erhoben die Kläger am
28.05.2009 Klage, mit der sie ihr Begehren begrenzt auf die Geltendmachung von
Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 und 2 bis 5 und 7 AufenthG weiter verfolgen. Zur
Begründung legen sie im Einzelnen dar, dass das Vorbringen der Kläger entgegen der von
der Beklagten im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung glaubhaft sei, weil sie,
sowohl was den Reiseweg als auch ihr Vorverfolgungsschicksal angehe, übereinstimmende
Angaben - und zwar auch mit den Angaben ihrer Tochter bzw. ihres Schwiegersohns im
Verfahren 10 K 485/09 - gemacht hätten. Bei den von der Beklagten aufgezeigten
Widersprüchen im Vorbringen handele es sich um Interpretationen aus nicht ganz genauen
oder umgangssprachlichen Formulierungen der Kläger bzw. der Kläger im Parallelverfahren.
Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die fluchtauslösenden Ereignisse mit
äußerster Brutalität abgespielt hätten, so dass zum einen nachvollziehbar sei, dass die
Kläger - zudem zehn Jahre danach - nicht mehr jedes Detail genau hätten angeben können.
Im Übrigen seien die Angaben zum Kern des Geschehens aller vier Betroffenen
übereinstimmend mit der Folge, dass davon auszugehen sei, dass die Kläger den Kosovo
seinerzeit vorverfolgt verlassen hätten. An ihrer Sicherheit bei einer Rückkehr bestünden
nach wie vor ernstliche Zweifel. Obgleich sich die Lage der Roma-Gemeinschaften in den
vergangenen Jahren verbessert habe, bleibe ihre Situation im Übrigen prekär. Die relative
Sicherheit im Alltag sei bedingt durch ein Leben in Isolation und Abschottung vor der
Außenwelt, geprägt durch extrem schwierige Lebensbedingungen sowie Diskriminierung in
den Bereichen von Erziehung, Fürsorge, Gesundheitsversorgung, Wohnen und
Beschäftigung. Die Sicherheitssituation insgesamt bleibe insbesondere für die ethnischen
Minderheiten instabil. Die Beschäftigungslosigkeit der Roma liege bei 98 %. Bei den Klägern
komme hinzu, dass das Grundstück im Rahmen der Flucht veräußert worden sei, so dass
sie nicht einmal mehr über Existenzmittel verfügten. Familienangehörige befänden sich
zudem nicht mehr im Kosovo.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom
12.05.2009, , zu verpflichten, festzustellen, dass
Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs.
2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
Mit Beschluss vom 06.11.2009 hat die Kammer den Antrag der Kläger auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe abgelehnt und den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung
übertragen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 10 K
485/09 und der die Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten einschließlich der
Akte 5360117-150 betreffend die Tochter und den Schwiegersohn der Kläger Bezug
genommen, der ebenso wie der Inhalt der aus der beigefügten Liste aus der
Dokumentation Serbien-Kosovo-Montenegro hervorgehenden Dokumente Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG bleibt
ohne Erfolg. Zu Recht hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid erkannt, dass die von
den Klägern auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG im
Klageverfahren weiter verfolgten Ansprüche nicht bestehen. Was die gesetzlichen und
rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Abschiebungsschutz
angeht, wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Gründe des angefochtenen Bescheides
verwiesen. Weiter wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten zur Begründung
des angefochtenen Bescheides verwiesen, soweit mit diesem Ansprüche der Kläger auf
Abschiebungsschutz in Anknüpfung an ihre Volkszugehörigkeit verneint werden. Gleiches
gilt für die von ihnen geltend gemachten Abschiebungsschutzansprüche aus § 60 Abs. 2, 3
und 5 sowie Abs. 7 AufenthG jeweils in Anknüpfung an die Volkszugehörigkeit der Kläger.
Die Kläger haben bei einer Rückkehr in den Kosovo alleine in Anknüpfung an ihre Roma-
Volkszugehörigkeit Repressalien weder durch staatliche Organe oder Dritte zu erwarten.
Dies gilt, wie die Beklagte in dem angefochtenen Bescheiden bereits zutreffend ausgeführt
hat, auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie. Ergänzend gilt
insoweit Folgendes:
Auch nach den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisquellen ergeben sich
keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger bei Rückkehr in den Kosovo als ihr Herkunftsland
Repressionen und Übergriffen im Sinne von § 60 Abs. 1 bis 5 und 7 AufenthG ausgesetzt
sein werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgaben der
Qualifikationsrichtlinie und im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 4 c
AufenthG und des § 60 Abs. 7 AufenthG sowie des
Lageberichts des Auswärtigen Amtes zur Republik Kosovo
(Stand: September 2009), vom 19.10.2009, 508-
516.80/3 KOS.
Danach sind die Lebensbedingungen der Angehörigen der ethnischen Roma, wie auch der
Minderheiten der Ashkali und Ägypter, geprägt von der wirtschaftlichen Not aller in
vergleichbarer Situation lebenden Einwohner des Kosovo, wobei ihre Lebensbedingungen in
den städtischen Gebieten als schwierig einzustufen sind. Nur wenige Familien seien in der
Lage, ihren Lebensunterhalt alleine zu bestreiten; bei einer Arbeitslosenquote von derzeit
ca. 45 % fänden nur wenige Angehörige dieser Volksgruppen einen festen Arbeitsplatz und
erhielten nur wenige Familien wegen der strengen Anspruchsvoraussetzungen staatliche
Leistungen in Form von Sozialhilfe oder Renten. Demgegenüber seien die
Lebensbedingungen dieses Personenkreises in ländlichen Gebieten vergleichbar mit denen
der albanischen Bevölkerung. Für ethnische Roma, die sich während des Krieges nicht
ausdrücklich auf die Seite Serbiens gestellt hätten oder in gewalttätige Handlungen gegen
Kosovo-Albaner verwickelt gewesen seien, lägen keine Erkenntnisse über eine Gefährdung
seitens der albanischen Bevölkerung vor.
Zur Lage im Kosovo vgl. weiter: Dzihic/Kramer, Friedrich
Ebert Stiftung (Hrsg.). Der unabhängige Kosovo im Herbst
2009, Oktober 2009; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung
des internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem
Kosovo, 09.11.2009, HCR/EG/KOS/09/01; European
Return Fund (Hrsg.), Social, administrative an economic
background of sustainable return to Kosovo, Fact Finding
Mission Report 2009 (Text: englisch)
Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Anspruchs nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ist
zu beachten, dass die so festzustellende Situation insbesondere auch der Gruppe der
Minderheit der Roma im Kosovo alle Angehörigen der Gruppe, der die Kläger zuzuordnen
sind, trifft und damit § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG eingreift. Danach sind Gefahren in dem
Zielstaat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer
angehört, allgemein ausgesetzt sind, alleine bei der Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 S. 1
AufenthG zu berücksichtigen. Auch wenn sich also aus der schlechten allgemeinen Lage
insbesondere der Angehörigen von Minderheiten Gefahren i. S. v. § 60 Abs. 7 S. 1
AufenthG ergeben, können sich die Kläger hierauf nicht berufen. Dies gilt auch, angesichts
des Umstandes, dass der Kläger zu 1. das Rentenalter überschritten hat und beide Kläger
gesundheitliche Beschwerden geltend gemacht haben. Damit unterscheiden sie sich nicht
von der Bevölkerungsgruppe der Roma im Kosovo, zu der wiederum eine Vielzahl von
Personen gehören, die die Familien- und Alterssituation mit den Klägern teilen.
Ein darüber hinaus gegebener individueller Anspruch auf Abschiebungsschutz auf der
Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift erfordert nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch der saarländischen
Verwaltungsgerichte, dass die Kläger bei einer Rückkehr „sehenden Auges dem Tod oder
schwersten Verletzungen überantwortet“ würden,
vgl. etwa Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms,
Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 60 AufenthG
Rdnr. 21, m.w.N.
ihnen also erhebliche Gefahren für die körperliche Unversehrtheit bzw. ihr Leben drohen.
Davon kann indes auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Lebensumstände und den
Umständen, die sie nach Rückkehr an ihren Herkunftsort im Kosovo zu erwarten haben
werden, keine Rede sein.
Nach Auffassung der Kammer ist bereits mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon
auszugehen, dass die Kläger sich bei einer Rückkehr an ihren Herkunftsort, Gnjilane, wo sie
in der „Avdulah-Presheva 00“ (vgl. die Angabe des Kläger zu 1., Bl. 59 BA) gewohnt und
ein 32 ar großes Hausanwesen besessen haben, registrieren lassen können. Nach den
Erkenntnissen der Kammer
vgl. insbesondere Ministerium für Inneres, Sport und
Integration des Landes Niedersachsen, Bericht über die
Reise einer Delegation des niedersächsischen Ministeriums
für Inneres, Sport und Integration in die Republik Kosovo
vom 15. – 18.11.2009; Mattern, Kosovo: Zur
Rückführung von Roma; Update der SFH-Länderanalyse,
Bern, 21.10.2009; ai Berlin, Stellungnahme zur Situation
der Roma im Kosovo, 06.05.2010
können sich aus dem Ausland zurückkehrende frühere jugoslawische Staatsangehörige aus
dem Kosovo -durchweg Flüchtlinge, wie die Kläger- grundsätzlich nur an dem Ort
registrieren lassen, für den sie vor ihrer Ausreise aus dem Kosovo zuletzt gemeldet waren,
und ist eine freie Wahl des Ortes der Wohnsitznahme nach einer Rückkehr aus Deutschland
insoweit nicht möglich, als auch nur am letzten Wohnort Sozialleistungen beantragt werden
können. Dementsprechend setzt das Verfahren zur Prüfung der Rückübernahmeersuchen
aus Deutschland auch die Überprüfung einer entsprechenden Registrierungsmöglichkeit
voraus. Aufgrund der vorliegend eindeutig zu erwartenden Wohnsitznahme der Kläger bei
einer Rückkehr am Ort ihrer Herkunft ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass irgendetwas
einer Registrierung an diesem Ort entgegenstehen könnte, auch wenn nach Verkauf des
dortigen Wohngrundstücks eine Rückkehr an diese Adresse nicht mehr möglich sein dürfte.
Von daher kommt es auch nicht darauf an, dass es nach einem Bericht des Idealvereins
Chachipe a.s.b.l., Béreldange, Luxemburg, Wer ist
verantwortlich? Berichterstattung über ethnisch motivierte
Gewalt gegen Roma im Kosovo – Eine Fallstudie, vom
18.08.2009, vgl. www.romarights.wordpress.com
gerade in der Abdula-Preseva, einem traditionellen Roma-Viertel in Gnjilane am 30. oder
31.07.2009 ein Übergriff von Kosvo-Albanern gegenüber dort lebenden Roma gegeben
haben soll. Dem Bericht lässt sich dieser Vorfall und darüber hinausentnehmen, dass den
eingeschalteten Sicherheitsbehörden eine Aufklärung des Vorfalls letztlich nicht möglich
war. Dort ist aber zugleich zu entnehmen, dass im fraglichen Ort eine Romagemeinschaft
existiert und aus dem Vorfall und seiner polizeilichen Verarbeitung letztlich nicht
geschlossen werden kann, dass die Sicherheitsbehörden im Großen und Ganzen nicht
schutzbereit sind, zumal deutliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die polizeiliche
Sicht, der Fall sei nicht als ethnisch motiviert einzustufen und die daran beteiligten
Personen hätten untereinander noch einige offene Rechnungen im Zusammenhang mit
„Treibstoff-Delikten (Schmuggelgeschäften)“, nicht widerlegt ist. Von daher kann weder
von einer allgemeinen Gefährdungslage ausgegangen werden noch eine tatsächliche
Registrierung und Wohnsitznahme für Roma in Gnjilane als unmöglich angesehen werden.
Ist mithin davon auszugehen, dass den Klägern bei einer Rückkehr eine Registrierung an
ihrem Herkunftsort im Kosovo möglich sein wird, so stehen ihnen auch grundsätzlich alle
Maßnahmen der Sozialhilfe und der Teilhabe am öffentlichen Gesundheitssystem zur
Verfügung.
Vgl. zur Sozialhilfe das Gesetz Nr. 2003/15, LAW ON THE
SOCIAL ASSISTANCE SCHEME IN KOSOVO, vom
18.08.2003, Official Gazette of the Provisional Institutions
of Self Governement in Kosovo, Pristina, Nr. 15 vom
01.08.2007, www.ks-gov.net/gazetazyrtare
Was die Sicherstellung des wirtschaftlichen Existenzminimums anbelangt, kommt es im
Falle der Kläger indes letztlich nicht darauf an, ob sie tatsächlich in den Genuss der im
Kosovo bestehenden Möglichkeit der Sozialhilfe, die strengen Anforderungen unterliegt,
kommen werden. Der Kläger zu 1. hat in der Anhörung in der mündlichen Verhandlung
dargelegt, dass in der Zeit des Aufenthalts in Mazedonien Transferleistungen durch die in
Westeuropa lebenden Kinder der Kläger in Höhe von insgesamt 200,-- Euro im Monat
erfolgt sind. Auf diese Transferleistungen, die den Sozialhilfesatz einer 2–Personen-Familie
in Höhe von 50,-- Euro pro Monat und auch den Satz einer 7-Personen-Familie in Höhe von
75,-- Euro pro Monat eindeutig um ein Mehrfaches übersteigen, müssen sich die Kläger
verweisen lassen, zumal sie nach den vorliegenden Erkenntnisquellen im Hinblick auf diese
Transferleistungen von dem Bezug von Sozialhilfe ausgeschlossen wären. Von daher
kommt es nicht darauf an, ob Gewährung von Sozialhilfe eventuell bezogen auf andere
Voraussetzungen scheitern könnte.
Vgl. die Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik
Deutschland in Pristina an das BAMF vom 26.06.2009, RK
516.80-E101/08
Auch die in der Auskunft mitgeteilten Durchschnittspreise von Lebensmitteln und anderen
Artikeln
a.a.O. (S. 4)
widerlegen, dass ein Zweipersonenhaushalt mit einer Transferleistung, wie sie die Kläger
bis zu ihrer Einreise von ihren in Westeuropa lebenden Kindern (zur Zeit neben der Klägerin
zu 2. des eingestellten Verfahrens 10 K 485/09 ein Sohn in Deutschland, ein Sohn in den
Niederlanden und zwei Söhne in Schweden; Bl. 60 BA) erhalten haben, auskommen
können und werden. Anhaltspunkte dafür, dass den Klägerin nach einer Rückkehr diese
Transferleistungen nicht mehr zur Verfügung gestellt würden, sind nicht ersichtlich und
wären auch mit der traditionellen Einstellung familiärer Unterstützung innerhalb des
Traditionskreises, aus dem die Familie der Kläger stammt, nicht vereinbar.
Vgl. dazu im Übrigen: Auskünfte der Dt. Botschaft Pristina
an das BAMF vom 09.02.2009, RK 516.80-E111/08, vom
18.03.2009,… E 27/08, vom 08.05.2009, … - E 282/07,
vom 17.08.2009, … - E 90/09; Pichler, BMI der Republik
Österreich, Kosovo-Länderbericht II/2009, Pristina,
27.09.2009; ai, a.a.O.; Austrian Centre for Country of
Origin & Asylum Research and Documentation, ACCORD-
Anfragebeantwortung zu Sozialhilfe im Kosovo vom
11.02.2009, a-6587-1 (ACC-KOS 6587),
www.ecoi.net/file_upload/response_en_114993.html
(Internet-Recherche vom 23.06.2010)
Unabhängig von der Frage, ob den Klägern überhaupt oder darüber hinaus Renten- bzw.
Sozialhilfeleistungen aufgrund der entsprechenden Gesetze des Kosovo zur Verfügung
stünden, haben sie jedenfalls auf der Grundlage der zu erwartenden Registrierung an ihrem
Herkunftsort Anspruch auf Teilhabe an den in ihrem Herkunftsland angeboten
medizinischen Leistungen und ist zudem angesichts der ihnen zur Verfügung stehenden
Transferleistungen auch davon auszugehen, dass sie die erforderliche medizinische
Behandlung auch bei eventuell fällig werdende Zusatzzahlungen oder bei Inanspruchnahme
privater kostenpflichtiger ärztlicher Leistungen erhalten werden.
In diesem Zusammenhang bestehen zudem keine Zweifel daran, dass die durch ärztliche
Atteste vom 06.11.2009 und 21.06.2010 jeweils der Fachärztin für Allgemeinmedizin K.
attestierten Erkrankungen in Form eines Zustandes nach Stentimplantation im Jahre 2008,
Hypertonie, Hypercholesterinämie, Schlafstörungen, Wirbelsäulenbeschwerden und
Kniegelenksarthrose beidseits, die eine medikamentöse Behandlung der Klägerin zu 2.
erfordern, sowie einer Anämie und chronischer Magenschleimhautentzündung, sowie
Wirbelsäulenbeschwerden aufgrund Pneumektomie wegen Thoraxverformung und
Schlafstörungen bei dem Kläger zu 1., die ebenfalls medikamentös behandelt werden, im
Kosovo sämtlich nach dem dortigen Standard, auf den sich die Kläger verweisen lassen
müssen, behandelbar sind. Soweit darüber hinaus auf eine Traumatisierung wegen
Kriegserlebnissen hingewiesen wird, sind die vorgelegten Atteste ohne Substanz und vor
dem Hintergrund, dass die Kläger vor über zehn Jahren in Mazedonien Schutz gefunden
haben und damit eine lange Zeit vergangen ist, nicht einmal ansatzweise substantiiert und
nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung der Kammer im Kosovo eine
Behandlung derartiger psychischer Beschwerden möglich und zumutbar erreichbar ist.
Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.