Urteil des VG Neustadt vom 19.02.2010

VG Neustadt: einstellung des verfahrens, anhörung, beratung, vertreter, gemeinderat, stadtrat, unterlassen, form, vergleich, demokratie

VG
Neustadt/Wstr.
19.02.2010
1 K 756/09.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 19.02.2010 - 1 K 756/09.NW
Kommunalrecht, Prozessrecht
Verkündet am: 19.02.2010
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des A…
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter: Herrn …
gegen
den Stadtrat der Stadt Dahn, Schulstraße 29, 66994 Dahn,
- Beklagter -
wegen Kommunalverfassungsrechts
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 19. Februar 2010, an der teilgenommen haben
Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Dr. Scheffler
Richter am Verwaltungsgericht Scheurer
Richter am Verwaltungsgericht Pirrung
ehrenamtliche Richterin Rentnerin Scholz
ehrenamtliche Richterin Kfm. Angestellte Sittinger
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung
die Klage teilweise zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit eines Ratsbeschlusses des Beklagten
vom 6. Mai 2009.
Der Kläger hat sich als Einwohnerantrag gemäß § 17 Gemeindeordnung (GemO) konstituiert. Er möchte
den Bau einer Straßenspange (Querverbindung) zwischen den Baugebieten „C...“ und „D...“ verhindern.
Ein entsprechender Einwohnerantrag wurde am 29. August 2008 bei der Verbandsgemeindeverwaltung
Dahner Felsenland eingereicht. Diese erachtete den Einwohnerantrag nach Prüfung als nicht hinreichend
bestimmt. Der Beklagte beschloss nach Aussprache in seiner öffentlichen Sitzung vom 3. November 2008,
dass aufgrund fehlender Formerfordernisse keine förmliche Behandlung des Einwohnerantrags erfolgt.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 22. Januar 2009 (Az.: 1 K 1462/08.NW) verständigten sich die Beteiligten
in Punkt 1. darauf, dass der Beklagte über den Bau der umstrittenen Straßenspange noch in der laufenden
Wahlperiode gemäß
§ 17 Abs. 1 Satz 1 GemO berät und entscheidet. Zudem vereinbarten die Beteiligten, dass aus dem
streitigen Einwohnerantrag über den Punkt 1. hinausgehende Beratungs- und Entscheidungspflichten des
Beklagten nicht abgeleitet werden. In den Gründen des Vergleichs stimmten die Beteiligten darin überein,
dass eine inhaltliche Beratungs- und Entscheidungspflicht des Beklagten bezüglich zweier geplanter
Baugebiete gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GemO nicht besteht.
Der Beklagte befasste sich in öffentlicher Sitzung am 10. März 2009 mit dem Einwohnerantrag, soweit er
Gegenstand des gerichtlichen Vergleiches war. Ausweislich der Sitzungsniederschrift setzte sich der Rat
unter anderem mit der Frage auseinander, ob bei dem Ratsmitglied E..., dem damaligen Bevollmächtigten
des Klägers, Sonderinteressen im Sinne des § 22 GemO vorliegen. Vor Eintritt in die Beratung über den
Einwohnerantrag wurde einem Vertreter des Klägers die Möglichkeit eingeräumt, die Gründe für den
Einwohnerantrag ausführlich zu erläutern. Im Anschluss daran erfolgte eine rege Aussprache zwischen
den Mitgliedern des Stadtrates und den anwesenden Bürgern.
Nach ausführlicher Beratung beschloss der Beklagte nach dem Wortlaut des Protokolls mit 2 Ja-Stimmen,
einer Enthaltung und 15 Nein-Stimmen:
„Der Bau einer Straßenquerspange (Querverbindung) zwischen den Baugebieten
„C...“ und „D...“ wird unterlassen.“
Der Kläger wandte sich sodann mit Schreiben vom 30. März 2009 an die Kreisverwaltung Südwestpfalz
als Kommunalaufsichtsbehörde. Er bemängelte, dass an der Beschlussfassung über den
Einwohnerantrag die Stadtratsmitglieder F..., G... und H... trotz Sonderinteressen mitgewirkt hätten, obwohl
sein Sprecher in der Ratssitzung auf diese Problematik hingewiesen habe.
Die Verbandsgemeindeverwaltung Dahner Felsenland wandte sich mit Schreiben vom 27. April 2009 an
die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde und verneinte bei den Ratsmitgliedern F... und G... ein
Sonderinteresse. Bei Ratsmitglied H... teilte die Verbandsgemeindeverwaltung die Auffassung des
Klägers und setzte die Kommunalaufsichtsbehörde davon in Kenntnis, dass die Beschlüsse, an denen
dieses Ratsmitglied mitgewirkt habe, wiederholt würden.
Die Kommunalaufsichtsbehörde informierte die Verbandsgemeindeverwaltung Dahner Felsenland mit
Schreiben vom 6. Mai 2009 darüber, dass bei den Ratsmitgliedern G..., E... und F... Ausschließungsgründe
vorlägen.
Im Rahmen der öffentlichen Sitzung vom 6. Mai 2009 befasste sich der Beklagte unter dem
Tagesordnungspunkt 4 erneut mit dem Einwohnerantrag. Einleitend erläuterte der Bürgermeister der
Verbandsgemeinde den Mitgliedern des Beklagten aufgrund des Schreibens des Klägers an die
Kommunalaufsichtsbehörde ausführlich die Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Befangenheitsregelung
in § 22 GemO. Der Bürgermeister teilte den Ratsmitgliedern die Auffassung der Kommunalaufsicht mit,
wonach die Ratsmitglieder H..., G..., F... und E... befangen seien. Ausweislich der Sitzungsniederschrift
begaben sich die Ratsmitglieder F..., G... und E... unaufgefordert in den für die Zuhörer bestimmten Teil
des Sitzungssaales und nahmen an der Beratung und Beschlussfassung über den Einwohnerantrag nicht
teil. Das Ratsmitglied H... war bei der Sitzung am 6. Mai 2009 nicht anwesend. Der Bürgermeister wies die
Ratsmitglieder darauf hin, dass es nicht notwendig sei, nochmals die gesamten Informationen in Form der
Beschlussvorlagen zu wiederholen, zumal diese in unveränderter Form dem Stadtrat bereits vorgelegen
hätten und auch als Anlage zu den Einladungen jedem Stadtratsmitglied zugesandt worden seien.
Nach kurzer Beratung beschloss der Beklagte nach dem Wortlaut des Protokolls mit 1 Ja-Stimme, 11
Gegenstimmen und zwei Stimmenthaltungen:
„Der Bau einer Straßenquerspange (Querverbindung) zwischen den Baugebieten
„C...“ und „D...“ wird unterlassen.“
Tatsächlich hatte der Beklagte, wie auch in der Ratssitzung vom 10. März 2009, den Einwohnerantrag mit
der jeweils protokollierten Mehrheit seiner Mitglieder abgelehnt.
Der Kläger hat daraufhin am 30. Juli 2009 Klage erhoben und sich gegen diese Beschlussfassung
gewandt. Seine zusätzlichen Klageanträge, mit denen er die Aufhebung weiterer vom Beklagten in der
Ratssitzung am 6. Mai 2009 gefasster Beschlüsse, betreffend den Bebauungsplan „D.../C... V“ sowie die
Feststellung beantragt hat, dass der Ausschluss des Ratsmitgliedes E... in der Ratssitzung vom 6. Mai
2009 rechtswidrig gewesen sei, hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Der Kläger trägt vor, dass der Ratsbeschluss des Beklagten vom 6. Mai 2009 bezüglich des
Tagesordnungspunkts 4 rechtsunwirksam sei, soweit dieser sich mit dem Bau einer Straßenspange
befasst habe. Denn damals sei das Ratsmitglied E... zu Unrecht von der Beschlussfassung
ausgeschlossen worden. Zudem habe sein Sprecher in der Ratssitzung vom 6. Mai 2009 nicht das Recht
erhalten, das Wort zu ergreifen und den Standpunkt des Klägers zum Bau der Querspange vorzutragen.
Aus rechtsstaatlichen Gründen und aus Gründen der Fairness wäre es geboten gewesen, dem Kläger,
Gelegenheit zu geben, sein Anliegen nochmals kurz vor dem Stadtrat begründen zu können. Der
Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs sei durch diese Verfahrensweise verletzt worden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten in der Stadtratssitzung vom 6. Mai 2009 zum
ursprünglichen Tagesordnungspunkt 3, später Tages-ordnungspunkt 4, bezüglich der Beratung und
Beschlussfassung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GemO über das Anliegen des Einwohnerantrages vom
29. August 2008, den Bau einer Straßenspange (Querverbindung) zwischen den Baugebieten „C...“ und
„D...“ zu unterlassen, rechtsunwirksam ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert, dass die Befassung des Rates mit dem Einwohnerantrag rechtswirksam erfolgt sei. Der
Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich sei damit genüge getan. Der Beklagte verwies zudem auf
zwei schriftliche Erklärungen des Sitzungsleiters der Ratssitzung vom 6. Mai 2009 sowie des damaligen
Schriftführers, wonach die über die Ratssitzung erstellte Niederschrift insoweit „unglücklich formuliert“ sei,
als der Einwohnerantrag damals tatsächlich abgelehnt worden sei. Dies ergebe sich aus dem
protokollierten Abstimmungsergebnis über diesen Tagesordnungspunkt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze, Unterlagen
sowie die Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem noch streitgegenständlichen Teil zwar zulässig (1.) aber unbegründet (2.).
(1.)
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - eröffnet. Denn
zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Befassung des Beklagten mit dem in § 17 GemO verankerten
kommunalrechtlichen und damit öffentlich-rechtlich geprägten Einwohnerantrag in rechtmäßiger Weise
erfolgt ist.
Die vorliegende Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft
(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 3. Februar 1994 – 7 B 11/94 und Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994 - 7 B 12954/94.OVG -).
Der Kläger ist nach § 61 Nr. 2 VwGO fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (OVG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 6. April 1987 – 7 B 16/87.OVG, dort noch zur Bürgerinitiative; Beschluss vom 1. Dezember
1994, a. a. O.).
Der Beklagte ist richtiger Klagegegner, da er als „Kontrastorgan“ (vgl. zur Terminologie: OVG Rheinland-
Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994, a. a. O.) in innerorganschaftlichem Streit mit dem Kläger steht.
Dies beruht auf der Erwägung, dass der Beklagte vom Kläger mit dem Ziel in Anspruch genommen wird,
erneut über den Einwohnerantrag zu beschließen. Es geht im vorliegenden Fall also nicht um die
Vollziehung eines Ratsbeschlusses, mit der Folge, dass der Bürgermeister (so OVG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 1. Dezember 1994, a. a. O.) oder die Gemeinde (so OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
6. April 1987, a. a. O.) dem Einwohnerantrag gegenüber stünde.
Der Kläger ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog zur Klage befugt (zu diesem Erfordernis im
Kommunalverfassungsstreit allgemein: BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1994, a. a. O. und OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. März 2009 – 2 A 10100/09.OVG -), obwohl er nur in einem eng
umgrenzten Bereich die gerichtliche Überprüfung des Beschlusses erwirken kann, mit dem sich ein
Gemeinderat inhaltlich mit dem Einwohnerantrag befasst.
Der Einwohnerantrag stellt mit dem Bürgerbegehren und dem Bürgerentscheid das Kernstück direkter
Demokratie auf gemeindlicher Ebene dar. Er hat nach der Ausgestaltung des § 17 Abs. 1 GemO das Ziel,
dass der Gemeinderat über eine bestimmte Angelegenheit der örtlichen Selbstverwaltung berät und
entscheidet, sich also in der Sache mit dem Begehren befasst. Ein weitergehender Einfluss auf die
Entscheidung des Gemeinderats ist ihm allerdings nicht zuzubilligen, denn der Einwohnerantrag - wie
zuvor die Bürgerinitiative - soll die repräsentative Form der Demokratie auf kommunaler Ebene nicht
ersetzen, sondern lediglich ergänzend wirken (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. April 1987, a. a.
O.). Hinsichtlich seines Gegenstandes entspricht der Einwohnerantrag damit dem Initiativrecht etwa einer
Fraktion (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994, a. a. O.). Der Einwohnerantrag kann
damit aber lediglich die Beachtung des „Substrats“ seines Anliegens verlangen (vgl. OVG Rheinland-
Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994, a. a. O.). Darüber hinaus hat der Kläger jedoch, trotz seiner
Stellung als kommunales Quasi-Organ (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994, a.
a. O.), keinen Anspruch auf eine Rechtskontrolle der vom Rat hinsichtlich des Einwohnerantrags
gefassten Beschlüsse, beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage, ob an der Beschlussfassung
nach § 22 GemO auszuschließende Ratsmitglieder mitgewirkt haben. Dieses Recht steht dem
Einwohnerantrag genauso wenig wie anderen kommunalen Organen und Mitgliedern dieser Organe zu
(vgl. zu Ratsfraktionen und Ratsmitgliedern: BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1994, a.a.O.; OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. März 2009, a.a.O. und Urteil vom 29. August 1984 – 7 A 19/84.OVG).
Vielmehr hat die Gemeindeordnung klare Regelungen darüber getroffen, wie im Falle einer als
rechtswidrig erachteten Beschlussfassung des Rates vorgegangen wird. Nach § 42 GemO besitzt der
Bürgermeister die Möglichkeit der Aussetzung des Ratsbeschlusses. Gemäß § 121 GemO kann die
Rechtsaufsichtsbehörde einen solchen Beschluss beanstanden (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 3.
Februar 1994, a. a. O. und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. April 1987, a. a. O.). Die Prüfung
objektiver Rechtsverletzungen ist damit ausschließlich der Staatsaufsicht zugewiesen (OVG Rheinland-
Pfalz, Beschluss vom 23. März 2009, a. a. O.).
Ein Rückgriff des Einwohnerantrags auf die Landesverfassung zur Ableitung weitergehender Rechte
kommt insoweit aufgrund des allein einfachgesetzlichen Ursprungs unmittelbarer Mitwirkungsrechte im
kommunalpolitischen Entscheidungsprozess nicht in Betracht (VGH Rheinland-Pfalz, B. v. 27. Mai 2009 -
VGH B 6/09).
Die Möglichkeit einer eigenen Rechtsbetroffenheit besteht aber mit Blick auf die geltend gemachte
Verletzung des qualifizierten Anhörungsrechts des Klägers im Gemeinderat gemäß § 17 Abs. 6 Satz 4
GemO. Denn mit dieser Norm wird dem Kläger das Recht eingeräumt, sich vor dem Rat Gehör zu
verschaffen. Dieses Recht ist Teil des gesetzlich geschützten Kerns eines Einwohnerantrags und damit
auch gerichtlich grundsätzlich durchsetzbar, mit der Folge, dass ausnahmsweise auch insoweit ein
Ratsbeschluss auf seine Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüft wird.
Das hierzu erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse besteht, nachdem der Sitzungsleiter sowie der
Schriftführer des Beklagten schriftlich klargestellt haben, dass der Einwohnerantrag in der Ratssitzung
vom 6. Mai 2009 abgelehnt wurde.
(2.)
Der Klage bleibt jedoch der Erfolg versagt, denn der Beklagte hat mit seiner Beschlussfassung vom 6. Mai
2009 hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 4 das Anhörungsrecht des Klägers nicht verletzt. Es besteht
damit kein Anspruch des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit dieses Beschlusses.
Durch die Ausgestaltung des § 17 Abs. 6 Satz 3 und 4 GemO soll sichergestellt werden, dass der beklagte
Rat sich eingehend und zeitnah mit dem Anliegen des Klägers befasst. Insbesondere soll verhindert
werden, dass der Gemeinderat den Einwohnerantrag „ins Leere laufen lässt“ (vgl. OVG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 6. April 1987, a.a.O.). Bei der Anhörung nach § 17 Abs. 6 Satz 4 GemO geht es aber nicht
um die Stellungnahme vor Erlass eines belasteten Verwaltungsakts (vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG). Eine
Anhörung im Sinne des § 17 Abs. 6 Satz 4 GemO erfordert lediglich die Erläuterung des Begehrens, denn
dieses selbst, wie auch die Begründung des Einwohnerantrags, stehen gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GemO
bereits fest und sind den Ratsmitgliedern bekannt (vgl. ebenso: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom
6. April 1987, a. a. O.). Vom Wortlaut und Zweck des § 17 Abs. 6 Satz 4 GemO her kann eine Verletzung
des Anhörungsrechts dementsprechend nur dann gegeben sein, wenn die Ladung der Vertreter zur
Anhörung so kurzfristig erfolgt ist, dass sie „einer Überrumpelung“ gleichkommt, d. h. wenn sie bei
objektiver Betrachtung darauf abzielt, eine sachgerechte Erläuterung durch die Vertreter auszuschließen
und die ernsthafte und eingehende Befassung des Gemeinderates mit dem Einwohnerantrag zu
verhindern (vgl. ebenso zur Bürgerinitiative: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6. April 1987, a. a. O.).
Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, dass im Rahmen der Ratssitzung vom 10. März 2009 dem
Anhörungsgebot des § 17 Abs. 6 Satz 4 GemO nicht Genüge getan wurde. Eine Überrumpelung der
Sprecher des Einwohnerantrages (vgl. hierzu auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember
1994, a. a. O.) erfolgte nicht; insbesondere war die Beschlussfassung über die Zulässigkeit des
Einwohnerantrags auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 22. Januar 2009 und die spätere
sachliche Befassung im weiteren Verlauf der Ratssitzung zulässig (OVG R-P, B. v. 6. April 1987, a. a. O.).
Ausweislich des Sitzungsprotokolls befasste sich der Beklagte in öffentlicher Sitzung intensiv mit dem
Einwohnerantrag. Vor Eintritt in die Beratung wurde dem Vertreter die Möglichkeit gegeben, die Gründe
für den Einwohnerantrag nochmals ausführlich zu erläutern. Im Anschluss daran erfolgte eine rege
Aussprache zwischen dem Stadtrat und den anwesenden Bürgern, im Rahmen derer der damalige
Sitzungsleiter auch den eingereichten Schriftverkehr sowie den gerichtlichen Vergleichsvorschlag
erläuterte.
Für die vorliegende Entscheidung ist unschädlich, dass der Beklagte die Anhörung vor der erneuten
Ablehnung des Einwohnerantrags im Rahmen der Ratssitzung vom 6. Mai 2009 nicht wiederholt hat.
Denn der Kläger hat keinerlei Umstände geltend gemacht, die den Beklagten zur nochmaligen Anhörung
hätten zwingen können. Neue tatsächliche oder rechtliche Umstände, die eine Anhörung in der
Ratssitzung vom 6. Mai 2009 nochmals geboten hätten, wurden in der damaligen Ratssitzung weder
geltend gemacht, noch sind solche Umstände sonstwie ersichtlich. Auch im vorliegenden Verfahren hat
der Kläger dargelegt, dass seinem Sprecher „nochmals“ Gelegenheit zur Anhörung hätte eingeräumt
werden müssen. Diese Rechtsauffassung teilt die Kammer jedoch nicht, weil dem Beklagten durch die
kurze Zeit zuvor erfolgte Anhörung des Sprechers des Klägers im Rat, die schriftliche Begründung des
Einwohnerantrags sowie die den Ratsmitgliedern zur Verfügung gestellten Unterlagen die Auffassung des
Einwohnerantrages hinreichend bekannt war. Der Kern des Anhörungsrechtes als Verfahrensrecht und
zur Absicherung der Teilhabe an dem politischen Prozess innerhalb des vom Gesetz vorgezeichneten
Ablaufs (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. Dezember 1994, a. a. O.) wurde insoweit durch den
Beklagten beachtet. Ein Recht auf wiederholte Anhörung bei im Wesentlichen unveränderter Sach- und
Rechtslage vermittelt § 17 GemO nicht. Da im Übrigen zwischen den Ratssitzungen keine Wahlen lagen,
die die Identität des Beklagten als kommunales Organ in Frage stellen, wurde durch die Anhörung am
10. März 2009 dem gesetzlichen Anhörungsgebot hinreichend Rechnung getragen.
Diese Entscheidung ist hinsichtlich der teilweisen Einstellung des Verfahrens unanfechtbar (§ 92 Abs. 3
Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff
ZPO.
Rechtmittelbelehrung …
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zur teilweisen Klagerücknahme auf 10.000,- € und danach auf
5.000,- € festgesetzt (vgl. Ziffern 22.6 und 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
i.d.F. der am 7./8. Juli 2004 beschlossenen Änderungen).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
gez. Dr. Scheffler
gez. Scheurer
gez. Pirrung