Urteil des VG Neustadt vom 16.03.2011

VG Neustadt: grundsteuer, vermietung, grundstück, bebauungsplan, minderung, internet, immobilie, bayern, unterlassen, teilerlass

VG
Neustadt/Wstr.
16.03.2011
1 K 735/10.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 16.03.2011 - 1 K 735/10.NW
Grundsteuerrecht
Verkündet am: 16.03.2011
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
der Frau G.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Kleiser, Gross und Zimmermann, Konrad-Adenauer-
Straße 24, 67433 Neustadt,
gegen
die Stadt Neustadt an der Weinstraße, vertreten durch den Oberbürgermeister, Marktplatz 1, 67433
Neustadt an der Weinstraße,
- Beklagte -
wegen Grundsteuererlasses
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 16. März 2011, an der teilgenommen haben
Präsidentin des Verwaltungsgerichts Faber-Kleinknecht
Richterin am Verwaltungsgericht Jahn-Riehl
Richter am Verwaltungsgericht Scheurer
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Hannah
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Weißenmayer
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt den teilweisen Erlass der Grundsteuer B für die Jahre 2007 und 2008.
Sie ist Eigentümerin des Anwesens … (Flurstück-Nr. …). Die 10.697 m² große Grundstücksfläche ist
bebaut mit einem Hallenkomplex, mit einer Krananlage sowie einer Trafostation. Das Areal war zuletzt im
Mai 2001 an einen Teppichbodenhandel vermietet. In der Folgezeit blieb das Anwesen unvermietet.
Das Grundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des 1992 in Kraft getretenen und 2002 geänderten
Bebauungsplans „Naulott-Guckinsland“. In unmittelbarer Nachbarschaft des klägerischen Anwesens
werden derzeit Gebets- und Versammlungsräume für Muslime errichtet.
Mit Bescheid vom 11. Februar 1997 setzte das zuständige Finanzamt für das Grundstück der Klägerin
einen Grundsteuermessbetrag von umgerechnet 770,57 € fest. Auf dieser Grundlage setzte die Beklagte
mit Bescheid vom 5. Januar 2007 die Grundsteuer B für die Jahre 2007 und 2008 jeweils in Höhe von
2.697,- € fest.
Am 11. Oktober 2007 beantragte die Klägerin bei dem zuständigen Finanzamt die Fortschreibung des
Einheitswertes für ihr Anwesen wegen baulicher Mängel, Schäden sowie dessen wirtschaftlicher
Überalterung, woraufhin das Finanzamt zum 1. Januar 2007 den Grundsteuermessbetrag auf 599,66 €
festsetzte.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2008 setzte die Beklagte die Grundsteuer B für die Jahre 2007 und 2008 jeweils
mit 2.098,81 € neu fest.
Zur Begründung ihrer am 19. März 2008 (für das Jahr 2007) und am 26. März 2009 (für das Jahr 2008)
gestellten Grundsteuererlassanträge trägt die Klägerin vor, dass die festgesetzte Grundsteuer wegen
wesentlicher Ertragsminderung teilweise zu erlassen sei. Sie biete ihr Grundstück im Internet zum Verkauf
oder zur Vermietung an und habe vor Ort ein Schild angebracht, auf dem auf die Möglichkeit des Kaufs
oder der Anmietung hingewiesen werde. Gegebenenfalls könne sie den Schriftverkehr mit Interessenten
vorlegen.
Mit Bescheid vom 27. August 2009 lehnte die Beklagte die Erlassanträge ab und führte zur Begründung
u.a. aus, dass keine vorübergehenden atypischen Umstände vorlägen, die einen teilweisen
Grundsteuererlass ermöglichten. Bei einem Mietobjekt mit spezifischer Ausstattung komme von
vornherein nur ein begrenzter Interessentenkreis in Betracht. Aufgrund der erheblichen
Renovierungsbedürftigkeit sei bei der streitbefangenen Immobilie ein längerer Leerstand kein atypischer
Fall. Es bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Leerstand auf nachhaltige und länger
andauernde Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen sei. Auch ein
Billigkeitserlass komme nicht in Betracht.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 23. September 2009 und trug vor, dass eine
erhebliche Rohertragsminderung eingetreten sei, da sie keine Mieteinnahmen mehr erziele. Die
Änderung des Einheitswertes durch das Finanzamt berücksichtige nur Mängel, Schäden und die
wirtschaftliche Überalterung des Objekts. Diese Umstände hätten mit ihrem Erlassbegehren nichts zu tun.
Der langjährige Leerstand der Immobilie sei nicht auf einen vorübergehenden Umstand zurückzuführen.
Sie habe den Leerstand nicht zu vertreten. Sie habe sich vielmehr bemüht, Mietinteressenten zu finden. Im
Rahmen diverser Mietanfragen, die sie der Beklagten mit Telefax vom 27. Oktober 2009 zugeleitet habe,
sei es jedoch nicht zu Preisverhandlungen gekommen. Hätten sich damals ernsthafte Interessenten mit
konkreten Nutzungsvorstellungen gemeldet, wäre sie bereit gewesen, auch Umbauarbeiten auf dem Areal
vorzunehmen. Die Vermietung sei jedoch letztlich an bauplanerischen Einschränkungen gescheitert, was
zu einem strukturellen Leerstand geführt habe. Der Bebauungsplan müsse daher dringend geändert
werden. Die im Bau befindlichen Gebets- und Versammlungsräume für Muslime erschwerten zudem
zusätzlich die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung.
Die Beklagte erwiderte, dass die Vermietung möglicherweise an überzogenen Preisvorstellungen der
Klägerin gescheitert sei und half dem Widerspruch nicht ab. Der Aufforderung, entsprechende
Preisangaben zu machen, den geführten Schriftwechsel vorzulegen sowie die Gründe des Scheiterns der
Vermietungsbemühungen darzulegen, sei die Klägerin nicht nachgekommen. Das Inkrafttreten des
Bebauungsplans habe nicht zu einer Minderung des Bodenwertes geführt. Es könne zudem nicht von
einem strukturellen Leerstand ausgegangen werden, weil im Bereich der Landauer Straße in
vergleichbarer Lage gewerbliche Ansiedlungen bzw. Erweiterungen, beispielsweise durch den ADAC
sowie die Firmen Hyundai, Beil, S1 und H&H Handrich erfolgt seien. Die Nutzungseinschränkungen in
dem Bebauungsplan „Naulott-Guckinsland“ machten das Grundstück jedenfalls nicht unverkäuflich bzw.
unvermietbar. Bis in die jüngste Zeit seien Anfragen bezüglich des klägerischen Grundstücks
eingegangen. So habe sie – die Beklagte – eine Firma aus dem Bereich des Kfz-Zubehör- und
Werkstattbetriebs an die Klägerin verwiesen. Dem Verfall des Grundstücks und dem Zustand des Areals
sei gegebenenfalls im Einheitswertverfahren Rechnung zu tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2010 wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den
Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ein Erlassantrag neben der
unstreitig vorliegenden Rohertragsminderung, atypische, vorübergehende Umstände voraussetze. Das
Bundesverwaltungsgericht habe 2010 entschieden, dass an dem Kriterium der Atypik weiter festzuhalten
sei. Atypische Umstände seien jedoch nicht ersichtlich. Seit 1963 sei nicht mehr in die Immobilie investiert
worden. Insbesondere die gewerbliche Krananlage sei über einen langen Zeitraum vernachlässigt
worden. Daher sei es typische Folge, dass die Vermietung der Immobilie mit ihrer spezifischen Nutzbarkeit
sehr erschwert sei. Es liege die typische unternehmerische Konfliktlage eines Immobilieneigentümers vor,
ob Gelände mit seiner speziellen baulich-industriellen Ausrichtung wieder konkurrenzfähig oder ob es
durch hohe Investitionen für verschiedenartige Investoren wieder interessant gemacht werde. Der von der
Klägerin geltend gemachte strukturell bedingte Leerstand sei nicht atypisch. Der angegriffene
Bebauungsplan begründe ebenfalls keine Erlasssituation. Im Bebauungsplangebiet fänden bei noch
engeren Nutzungseinschränkungen als im Falle der Klägerin, Grundstücksverkäufe statt und es würden
dort Investitionen getätigt. Das im Bau befindliche muslimische Kulturzentrum stehe der Vermarktung des
Grundstücks nicht entgegen. Außerdem hätten sich die Bodenwerte im Bebauungsplangebiet als stabil
erwiesen. Dem fortschreitenden Verfall des Areals sei bei der Einheitswertfeststellung Rechnung zu
tragen. Zuletzt habe die Klägerin die Nichtvermietung zu vertreten, da sie ihre Vermietungsbemühungen
nicht hinreichend nachgewiesen habe.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (15. Juni 2010) hat die Klägerin am 13. Juli 2010 Klage
erhoben.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens trägt die Klägerin nunmehr vor: Die
Atypik sei nicht mehr Voraussetzung für einen Grundsteuererlass. Daher sei zu berücksichtigen, dass der
einschlägige Bebauungsplan unwirksam sei und nachteilig die Werthaltigkeit bzw. Vermietbarkeit ihres
Areales beeinträchtige. Die einschränkenden Vorgaben des Bebauungsplans seien von ihr nicht
beeinflussbar. Sie seien auch in einem vorhergehenden baurechtlichen Verfahren von dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz nicht inzident geprüft worden. Sie habe die Nichtvermietbarkeit
nicht zu vertreten, weil sie sich nachhaltig um die Vermietung des Objektes bemüht habe. So habe sie ein
Verkaufs- und Vermietungsschild am Anwesen angebracht, ihr Grundstück im Internet beworben und sich
an die städtische Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft gewandt. Zudem habe sie auch Makler und
Objektentwickler mit einer wirtschaftlichen Verwertung ihres Grundstücks betraut. Dabei habe sie in den
Jahren 2001 und 2002 auch Zeitungsinserate aufgegeben. Allerdings habe sie in den Jahren 2007 und
2008 keine Werbung in überregionalen Zeitungen betrieben. Selbst wenn man die Rechtsauffassung der
Beklagten teilen würde, wonach nur atypische Erlassgründe zu berücksichtigen wären, so lägen diese
vor. Denn die hier geltend gemachten Aspekte, insbesondere die Bedenken gegen den Bebauungsplan,
seien im Einheitswertfortschreibungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Die strukturellen Aspekte
beträfen zudem nicht die Werthaltigkeit des Grundstücks. Außerdem hätte das Fortschreibungsverfahren
nur eine unbedeutende Minderung der Bezugsgröße für die übliche geschätzte Jahresrohmiete erbracht.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. August 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2010 zu verpflichten, die Grundsteuer für das Objekt … für das
Jahr 2007 in Höhe von 1.679,04 € und für das Jahr 2008 in Höhe von 1.049,40 € zu erlassen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen und die Begründung des
Widerspruchsbescheids,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die
eingereichten Unterlagen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Klage bleibt der Erfolg versagt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den begehrten (Teil-)erlass der
Grundsteuer für die Jahre 2007
(1.)
(1.)
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 27. August 2009 in rechtmäßiger Weise einen Teilerlass der
Grundsteuer 2007 versagt.
Zwar hat die Klägerin den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 34 Abs. 2 Satz 2
Grundsteuergesetz (GrStG) Rechnung getragen und ihren Erlassantrag für das Jahr 2007 am 19. März
2008, somit innerhalb des ersten Folgequartals nach Ablauf des Erlasszeitraums, gestellt.
Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Teilerlass der Grundsteuer gemäß § 33 GrStG a.F. in der bis
zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I 2794) geltenden
Fassung.
Nach dieser Vorschrift ist die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes zu erlassen, der vier Fünfteln des
Prozentsatzes der Rohertragsminderung entspricht, wenn bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und
bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 v.H.
gemindert ist und wenn der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.
Bei der Prüfung der Erlassvoraussetzungen lässt das Gericht offen, ob aufgrund der Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 3. März 2010 – 9 B 77/09, juris), des
Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 31. Oktober 2008 – 14 A 1420/07, juris) sowie
des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Urteil vom 18. Februar 2010 – 5 K 3584/08, juris) nach wie vor an
dem Erfordernis atypischer Umstände zur Begründung eines Erlassantrags festgehalten werden kann.
Das Gericht neigt vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse zu der Auffassung, dass die zitierten
Entscheidungen dahingehend auszulegen sind, dass als Erlassgründe sowohl atypische Umstände, als
auch strukturelle Gründe zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 24. April 2007
– GmS – OGB 1.07, juris und Urteil vom 25. Juni 2008 – 9 C 8/07, juris).
Die mit der Berücksichtigungsfähigkeit von Erlassgründen zusammenhängenden Rechtsfragen bedürfen
im vorliegenden Verfahren jedoch keiner abschließenden Klärung, weil die Klägerin die Minderung des
normalen Rohertrags ihres Grundstücks im Rechtssinne zu vertreten hat.
Ein Steuerpflichtiger hat im Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 GrStG a.F. eine Ertragsminderung nicht
zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereichs liegen, d.h. wenn er
die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt noch ihren Eintritt
durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können (BVerwG, Urteil vom 15. April
1983 – 8 C 150/91, juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2006 – 6 A 11290/05.OVG,
ESOVGRP). Dabei ist der Begriff des Vertretenmüssens i.S.d. § 33 GrStG a.F. weit auszulegen. Er greift
weiter als eine bloße Vermeidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit den zur
Ertragsminderung führenden Ursachen. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob es aufgrund
vorangegangenen Verhaltens des Steuerpflichtigen schlechthin unbillig wäre, die geltend gemachten
ertragsmindernden Umstände bei der Grundsteuerbelastung unberücksichtigt zu lassen (VG
Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Mai 2010 – 5 K 5915/08, juris).
Es ist im vorliegenden Verfahren in dem vorstehenden Sinne nicht unbillig, der Klägerin die Folgen ihrer
unternehmerischen Entscheidung entgegenzuhalten. Der ruinöse Zustand des Grundstücks, wie er sich
aus den vorgelegten Unterlagen und Abbildungen erschließt, beruht im Wesentlichen auf dem Ausbleiben
nennenswerter Investitionen in die Gebäudesubstanz und in die Infrastruktur des Anwesens. Die Klägerin
hat es unterlassen, Investitionen in ihre Gewerbeimmobilie zu tätigen, um dem äußeren Eindruck einer
verfallenden Industriebrache entgegenzuwirken. Die Nichtsanierung und der ruinöse Gesamteindruck des
Anwesens sowie die Hinnahme des sukzessiven Verfalls der auf dem Anwesen befindlichen Gebäude
stellen die unmittelbare Ursache der Rohertragsminderung dar und beruhen auf der unternehmerischen
Entscheidung der Klägerin. Sie fallen damit allein in ihren Risikobereich und stehen einem Erlass
entgegen (vgl. zu den vorstehenden Kriterien: BVerwG, Urteil vom 15. April 1983, a.a.O.; VGH Bayern,
Urteil vom 28. November 1994 – 4 B 93.2525, juris und VG Dresden, Urteil vom 20. Juli 2010 – 2 K 34/08,
juris). Die Klägerin hat hierzu zwar vorgetragen, dass sie mit Investitionen habe zuwarten wollen, bis ein
ernsthafter Interessent auf sie zugekommen wäre. Damit räumt sie aber zugleich ein, dass sie es auch im
hier streitigen Erlasszeitraum unterlassen hat, ihr Grundstück in angemessenem Umfang zu sanieren.
Zugleich hat sie damit bedeutet, dass ihr das Aufbringen der für solche Investitionen erforderlichen
finanziellen Mittel nicht unzumutbar war. Liegt damit die Ertraglosigkeit des Grundstücks im persönlichen
Einflussbereich der Klägerin, so kannte sie die Mängel der Infrastruktur ihres Grundstückes und hätte dem
durch geeignete Maßnahmen (auch in den Veranlagungsjahren) entgegenwirken können (OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2006, a.a.O.).
Ein Vertretenmüssen der Nichtvermietbarkeit beruht allerdings unabhängig hiervon auch auf dem
Umstand, dass die Klägerin zwar bis zum Jahr 2002 Zeitungsinserate für ihr Anwesen aufgegeben, jedoch
in den hier maßgeblichen Jahren 2007 und 2008 keine Inserierungsbemühungen mehr unternommen hat
und im Termin zur mündlichen Verhandlung auch bestätigen ließ, dass eine Inserierung in diesem
Zeitraum in überregionalen Zeitungen nicht mehr erfolgte. Ein Vertretenmüssen im Rechtssinne scheidet
jedoch nur dann aus, wenn das Objekt nicht nur im Internet, sondern auch in regionalen und
überregionalen Zeitungen sowie gegebenenfalls in regionalen Werbezeitungen angeboten wird, um zu
gewährleisten, dass es einem möglichst breiten Interessentenkreis bekannt wird. Sofern der Eigentümer
diese in der Regel zumutbaren Anstrengungen unterlassen hat, hat er die Rohertragsminderung zu
vertreten (VG Dresden, Urteil vom 25. Januar 2011 – 2 K1860/09, juris und VG Oldenburg, Urteil vom
16. Dezember 2010 – 2 A 1149/10, juris). Zwar kommt dem Internet auch für den Wohnungsmarkt eine
immer größere Bedeutung zu. Dennoch steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine Inserierung in
den Jahren 2007 und 2008 grundsätzlich ein geeignetes und zumutbares Instrument war, um eine
Vermietung des Objekts zu erreichen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als durch eine Nutzung
beider Medien ein größerer, weil voneinander abweichender Interessentenkreis erschlossen worden
wäre. Je schwieriger ein Objekt zu vermieten ist – dies gilt auch für das Grundstück der Klägerin mit seiner
besonderen baulichen Ausstattung – desto intensiver und nachhaltiger müssen die
Vermietungsbemühungen sein, um Aussicht auf eine Vermietung zu haben. Es war der Klägerin daher
zuzumuten, neben Internetauftritten und dem Einschalten von Maklern etc. jedenfalls in regelmäßigen
Abständen auch Annoncen in den einschlägigen Tages- und Werbezeitungen zu schalten (vgl. hierzu VG
Dresden, Urteil vom 25. Januar 2011, a.a.O. und VG Oldenburg, Urteil vom 16. Dezember 2010, a.a.O.).
Selbst wenn neben den beschriebenen Vermietungsbemühungen noch Hinweise auf Kauf- oder
Mietmöglichkeiten am Objekt selbst angebracht sind, entbindet dies den Steuerschuldner nicht von seiner
Verpflichtung, gegebenenfalls auch in Zeitungen zu inserieren (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom
16. Dezember 2010, a.a.O.).
Die Kammer schließt sich daher der Auffassung des VGH Bayern (Beschluss vom 18. Januar 2010
– 4 ZB 09.1962, juris) an, wonach das Schalten von Vermietungsinseraten grundsätzlich ein geeignetes
und zumutbares Instrument ist, um die Vermietung eines Objekts zu erreichen. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob die Klägerin in früheren Jahren ihr Anwesen hinreichend inseriert hatte. Denn maßgeblich
für die rechtliche Beurteilung des Vertretenmüssen sind hier die Jahre 2007 und 2008. In diesen Jahren
ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin nicht regelmäßig über das Kalenderjahr verteilt
inseriert hat. Der mangelnde Erfolg von Zeitungsinseraten in früheren Jahren rechtfertigt nicht den
Verzicht auf regelmäßige Inserate in den streitgegenständlichen Jahren. Denn der Interessentenkreis
bleibt im Zeitablauf nicht gleich. Der Mietmarkt unterliegt ständigen Veränderungen, was sowohl den Kreis
potentieller Interessenten, aktuelle Angebote anderer Vermieter, als auch den marktüblichen Mietzins
betrifft, der für die Vermietbarkeit eines Objekts von wesentlicher Bedeutung ist (VGH Bayern, Beschluss
vom 18. Januar 2010, a.a.O.).
Hat die Klägerin die Minderung des normalen Rohertrags somit zu vertreten, so bedarf es im vorliegenden
Verfahren keiner Entscheidung mehr darüber, ob ein Grundsteuererlass auch an der Bestimmung des
§ 33 Abs. 5 GrStG scheitert, wonach eine Ertragsminderung kein Erlassgrund ist, wenn sie für den
Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann oder bei rechtzeitiger
Stellung des Antrags auf Fortschreibung hätte berücksichtigt werden können. Soweit sich die Klägerin zur
Begründung ihres Antrags auf Grundsteuererlass im Wesentlichen auf die einschränkenden Festlegungen
des Bebauungsplanes „Naulott-Guckinsland“ beruft, so wären von diesen Festlegungen ausgehende
Nutzungseinschränkungen wohl als Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im
Fortschreibungsverfahren gemäß § 22 BewG (vgl. beiläufig hierzu BFH, Urteil vom 30. Juni 2010
– II R 12/09, juris und OVG Sachsen, Urteil vom 23. Dezember 2009 – 5 B 449/06, juris) zu
berücksichtigen. Hingegen wären Änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen
der Hauptfeststellung gemäß § 21 BewG geltend zu machen. Dass der Gesetzgeber seit geraumer Zeit
keine Hauptfeststellung mehr veranlasst hat, berührt insoweit nicht die Systematik des
Grundsteuererlasses, sondern begründete gegebenenfalls die Anfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (vgl.
BVerwG, Urteil vom 4. April 2001 – 11 C 12/00; juris). Dies gilt umso mehr, als der Bundesfinanzhof (Urteil
vom 30. Juni 2010, a.a.O.) den Gesetzgeber faktisch zur Durchführung der Hauptfeststellung nach dem
Stichtag 1. Januar 2007 verpflichtet hat, indem er darauf hingewiesen hat, dass das weitere Unterbleiben
einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr vereinbar ist. Nur der Vollständigkeit halber sei hier
noch angemerkt, dass die Subsidiaritätsklausel des § 33 Abs. 5 GrStG, wonach bewertungsrechtliche
Steuerungsmöglichkeiten den Grundsteuererlass ausschließen, sich nicht umkehren lässt und folglich
nicht den Gegenschluss des Inhalts erlaubt, dass Ertragseinbußen, wenn und soweit diese im
Bewertungsrecht ohne Berücksichtigung bleiben, stets zu einem Grundsteuererlass führen müssen (OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Januar 2006, a.a.O.).
Zur Begründung ihres Erlassbegehrens kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf § 227
Abgabenordnung (AO) berufen.
Zwar ist § 227 AO neben § 33 GrStG a.F. anwendbar (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Juni 2010
– 6 A 10376/10, juris; Beschluss vom 27. April 2006 – 6 B 10215/06, juris und Urteil vom 24. Januar 2006,
a.a.O.). Anhaltspunkte für eine persönliche Unbilligkeit im Rechtssinne bietet das vorliegende Verfahren
jedoch nicht. Auch eine sachliche Unbilligkeit kommt im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht, zumal
die Versagung des Teilerlasses zu keinem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führt. Geht man mit
dem OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24. Januar 2006, a.a.O.) davon aus, dass § 33 GrStG a.F.
hinsichtlich der sachlichen Unbilligkeit eine Spezialregelung darstellt, so bleibt für die Anwendbarkeit des
§ 227 AO ohnehin kein Raum.
(2.)
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Teilerlass der Grundsteuer für das Jahr 2008 auf der
Grundlage des § 33 GrStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I 2794).
Die aktuelle Fassung des Gesetzes gilt erstmals für die Grundsteuer des Kalenderjahres 2008 (§ 38
GrStG).
An der verfassungskonformen Anwendbarkeit des § 33 GrStG auf den Erlasszeitraum 2008 bestehen
jedenfalls dann keine Bedenken, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Erlassantrag für das Jahr
2008, im Einklang mit § 34 Abs. 2 GrStG, erst nach Ablauf des Kalenderjahres im ersten Quartal des
Jahres 2009 gestellt worden ist (vgl. hierzu FG Bremen, Urteil vom 9. Juni 2010 – 3 K 57/09, juris).
Der Grundsteuererlass nach § 33 GrStG scheitert auch für das Jahr 2008 an dem Vertretenmüssen der
Rohertragsminderung durch die Klägerin. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Jahr
2007 verwiesen werden.
Auch für das Jahr 2008 scheitert ein Billigkeitserlass gemäß § 227 AO aus den zum Jahr 2007 genannten
Gründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff.
ZPO.
Rechtsmittelbelehrung…
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.728,44 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
gez. Faber-Kleinknecht
gez. Jahn-Riehl
gez. Scheurer