Urteil des VG Neustadt vom 24.02.2011

VG Neustadt: wiedereinsetzung in den vorigen stand, zahlungsaufforderung, grundstück, zivilrechtlicher anspruch, gegenforderung, verwaltungsakt, mahnung, satzung, anfechtungsklage, aufrechnung

VG
Neustadt/Wstr.
24.02.2011
4 K 41/11.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 24.02.2011 - 4 K 41/11.NW
Erschließungsbeitragsrecht, Verwaltungsprozessrecht
Verkündet am: 24.02.2011
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn A,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Roland Gappa, Amselstraße 50, 66994 Dahn,
gegen
die Ortsgemeinde Vinningen, vertreten durch die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Pirmasens-
Land, Bahnhofstraße19, 66953 Pirmasens,
- Beklagte -
wegen Erschließungsbeitrags
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Februar 2011, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtliche Richterin Büroleiterin Stuckenberg-Hammann
ehrenamtlicher Richter Rentner Ungerer
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung eines Erschließungsbeitrags sowie eine
Zahlungsaufforderung durch die Beklagte.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Nr. ..., A-Straße … in der Gemarkung Vinningen, das im
Geltungsbereich des Bebauungsplans „B“ liegt. Für die erstmalige Herstellung der Verkehrsanlage „A-
Straße" war er mit Bescheid vom 4. September 2001 zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag in
Höhe von 9.627,63 EUR (damals 18.830 DM), zahlbar in drei Raten á 3.209,21 €, herangezogen worden.
Nach Angaben des Klägers hatte er diesen Bescheid nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2005 setzte die Beklagte für die erstmalige Herstellung der Verkehrsanlage „A-
Straße" gegenüber dem Kläger einen endgültigen Erschließungsbeitrag in Höhe von 9.697,93 € fest. Als
„voraussichtliche beitragsfähige Kosten der Maßnahmen“ gab die Beklagte einen Betrag von 379.545,22
€ an, abzüglich des Gemeindeanteils von 10 % ermittelte sie einen Anliegeranteil von 341.950,70 €. Als
beitragspflichtiges Grundstück nannte die Beklagte das Grundstück FlurNr. ... in der A-Straße …, die
beitragspflichtige Fläche setzte sie auf 538 m² fest. Den noch von dem Kläger zu zahlenden Restbetrag
bezifferte die Beklagte abzüglich „bereits angeforderter Vorausleistungen“ auf 70,30 €. Als
Fälligkeitsdatum war der 8. August 2005 angegeben. Nach Erhalt des Bescheids vom 4. Juli 2005 zahlte
der Kläger am 9. August 2005 den Betrag in Höhe von 70,30 € an die Beklagte.
Den zuvor mit Bescheid vom 4. September 2001 geforderten Betrag in Höhe von 9.627,63 € beglich der
Kläger in der Folgezeit nicht. Unter anderem aus dieser Forderung betrieb die Beklagte die
Zwangsvollstreckung in das Grundstück des Klägers vor dem Amtsgericht Pirmasens. Mit Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Oktober 2009 - 6 A 10648/09.OVG - wurde die
Beklagte verurteilt, den Vollstreckungsantrag zurückzunehmen. Zur Begründung führte das OVG u.a. aus,
es sei nicht nachgewiesen, dass der zugrundeliegende Vorausleistungsbescheid vom 4. September 2001
dem Kläger gegenüber bekannt gegeben geworden sei.
Mit Schreiben vom 19. November 2009 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Mahnung über einen
Betrag von insgesamt 14.762,51 €, in dem auch der Betrag von 9.627,63 € enthalten war. Gleichzeitig
setzte die Beklagte Säumniszuschläge von 5.088 €, Mahngebühren von 43,48 € und Auslagen von 3,40 €
fest. Am 24. November 2009 widersprach der Kläger dieser Forderung. Er teilte mit, dass ihm der
Bescheid vom 4. Juli 2005 noch nicht zugestellt sei und sich sein Widerspruch gleichzeitig gegen diesen
Bescheid richte.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2010 forderte die Beklagte den Kläger unter Ziffer 1 zur Zahlung des
Resterschließungsbeitrags in Höhe von 9.627,63 € bis zum 25. Juli 2010 auf. Unter Ziffer 2 hob die
Beklagte die Säumniszuschläge und Mahnkosten aus der Mahnung vom 19. November 2009 auf und half
dem Widerspruch insoweit ab. Die Kosten der teilweisen Abhilfe übernahm die Beklagte.
Gegen den Bescheid vom 22. Juni 2010 Iegte der Kläger am 25. Juni 2010 Widerspruch ein. Zur
Begründung führte er aus, mit diesem Bescheid habe die Beklagte den Festsetzungsbescheid vom 4. Juli
2005 aufgehoben. Der Zahlungsanspruch sei verjährt. Die damaligen Erschließungsarbeiten seien seines
Wissens nach schon 2001 erfolgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2010, dem Kläger zugestellt am 7. Januar 2011, wies der
Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz den Widerspruch des Klägers mit der
Begründung zurück, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Juli 2005 sei unzulässig, da dieser
bestandskräftig sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Soweit der
Kläger die Mahnung vom 19. November 2009 angefochten habe, sei das Widerspruchsverfahren erledigt
und werde eingestellt, nachdem der einzig anfechtbare Inhalt, nämlich die Säumniszuschläge, Gebühren
und Auslagen durch Ziffer 2 des Bescheids vom 22. Juni 2010 vollumfänglich aufgehoben worden sei.
Soweit Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010 betroffen sei, sei der Widerspruch unbegründet. Dieser
Bescheid habe nicht die Aufhebung des Festsetzungsbescheids vom 4. Juli 2005 zum Inhalt, sondern
allein eine Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung zum 25. Juli 2010. Die Zahlungsaufforderung regle
als eigenständig anfechtbarer Verwaltungsakt, wo, wann und wie die ausgewiesene Gebühr zu entrichten
sei. Sie sei damit unabhängig von der Festsetzung als solcher, die weiterhin bestandskräftig bleibe. Die
Festsetzung des Erschließungsbeitrags sei mit Bescheid vom 4. Juli 2005 auch in Höhe von 9.697,93 €
erfolgt und nicht etwa nur in Höhe von 70,30 €. Dies gehe aus dem Wortlaut des Bescheids eindeutig
hervor. Der im Bescheid angeforderte Betrag von 70,30 € stelle hingegen lediglich die nach Verrechnung
mit den Vorausleistungen errechnete Forderung dar. Nachdem mit Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom
27. Oktober 2009 jedoch festgestellt worden sei, dass es an einem wirksamen Zugang des
Vorausleistungsbescheids gemangelt habe, sei die Verrechnung mit den Vorausleistungen ins Leere
gegangen. Deshalb sei der Kläger mit dem Bescheid vom 22. Juni 2010 zur Zahlung des Restbetrages
aufgefordert worden. Die Zahlungsaufforderung sei auch nicht etwa aufgrund eingetretener Verjährung
rechtswidrig. Nach § 3 Abs. 1 KAG i.V.m. § 228 AO betrage die Verjährungsfrist der Zahlungsverjährung
fünf Jahre. Die Frist beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig geworden sei, so
dass eine Verjährung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2010 eingetreten sei.
Hiergegen hat der Kläger am 17. Januar 2011 Klage erhoben. Er führt aus, der Bescheid vom 4. Juli 2005
sei extrem missverständlich und unglücklich, was die Beklagte zu vertreten habe. Er sei davon
ausgegangen, dass er nur noch einen Betrag in Höhe von 70,30 € zu zahlen habe. Hätte er davon
ausgehen müssen, dass er insgesamt 9.697,93 € zu zahlen habe, hätte er mit Sicherheit Widerspruch
gegen diesen Bescheid eingelegt. Es sei rechtsmissbräuchlich, ihm nunmehr die Möglichkeit der
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verwehren. Ferner erhebe er ausdrücklich die
Verjährungseinrede. Schließlich rechne er hilfsweise mit einer Gegenforderung auf, die daraus resultiere,
dass er einen vor dem Landgericht Zweibrücken geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch gegen die
Beklagte auf Entfernung des von ihr auf seinem Grundstück aufgeschütteten und verunreinigten
Oberbodens habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2005 und die Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010 jeweils in
Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz
vom 9. Dezember 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Nachdem die Klage ursprünglich gegen die Verbandsgemeinde Pirmasens-Land, vertreten durch ihren
Bürgermeister, gerichtet war, hat der Kläger mit Zustimmung der bisherigen Beklagten die Klage
umgestellt; Beklagter ist nunmehr die Ortsgemeinde Vinningen, vertreten durch den Bürgermeister der
Verbandsgemeinde Pirmasens-Land.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die
Gerichtsakte 4 K 1127/08.NW und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2011.
Entscheidungsgründe
Die im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) verfolgten Klagen des Klägers gegen den
Bescheid vom 4. Juli 2005 (I.) als auch gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010 (II.) bleiben
erfolglos.
I.
unzulässig.
1.
denn die Verbandsgemeinde Pirmasens-Land, vertreten durch ihren Bürgermeister, hat ihr zugestimmt.
Der Beteiligtenwechsel ist im Übrigen auch sachdienlich: Der Streitstoff wird nicht verändert und die
endgültige Beilegung des Streites wird gefördert, da die nunmehr beklagte Ortsgemeinde Vinningen im
Gegensatz zu der bisherigen Beklagten im Hinblick auf das Begehren des Klägers auch passiv legitimiert
ist.
Dies folgt aus den Besonderheiten der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung - GemO - und hier
insbesondere aus der Zuständigkeit der Verbandsgemeindeverwaltung, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1
GemO die Verwaltungsgeschäfte der Ortsgemeinden in deren Namen und in deren Auftrag führt. Zu
diesen Verwaltungsgeschäften gehören nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 1 GemO Nummern 1 und 4
auch die Verwaltung der gemeindlichen Abgaben sowie die grundsätzliche Vertretung in gerichtlichen
Verfahren. Folglich war die Verbandsgemeindeverwaltung Pirmasens-Land nicht nur berechtigt, sondern
auch verpflichtet, namens und im Auftrag der Ortsgemeinde Vinningen den streitgegenständlichen
Erschließungsbeitragsbescheid zu erlassen. Es erschließt sich mit hinreichender Bestimmtheit aus dem
Inhalt des Bescheids vom 4. Juli 2005, dass die Verbandsgemeindeverwaltung Pirmasens-Land bei
Erlass des Bescheids in dieser Funktion gehandelt hat. Zwar fehlt darin ein entsprechender
ausdrücklicher Hinweis, dass die Verbandsgemeindeverwaltung dabei namens und im Auftrag der
Ortsgemeinde Vinningen tätig geworden ist. Dies ergibt sich aber mit ausreichender Klarheit aus der
Angabe der „Verbandsgemeindeverwaltung“ als der erlassenden Behörde. Daraus ist zu erkennen, dass
gerade nicht die „Verbandsgemeinde“ als eigenständige Gebietskörperschaft im Sinne der §§ 64 – 67
GemO, sondern die für die Ortsgemeinden nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GemO zuständige
Verwaltungsbehörde tätig geworden ist. Gegenstand des Bescheids vom 4. Juli 2005 ist ferner die
Erhebung von Beiträgen „für die erstmalige Herstellung der Verkehrsanlage A-Straße in der Ortsgemeinde
Vinningen“. Schließlich ist der Bescheid aufgrund der „Satzung der Ortsgemeinde Vinningen vom 7.
Februar 1994 über die Erhebung von Beiträgen für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen“
ergangen. Es ist somit hinreichend deutlich, dass es sich um einen der Ortsgemeinde Vinningen als
Rechtsträgerin zuzuordnenden Bescheid handelt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.
November 2001 - 6 B 11542/01.OVG -; VG Trier, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 L 1220/01.TR -).
2.
statthaft. Dieser Beitragsbescheid ist als ein aus zwei selbstständigen Verwaltungsakten
zusammengesetzter Bescheid mit entsprechend unterschiedlichen Regelungsgegenständen ausgestaltet.
Er enthält zum einen die endgültige Festsetzung des Erschließungsbeitrags gegenüber dem Kläger für
das beitragspflichtige Grundstück A-Straße … in der Ortsgemeinde Vinningen in Höhe von 9.697,93 € und
zum anderen eine Zahlungsaufforderung über einen Betrag in Höhe von 70,30 €. Die Festsetzung des
Erschließungsbeitrags bildet den Rechtsgrund für die geforderte Leistung; mit ihr wird der
Beitragsanspruch, der gemäß § 133 Abs. 2 BauGB mit der Verwirklichung bestimmter rechtsrelevanter
Vorgänge kraft Gesetzes entsteht, realisiert und zu einer bestimmten zahlenmäßig fixierten Geldsumme
konkretisiert (Ernst in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand 2010, § 134 Rdnr. 11). Die
Zahlungsaufforderung regelt daneben als eigenständiger anfechtbarer Verwaltungsakt, wo, wann und wie
der ausgewiesene Beitrag zu entrichten ist (vgl. BVerwG, NVwZ 1984, 168; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 09. Dezember 1993 - 1 A 10303/93.OVG -, ESOVG; OVG Thüringen, KStZ 2006, 78; VG Neustadt,
Urteil vom 14. Juni 2010 - 4 K 311/10.NW -, juris).
3.
jedoch bestandskräftig geworden, da der Kläger dagegen nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1
VwGO Widerspruch eingelegt hat. Der Kläger hat eingeräumt, den Bescheid vom 4. Juli 2005 seinerzeit
erhalten zu haben, was im Übrigen auch dadurch belegt ist, dass er am 9. August 2005 den im Bescheid
vom 4. Juli 2005 genannten „Rest“betrag in Höhe von 70,30 € an die Beklagte überwiesen hat.
Ausgehend von der über § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG anwendbaren Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO galt die
Bekanntgabe des Bescheids mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, also am 7. Juli
2005. Die einmonatige Widerspruchsfrist lief somit am Montag, dem 8. August 2005, ab. Widerspruch
gegen den Bescheid vom 4. Juli 2005 legte der Kläger aber erst am 24. November 2009 und damit
verspätet ein.
Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 Abs. 1
– 4 VwGO in die Widerspruchsfrist kommt nicht in Betracht. Dem steht schon die Vorschrift des § 60 Abs. 3
VwGO entgegen. Danach ist der Antrag unzulässig, wenn er erst nach einem Jahr seit dem Ende der
versäumten Frist gestellt worden ist, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer
Gewalt unmöglich war. Darunter ist ein Ereignis zu verstehen, das auch durch die größte, nach den
Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver
Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewehrt werden konnte (BVerwG, NVwZ
1998, 1292). Die Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO findet ferner keine Anwendung, wenn die Ursache
der Fristversäumung nicht in der Sphäre des Antragstellers, sondern in der Sphäre der Verwaltung liegt
(vgl. Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 60 Rdnr. 116). Diese Voraussetzungen liegen
hier indessen nicht vor.
Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 4. Juli 2005 enthält, wie bereits ausgeführt, die - zwingend
erforderliche - endgültige Festsetzung des Erschließungsbeitrags gegenüber dem Kläger für sein
beitragspflichtiges Grundstück in der A-Straße … in Vinningen in Höhe von 9.697,93 € und zwar an
exponierter Stelle auf Seite 1 des Bescheids. Daneben befindet sich in dem Bescheid ebenfalls auf Seite
1 eine Zahlungsaufforderung über den Betrag in Höhe von 70,30 €. Die Beklagte hat auf Seite 2 des
Bescheids mit hinreichender Deutlichkeit den noch zu zahlenden Restbetrag erläutert, indem sie die
Berechnung des Beitrags unter Ziffer 4 der Beitragsberechnung wie folgt angegeben hat:
„Berechnung Ihres Beitrages
Beitragspflichtige Fläche x Beitragssatz = Beitrag
538 m² x 18,02589 € = 9.697,93 €
abzüglich bereits angeforderte Vorausleistungen = 9.627,63 €
---------------------
RESTBEITRAG € = 70,30 €
Gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB, wonach
nicht der innere, sondern der erklärte Wille maßgebend ist, wie ihn der Empfänger bei objektiver
Würdigung verstehen konnte, konnte der Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2005 nicht als bloße
Zahlungsaufforderung in Höhe von 70,30 € verstanden werden. Unabhängig davon, ob der
Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 4. September 2001 dem Kläger wirksam bekannt gegeben
worden war - wovon das OVG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 27. Oktober 2009 nicht ausgegangen
ist -, musste dem Kläger beim Lesen des Bescheids auffallen, dass der Bescheid auch die Festsetzung
des endgültig zu zahlenden Erschließungsbeitrags enthielt und die Beklagte für die Erschließung des
Grundstücks in der A-Straße … in Vinningen nur deshalb nur noch ein „Rest“betrag in Höhe von 70,30 €
verlangte, weil sie davon ausging, zuvor Vorausleistungen in Höhe von 9.627,93 € angefordert zu haben.
Der auf Seite 2 des Bescheids ausgewiesene Betrag von 9.627,63 € hatte rein informatorischen
Charakter, während hinsichtlich der Festsetzung des endgültigen Beitrags von 9.697,93 € auf Seite 1 des
Bescheids sowie der Anforderung des Restbeitrag von 70,30 € ersichtlich Rechtsfolgen geknüpft werden
sollten. Es kann daher entgegen der Auffassung des Klägers keine Rede davon sein, dass der Bescheid
vom 4. Juli 2005 „extrem missverständlich“ gewesen sein soll. Es wäre an dem Kläger gewesen, sich
wegen der behaupteten Unkenntnis von dem Vorausleistungsbescheid vom 4. September 2001 oder
wegen sonstiger Unklarheiten hinsichtlich des Bescheids an die Beklagte zu wenden und um Aufklärung
zu bitten. Da er diesem Erfordernis nicht nachgekommen ist, lag die Ursache der Fristversäumung allein in
seiner Sphäre.
Ist der Bescheid vom 4. Juli 2005 aber bestandskräftig geworden, so braucht sich die Kammer nicht mehr
mit der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2011 aufgeworfenen Frage
auseinander setzen, ob der Bescheid u.a. deshalb rechtswidrig ist, weil er auf Seite 2 nur von den
„voraussichtlich beitragsfähigen Kosten der Maßnahme“ spricht.
II.
unbegründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, da, wie oben ausgeführt, die
Zahlungsaufforderung ein eigenständiger anfechtbarer Verwaltungsakt ist. Auch die sonstigen
Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.
2. Die Klage ist in der Sache aber unbegründet. Die Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte war berechtigt, den Kläger in der Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010 zur Zahlung des
Beitrags in Höhe von 9.627,93 € aufzufordern. Der Kläger ist gemäß § 134 Abs. 1 BauGB beitragspflichtig.
Zwar hatte die Beklagte ihm gegenüber bereits im Jahre 2001 einen Vorausleistungsbescheid in dieser
Höhe erlassen. Mangels Nachweis des Zugangs dieses Bescheids und fehlender Erfüllungswirkung
durch Zahlung des Klägers war dieser Zahlungsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom
22. Juni 2010 jedoch noch nicht erloschen. Die auf der Grundlage der §§ 127 BauGB i.V.m. der Satzung
der Ortsgemeinde Vinningen vom 7. Februar 1994 über die Erhebung von Beiträgen für die erstmalige
Herstellung von Erschließungsanlagen erfolgte Festsetzung des Erschließungsbeitrags für das
Grundstück A-Straße … in Vinningen war mit Bescheid vom 4. Juli 2005, auf den die Beklagte in der
Zahlungsaufforderung vom 22. Juni 2010 ausdrücklich Bezug nahm, in Höhe von 9.697,93 € erfolgt. Da
der Kläger am 9. August 2005 einen Betrag von 70,30 € auf die Schuld gezahlt hatte, war in dieser Höhe
Erfüllung eingetreten. Folglich ergab sich noch ein Betrag von 9.627,93 €. Ob dieser Betrag von der
Beklagten zu Recht angefordert wird, bedarf angesichts der Bestandskraft des Bescheids vom 4. Juli 2005
hier keiner Prüfung. Die Monatsfrist des § 135 Abs. 1 BauGB hat die Beklagte eingehalten.
Die Zahlungsaufforderung ist auch nicht etwa aufgrund eingetretener Verjährung rechtswidrig. Nach § 228
AO, der über § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG Anwendung findet, beträgt die Verjährungsfrist der Zahlungsverjährung
fünf Jahre. Die Frist beginnt nach § 229 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig
geworden ist, so dass eine Verjährung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2010 eintreten konnte.
Soweit der Kläger schließlich hilfsweise mit einer Gegenforderung aufgerechnet hat, die aus einem vor
dem Landgericht Zweibrücken geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte auf
Entfernung des von ihr auf seinem Grundstück aufgeschütteten und verunreinigten Oberbodens resultiert,
kann er damit aus mehreren Gründen nicht durchdringen. Zum einen kann gemäß § 226 Abs. 3 AO, der
über § 3 Abs. 1 Nr. 5 KAG anzuwenden ist, der Beitragspflichtige gegen Ansprüche aus dem
Beitragsverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.
Da der Kläger seine Forderung im Dezember 2010 vor dem Landgericht Zweibrücken geltend gemacht
hat, liegt weder eine unbestrittene noch eine rechtskräftig festgestellte Gegenforderung vor. Ungeachtet
dessen fehlt es für eine wirksame Aufrechnung an der nach § 387 BGB erforderlichen Gleichartigkeit der
Forderungen, denn dem Zahlungsanspruch der Beklagten steht ein zivilrechtlicher Anspruch des Klägers
aus § 1004 BGB gegenüber. Zuletzt sind auch nicht die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GVG gegeben,
wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden
rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung
ist nach zutreffender Ansicht kein „rechtlicher Gesichtspunkt“ im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG,
sondern ein selbstständiges Gegenrecht, das dem durch die Klage bestimmten Streitgegenstand einen
weiteren selbstständigen Gegenstand hinzufügt (vgl. z.B. BFH, NJW 2002, 3126; OVG Niedersachsen,
NVwZ 2004, 1513).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vom Kläger begehrte Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz2 VwGO scheidet aus, da er die Kosten des
Verfahrens zu tragen hat.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung …
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 19.325,56 € (9.697, 93 € in Bezug auf
den Bescheid vom 4. Juli 2005; 9.627, 63 € in Bezug auf die Ziffer 1 des Bescheids vom 22. Juni 2010).
Rechtsmittelbelehrung …
gez. Butzinger
gez. Kintz
gez. Bender