Urteil des VG Neustadt vom 01.07.2010

VG Neustadt: widerspruchsverfahren, rücknahme, einstellung des verfahrens, hauptsache, schutzwürdiges interesse, auflage, verwaltungsakt, umdeutung, anfechtungsklage, behörde

VG
Neustadt/Wstr.
01.07.2010
4 K 446/10.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 01.07.2010 - 4 K 446/10.NW
Verwaltungsprozessrecht, Verwaltungsverfahrensrecht
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn A.,
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Raab, Schneider, Emrich-Ventulett, Burgstraße 39, 67659
Kaiserslautern,
gegen
den Donnersbergkreis, vertreten durch den Landrat, Uhlandstraße 2, 67292 Kirchheimbolanden,
- Beklagter -
wegen Abfallentsorgungsgebühren
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom
1. Juli 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtlicher Richter Industriemeister i.R. Hilzensauer
ehrenamtlicher Richterin Hausfrau Hoffmann
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Widerspruchbescheids aufgrund fehlender
Sachentscheidungsbefugnis infolge seiner Erledigungserklärung im Widerspruchsverfahren.
Der Kläger betreibt seit Juni 2007 in A-Dorf zusammen mit seiner Ehefrau das Gewerbe „Ferien- und
Gästehaus“, in dessen Rahmen er Ferienwohnungen ganzjährig vermietet. Mit Bescheid vom 01. Februar
2010 zog ihn der Beklagte zum Jahresbeitrag für Kleingewerbemüll in Höhe von 52,20 € heran. Dagegen
legte der Kläger am 08. Februar 2010 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf frühere
Schreiben. Vorangehend hatte der Kläger auch gegen den Gebührenbescheid vom 29. Januar 2009 für
das Jahr 2009 Widerspruch eingelegt und geltend gemacht, nicht gewerbliche Vermieter von
Ferienunterkünften müssten keine zusätzlichen Müllgebühren entrichten. Darin liege eine
Ungleichbehandlung und führe bei der nicht gewerblichen Konkurrenz zu einem Gewinnvorteil. Zudem
benötige er keine zusätzliche Hausmülltonne. Das Widerspruchsverfahren aus dem Jahre 2009
veranlasste den Beklagten, seine Gebührenregelung zu überdenken und dahingehend zu ändern, dass
seit Januar 2010 alle dem Beklagten bekannten Ferienwohnungsanbieter gebührenrechtlich
herangezogen werden. Eine Ausnahme wird nur in den Fällen zugelassen, bei denen aufgrund einer
geringfügigen Gewinnerzielung von einer gewerblichen Tätigkeit nicht ausgegangen werden kann. Im
Anschluss an diese Änderung hob der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den vom Kläger
angefochtenen Gebührenbescheid vom 29. Januar 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar
2010 wegen Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Vermietern von Ferienunterkünften auf. Durch
„Änderungsbescheid“ vom 08. März 2010 wurden die vom Kläger bereits 2009 beglichenen
Abfallgebühren von 26,10 € mit dem 1. Zahlungstermin der Abfallgebühr 2010 verrechnet, so dass eine
Restgebühr von 26,10 € fällig am 15. September 2010 verbleibt.
Den Widerspruch vom 08. Februar 2010 gegen den Gebührenbescheid vom 01. Februar 2010 für das
Jahr 2010 leitete die Fachabteilung des Beklagten an den Kreisrechtsausschuss weiter. Dieser setzte mit
Schreiben vom 05. März 2010 einen Termin für die mündliche Verhandlung auf den 23. März 2010 fest,
und wies darauf hin, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden
werden könne. Unter Bezugnahme auf die Ladung antwortete der Kläger mit Schreiben vom 09. März
2010 gegenüber dem Kreisrechtsausschuss, der Widerspruch vom 08. Februar 2010 sei einer von
mehreren aufgrund der ausbleibenden Entscheidung ihres (seiner Frau und seines) ersten Widerspruchs
gegen den Gebührenbescheid vom 29. Januar 2009 gewesen. Mit der Widerspruchsbescheidung vom 26.
Februar 2010 sei diese Sache nunmehr für sie erledigt. Der Bescheid vom 08. Februar 2010 sei durch die
Kreisverwaltung selbst durch den Bescheid am 08. März 2010 aufgehoben worden, wodurch ihrem
Widerspruch automatisch entsprochen worden sei. Sie sähen von daher keine Veranlassung, der Ladung
zu folgen.
Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten wies nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.
März 2010, zu der weder der Kläger noch ein Vertreter der Fachabteilung des Beklagten erschien, den
Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 01. Februar 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 06.
April 2010 zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, dass sich aus §§ 13 Abs. 1 Satz
2 Krw-/AbfG i.V.m. 3 Abs. 1, Abs. 2, 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 der Abfallsatzung des Donnersbergkreises eine
Gebührenpflicht ergebe. Der Gesichtspunkt der Ungleichbehandlung trage nicht, da seit Januar 2010 alle
der Beklagten bekannten Ferienwohnungsanbieter gebührenrechtlich herangezogen würden.
Der Kläger hat gegen den Widerspruchbescheid vom 06. April 2010 am 04. Mai 2010 Klage erhoben. Er
ist der Ansicht, dass der Widerspruchsbescheid aus formalen Gründen aufzuheben sei, da der
Kreisrechtsausschuss wegen der Erledigungserklärung nicht mehr in der Sache hätte entscheiden dürfen.
Vielmehr hätte der Kreisrechtsausschuss nur noch eine Kostenentscheidung treffen dürfen. Da die
Ausgangsbehörde im Parallelverfahren für das Jahr 2009 das Gleichheitsgebot nun eingehalten habe, sei
die weitere Durchführung des Widerspruchverfahrens sinnlos geworden. Selbst wenn man objektiv eine
Erledigung nicht annähme, hätte seine, des Klägers, Erklärung als juristischer Laie in eine Rücknahme
des Widerspruchs umgedeutet werden müssen. Denn in seinem Schreiben vom 09. März 2010 sei
deutlich geworden, dass er kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens gehabt
habe.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 06. April 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Kreisrechtsausschuss zu Recht in der Sache entschieden habe, da durch den
Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 keine Erledigung des Bescheids vom 01. Februar 2010
eingetreten sei. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 sei der Abfallgebührenbescheid
vom 29. Januar 2009 aufgehoben worden. Diese Aufhebung habe mit dem Verfahren bezüglich des
Bescheids vom 01. Februar 2010 nichts zu tun gehabt und habe daher eine Erledigung in diesem
Verfahren nicht bewirken können. Das Schreiben des Klägers vom 09. März 2010 habe der
Kreisrechtsausschuss folglich nicht als Erledigung für das vorliegende Verfahren verstehen können. Der
„neue Bescheid“ vom 08. März 2010 stelle lediglich eine Verrechnung der für 2009 aufgehobenen
Gebühren dar. Richtigerweise hätte der Kläger seinen Widerspruch zurücknehmen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der
Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht aufgrund des übereinstimmenden Verzichts der Beteiligten ohne
Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheiden konnte, ist zulässig
(I.), jedoch unbegründet (II.). Der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom
06. April 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dem Beklagten stand die Befugnis zu, eine Sachentscheidung im Rahmen des Widerspruchverfahrens zu
treffen, da die Erledigungserklärung des Klägers das Verfahren nicht beendet hat und nicht in eine
Widerspruchsrücknahme umgedeutet werden kann.
I.
Die Statthaftigkeit der Klage ergibt sich aus den §§ 42 Abs. 1, 79 Abs. 2 VwGO. Nach der zuerst
genannten Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Verwaltungsakt in
diesem Sinne ist auch der Widerspruchsbescheid. Dieser kann gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 VwGO alleiniger
Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen
Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt nach
Satz 2 dieser Vorschrift auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der
Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. Für die Zulässigkeit der Klage genügt dabei in
entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO die nicht gänzlich entfernt liegende Möglichkeit einer
Rechtsverletzung (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 79 Rdnr. 12). Eine zusätzliche Beschwer
durch Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift liegt hier möglicherweise darin, dass der
Kreisrechtsausschuss des Beklagten zu Unrecht eine Sachentscheidung getroffen hat anstatt das
Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Erledigungserklärung des Klägers vor Durchführung der
mündlichen Verhandlung einzustellen (vgl. Funke-Kaiser in: Bader u.a., VwGO, 4. Auflage 2007, § 73
Rdnr. 7; Brenner in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 79 Rdnr. 48 zu der umgekehrten
Konstellation der Einstellung des Widerspruchsverfahrens anstelle einer Sachentscheidung). Eine
dennoch erlassene Zurückweisung des Widerspruchs in der Sache kann den Kläger beschweren, da
durch eine Zurückweisung des Widerspruchs der Eindruck der Bestandskraft des erledigten Bescheides
erweckt wird (vgl. BVerwGE 81, 226; Bay. VGH, Beschluss vom 19. April 2007 - 11 ZB 06.2058 -, juris). Der
Kläger macht geltend, dass sich der Gebührenbescheid erledigt habe. Dies erscheint nicht von vorne
herein ausgeschlossen, was für die Zulässigkeit der Klage ausreichend ist.
II.
Beklagten vom 06. April 2010 ist rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers war das
Widerspruchsverfahren nicht einzustellen. Vielmehr war durch den Kreisrechtsausschuss des Beklagten
eine Entscheidung in der Sache zu erlassen, da das Widerspruchsverfahren nicht durch die
Erledigungserklärung des Klägers im Schreiben vom 09. März 2010 beendet wurde. Bei dieser handelte
es sich um eine einseitige Erledigungserklärung
(1.)
Verfahrenseinstellung, wenn die Hauptsache objektiv erledigt ist
(2.)
Die Erledigungserklärung des Klägers kann auch nicht in eine Rücknahme des Widerspruchs umgedeutet
werden
(4.)
1.
sei, ist als Erledigungserklärung und aufgrund fehlender Erklärung der Widerspruchsbehörde als
einseitige Erledigungserklärung auszulegen. Eine Erledigungserklärung liegt vor, wenn der Betreffende
unter Berufung auf ein angeblich erledigendes Ereignis zum Ausdruck bringt, dass er seinen Sachantrag
nicht mehr weiterverfolgen, sondern den Streit auf die Frage beschränken will, wer die Kosten des
Verfahrens tragen soll (vgl. Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 161 Rdnr. 37).
Danach hat der Kläger hier eine Erledigungserklärung abgegeben. Er hat in dem Schreiben vom 09. März
2010 unter Bezugnahme auf die für den 23. März 2010 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem
Kreisrechtsausschuss ausgeführt, mit der Widerspruchsbescheidung vom 26. Februar 2010 sei diese
Sache nunmehr für sie (seine Frau und ihn) erledigt. Der Bescheid vom 08. Februar 2010 sei durch die
Kreisverwaltung selbst durch den Bescheid am 08. März 2010 aufgehoben worden, wodurch ihrem
Widerspruch automatisch entsprochen worden sei. Sie sähen von daher keine Veranlassung, der Ladung
zu folgen. Dieses Schreiben ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger eine Entscheidung in der
Sache nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 26. Februar 2010, in dem der Kreisrechtsausschuss
seiner Argumentation betreffend die Ungleichbehandlung gefolgt ist, nicht mehr begehrte und den
Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 sowie den Änderungsbescheid vom 08. März 2010 als
erledigende Ereignisse ansah.
Die Erledigungserklärung des Klägers ist trotz fehlender Einlassung des Beklagten zur Frage der
Erledigung als einseitige, streitige mit ausschließlich verfahrensmäßigem Gehalt zu werten. Weder die
Fachabteilung des Beklagten noch der Kreisrechtsausschuss in seiner Widerspruchsentscheidung vom
06. April 2010 haben sich zu der Erledigungserklärung des Klägers im Schreiben vom 09. März 2010 und
zur Frage der Erledigung geäußert. Der Kreisrechtsausschuss hat sich in dem streitgegenständlichen
Widerspruchsbescheid ausschließlich damit auseinandergesetzt, ob die Festsetzung einer gesonderten
Abfallentsorgungsgebühr für das Jahr 2010 für den Gewerbebetrieb des Klägers in A-Dorf rechtmäßig war
oder nicht und damit eine Entscheidung in der Sache getroffen. Anders als bei § 161 Abs. 2 Satz 2
VwGO wird die Zustimmung der Behörde zur Erledigungserklärung nicht fingiert. Diese Vorschrift gilt nur
für den Verwaltungsprozess und ist mangels Regelungslücke - die §§ 19 AGVwGO und 15 LGebG
enthalten insoweit eine abschließende Regelung - nicht entsprechend heranzuziehen. Die Erledigung
muss im Widerspruchsverfahren daher vom Widerspruchsführer und der Behörde ausdrücklich erklärt
werden (s. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 73 Rdnr. 2; Engelbrecht, JuS 1997, 500, 501).
2.
Widerspruchsverfahrens geführt; der Kreisrechtsausschuss des Beklagten war daher nicht verpflichtet, das
Verfahren einzustellen.
Das Widerspruchsverfahren wird zum einen eingestellt, wenn der Widerspruchsführer und die Behörde
die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 69 Rdnr. 16; Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften
in der Verwaltung, Stand März 2010, § 20 Rdnr. 172) und zwar unabhängig davon, ob sich die
Hauptsache tatsächlich erledigt hat (Engelbrecht, JuS 1997, 500). Eine übereinstimmende
Erledigungserklärung liegt, wie dargestellt, hier jedoch nicht vor.
Die einseitige Erledigungserklärung des Widerspruchsführers führt zum anderen dann zur zwingenden
objektiv erledigt
tatsächlicher Erledigung ist die Erledigungserklärung des Widerspruchsführers nicht erforderlich; Linhart,
a.a.O., § 20 Rdnr. 171; Westermeier, Die Erledigung der Hauptsache im Deutschen Verfahrensrecht,
2005, Seite 66: das erledigende Ereignis ist von Amts wegen zu beachten). Dem Widerspruch kommt wie
einer Anfechtungsklage Rechtsschutzfunktion zu, so dass die Dispositionsmaxime grundsätzlich auch im
Widerspruchsverfahren Anwendung findet, mit der Folge, dass es durch Rücknahme,
Erledigungserklärung, Verzicht oder Vergleich beendet werden kann (vgl. Dolde/Porsch in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 69 Rdnr. 7 ff.). Erledigt sich das Widerspruchsbegehren vor
Erlass des Widerspruchsbescheids, so ist das Verfahren einzustellen, da der Zweck des
Widerspruchverfahrens, Rechtsschutz des Bürgers und Selbstkontrolle der Verwaltung zu gewährleisten,
nicht mehr erfüllt werden kann (Hüttenbrinkin: Posser/Wolff, VwGO, Beck’scher Online-Kommentar, Stand
01. April 2010, § 73 Rdnr. 12). Eine Zurückweisung des Widerspruchs darf nicht mehr ergehen, da
ansonsten der Eindruck erweckt würde, der erledigte Verwaltungsakt sei bestandskräftig (vgl. BVerwG,
BVerwGE 81, 226 und NVwZ 2001, 1288; Geis in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 69 Rdnr. 94).
Dagegen ist stets durch Widerspruchsbescheid zu entscheiden, wenn - wie hier - einer der Beteiligten den
Eintritt eines erledigenden Ereignisses bestreitet und objektiv keine Erledigung vorliegt (vgl. Redeker/von
Oertzen, VwGO, 13. Auflage 2000, § 73 Rdnr. 16; Hüttenbrinkin: Posser/Wolff, VwGO, a.a.O., § 73 Rdnr.
12; Allesch, Die Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze auf das Widerspruchsverfahren nach
der VwGO, 1984, Seite 287). Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Widerspruchsführer eine
Widerspruchsentscheidung in der Sache begehrt, obwohl die Hauptsache erledigt ist (vgl. BVerwG, DVBl
1970, 215) als auch für den hier zu entscheidenden Fall, dass der Widerspruchsführer von einer
Erledigung ausgeht, die Behörde dies aber verneint.
Zwar wird in der Literatur (s. Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorenexamen im öffentlichen Recht, 11.
Auflage 2005, § 42 Rdnr. 33; wohl auch Kallerhoff in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwGO, 7. Auflage 2008, § 80
Rdnr. 53) teilweise die Ansicht vertreten, dass eine streitige Erledigungsentscheidung im
Widerspruchsverfahren von vornherein ausscheide. Dies wird damit begründet, die Ausgangsbehörde sei
nicht „Partei“ und die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand stehe allein dem
Widerspruchsführer zu, er also nicht durch Verweigerung der Zustimmung zur Erledigung am „Aussteigen“
aus dem nicht kontradiktorischen Widerspruchsverfahren gehindert werden könne. Ob tatsächlich eine
Erledigung eingetreten sei, könne allenfalls in einer eventuellen Kostenentscheidung von Bedeutung
sein.
Die Kammer teilt diese Auffassung jedoch nicht. Aus dem fehlenden kontradiktorischen Charakter des
Vorverfahrens kann nicht geschlossen werden, dass es eine streitige Erledigung nicht gibt (vgl. Huxholl,
Die Erledigung eines Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren, 1995, S. 240 ff.). Das
Widerspruchsverfahren dient auch der Selbstkontrolle der Verwaltung und damit öffentlichen Interessen.
Dass eine Erledigung tatsächlich eingetreten ist, muss objektiv beurteilt werden (Hüttenbrink in:
Posser/Wolff, VwGO, a.a.O., § 73 Rdnr. 12), da nur auf diesem Weg Klarheit über den Fortbestand des
Ausgangsbescheids geschaffen werden kann und eine hinreichende Abgrenzung zur
Widerspruchsrücknahme möglich ist. Im Falle einer unzutreffenden Erledigungserklärung könnte die
Verwaltung aus vermeintlich erledigtem Verwaltungsakt vollstrecken, obwohl der Widerspruchsführer von
einer Erledigung und damit gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG von seiner Unwirksamkeit und damit fehlenden
Vollstreckbarkeit ausgeht. Im Falle der Rücknahme nimmt er diese Konsequenz bewusst hin, nicht jedoch
bei der Erledigung. Dies kann nicht im Interesse des Widerspruchsführers liegen. In den Fällen der
Erledigungserklärung bei fehlender Erledigung bestünde zudem in seiner Folge kein Unterschied mehr
zur Rücknahme des Widerspruchs. Dies erscheint auch unter Missbrauchsgesichtspunkten problematisch.
Die Abgrenzung als auch die Fälle der Umdeutung in eine Widerspruchsrücknahme wären hinfällig.
Erkennt der Widerspruchsführer die Erfolglosigkeit seines Widerspruchs, so könnte er eine einseitige
Erledigungserklärung abgeben, in der Hoffnung nach § 19 Abs. 1 Satz 5 AGVwGO, § 15 Abs. 6 LGebG
eine für ihn eventuell vorteilhafte Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu erhalten, und müsste
nicht wie bei der Rücknahme die Kosten tragen. Dieses Problem der verschleierten Rücknahme stellt sich
zwar auch im Klageverfahren, jedoch wird hier die tatsächliche Erledigung im Feststellungsverfahren
geprüft. Eine solche Feststellung erfolgt im Widerspruchsverfahren unter Annahme der
Verfahrenseinstellung nicht. Die Privilegierung der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen ist nur
bei tatsächlichem Vorliegen einer Erledigung gerechtfertigt. Würden Rücknahme und einseitige
Erledigung gleichberechtigt nebeneinander stehen, wäre eine Rücknahme wegen ungünstigerer
Kostenfolge überflüssig.
Die Widerspruchsbehörde ist im Falle der fehlenden objektiven Erledigung daher befugt, die
Erledigungserklärung des Widerspruchsführers zu übergehen und in der Sache über den Widerspruch zu
entscheiden (so auch Huxholl, a.a.O., Seite 243 und 248). Die Widerspruchsbehörde kann davon
ausgehen, dass der Widerspruchsführer mit dem Erledigungsfeststellungsantrag von seinem
ursprünglichen Begehren nur unter der Bedingung Abstand genommen hat, dass diesem wegen eines
nach Einlegung des Widerspruchs eingetretenen, objektiv erledigenden Ereignisses unabhängig von
seinen ursprünglichen Erfolgsaussichten nicht mehr entsprochen werden kann. Verneint die
Widerspruchsbehörde - wie hier - aber das Vorliegen eines objektiv erledigenden Ereignisses, ist diese
Bedingung nicht eingetreten, und sie muss über den Widerspruch in seiner ursprünglichen Form
entscheiden.
3.
Hauptsache liegt hier nicht vor.
Die Hauptsache ist im Klageverfahren erledigt, wenn ein nach Klageerhebung eingetretenes
außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage aus diesem
Grunde für den Kläger gegenstandslos geworden ist. Im Falle der Anfechtungsklage ist regelmäßig von
einer Erledigung der Hauptsache auszugehen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt unwirksam
geworden ist. Das ist der Fall, sobald und soweit der Verwaltungsakt zurückgenommen, widerrufen,
anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf sonstige Weise erledigt ist (vgl. § 43 Abs. 2
VwVfG). Es fehlt dann an einer Beschwer, so dass die Fortführung des gerichtlichen Verfahrens sinnlos
wird. Überträgt man diese Grundsätze auf das Widerspruchsverfahren des Klägers, so muss sich nach
Erhebung des Widerspruchs am 08. Februar 2010 das auf Aufhebung des Gebührenbescheids für das
Jahr 2010 gerichtete Begehren des Klägers erledigt haben. Weder der Erlass des Widerspruchsbescheids
vom 26. Februar 2010
(a.)
Gebührenregelung des Beklagten für Kleingewerbemüll
(c.)
Widerspruchs vom 08. Februar 2010.
a.
29. Januar 2009 hatte nicht die Erledigung des Bescheides vom 01. Februar 2010 zur Folge. Entgegen
der Ansicht des Klägers hat der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 nicht
zugleich über den Widerspruch vom 08. Februar 2010 mitentschieden. Gegenstand des
Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2010 war lediglich der das Jahr 2009 betreffende
Gebührenbescheid vom 29. Januar 2009. Auch wenn die Widersprüche vom 04. Februar 2009 und 08.
Februar 2010 inhaltlich übereinstimmen, da sie sich jeweils auf die gerügte Ungleichbehandlung stützen,
so handelt es sich um selbstständige Widerspruchsverfahren, die sich gegen eigenständige
Gebührenbescheide richten. Der Widerspruch vom 08. Februar 2010 bleibt von diesem
Widerspruchsbescheid unberührt und enthält keine Abhilfe. Er begründet vielmehr für den Kläger noch
eine Beschwer, da er dahingehend Rechtswirkung entfaltet, dass er die Verpflichtung zur Entrichtung der
Kleingewerbemüllgebühr 2010 und den Rechtsgrund für die durch die Verrechnung geleistete Zahlung
begründet.
b.
Widerspruchs. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde durch diese Verfügung der Bescheid vom 01.
Februar 2010 nicht aufgehoben. Der Beklagte verrechnete darin lediglich die bereits entrichtete
Müllgebühr aus 2009, für die aufgrund der Aufhebung des Bescheids vom 29. Januar 2009 der
Rechtsgrund entfallen war, mit der offenen Forderung aus 2010. Eine neue Regelung, die den Bescheid
vom 01. Februar 2010 hätte ersetzen können, enthält das Schreiben nicht. Der Bescheid vom 01. Februar
2010 dient weiter als Rechtsgrund für die Gebührenpflicht 2010 über 52,20 €.
c.
Heranziehung aller Ferienwohnungsvermieter zur Müllgebühr seit Januar 2010 - begründet werden. Die
Rechtsprechung nimmt zwar auch dann eine Erledigung an, wenn der angefochtene Verwaltungsakt
rückwirkend eine ordnungsgemäße Rechtsgrundlage erhält, obwohl die fortdauernde Wirksamkeit des
Verwaltungsakts und die Beschwer für den Kläger dadurch nicht in Frage gestellt sind (vgl. VGH Baden-
Württemberg, VBlBW 2005, 281; BVerwG, NVwZ 1993, 979). Ein damit vergleichbarer Fall liegt hier jedoch
nicht vor.
Unabhängig von der Frage, ob die geänderte Gebührenregelung des Beklagten überhaupt unter dem
Gesichtspunkt als erledigendes Ereignis anzusehen ist, dass der Einwand der Ungleichbehandlung die
einzige Widerspruchsgrundlage des Klägers war und diese durch die Änderung der Gebührenerhebung
entfallen ist, und nicht nur als Wegfall der Widerspruchsbegründung, trat das erledigende Ereignis bereits
vor Erhebung des Widerspruchs am 08. Februar 2010 ein. Der Beklagte zieht nämlich seit Januar 2010
alle Vermieter von Ferienwohnungen zur Müllgebühr heran.
Lag damit eine objektive Erledigung nicht vor, hatte der Kreisrechtsausschuss des Beklagten eine
Sachentscheidung zu treffen. Alleine dessen fehlende Einlassung in dem Widerspruchsbescheid vom 06.
April 2010 zu der Frage der Erledigung führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerspruchbescheids. Denn
die Nichterwähnung der fehlenden Erledigung im Widerspruchsbescheid vom 06. April 2010 besaß keine
Ergebnisrelevanz.
4.
werden. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung § 140 BGB analog auch auf Prozesshandlungen im
Verfahrensrecht sowie im Verwaltungsverfahren entsprechend heranzuziehen (s. BGH, NJW 2001, 1217;
BVerwG, NJW 2009, 162). Damit gilt der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine
zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind,
die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des
Gegners entgegensteht. Die Umdeutung ist jedenfalls dann unzulässig, wenn kein Zweifel darüber
besteht, dass die bezeichnete Prozesshandlung seinem erklärten Willen entsprach (vgl. BVerwG, NJW
1962, 1076). Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen der Umdeutung vorliegend nicht erfüllt.
Grundsätzlich kann der Widerspruch jederzeit ohne Zustimmung der anderen Beteiligten
zurückgenommen werden, solange über ihn nicht entschieden ist (vgl. Dolde/Porschin: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, a.a.O., § 69 Rdnr. 13). Die Rücknahmeerklärung muss in der Form des § 70
Abs. 1 VwGO erfolgen (vgl. Kastner in: Handkommentar Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2010, § 69 Rdnr.
19). Das Schreiben vom 09. März 2010 genügt diesen Anforderungen.
Das Unterscheidungskriterium des Kosteninteresses - im Falle der Erledigung ergeht im Vorverfahren
eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen (s. § 19 Abs. 1 Satz 5 AGVwGO, § 15 Abs. 6 LGebG),
im Falle der Rücknahme hat der Widerspruchsführer im Grundsatz die Kosten zu tragen (s. § 19 Abs. 1
Satz 3 AGVwGO) - kann nicht zur Begründung des mutmaßlichen Willens des Klägers herangezogen
werden, da er sich zu diesem Punkt im Widerspruchsverfahren nicht geäußert hat. Eine Umdeutung der
Erledigungserklärung des Klägers in eine Rücknahme des Widerspruchs setzt jedoch voraus, dass dies
seinem Begehren entspricht.
Die Rücknahme des Widerspruchs entspricht jedoch nicht dem mutmaßlichen Willen des Klägers. Er ist
der Auffassung, dass durch den Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2010 zugleich über seinen
jetzigen Widerspruch mitentschieden wurde, da er die Widersprüche als prozessuale Einheit betrachtet.
Dies wird in seinem Schreiben vom 24. Februar 2010 deutlich, indem er äußerte, dass am 30. April 2009
bereits über die Widersprüche verhandelt worden sei, obwohl der streitgegenständliche Widerspruch erst
danach erhoben worden sei. Damit gab er zu erkennen, dass es sich nach seiner Ansicht um ein
einheitliches Widerspruchsverfahren handelte. Auch der Äußerung, dass er keine Veranlassung sehe, der
Ladung zur mündlichen Verhandlung des Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid vom 01. Februar
2010 zu folgen, lässt nicht auf eine Rücknahme des Widerspruchs schließen. Eine solche erfordert, dass
er die Wirkung seines Widerspruchs beseitigen will und damit dem Grunde nach den Gebührenbescheid
für das Jahr 2010 akzeptiert. Der Kläger dagegen geht davon aus, dass die Widersprüche eine Art
einheitliches Verfahren bildeten, da sie auf derselben Begründung beruhten, und damit eine
Entscheidung gefallen sei. Zudem nimmt er an, dass der Bescheid vom 01. Februar 2010 durch den
Änderungsbescheid vom 08. März 2010 aufgehoben und damit durch die Verrechnung der Gebühren
seinem Widerspruch entsprochen worden sei. Dies lässt erkennen, dass er nicht die Wirkung seines
Widerspruchs beseitigen wollte.
Mangels Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheids war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung…
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 52,10 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
gez. Butzinger
gez. Kintz
gez. Bender