Urteil des VG Neustadt vom 10.09.2010

VG Neustadt: rücknahme, ddr, aufschiebende bedingung, verwaltungsakt, staatssicherheit, zusammenarbeit, ausstellung, verdacht, rechtswidrigkeit, nachricht

VG
Neustadt/Wstr.
10.09.2010
2 K 156/10.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 10.09.2010 - 2 K 156/10.NW
Häfltingsrecht, Heimkehrrecht, Verwaltungsprozessrecht
Verkündet am: 10.09.2010
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht
Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
- Kläger -
gegen
das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion,
Willy-Brandt-Platz 3, 54290 Trier,
- Beklagter -
wegen Häftlingshilferecht, Heimkehrrecht und Kriegsgefangenenentschädigungsrecht
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 10. September 2010, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Damian
Richterin am Verwaltungsgericht Klingenmeier
Richterin Lechowicz
ehrenamtliche Richterin Bankkauffrau Tremmel
ehrenamtlicher Richter Ausbilder i. R. Zotz
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Rücknahme-, Rückforderungs- und
Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Gewährung von Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG)
sowie dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
Der am 23. April 1944 in H……. geborene Kläger lebte bis zu seiner Ausreise in das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland (alt) am 22. November 1979 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik (DDR), wo er mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Durch das Kreisgericht W…….
wurde er im März 1964 wegen Verstoßes gegen das Passgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und
3 Monaten verurteilt; diese verbüßte er vom 25. Dezember 1963 bis 24. März 1966. Wegen
Verkehrsgefährdung durch Trunkenheit in Tatmehrheit mit fahrlässiger Körperverletzung wurde er durch
das Stadtbezirksgericht B……. im Oktober 1976 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt; diese
verbüßte er vom 15. Juni 1976 bis zum 14. Dezember 1976. Durch das Kreisgericht F…….. wurde er im
April 1978 wegen versuchter Republikflucht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten
verurteilt; diese verbüßte er vom 21. August 1977 bis 28. Juni 1979.
Nach seiner Einreise in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (alt) stellte der Kläger bei der
Bezirksregierung Rheinhessen – Pfalz am 29. November 1979, eingegangen am 04. Dezember 1979,
einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG. Der Antrag enthielt unter III.
Ziffer 2 folgende Frage: „Können Sie Personen namhaft machen, die bezeugen können, dass sie weder im
Gewahrsamsgebiet dem dort herrschenden politischen System erheblich Vorschub geleistet, noch dass
sie durch Ihr Verhalten gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit verstoßen
haben?“. Diese ließ er unbeantwortet. Am 31. Januar 1980 bzw. am 23. April 1980 stellte er einen Antrag
auf Gewährung von Eingliederungshilfe und Ausgleichsleistung nach §§ 9 ff. HHG. Sämtliche Anträge
enthielten folgende Erklärung: „Ich versichere, dass die vorstehenden Angaben vollständig sind und in
allen Teilen der Wahrheit entsprechen. Mir ist bekannt, dass ich infolge unrichtiger oder unvollständiger
Angaben Leistungen, die ich auf Grund der beantragten Bescheinigung empfangen habe, unbeschadet
einer etwaigen strafrechtlichen Verfolgung, zurückzuerstatten habe.“
Am 26. Februar 1980 erklärte die Generalstaatsanwaltschaft Z….., nachdem der Kläger am 04. Dezember
1979 die Überprüfung der in der ehemaligen DDR gegen ihn ergangenen Urteile beantragt hatte, die
Vollstreckung der Strafen resultierend aus den Urteilen des Kreisgerichts W……. (Vergehen nach
Passgesetz) sowie des Kreisgerichts F……. (Republikflucht) gemäß § 2 und § 15 des Gesetzes über die
innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 02. Mai 1953 (BGBl. I 161) für unzulässig.
Im Rahmen der Bearbeitung der Anträge des Klägers lag der Bezirksregierung Rheinhessen–Pfalz neben
der Akte der Generalstaatsanwaltschaft die Notaufnahmeakte des Leiters des
Bundesnotaufnahmeverfahrens G……. vor. Dieser war zu entnehmen, dass der Kläger in seinem Antrag
vom 28. November 1979 auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet gemäß § 1 des
Notaufnahmegesetzes erklärt hatte, lediglich als Reiseleiter von 1970 bis 1972, im Rahmen einer
Vernehmung im Jahre 1973 und während der Untersuchungshaft 1977 mit Organen der Staatssicherheit
in Berührung gekommen zu sein. Für die Haftzeiten vom 25. Dezember 1963 bis zum 24. März 1966 und
vom 21. August 1977 bis zum 28. Juni 1979 wurde dem Kläger mit Bescheid der Bezirksregierung
Rheinhessen–Pfalz vom 28. April 1980 eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG ausgestellt (Az:
………..) und eine Eingliederungshilfe in Höhe von 12.030,00 DM (entspricht 6.150,84 €) gewährt.
Auf seinen Antrag vom 21. Juli 1993 hin bewilligte ihm die Bezirksregierung Rheinhessen–Pfalz mit
Bescheid vom 16. September 1993 im Hinblick auf die bescheinigten Haftzeiten eine
Kapitalentschädigung gemäß § 17 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 StrRehaG in Höhe von 3.270,00 DM
(entspricht 1.671,92 €).
Am 25. September 2007 beantragte der Kläger bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier die
Gewährung einer Nachzahlung in Form der erhöhten Kapitalentschädigung gemäß § 17 Abs. 5 i. V. m. §
25 Abs. 2 StrRehaG sowie die Gewährung einer monatlichen Opferpension gemäß § 17 a StrRehaG. Mit
Schreiben vom 26. September 2007 wurde er darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Klärung des
Punktes „Ausschließungsgründe nach dem StrRehaG und HHG“ grundsätzlich eine Anfrage bei der
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU)
erforderlich sei. Der Kläger erklärte am 01. Oktober 2007 sein Einverständnis.
Aus den von der BStU am 15. Mai 2008 übersandten Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger am 07. Juni
1967 eine Verpflichtungserklärung zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für
Staatssicherheit (MfS) unterzeichnet hat; ab 14. April 1969 war er als Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit
(IMS) tätig; in dem Zeitraum vom 28. März 1974 bis zum 02. August 1978 kam er als „Inoffizieller
Mitarbeiter, der unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender
Personen (IMV) mitarbeitet“, für die Hauptabteilung VII/7 (HA VII/7) des MfS zum Einsatz. Der Kläger hat
zahlreiche entsprechende Berichte in schriftlicher und mündlicher Form erstattet. Wegen der Einzelheiten
wird insoweit auf den Akteninhalt Bezug genommen (Unterlagen der BStU, Blatt 22 bis 24 der
Verwaltungsakte Band 2, Blatt 15 bis 66 der Verwaltungsakte Band 4).
Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, zu den von der BStU vorgelegten Unterlagen Stellung zu
nehmen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2009 teilte er lediglich mit, dass er Kontakt mit dem Innenministerium
Rheinland-Pfalz aufgenommen habe und vorab keine Auskünfte zu einer „IM-Tätigkeit“ geben werde.
Mit Bescheid vom 10. September 2009, zugestellt am 15. September 2009, hob der Beklagte die
Bescheide der Bezirksregierung Rheinhessen–Pfalz vom 28.
April 1980 und 16. September 1993 auf und forderte die Rückgabe der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4
HHG (Az: ………..) und die Rückzahlung der ausgezahlte Beträge in Höhe von 7.822,76 € (Ziff. 1 bis 4 der
angefochtenen Verfügung). Der Antrag des Klägers vom 25. September 2007 wurde abgelehnt (Ziff. 5 bis
6 der angefochtenen Verfügung). Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Tätigkeit des Klägers
für den Staatssicherheitsdienst lägen Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HHG vor,
weshalb die ergangenen Bescheide rechtswidrig seien. Durch seine inoffizielle Tätigkeit für das MfS habe
er dem herrschenden politischen System in der ehemaligen DDR erheblich Vorschub geleistet. Er habe
bewusst und über Jahre hinweg Handlungen vorgenommen, die dazu bestimmt und geeignet waren, in
nicht unerheblicher Weise den Herrschaftsanspruch der ehemaligen SED zu festigen, auszudehnen oder
entsprechenden Widerstand zu unterdrücken.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. Oktober 2009 Widerspruch. Er habe zu keiner Zeit
gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen; er habe keine Stellung
innegehabt, die er zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht habe. Die Tätigkeit als IM
sei in Abstimmung mit den Behörden der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Sie sei Voraussetzung für
die anschließend erfolgte Übersiedlung gewesen. Entsprechende Fakten seien in Gießen geklärt und
entsprechend gewürdigt worden. Die in Gießen erklärte Schweigeverpflichtung könne er nun nicht mehr
einhalten. Durch die Weiterleitung von Informationen an eine Kontaktadresse in West-Berlin und an die
ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin habe er auch mehreren DDR-Bürgern
geholfen, ihr Ausreisebegehren der Bundesrepublik Deutschland offen zu legen. Durch die
Verurteilungen habe er dauernde Gesundheitsschäden erlitten und sei daher zeitlebens erwerbsunfähig.
Durch Rückfrage beim Bundesverwaltungsamt, Außenstelle Gießen, hat der Beklagte ermittelt, dass es
sich bei den in der Notaufnahmeakte fehlenden Seiten 12 bis 13 und 17 bis 18 um den
Schwerbehindertenausweis des Klägers und um die Identitätsbescheinigung aus der ehemaligen DDR
handle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Januar 2010, zugestellt per Zustellungsurkunde am 14. Januar 2010,
wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde auf den
wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde auf den
Ausgangsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte erkennbar seien,
wonach die Tätigkeit für das MfS unfreiwillig erfolgt sei. Der Vortrag des Klägers, er habe DDR-Bürgern
hierdurch geholfen, sei unsubstantiiert und lasse die Vorwerfbarkeit nicht entfallen. Außerdem könne die
Hilfestellung gegenüber DDR-Bürgern nicht Rechtfertigung für eine jahrelange MfS-Tätigkeit sein. Sein
Vorbringen, wonach er der Tätigkeit wegen der in Aussicht gestellten Übersiedlung nachgegangen sei,
zeige gerade, dass er die Spitzeldienste freiwillig und zur eigenen Vorteilsnahme aufgenommen habe.
Aus der Notaufnahmeakte ergebe sich nichts anderes. Die Ausführungen des Klägers seien als
Schutzbehauptung zurückzuweisen. Mangels Schutzwürdigkeit könne sich der Kläger auch nicht mit
Erfolg auf § 48 Abs. 2 VwVfG berufen. Er habe die Häftlingshilfebescheinigung durch unrichtige und
unvollständige Angaben erwirkt. Zu keinem Zeitpunkt habe er seine Mitarbeit als IM erwähnt.
Außergewöhnliche Gründe, die eine Ausnahme von der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu
seinen Gunsten rechtfertigten, seien nicht ersichtlich.
Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides ist wie folgt gefasst:
Gegen diesen Widerspruchsbescheid, kann innerhalb eines Monat nach Zustellung dieses
Widerspruchsbescheides Klage beim Verwaltungsgericht in 67433 Neustadt an der Weinstraße, Robert-
Stolz-Str. 20, E-Mail-Adresse:
gbk.vgnw@vgnw.jm.rlp.de
schriftlich, in elektronischer Form oder zur
Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden. (…) Die elektronische Form wird
durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die den Maßgaben der Landesverordnung über den
elektronischen Rechtsverkehr vom 09.01.2008 (GVBl. 2008, S. 33) in der jeweils geltenden Fassung
entspricht und als Anhang einer elektronischen Nachricht (E-Mail) zu übermitteln ist.
Der Kläger hat am 18. Februar 2010 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er trägt vor,
es sei nur nach Aktenlage entschieden worden. Das Innenministerium in Mainz habe ihn an den
Bundesnachrichtendienst in München verwiesen; dort hülle man sich in Schweigen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 10. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.
Januar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Nachzahlung in Form der
erhöhten Kapitalentschädigung gemäß § 17 Abs. 5 i. V. m. § 25 Abs. 2 StrRehaG sowie eine monatlichen
Opferpension gemäß § 17 a StrRehaG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Klage sei verfristet. Dem gerichtlichen Hinweis, die Rechtsbehelfsbelehrung sei wegen
der ausschließlichen Erwähnung der E-Mail als Kommunikationsweg im Rahmen des Hinweises auf die
Möglichkeit der Übermittlung einer Klage im elektronischen Rechtsverkehr unter Umständen unrichtig, hält
er entgegen, dass die Belehrung über die Möglichkeit der Klageerhebung auf elektronischem Wege den
Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO genüge. Eine weitergehende Forderung nach konkreten Hinweisen
bezüglich der Form der elektronischen Klageerhebung sei aus der Vorschrift nicht herzuleiten. Im Übrigen
bezieht sich der Beklagte auf den Ausgangs- und Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass im
Fall ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann. Für die weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze,
die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Notaufnahmeakten (Reg.Nr. ……) sowie die
Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer durfte trotz der Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Klage
entscheiden, da er mit der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs.
2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Die Klage ist zulässig, insbesondere nicht verfristet. Sie konnte nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 58
Abs. 2 VwGO erhoben werden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids unrichtig ist;
die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO greift nicht ein.
Zwar folgt die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung vorliegend nicht aus der Formulierung „gegen
diesen Widerspruchsbescheid“. Allerdings ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Gegenstand der
Anfechtungsklage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den
Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dennoch ist die Rechtsbehelfsbelehrung insoweit nicht irreführend.
Denn bei der hier gegebenen Identität der Ausgangs- und Widerspruchsbehörde lässt die
Rechtsbehelfsbelehrung dahin, dass gegen den Widerspruchsbescheid Klage beim Verwaltungsgericht
erhoben werden kann, keinen Zweifel darüber aufkommen, dass mit einer derartigen Klage nicht der
Widerspruchsbescheid isoliert, sondern auch der Erstbescheid angegriffen wird (vgl. hierzu BVerwG,
Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 54).
Jedoch ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von
§ 58 Abs. 2 VwGO, wenn eine ihrer in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht zutreffend
formuliert ist, sondern auch, wenn ein zusätzlich aufgenommener Hinweis einen unzutreffenden oder
irreführenden Inhalt hat, der nach seiner Art generell, also losgelöst vom Verständnis, das er beim
Betroffenen gefunden hat, geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. BVerwGE
134, 41 [Rn. 16 ff.] m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört die
Belehrung über die Form, in der ein Rechtsbehelf einzulegen ist, nicht zu den von § 58 Abs. 1 VwGO
zwingend geforderten Angaben (vgl. Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2009,
§ 58 Rn. 32 m. w. N.). Wird in einer Rechtsbehelfsbelehrung eines Widerspruchsbescheides aber auch
über die Form einer bei einem Verwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz zu erhebenden Klage
belehrt, muss auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form, die durch § 55 a Abs. 1 Satz
1 VwGO
i. V. m. § 1 der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen
Fachgerichtsbarkeiten vom 09. Januar 2008 (GVBl 2008, 33) und Nr. 2 bis 5 der Anlage hierzu eröffnet
worden ist, hingewiesen werden (vgl. Kintz, NVwZ 2004, 1431). Diesem Erfordernis hat der Beklagte zwar
genügt. Der am Ende der Rechtsbehelfsbelehrung angefügte Hinweis, dass die Klage als Anhang einer
elektronischen Nachricht (E-Mail) zu übermitteln ist, ist indessen unvollständig und damit irreführend im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, weil unerwähnt bleibt, dass die
Landesverordnung für die Übermittlung von Dokumenten außer der elektronischen Nachricht zwei weitere
Wege eröffnet hat, nämlich OSCI (Online Service Computer Interface, z.B. EGVP) und Web-Upload. Im
vorliegenden Falle wurde mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides deshalb nicht die Monatsfrist
des § 74 Abs. 1 VwGO, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Gang gesetzt, die unzweifelhaft
eingehalten ist.
In der Sache hat die Klage indes keinen Erfolg. Der Bescheid vom 10. September 2009, mit dem der
Beklagte die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG, den Bescheid über die Bewilligung der
Eingliederungshilfe nach dem HHG sowie den Bescheid über die Bewilligung einer Kapitalentschädigung
nach dem StrRehaG mit Wirkung auch für die Vergangenheit aufgehoben und die gewährten Leistungen
zurückgefordert hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der genannten Verwaltungsakte ist § 48 VwVfG. Danach kann ein
rechtswidriger Verwaltungsakt, nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung
für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein begünstigender Verwaltungsakt
darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift zurückgenommen werden.
Die Rücknahme der genannten Verwaltungsakte erfolgte zu Recht. Diese sind rechtswidrig. Denn der
Kläger hatte weder einen Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG noch auf
die Leistungen nach dem HHG und dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, da in seinem Fall der
Ausschlussgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG vorliegt. Dieser steht sowohl der Gewährung der
Eingliederungshilfe nach § 9 a und b HHG als auch der Erteilung der Häftlingshilfebescheinigung,
aufgrund derer die Kapitalentschädigung nach § 17 i.V.m. § 25 Abs. 2 StrRehaG bewilligt wurde,
entgegen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 HHG werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht an Personen gewährt, die in
den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 genannten Gewahrsamsgebieten dem dort herrschenden politischem System
erheblich Vorschub geleistet haben. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zwar nicht schon bei einem lediglich beiläufigen, gelegentlichen Verhalten der Fall (vgl. BVerwG,
Buchholz, 412.6 § 2 HHG Nr. 2; BVerwG, DÖV 1991, 508; vgl. auch OVG Berlin, Urteil vom 15. Januar
1992, ‑ 7 B 10.90 ‑, juris; VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 22. Mai 2003 - 2 K 3084/02.NW). Den
Ausschlussgrund erfüllt derjenige, der freiwillig ein Amt oder einen sonstigen Tätigkeitsbereich
übernommen hat, deren wahrzunehmende Funktionen dazu bestimmt und geeignet waren, in nicht
unerheblicher Weise den Herrschaftsanspruch der früheren SED und das von ihr getragene System zu
festigen, auszudehnen oder den Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken, sofern er die ihm
übertragenen Aufgaben wahrgenommen, ihm gegebene Weisungen befolgt und damit dem System und
seinen Zielen in der Tat nachhaltig gedient hat. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass das
Verhalten des Klägers diese Voraussetzungen erfüllt.
Aus den Unterlagen des BStU geht hervor, dass sich der Kläger im Juni 1967 zur inoffiziellen
Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unter dem Decknamen „E………“
verpflichtete. Ab April 1969 war er als Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) tätig; im März 1974 wurde
der Kläger zum IMV für die Hauptabteilung VII/7 des MfS („Inoffizieller Mitarbeiter, der unmittelbar an der
Bearbeitung und Entlarvung in Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen mitarbeitet“). Die
Hauptabteilung VII war seit 1959 zuständig für die Sicherung und Kontrolle des Ministeriums des Innern
und dessen nachgeordneter Einrichtungen, wie Deutsche Volkspolizei, Zivilverteidigung und Strafvollzug.
Das letzte Treffen fand am 09. August 1977 statt; im August 1978 stellte der Kläger einen Antrag auf
Entbindung von der inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS. Die vorhandenen Unterlagen enthalten
nach Angabe des BStU ca. 89 Treffberichte der Führungsoffiziere, 26 Tonbandabschriften, 8 Berichte der
Führungsoffiziere nach mündlichen Informationen des Klägers, 33 handgeschriebene und vom Kläger mit
dem Decknamen unterschriebene IM-Berichte. Die von ihm gefertigten Berichte umfassen insgesamt 855
Seiten über Personenaufklärung; die Personal- und Arbeitsakte umfasst 244 Seiten. Ihr Inhalt wird vom
BStU dahin zusammengefasst, dass der Kläger auftragsgemäß insbesondere über mindestens 63
Personen, die von ihm im Zusammenhang mit dem Verdacht der Republikflucht, politischen Äußerungen
in der Öffentlichkeit oder sonstigen besonderen Vorkommnissen genannt wurden, berichtet habe. Die
Tätigkeit des Klägers sei vom MfS mehrfach positiv beurteilt worden. Die Unterlagen enthielten Vermerke
des MfS über Geldzahlungen (Prämien) in Höhe von 935 Mark, die Erstattung von Auslagen für Speisen
und Zigaretten in Höhe von 263,40 Mark. Unter anderem bestätigte der Kläger auf einer Quittung vom 14.
Dezember 1973 den Empfang von 150 Mark; auf dieser Quittung ist von einem Führungsoffizier vermerkt:
„Für gute Auftragserfüllung zur (nicht lesbar) welche mit Inhaftierung abgeschlossen werden konnte erhielt
der IMV den Betrag von 150,00 Mark“. Im Einschätzungsbericht vom 19. Januar 1977 wird ausgeführt,
dass die Motive des Klägers bei der Zusammenarbeit in Abenteuerlust sowie in der Erlangung
persönlicher Vorteile lagen. Die in dem zusammenfassenden Bericht des BStU genannten Komplexe sind
jeweils beispielhaft durch die Unterlagen des MfS dokumentiert.
Die Tätigkeit für das MfS über einen Zeitraum von 11 Jahren ist angesichts der Anzahl und Qualität der
Berichte, die auch in mehrfachen positiven Beurteilungen durch das MfS zum Ausdruck kommt, sowie
unter Berücksichtigung der Größe des zu überwachenden Personenkreises geeignet und dazu bestimmt
gewesen, die politischen Ziele des SED-Regimes nachhaltig zu festigen.
Ob es aufgrund der Tätigkeit des Klägers in mehr als einem Fall unmittelbar zu Verhaftungen überwachter
Personen oder sonstigen schweren Nachteilen gekommen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der
Feststellung einer Kausalität zwischen der Spitzeltätigkeit eines Stasi-Informanten und dem eingetretenen
Schaden für den Betroffenen bedarf es im konkreten Fall nicht. Es reicht aus, dass die vom Spitzel
gelieferten Informationen generell geeignet waren, das frühere SED-Regime zu festigen (vgl. OVG Berlin,
a. a. O.). Dies war bei der Berichterstattung durch den Kläger der Fall, weil die Lieferung von
Informationen über die politische Gesinnung, über Westkontakte und Ausreisepläne eine
Überwachungssituation schafft, die ein Gewaltregime stärkt.
Rechtlich nicht von entscheidender Bedeutung ist auch, dass der Kläger ein Entgelt für seine
Spitzeltätigkeit erhalten hat. Für die Frage des "erheblich Vorschubleistens" kommt es auf einen
finanziellen Vorteil des Spitzels nicht an (OVG Berlin, a. a. O.).
Von einer besonderen Zwangslage, die es dem Kläger unmöglich gemacht hätte, die Spitzeltätigkeit
abzulehnen oder zu beenden, kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Freiwilligkeit ist zu
verneinen, wenn die Spitzeltätigkeit unter Zwang aufgenommen und fortgeführt worden ist. Von einem die
Freiwilligkeit ausschließenden Druck kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn er für den
Betroffenen unerträglich war, d.h. wenn von ihm auch unter Berücksichtigung des durch die Spitzeltätigkeit
mutmaßlich angerichteten Schadens nicht erwartet oder verlangt werden konnte, sich der angetragenen
Mitarbeit zu widersetzen oder zu entziehen (vgl. BVerwG, LKV 2007, 30). Der Kläger hat gegenüber der
Staatssicherheit mehrfach betont, dass er aus Abenteuerlust und zur Erlangung persönlicher Vorteile
handle. Selbst wenn man seinen unsubstantiierten und sehr vagen Vortrag, wonach er auch für den
Bundesnachrichtendienst (BND) tätig war, als wahr unterstellt, rechtfertigt diese Tätigkeit nicht die
Annahme, dass er sich in einer Zwangslage befunden habe. Nach seinen eigenen Angaben war
Hauptziel dieser Tätigkeit, sein eigenes Ausreisebegehren voranzubringen. Danach handelte er nicht
unter unerträglichem Druck. Ihm konnte zugemutet werden, sich dem Ansinnen des MfS, als Informant
tätig zu werden, zu widersetzen und seinen Ausreisewunsch ohne eine nachhaltige Festigung der Ziele
des SED-Regimes und eine Schädigung Dritter verfolgen. Sein Vortrag, er habe durch seine Tätigkeit für
den BND auch mehreren DDR-Bürgern geholfen, ihre Ausreisebegehren der Bundesrepublik
Deutschland mitzuteilen, ist unsubstantiiert. Darüber hinaus ist dieser Vortrag nicht geeignet, das
Vorliegen einer Zwangslage aufzuzeigen.
Die Bewilligung der Eingliederungshilfe nach § 9 a, § 9 b HHG und die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4
HHG, die Voraussetzung für die Entschädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ist, sind
daher rechtswidrig.
Als begünstigende Verwaltungsakte dürfen sie allerdings nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2
bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Danach darf eine Rücknahme nicht erfolgen, soweit der
Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen auch unter Abwägung
mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauensschutz kann sich der
Begünstigte aber dann nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in
wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG). Das ist hier
der Fall.
Der Kläger hat gegenüber der zuständigen Behörde weder mündlich noch in seinem schriftlichen Antrag
auf Ausstellung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG Angaben über seine Tätigkeit für das MfS
gemacht, obgleich ihm bewusst gewesen sein musste, dass dieser Gesichtspunkt von der Fragestellung
umfasst und von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über seinen Antrag war. Dies ergibt sich
vor allem daraus, dass er im Antrag auf Erteilung des Aufnahmescheins im Notaufnahmelager G…..
angegeben hat, lediglich als Reiseleiter von 1970 bis 1972, im Rahmen einer Vernehmung im Jahre 1973
und während der Untersuchungshaft 1977 mit Organen der Staatssicherheit in Berührung gekommen zu
sein. Angaben über seine jahrelange Tätigkeit als IM hat er verschwiegen. Zwar hat er diese unrichtigen
Angaben nicht gegenüber dem Beklagten, sondern gegenüber dem Leiter des Notaufnahmelagers
Gießen gemacht. Dieser Umstand ist aber unerheblich (vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 25. März
2009 - 5 A 4768/05 -, juris). Aus den Antragsvordrucken war für den Kläger klar ersichtlich, dass mögliche
Kontakte mit dem MfS entscheidungserheblich waren. Unter I. Ziff. 10 des Antrags auf Ausstellung einer
Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG wird ausdrücklich eine Verknüpfung zum Notaufnahmeantrag
hergestellt. Die Frage unter III. Ziff. 2 nachZeugen dafür, dass er dem herrschenden politischen System
nicht erheblich Vorschub geleistet habe, ließ er unbeantwortet. In der Gesamtschau hätte es sich dem
Kläger aufdrängen müssen, dass er seine jahrelange Tätigkeit als IM offen legen musste. Darüber hinaus
ist es aufgrund seiner Biographie und der Umstände seines Falles fernliegend anzunehmen, dass er
darüber im Unklaren war, dass die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Gewährung von
Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz und dem Strafrechtlichen Rehabilitationsgesetz von
zutreffenden Angaben zu einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR abhängig
war. Das Verschweigen dieser Tätigkeit stellt zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten dar, durch das
der Erlass des rechtswidrigen Häftlingshilfebescheides vom 28. April 1980 erwirkt wurde. Denn bei einer
zutreffenden Beantwortung der Fragen wäre die Bescheinigung nicht ausgestellt worden. Mit seiner
Unterschriftsleistung hat der Kläger versichert, dass alle seine Angaben richtig und vollständig seien und
ihm bekannt sei, dass bewusst unrichtige Angaben zur Rückerstattung erhaltener finanzieller Leistungen
führen. Daraus folgt ohne weiteres, dass dem Kläger seine Mitwirkungspflicht sowie die Bedeutung und
Tragweite seiner Erklärungen bei der Beantragung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG bekannt
sein mussten.
Auch unter Ermessensgesichtspunkten ist die Rücknahme der Bescheide nicht zu beanstanden. Der
Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und dieses ohne Rechtsverstoß ausgeübt. Nach § 48
Abs. 2 Satz 4 VwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt regelmäßig mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückgenommen (intendiertes Ermessen). Außergewöhnliche berücksichtigungsfähige
Umstände, die gegen die Rücknahme sprechen, liegen nicht vor. In welchen zeitlichen Grenzen ein
fehlerhafter Verwaltungsakt noch zurückgenommen werden darf, hängt entscheidend von den Umständen
des Einzelfalls ab. Eine absolute zeitliche Grenze lässt sich nicht ziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.
August 1986 - 3 B 55/85 -, juris). Von entscheidender Bedeutung ist im vorliegenden Fall, dass die
Rechtswidrigkeit der Bescheide in den Verantwortungsbereich des Klägers fällt, weil dieser
unvollständige Angaben gemacht hat und für ihn auch ersichtlich war, dass der Beklagte auf die
Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben vertraut hat. Dem Kläger musste bewusst sein, dass der
Beklagte durch besondere Umstände und möglicherweise zufallsbedingt auch nach längerem Zeitablauf
Kenntnis von seiner Spitzeltätigkeit erlangen könnte. Zudem hat er im Rahmen der Antragstellung
versichert, dass seine Angaben vollständig sind und in allen Teilen der Wahrheit entsprechen. Das
rechtfertigt die Rücknahme der Bescheide auch nach längerer Zeit.
Der Beklagte hat auch die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG zur Rücknahme der Bescheinigung nach § 10 Abs.
4 HHG und der Bewilligung der Eingliederungshilfe nach § 9 a und § 9 b HHG eingehalten. Danach muss
die Rücknahme innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme
eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen
(Entscheidungsfrist). Erforderlich ist zusätzlich, dass die Behörde auch die fehlerhafte Rechtsanwendung
auf ihr bekanntgewordene Tatsachen erkennt, d.h. sich der Rechtswidrigkeit des betroffenen
Verwaltungsaktes und der Notwendigkeit, wegen dieser Rechtswidrigkeit über eine eventuelle
Rücknahme zu entscheiden, bewusst wird oder ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, Stand 2008,
§ 48 Rn. 154 m. w. N.). Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erhielt der Beklagte
durch die Übersendung der den Kläger betreffenden Unterlagen des BStU am 15. Mai 2008. Erst nach
Überprüfung dieser Unterlagen und der im Rahmen der Anhörung mit Schreiben vom 18. Juni
2009vorgebrachten Einwendungen des Klägers hatte der Beklagte die notwendige Kenntnis von allen für
eine Rücknahme erheblichen Umständen. Demgemäß erfolgte die Rücknahme mit Bescheid vom 10.
September 2009 innerhalb der Jahresfrist.
Gleiches gilt für die Aufhebung der Bewilligung nach dem StrRehaG, die ebenfalls gemäß § 48 VwVfG zu
Recht erfolgte. Mit der gerichtlichen Bestätigung der Rücknahme der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4
HHG ist auch die Voraussetzung für die Bewilligung der Kapitalentschädigung gemäß § 17 i. V. m. § 25
Abs. 2
StrRehaG weggefallen, ohne dass es insoweit auf das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 16
Abs. 2 StrRehaG ankommt. § 25 Abs. 2 StrRehaG stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar,
welche lediglich das Vorliegen einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG voraussetzt (vgl. BVerwG, NJ
2003, 215).
Die Rückforderung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 VwVfG
und ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar setzt § 52 Satz 1 VwVfG die Unanfechtbarkeit der
Rücknahme oder des Widerrufs des zugrunde liegenden Verwaltungsakts voraus. Jedoch ist eine
Rückforderung zugleich mit dem die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aufhebenden Verwaltungsakt
möglich, wenn sie unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts der Unanfechtbarkeit gestellt wird.
Dies ist hier anzunehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 52 Rn. 6).
Auch die in dem angefochtenen Bescheid vom 10. September 2009 ausgesprochene Rückforderung der
zu Unrecht gewährten Leistungen ist zu Recht erfolgt; sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 49 a Abs. 1
VwVfG. Die Bewilligungen nach dem HHG und dem StrRehaG sind gegenüber dem Kläger aufgehoben,
so dass kein Rechtsgrund (mehr) für die von dem Beklagten erbrachten Leistungen besteht. Mithin sind
diese zu erstatten.
Der Kläger hat aus den vorgenannten Gründen auch keinen Anspruch auf die Gewährung der
Kapitalentschädigung nach § 17 a i.V.m. § 25 Abs. 2 StrRehaG. Die vorausgesetzte Bescheinigung nach §
10 Abs. 4 HHG ist mit der gerichtlichen Bestätigung der Rücknahme weggefallen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden
gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des
Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung ...