Urteil des VG Münster vom 05.06.2009

VG Münster: versicherung, verwaltungsverfahren, hauptsache, glaubhaftmachung, entlastung, abgabe, depot, verfügung, beratung, unterschlagung

Verwaltungsgericht Münster, 9 L 242/09
Datum:
05.06.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 L 242/09
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der Antrag des Antragstellers,
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1. "die Antragsgegnerin unter einstweiliger Aufhebung des entgegenstehenden
Bescheides vom 11. Mai 2009 im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs.
1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller die beantragte Erlaubnis zur
Versicherungsvermittlung nach § 34 d Abs. 1 GewO bis zu einer Entscheidung in der
Hauptsache zu erteilen,
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2. hilfsweise die Antragsgegnerin unter einstweiliger Aufhebung des
entgegenstehenden Bescheides vom 11. Mai 2009 im Wege einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller die
beantragte Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung nach § 34 d Abs. 1 GewO bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache mit folgenden Nebenbestimmungen zu erteilen:
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a) dem Antragsteller wird aufgegeben, keine Kundengelder anzunehmen;
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b) die Erlaubnis wird unter der Bedingung erteilt, dass der Antragsteller bis zum
31.12.2010 nachweist, dass sich keine ihn betreffenden Eintragungen im
Schuldnerverzeichnis befinden",
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur
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Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung
drohender Gefahren oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3
VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch
glaubhaft zu machen.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund vorliegt; jedenfalls hat der
Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
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Das Gericht teilt die im angegriffenen Bescheid des Antragsgegners im Einzelnen
dargelegte Auffassung, dass ein Grund für die Versagung der nach § 34 d Abs. 1 der
Gewerbeordnung - GewO - begehrte Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung besteht.
Nach § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO ist diese Erlaubnis zu versagen, wenn der Antragsteller
in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt; dies ist in der Regel der Fall, wenn über
das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder er in das
vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26
Abs. 2 der Insolvenzordnung, § 915 der in Zivilprozessordnung) eingetragen ist. Die
Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift liegen hier vor. Mit Stand vom 15. April
2009 bestanden nach Auskunft des Amtsgerichts Münster in dem bei ihm geführten
Schuldnerverzeichnis sieben den Antragsteller betreffende Eintragungen. Auf die in
dem angegriffenem Bescheid aufgeführte Aufstellung der Eintragungen - die letzten
Eintragungen datieren vom 7. Januar und 7. April 2009 - wird insoweit Bezug
genommen.
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Soweit es sich bei der Tatbestandsvoraussetzung der Eintragung im
Schuldnerverzeichnis um ein Regelbeispiel für den Versagungsgrund der
"ungeordneten Vermögensverhältnisse" handelt,
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vgl. dazu BT-Drs. 16/1935, S. 18; Landmann-Rohmer, GewO, Stand: 11. November
2008, § 34 d, Rn. 72 ff.
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hat der Antragsteller, der hierauf vom Antragsgegner mit Anhörungsschreiben vom 24.
März 2009 hingewiesen worden ist, die Regelvermutung dieses Versagungsgrundes
entgegen seiner Auffassung weder im Verwaltungsverfahren noch im vorliegenden
Eilverfahren widerlegt.
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Der Antragsteller hat dazu dargelegt, sich in den Jahren 2002 bis 2004 an einem
Fachverlag in München beteiligt zu haben. Ihm seien daraus Schulden in einer
Größenordnung von 60.000,00 bis 70.000,00 Euro erwachsen. Ferner sei in diese Zeit
seine Scheidung mit erheblichen Forderungen gegen ihn gefallen, so dass vom
Finanzamt ein Insolvenzantrag gestellt worden sei. Nach den damit korrespondierenden
Feststellungen des Antragsgegners sind die beim Amtsgericht Münster gegen den
Antragsteller geführten Insolvenzeröffnungsverfahren mit dem Aktenzeichen - 85 IN
42/05 -, das den Insolvenzeröffnungsantrag des Finanzamts betrifft, und ein weiteres mit
dem Aktenzeichen - 85 IN 68/05 - am 14. Dezember 2005 mangels Masse abgewiesen
worden. Weiter hat der Antragsteller ausgeführt, er schätze, dass von den ursprünglich
rund 90.000,00 bis 100.000,00 Euro offenen Verbindlichkeiten ein gegenwärtiger
Schuldenstand von noch ca. 20.000,00 Euro bestehe. Von den verbliebenen Schulden
tilge er monatlich ca. 3.000,00 Euro, was über einen Gerichtsvollzieher, der die
Gläubiger befriedige, erfolge. Mit zahlreichen Gläubigern habe er
Abfindungsvereinbarungen treffen können. Derzeit stünden noch bei ca. 10 bis 15
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Gläubigern Verbindlichkeiten offen.
Diese Darlegungen sind nicht geeignet, die auf den Eintragungen des Antragstellers im
Schuldnerverzeichnis beruhende Regelvermutung des § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO, er
lebe in ungeordneten Vermögensverhältnissen, zu widerlegen. Es kann vorliegend offen
bleiben, ob insoweit aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu seinen Gunsten der
Rechtsgedanke des § 12 Gewerbeordnung - dessen Voraussetzungen konkret
allerdings deshalb nicht gegeben sind, weil ein Insolvenzverfahren gegen den
Antragsteller nicht eröffnet wurde - zu berücksichtigen wäre
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vgl. dazu Landmann-Rohmer, a.a.O., § 34 d, Rn. 75 m.N.
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und damit der Grundsatz des § 1 Satz 2 Insolvenzordnung - InsO - zugrunde zu legen
ist, dass einem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben sein soll, sich von seinen
restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
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Denn der Antragsteller hat nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass er in einem -
den strengen und überwachenden Regelungen der Insolvenzordnung (wie etwa bei der
Schuldbefreiung - § 268 ff. InsO) vergleichbaren - geordneten Verfahren die Tilgung
seiner von ihm selbst eingeräumten Schulden und entgegen der durch die Eintragungen
im Schuldnerverzeichnis ausgelösten Regelvermutung des § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO
betreibt. Es kann offen bleiben, inwieweit die Eintragungen aus den beiden
Insolvenzeröffnungsverfahren (vgl. § 26 Abs. 2 InsO) herrühren - dagegen spricht die
Einstellung der Verfahren bereits im Dezember 2005 und die Datierung der
Verzeichniseintragungen beginnend von 2008 bis 2009 - oder ob sie auf späteren
(titulierten) Forderungen beruhen, für die im Rahmen der Vollstreckung gem. § 901 ZPO
ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung mit
entsprechender Eintragung im Schuldnerverzeichnis gem. § 915 Abs. 1 ZPO erwirkt
worden ist. Für die Annahme eines geordneten Verfahrens zur - wenn auch auf längere
Sicht - Begleichung der Schulden wäre die Aufstellung der Verpflichtungen mit Angabe
der Gläubiger, ihre Höhe und wie weit sie noch valutieren sowie - für eine planvolle
Entlastung von den Schulden - ein entsprechender Tilgungsplan notwendig. Ferner
müsste eine solche Aufstellung durch Unterlagen belegt sein. In welcher Höhe und bei
wem seine Schulden aufgrund welcher Forderungen gegen ihn (noch) bestehen, hat der
Antragsteller, dem schon aufgrund des Anhörungsschreibens des Antragsgegners vom
24. März 2009 dazu hinreichend Gelegenheit gegeben worden war, jedoch auch im
vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht offenbart. Seinen
Angaben zum ursprünglichen Schuldenvolumen sind lediglich überschlägige
Betragshöhen zu entnehmen. So ist einmal von ca. 90.000,00 bis 100.000,00 Euro und
an anderer Stelle von ca. 80.000,00 bis 70.000,00 Euro die Rede. Auch der derzeitige
Schuldenstand mit einem Betrag von "ca. 20.000,00 Euro" bleibt vage und lässt
konkrete Einzelheiten, wie sich die Forderungen - gerade mit Blick auf die Eintragungen
im Schuldnerverzeichnis - zusammensetzen, nicht ersehen. Zu Recht weist ferner der
Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf hin, dass die Darstellung des
Antragstellers im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren, "noch bei
ca. 10 bis 15 Gläubigern" stünden Verbindlichkeiten offen, ebenfalls äußerst unbestimmt
geblieben ist. Schließlich hat der Antragsteller auch nicht konkret offen gelegt, wie im
Einzelnen er die Schulden tilgt. Dazu verweist er darauf, monatlich ca. 3.000,00 Euro zu
tilgen; dies erfolge über einen Gerichtsvollzieher, der die Gläubiger befriedige. Diese
Vorgehensweise legt den Schluss nahe, dass eine Befriedigung der Gläubiger derzeit
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ausschließlich im Vollstreckungswege und keineswegs planvoll erfolgt. Beleg dafür ist
unter anderem die letzte Eintragung im Schuldnerverzeichnis aus April 2009, die nach
Darstellung des Antragstellers auf einer "alten" Forderung basieren soll. Bei planvoller
Tilgung der Schulden wäre eine solche Eintragung nämlich vermieden worden.
Aufgrund der vorstehend dargestellten Umstände kann danach weder die
Glaubhaftmachung eines geordneten Verfahrens noch eines detaillierten
Sanierungskonzeptes angenommen werden, aus dem ersichtlich würde, dass der
Antragsteller planvoll, nachhaltig und zielgerichtet die Ablösung seiner
Verbindlichkeiten betreibt. Überdies fehlt es an jeder Art von Belegen und Unterlagen,
die eine solche Vorgehensweise zur Herstellung im übrigen geordneter
Vermögensverhältnisse ausweisen. Im Ganzen gesehen verbleibt es hierbei lediglich
bei Behauptungen des Antragstellers, die - wozu bereits im Antragsverfahren beim
Antragsgegner Gelegenheit bestand - auch im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft
gemacht worden sind.
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Soweit der Antragsteller auf der anderen Seite mit umfangreichen Unterlagen die
erzielten - durchaus bemerkenswerten - Umsätze aus seinem bisher betriebenen
Versicherungsvermittlungsgewerbe dartut, korrespondieren damit nicht entsprechende
Belege für die erforderliche zielstrebige Tilgung seiner Schulden, die er in keinem Fall
beigebracht hat. Angesichts dessen teilt das Gericht die im angegriffenen Bescheid auf
Seite 3 geäußerte Beurteilung, dass die eingereichten "Bonitätsnachweise" nicht
geeignet sind, eine geordnete Bedienung der Schulden des Antragstellers
nachzuweisen und die Regelvermutung des § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO zu widerlegen.
Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass - trotz möglicherweise hoher
Provisionseinnahmen aus dem Versicherungsgeschäft - eben immer wieder
Verbindlichkeiten bestehen, die vom Antragsteller nicht beglichen werden können und
Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zur Folge haben. Auch wenn - wie der
Antragsteller angibt - etwa die letzte Eintragung im Schuldnerverzeichnis aus April 2009
aufgrund eines Haftbefehls nach § 901 ZPO auf einer "alten" Forderung basiert, ist er
offenbar trotz seiner behaupteten hinreichenden Bonität und trotz des Umstands, dass er
ein Depot bei der Versicherung "Deutscher Ring" mit einem Guthaben von rund 37.000
Euro unterhält, das die von ihm behaupteten Restschulden von nur 20.000 Euro deutlich
überschreitet, nicht in der Lage, solche Vollstreckungshandlungen durch Befriedigung
des Gläubigers bzw. entsprechende Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Gläubiger
zu verhindern.
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Besteht nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung kein
Anspruch auf die begehrte Erlaubnis im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 34 d
Abs. 2 Nr. 2 GewO, kann offen bleiben, ob der Antragsteller auch gewerberechtlich
unzuverlässig i.S.d. § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO mit Blick auf seine Verurteilung nach §
266 a StGB durch Urteil des Amtsgerichts Münster - 44 Js 105/06 36 Cs 345/06 - vom 4.
Dezember 2006 ist.
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Die Versagung der Erlaubnis im Hinblick auf die Gründe des § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO
ist, soweit für eine derartige Prüfung überhaupt Raum bliebe, auch verhältnismäßig. Das
Gericht verkennt nicht, dass durch die Versagung der begehrten Erlaubnis die Existenz
des Antragstellers gefährdet ist. Ziel der genannten Bestimmung ist es jedoch,
Vermögensgefährdungen für Kunden zu vermeiden, die von Versicherungsvermittlern
ausgehen, die sich bereits in einer finanziellen Notsituation befinden. Diese kann den
Vermittlern nicht nur zur Unterschlagung anvertrauter (Prämien- und Schadensersatz-)
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Gelder verleiten, sondern auch zur bewusst fälschlichen Beratung, die den Kunden zum
Abschluss nicht adäquater Versicherungen verleitet, zu Manipulationen von
Versicherungsanträgen des Kunden und ähnlich schädigendem Verhalten.
Vgl. dazu Landmann-Rohmer, a.a.O., § 34 d GewO, Rn. 72.
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Angesichts dieses Schutzzweckes der - gesetzlich zwingend ausgestalteten -
Bestimmung ist die Versagung der begehrten Erlaubnis nicht nur im Umfang des zu 1.
gestellten Antrages, sondern auch hinsichtlich des zu 2. gestellten Hilfsantrages, die
Erlaubnis mit Auflagen zu erteilen, beanstandungsfrei. Denn die dort aufgeführten
Nebenbestimmungen einer etwaigen einstweiligen Anordnung wären nicht geeignet,
dem vorstehend beschriebenen Schutzzweck der Bestimmung zu entsprechen, weil
dem Antragsteller mit der danach beschränkten Erlaubnis nach wie vor eingeräumt
wäre, Versicherungsverträge an Kunden mit den dabei in Betracht zu ziehenden
Gefahren zu vermitteln.
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Letztlich kann bei einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Erlaubnisversagung auch
nicht außer Betracht bleiben, dass dem Antragsteller aufgrund der Übergangsregelung
des § 156 Abs. 1 GewO 1 ½ Jahre bis zum 1. Januar 2009 zur Verfügung standen, seine
Vermögensverhältnisse derart zu ordnen, dass jedenfalls eine Versagung der Erlaubnis
aus den Gründen des § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO ausgeschieden wäre. Insoweit muss
dem Antragsteller entgegen gehalten werden, diesen zeitlichen Rahmen trotz der von
ihm für die Jahre 2007 und 2008 behaupteten guten Geschäftsergebnisse nicht
hinreichend zur Entwicklung eines nachgewiesenen wirksamen
Schuldentilgungskonzepts und -verfahrens genutzt zu haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
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