Urteil des VG Minden vom 28.02.2005

VG Minden: allein erziehender elternteil, häusliche gemeinschaft, uvg, wechsel, pflege, entlastung, belastung, versorgung, familie, jugend

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Minden, 7 K 3814/02
28.02.2005
Verwaltungsgericht Minden
7. Kammer
Urteil
7 K 3814/02
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Am 29.08.2002 beantragte der Vater des Klägers für diesen die Gewährung von Leistungen
nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger lebe
seit April 2002 regelmäßig alle 14 Tage im Wechsel bei beiden Elternteilen. Die Mutter des
Kindes zahle keinen Barunterhalt.
Mit Bescheid vom 03.09.2002 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er
aus, dass gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes - UVG - derjenige
Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz habe, der im
Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebe. Auch die Richtlinien
zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes erforderten einen eindeutig
feststellbaren Lebens- und Betreuungsmittelpunkt. Sei dieser nicht eindeutig festzustellen,
bestehe kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 01.10.2002 Widerspruch ein. Zur Begründung
wurde ausgeführt, der Kläger lebe jeweils im Wechsel bei einem Elternteil. Damit seien
nach Auffassung des Klägers die Voraussetzungen des § 1 UVG erfüllt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises M. vom
29.10.2002 unter Hinweis auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides
zurückgewiesen.
Der Kläger hat daraufhin am 29.11.2002 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung
führt er aus, dass er jeweils innerhalb des 14tägigen Zeitraums bei einem seiner Eltern in
häuslicher Gemeinschaft wohne, dort persönlich betreut und versorgt werde. Dass er in
dieser Konstellation nicht einem Elternteil überwiegend zugeordnet sei, stehe nach seiner
Auffassung dem Anspruch nicht entgegen, da sich jedes seiner Elternteile innerhalb des
Betreuungszeitraums in der gleichen Lage wie ein allein erziehender Elternteil befinde. Die
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vom Gesetz vorgesehene Konfliktlage treffe daher auf ihn zu.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 03.09.2002 i.d.F. des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises M. vom 29.10.2002 zu verpflichten,
ihm Unterhaltsvorschuss für die Zeit ab dem 01.07.2002 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 03.09.2002
i.d.F. des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises M. vom 29.10.2002 erweist
sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand des Klageverfahrens ist dabei lediglich der vermeintliche Anspruch auf
Gewährung eines Unterhaltsvorschusses vom 01.07.2002 bis einschließlich Oktober 2002.
Der im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Anspruch kann zulässigerweise nur bis
zum Ablauf des Monats, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen ist - das ist
hier der Widerspruchsbescheid vom 29.10.2002, beim Prozessbevollmächtigten des
Klägers eingegangen am 30.10.2002, - verfolgt werden, denn auch Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz - UVG - sind - wie Leistungen der Sozialhilfe - keine
rentengleichen wirtschaftlichen Dauerleistungen, sondern Leistungen, deren fortlaufende
Gewährung der ständigen behördlichen Überprüfung unterliegt.
Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 10.01.1984 - 8 A 2029/80 - n.v.; Beschluss vom
29.05.1985 - 8 B 1972/84 -, n.v.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Kläger für die Folgezeit kein Anspruch zustehen
könnte. Vielmehr hat der Beklagte den Anspruch des Klägers auch für die Folgezeiten zu
prüfen und zu bescheiden.
Die für den hier maßgeblichen Zeitraum zwischen den Beteiligten allein entscheidende
Frage, ob der Kläger - anspruchsbegründend - i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nur bei einem
seiner Elternteile lebte, lässt sich nicht im Sinne des Klägers beantworten.
Bei der Auslegung des in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG verwendeten Rechtsbegriffs, "bei einem
seiner Elternteile lebt", muss der Sinn und Zweck des Unterhaltsvorschussgesetzes
beachtet werden. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz stellen eine besondere
Sozialleistung - auch für den allein erziehenden Elternteil - dar. Der Gesetzgeber hat sie
vorgesehen, weil allein erziehende Elternteile ihre Kinder in der Regel unter erschwerten
Bedingungen erziehen und bei Ausfall von Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils
auch im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für den von dem anderen Elternteil geschuldeten
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Unterhalt aufkommen müssen. Diese zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche
Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.12.1996 - 6 S 1668/94 -, FEVS 47, 445.
Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Kind nur dann bei dem Elternteil lebt,
wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft hat, in der es auch von
ihm betreut wird.
Vgl. Scholz, Unterhaltsvorschussgesetz, § 1 UVG Rdnr. 5.
Abgrenzungsprobleme entstehen nur dann, wenn das Kind - wie vorliegend der Kläger -
regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt.
Entscheidendes Kriterium zur Beantwortung der Frage, ob das Kind in derartigen Fällen
nur bei einem Elternteil lebt, kann nur der Umfang der persönlichen Betreuung und
Versorgung, den das Kind beim anderen Elternteil findet und die damit einhergehende
Entlastung bei der Pflege und Erziehung des Kindes sein. Es kommt deshalb darauf an, ob
der alleinstehende leibliche Elternteil die doppelte Belastung mit Erziehung und
Unterhaltsgewährung wegen des Ausfalls des anderen Elternteils in seiner Person zu
tragen hat. Von einer solchen Belastungssituation kann jedoch bei einer fortbestehenden
Betreuung durch den anderen Elternteil, die eine wesentliche Entlastung des den
Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei Pflege und Erziehung des Kindes zur
Folge hat, nicht ausgegangen werden. Bei einer solchen Konstellation ist daher die
Annahme, das Kind lebe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem Elternteil, nicht
gerechtfertigt, und es verbietet sich auch die Gewährung von Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O.; ferner Nr. 1.3.4. der Richtlinien des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Durchführung des
Unterhaltsvorschussgesetzes.
So liegt der Fall auch hier. Der für den Kläger die Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen beantragende Vater des Kindes hat in einer Erklärung vom
18.09.2002 deutlich angegeben, dass sein Sohn im Wechsel jeweils für 14 Tage bei ihm
und seiner Mutter D. Z. lebe. Auch im Widerspruchsschreiben vom 01.10.2002 wird diese
Sachlage erneut bekräftigt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger in dieser
Konstellation nicht einem Elternteil überwiegend zuzuordnen sei. Der daraus gezogene
rechtliche Schluss, dass damit jedenfalls in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Anspruchs
ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bestehe, ist im Unterhaltsvorschussgesetz nicht
vorgesehen. Vielmehr schließt diese Konstellation - wie oben dargelegt - einen Anspruch
auf Unterhaltsvorschuss aus.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO
abzuweisen.