Urteil des VG Minden vom 12.01.2011

VG Minden (besondere härte, kläger, kostenbeitrag, bewilligung, antrag, zpo, höhe, verwaltungsgericht, ige, vergleich)

Verwaltungsgericht Minden, 6 K 1947/10
Datum:
12.01.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 K 1947/10
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät T. und H. aus C. wird abgelehnt.
Gründe:
1
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche
Klageverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät T. und H. (§ 166 VwGO
i.V.m. §§ 114 Satz 1, 121 Abs. 2 ZPO) ist unbegründet.
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Ungeachtet der Frage, ob der Kläger mittlerweile gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs.
2 Satz 1, Abs. 4 ZPO eine hinreichend vollständige Erklärung über seine persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse - die nachträglich ergänzte Erklärung besteht nur aus
der ersten Seite ohne Unterschrift des Klägers - mit allen erforderlichen Belegen
vorgelegt hat - die vorbezeichneten Unterlagen sind für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe unerlässlich -,
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.1.1999 - 1 B 3.99 -, Buchholz 310 § 166 Nr. 38; OVG
NRW, z.B. Beschlüsse vom 17.7.2003 - 16 E 759/03 - und vom 31.7.2003 - 16 E 846/03
-, jew. m.w.N.,
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bietet die Klage, die auf die Aufhebung des Kostenbeitragsbescheides des Beklagten
vom 7.7.2010 sowie die "Verurteilung" des Beklagten "festzustellen, dass von der
Heranziehung des Klägers ... abzusehen ist", gerichtet ist, jedenfalls keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Sie ist voraussichtlich
teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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Der Antrag auf Verurteilung des Beklagten zu einer Feststellung ist unstatthaft und damit
unzulässig. Feststellungen darf nur das Gericht treffen, nicht die Verwaltungsbehörde
oder ihr Rechtsträger. Abgesehen davon wäre selbst ein statthafter Feststellungsantrag
im vorliegenden Verfahren unzulässig, weil hierfür neben dem statthaften und auch
sonst zulässigen Anfechtungsantrag gar kein Rechtsschutzinteresse besteht und
Feststellungsanträge gegenüber Gestaltungsanträgen, also Anfechtungs- und
Verpflichtungsanträgen, nur subsidiär zulässig sind (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
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Mit dem Anfechtungsantrag ist die Klage voraussichtlich unbegründet. Für den am
1.4.2010 begonnenen streitbefangenen Zeitraum, den die Kammer derzeit nur bis zum
heutigen Tage beurteilen kann (obwohl die Jugendhilfemaßnahme in Form von
Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII, die der Beklagte der am 15.1.2002 geborenen
Tochter K. des Klägers seit Dezember 2005 gewährt [seit Juli 2010 als Pflege in einer
"Westfälischen Pflegefamilie"], offenbar noch längere Zeit fortdauern soll und der darauf
bezogene streitige Kostenbeitragsbescheid vom 7.7.2010 dementsprechend ebenfalls
bis auf weiteres fortwirkt) dürfte der Beklagte den Kostenbeitrag des Klägers für diese
Jugendhilfemaßnahme - eine vom Beklagten im Mai 2010 für ein halbes Jahr offenbar
zusätzlich bewilligte Eingliederungshilfemaßnahme nach § 35 a SGB VIII ist hier ohne
Belang - mit monatlich 275 EUR nicht zu hoch bemessen haben. Das gilt auch unter
Berücksichtigung der aktuellen höchstrichterlichen und obergerichtlichen
Rechtsprechung,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 5 C 10.09 -, ZfSH/SGB 2011, 26 = juris; OVG NRW,
Beschluss vom 16.12.2010 - 12 E 1073/10 -,
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nach der hinsichtlich mancher Einzelheiten derzeit offen ist, in welcher Weise der
öffentlich-rechtliche Kostenbeitrag unter Beachtung der durch den unterhaltsrechtlichen
Selbstbehalt gezogenen Grenze zu berechnen ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 5 C 10.09 -, a.a.O. (juris Rdnrn. 26 und 27); OVG
NRW, Beschluss vom 16.12.2010 - 12 E 1073/10 - (S. 3 und 4 des Beschlussabdrucks).
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Die grundlegenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine rechtmäßige, hier
auf den §§ 92 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5, 91 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a SGB VIII beruhende
Kostenbeitragserhebung liegen unstreitig vor: Die Tochter des Klägers erhält mit der
Vollzeitpflege eine rechtmäßige stationäre Hilfemaßnahme, und der Beklagte hat den
Kläger mit dem diesem am 17.3.2010 zugestellten Schreiben vom 15.3.2010
hinreichend aufgeklärt i.S.d. § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Zudem liegt der Kostenbeitrag
(deutlich) unter der Höhe der monatlichen Aufwendungen des Beklagten für die
Vollzeitpflegemaßnahme (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII).
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Sämtliche Einwände des Klägers gegen die festgesetzte Höhe des somit grundsätzlich
von ihm geschuldeten Beitrags greifen nicht durch.
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Der Kläger hat sich im Rahmen seiner Anhörung durch den Beklagten zum einen gegen
die im Vergleich zum Jahr 2007 deutlich erhöhte Einkommensberücksichtigung und die
seiner Meinung nach zu geringe Absetzung von Steuern gewandt, ohne im Folgenden
den substanziierten Ausführungen des Beklagten, dass die berücksichtigten Zahlen
dem - im Verwaltungsvorgang dokumentierten - letztbekannten Verdienstnachweis des
Klägers für Dezember 2009 mit den darin ausgewiesenen Jahressummen entsprechen,
mit nachgewiesenen anderen, für seine Kostenbeitragspflicht ab April 2010 günstigeren
Einkommens- und Steuerbeträgen entgegenzutreten; der Beklagte hat sich damit zu
Recht an den ihm letztbekannten Einkommensverhältnissen des Klägers orientiert.
Entsprechend dem in der Anhörung zum anderen geäußerten Begehren des Klägers hat
der Beklagte die Beiträge des Klägers für die "Riester-Rente" im Rahmen des § 93 Abs.
2 Nr. 3 SGB VIII ausweislich der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden
Berechnung letztlich doch in voller Höhe berücksichtigt; eine Änderung in der
Kostenbeitragshöhe gegenüber der früheren Ankündigung ergab sich dadurch -
zutreffend - allerdings nicht.
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Mehr als den Pauschalabzug von 25 % des Nettoeinkommens für Belastungen i.S.d. §
93 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII, den der Beklagte in seine Berechnung eingestellt hat, kann
der Kläger nicht beanspruchen. Denn er hat sein darauf bezogenes Vorbringen in der
Klagebegründung, dass er für seine Arbeit spezielle Schuhe und Hosen benötige,
weder ausreichend substanziiert noch in irgendeiner Weise belegt.
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Dass der ermittelte Kostenbeitrag von monatlich 275 EUR den dem Kläger
unterhaltsrechtlich zu belassenden Selbstbehalt
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vgl. BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 5 C 10.09 -, a.a.O.
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nicht beeinträchtigt und deshalb angemessen i.S.d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist, hat
der Beklagte in der Klageerwiderung (S. 3 unten bis 4 oben) unter Hinweis auf den in
diesem Zusammenhang maßgebenden unterhaltsrechtlich gebotenen Abzug
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.12.2010 - 12 E 1073/10 - (S. 3 des
Beschlussabdrucks)
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von lediglich (mindestens) 5 % für berufsbedingte Aufwendungen (vgl. Anm. 3 zu Teil A
der "Düsseldorfer Tabelle") - höhere Aufwendungen oder sonstige Belastungen i.S.d. §
93 Abs. 3 SGB VIII hat der Kläger nicht nachgewiesen -, der sich von dem (mindestens)
25 %-Abzug gemäß § 93 Abs. 3 SGB VIII erheblich unterscheidet, voraussichtlich
zutreffend dargelegt und berechnet.
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Die mit der Klage geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen
Einzelheiten der jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsberechnung als solche (z.B. mit
Blick auf § 1609 BGB) dürften nicht durchschlagen. Solange das Existenzminimum
eines Kostenbeitragspflichtigen gesichert bleibt, sind keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die - in mehrfacher Hinsicht bewusst
pauschalierenden - Regelungen des Kostenbeitragsrechts des SGB VIII ersichtlich,
zumal es in diesem Zusammenhang einem im Vergleich zu dem von der
Hilfemaßnahme betroffenen jungen Menschen nicht mindestens gleichrangig
Unterhaltsberechtigten (vgl. § 4 Abs. 1 der Kostenbeitragsverordnung) zugemutet
werden kann, zur Deckung seines eigenen Unterhaltsbedarfs ggf. vollständig oder
ergänzend andere Sozialleistungsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Dies zu
vermeiden, kann zudem keine besondere Härte i.S.d. § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII
begründen.
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