Urteil des VG Minden vom 15.04.2009

VG Minden: beamtenverhältnis, kreis, wiederherstellung, versetzung, entlastung, lehrerfortbildung, aufgabenbereich, behörde, schichtdienst, empfehlung

Verwaltungsgericht Minden, 4 L 183/09
Datum:
15.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 183/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag der Antragstellerin,
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1. ihre Bewerbung auf die Stelle einer T. auf Kreisebene für den Bereich Hauptschulen
beim Schulamt für den Kreis N. -M. zuzulassen,
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2. die Stelle des T1. auf Kreisebene für den Bereich Hauptschulen beim Schulamt für
den Kreis N. -M. nicht zu besetzen und einem Mitbewerber/einer Mitbewerberin eine
Ernennungsurkunde nicht auszuhändigen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin
und über ihren Antrag auf Reaktivierung rechtskräftig entschieden worden ist,
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ist ohne Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO kann eine einstweilige
Anordnung ergehen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf
eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet
ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).
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Die Antragstellerin hat jedoch jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft
gemacht.
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Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen Anspruch darauf
hat, zum Bewerbungsverfahren betreffend die beim Schulamt des Kreises N. -M. zu
besetzende Stelle eines T2. als T3. auf Kreisebene für die Schulform Hauptschulen
zugelassen zu werden.
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Die Antragstellerin wurde im Jahre 2004 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe
gesetzt. Sie befindet sich zurzeit immer noch im Ruhestand. Ihr Antrag vom 11.09.2008
auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis wurde vom Antragsgegner durch
Bescheid vom 16.02.2009 abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin bisher
keine Klage erhoben. Ein auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Reaktivierung
der Antragstellerin gerichteter gesonderter Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß § 123 VwGO wurde ebenfalls nicht gestellt. Bei einem solchen
Antrag wären im Übrigen angesichts der damit angestrebten Vorwegnahme der
Hauptsache hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruchs und insbesondere auch eines Anordnungsgrundes zu stellen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.01.2008 - 1 B 1745/07 - juris.
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Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hat die Antragstellerin nicht glaubhaft
gemacht, dass sie einen Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis hat.
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Beantragt ein Beamter nach Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit, ihn erneut in das
Beamtenverhältnis zu berufen, so ist diesem Antrag gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 LBG zu
entsprechen, falls nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Der Antrag
muss nach § 48 Abs. 3 Satz 2 LBG vor Ablauf von fünf Jahren seit Beginn des
Ruhestandes und spätestens zwei Jahre vor Beginn der Altersgrenze gestellt werden.
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Grundvoraussetzung für eine Reaktivierung auf der Basis des § 48 Abs. 3 LBG ist
hiernach die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten. Ob der Beamte
dienstfähig ist, bemisst sich nach den Anforderungen desjenigen Amtes, in welchem der
Beamte (wieder)verwendet werden möchte. Das muss nicht notwendigerweise das vor
der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand innegehabte Amt sein.
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Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Kommentar, Teil C § 48 Rdnr. 26.
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Um Dienstfähigkeit bejahen zu können, muss der jetzige Gesundheitszustand des
Ruhestandsbeamten so positiv zu beurteilen sein, dass die seinerzeit getroffene
Feststellung einer Dienstunfähigkeit ausgeräumt wird und auch keine neuen Gründe der
Annahme von Dienstfähigkeit entgegenstehen. Verbleibende Zweifel an der
Dienstfähigkeit schließen einen Anspruch auf Reaktivierung aus. Derartige Zweifel
gehen im Falle der vom Dienstherrn ins Auge gefassten oder vom Beamten beantragten
erneuten Berufung in das aktive Beamtenverhältnis, anders als bei der Entscheidung
des Dienstherrn über die Versetzung des aktiven Beamten in den Ruhestand, zu Lasten
des Beamten.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 08.05.1996 - 2 A 5669/94 - DÖD 1996, 241 (242); VG
Sigmaringen, Urteil vom 12.07.2006 - 5 K 2186/05 - juris.
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Die etwaige Einholung ärztlicher Stellungnahmen und die abschließende Bewertung
der Frage, ob der Ruhestandsbeamte (wieder) dienstfähig ist, bleibt auch im Verfahren
gemäß § 48 Abs. 3 LBG zumindest im Kern Gegenstand der Amtsermittlung und ist
damit der zuständigen Behörde vorbehalten.
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Vgl. Schütz/Maiwald, a.a.O., Teil C § 48 Rdnr. 27.
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Demgemäß hat der Antragsgegner, nachdem die Antragstellerin ihre Reaktivierung
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beantragt hatte, ein amtsärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes des Kreises T4.
zur Beurteilung der Dienstfähigkeit der Antragstellerin in Auftrag gegeben, das unter
dem 03.02.2009 nach Einholung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens erstellt wurde.
Das amtsärztliche Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, die Antragstellerin sei auf Dauer
nicht in der Lage, die Dienstpflichten im früher ausgeübten Aufgabenbereich als
Lehrerin zu erfüllen; aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs sei insoweit von einem
Dauerzustand auszugehen. Die Antragstellerin sei jedoch in der Lage, in einem sehr
kleinen Klassenverbund tätig zu sein. Auch könne sie Tätigkeiten im Verwaltungsdienst,
z. B. Tätigkeiten in der Schulamtsdirektion, in der Schulverwaltung oder
Lehrerfortbildung ausüben. Die Antragstellerin benötige allerdings zur Kompensation
ihrer gesundheitlichen Leistungseinschränkungen beispielsweise längere
Unterbrechungen oder Pausen während ihrer Arbeitszeit, eine Reduzierung der
täglichen Arbeitszeit und eine Entlastung von bestimmten Aufgaben; Arbeiten unter
Zeitdruck, mit Publikumsverkehr sowie Schichtdienst seien ihr nicht möglich. Es werde
eine schrittweise Wiedereingliederung empfohlen, und zwar für die Dauer von drei
Monaten im Umfang von 50 v. H. der Arbeitszeit und danach für die Dauer von drei
Monaten im Umfang von 75 v. H. der Arbeitszeit.
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Aufgrund der Ausführungen in dem amtsärztlichen Gutachten vom 03.02.2009 ist
anzunehmen, dass die Antragstellerin selbst auf längere Sicht keine Dienstfähigkeit in
Bezug auf ihr früheres Amt einer Lehrerin besitzt. Aber auch hinsichtlich des von der
Antragstellerin im Wege der Reaktivierung angestrebten Amtes einer Schulrätin ergibt
sich aus dem amtsärztlichen Gutachten nach Einschätzung der Kammer keineswegs,
dass von einer uneingeschränkten Dienstfähigkeit der Antragstellerin auszugehen ist.
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Gutachten mit der Empfehlung einer
schrittweisen Wiedereingliederung, die als eine Art Arbeitsversuch zu verstehen ist,
endet. Außerdem machen die in dem Gutachten "zur Kompensation der
gesundheitsbezogenen Leistungseinschränkungen" der Antragstellerin für erforderlich
gehaltenen - oben wiedergegebenen - weitgehenden Maßnahmen bzw.
Beschränkungen deutlich, dass die Antragstellerin zurzeit nicht in der Lage ist, die
Aufgaben einer Schulrätin als schulfachlicher Schulaufsichtsbeamtin in einer unteren
Schulaufsichtsbehörde (vgl. § 91 SchulG) "ohne Wenn und Aber" auszuüben.
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Zum Dienstbereich des schulfachlichen Mitglieds eines Schulamtes gehören gemäß §
91 Abs. 3 SchulG die schulfachlichen Angelegenheiten einschließlich der
dienstrechtlichen Entscheidungskompetenz. Wie der Antragsgegner in seiner
Antragserwiderung bereits dargelegt hat und dem Gericht im Übrigen aus einer Vielzahl
gerichtlicher Verfahren bekannt ist, handelt es sich bei der Tätigkeit eines
schulfachlichen T1. nicht etwa um eine reine Bürotätigkeit, die der Beamte ohne
Zeitdruck, ohne Reizüberflutung und ohne Publikumsverkehr ausüben und bezüglich
der Arbeitszeit und der Einlegung von Pausen weitgehend selbständig gestalten kann.
Hierzu wird auf die nach Ansicht der Kammer zutreffenden Ausführungen des
Antragsgegners in seiner Antragserwiderung Bezug genommen. Insoweit wird lediglich
ergänzend darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines schulfachlichen T1. sich zum
Teil "vor Ort", das heißt an den verschiedenen dem Schulamtsbezirk angehörenden
Schulen abspielt und häufige und zum Teil äußerst unerfreuliche Kontakte zu
Schulleitungen, Lehrern, Eltern und ggf. Schülern mit sich bringt.
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Da die Antragstellerin sich zurzeit im Ruhestand befindet und ein Anspruch auf erneute
Berufung in das Beamtenverhältnis nicht glaubhaft gemacht ist, kann die Antragstellerin
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nicht beanspruchen, im Wege der Reaktivierung zum Bewerbungsverfahren um die
beim Kreis N. -M. zu besetzende Schulratsstelle zugelassen zu werden. Dafür, dass die
Antragstellerin einen Anspruch auf Einbeziehung in das Bewerbungsverfahren
unabhängig von einer vorherigen Reaktivierung unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG
haben könnte, ist nichts vorgetragen worden oder ersichtlich. Die von der Antragstellerin
mit ihrem Antrag zu 2. begehrte Freihaltung der hier fraglichen Stelle kommt nach
alledem nicht in Betracht.
Der Antrag war demgemäß mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO
abzulehnen.
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Die Kammer hat die Kosten der Beigeladenen für nicht erstattungsfähig angesehen. Das
entspricht der Billigkeit, weil die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich
somit dem Risiko der Auferlegung von Kosten gemäß § 154 Abs. 3 VwGO nicht
ausgesetzt hat.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG und
berücksichtigt die Vorläufigkeit des Verfahrens.
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