Urteil des VG Köln vom 23.11.2006

VG Köln: treu und glauben, aufrechnung, versicherung für fremde rechnung, juristische person, rückerstattung von versicherungsleistungen, eintritt des versicherungsfalles, weisung, eisenbahn

Verwaltungsgericht Köln, 16 K 5633/05
Datum:
23.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 5633/05
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Hauptforderungen der Klägerin aus den mit
der Beklagten geschlossenen Finanzierungsvereinbarungen (Einzel-,
Sammel- und Globalvereinbarungen) nicht in Höhe der in dem
Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 05.08.2005 erklärten
Aufrechnung in Höhe von 78.513.837,65 EUR erloschen sind.
Es wird festgestellt, dass durch die Erklärungen in dem Schreiben des
Eisenbahn-Bundesamtes vom 05.08.2005, wonach ein Betrag in Höhe
von 78.513.837,65 EUR als zugewiesen gelte und im
Verwendungsnachweis 2005 durch zuwendungsfähige Kosten
nachzuweisen sei, keine an die Zuweisung von Mitteln geknüpften
Rechtsfolgen und insbesondere keine Pflicht der Klägerin zur
Erbringung eines Kostennachweises in Höhe des genannten Betrages
im Verwendungsnachweis 2005 begründet wurde.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, die aufgrund der
Sammelvereinbarungen Nr. F21P5015/2003, Nr. 22/2003 und Nr.
1/2002 sowie der Einzelvereinbarungen F14E0089, F14V0082 und
F21B009-000 erhaltenen Leistungen zur Beseitigung von
hochwasserbedingten Schäden an zuwendungsfähigen Sachanlagen in
Höhe des Betrages, den die Klägerin und/oder die Deutsche Bahn AG
zur Beseitigung dieser Schäden aus der "Gebündelte Sachversicherung
Deutsche Bahn AG", des Versicherungskonsortiums unter Führung der
H. Versicherungs AG, Versicherungsschein- Nr. 214 180 erhalten hat, an
die Beklagte zurückzuzahlen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zu 1/2.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist ein einhundertprozentiges Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG.
Sie betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen Großteil des deutschen
Eisenbahnschienennetzes.
2
Am 18.12.2001 schloss die Deutsche Bahn AG mit einem Versicherungskonsortium
einen Versicherungsvertrag über eine "Gebündelte Sachversicherung" ab. Versichert
sind gemäß Vertragsteil D Ziff. 2.1 alle Schäden an und Verluste von versicherten
Sachen, die während der Versicherungsdauer unvorhergesehen eintreten, wobei für
Schäden durch Überschwemmung/Hochwasser gemäß Vertragsteil B Ziff. 34.1 ein
Höchstbetrag von 50 Mio. EUR je Versicherungsfall vereinbart ist. Die
Versicherungsleistungen umfassen neben den Kosten der Wiederherstellung ferner
Aufwendungen und Kosten zur Abwendung oder Minderung von Schäden oder einer
unmittelbar drohenden versicherten Gefahr sowie sog. "Mehr- und
Beschleunigungskosten", wobei gemäß Vertragsteil F Ziff. 1 und Vertragsteil G Ziff. 1
auch insoweit jeweils ein Höchstbetrag von 50 Mio. EUR je Versicherungsfall vereinbart
ist. Unter Vertragsteil A Ziff. 6 ist die Klägerin - neben zahlreichen anderen
Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG - als Mitversicherte aufgeführt.
3
Im Zuge des Hochwassers im August 2002 kam es in weiten Teilen von Sachsen und
Sachsen-Anhalt zu Schäden an Sachanlagen der Deutsche Bahn AG, darunter
insbesondere auch zu Schäden an dem Streckennetz einschließlich seiner
betriebsbegleitenden Einrichtungen. Die Deutsche Bahn AG bezifferte die
Gesamtsumme der Schäden an Sachanlagen des Konzerns im April 2004 mit
771.195.800,- EUR, wovon nach Abzug gesondert versicherter Beträge 752.893.800,-
EUR verblieben. Hiervon ent-fielen 120.659.900,- EUR auf
Sachschäden/Aufräumkosten sowie 79.850.100,- EUR auf Mehr- und
Beschleunigungskosten. Die Schäden der Klägerin nach Abzug gesondert versicherter
Beträge wurden mit 513.086.600,- EUR beziffert, wovon 505.594.300,- EUR den
zuwendungsfähigen Sachanlagen zugeordnet wurden. Aufgrund dieses
Schadensereignisses erhielt die Deutsche Bahn AG im Geschäftsjahr 2002 aus der
"Gebündelte Sachversicherung" Leistungen in Höhe des Gesamthöchstbetrages von
insgesamt 150 Mio. EUR, wobei die Versicherer weitgehend auf Einzelnachweise der
Schäden verzichteten. Aus dieser Versicherungssumme schrieb die Deutsche Bahn AG
der Klägerin im Wirtschaftsjahr 2002 einen Betrag in Höhe von 35.364.171,00 EUR zum
Ausgleich nachgewiesener Hochwasserschäden gut. Nach entsprechender Zuord-
nung der zugeflossenen Bundesmittel wurde die Gutschrift in Höhe eines - auf
zuwendungsfähige und versicherte Anlagen entfallenden - Teilbetrages in Höhe von
28.141.200, EUR storniert und der verbliebene Betrag von 7.222.969,00 EUR zum
Fälligkeitszeitpunkt 31.01.2003 zugunsten der Klägerin gebucht. Ferner wurde der
Klägerin für das Geschäftsjahr 2004 aus der Versicherungssumme ein Betrag in Höhe
von 3.817.864,00 EUR am 28.01.2005 gutgeschrieben. Die Versicherungsleistungen
wurden von der Klägerin für Maßnahmen zur Beseitigung von Hochwasserschäden
verwendet, für die keine Finanzierungsmittel der Beklagten in Anspruch genommen
worden waren.
4
Mit Schreiben vom 29.08.2002 teilte das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen dem Eisenbahn-Bundesamt mit, Ziel müsse es sein, nun alle
Finanzierungsentscheidungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden möglichst
schnell zu treffen. Die Finanzierung solle im Rahmen der bestehenden
Finanzierungsvereinbarungen erfolgen. In einem nachrichtlich u.a. der Klägerin
zugeleiteten Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes an seine Außenstellen vom
30.08.2002 wurde u.a. darauf hingewiesen, dass alle in diesem Rahmen
vorzunehmenden Mittelfreigaben mit der Maßgabe zu versehen seien, dass alle
Ansprüche auf Versicherungsleistungen geltend zu machen und alle der Deutsche
5
Bahn AG erstatteten Versicherungsleistungen dem Eisenbahn-Bundesamt anzuzeigen
seien. In Ausführung dieses Schreibens wurden der Klägerin aus den sämtlich
ursprünglich für andere Zwecke geschlossenen Einzelvereinbarungen F14E0089,
F14V0082 und F21B009-000 sowie der Sammelvereinbarung Nr. 1/2002 zum Zwecke
der Beseitigung von Hochwasserschäden Mittel zugeleitet.
Zur Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von Hochwasserschäden schloss
die Klägerin - nebst zwei weiteren Tochterunternehmen der Deutsche Bahn AG - mit der
Beklagten auf der Grundlage des Fonds Aufbauhilfe in Verbindung mit der
Rahmenvereinbarung über die Finanzierung von Investitionen (Bau-, Ausbau- und
Ersatzinvestitionen) in die Schienenwege der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des
Bundes vom 14.12.1999 - RV - zwei Sammelvereinbarungen - SV -, nämlich die SV Nr.
F21P5015/2003 vom 17.12.2002 und die SV Nr. 22/2003 vom 25.03.2003. Gegenstand
der SV Nr. F21P5015/2003 war eine Finanzierung bis zu einem Gesamtbetrag von
insgesamt 500 Mio. EUR für die Jahre 2003 und 2004, Gegenstand der SV Nr. 22/2003
war ein Förderbetrag von bis zu 136 Mio. EUR aus Mitteln des Europäischen Fonds für
regionale Entwicklung - EFRE -. Gemäß § 4 Abs. 1 der SV Nr. F21P5015/2003 führten
die EIU die Maßnahmen zur Beseitigung der Hochwasserschäden im Rahmen der
zwischen dem Bund und ihnen abgeschlossenen Vereinbarungen durch. § 4 Abs. 4
regelte, dass für die Durchführung der Maßnahmen zur Beseitigung von
Hochwasserschäden die Regelungen der jeweiligen Vereinbarung und die Regelungen
der Rahmenvereinbarung in der jeweiligen Fassung gelten, soweit in dieser
Sammelvereinbarung nicht ausdrücklich andere Regelungen festgelegt sind. Die
Sammelvereinbarungen sahen jeweils vor, dass die Finanzierung durch
Baukostenzuschüsse erfolgt, und enthielten jeweils eine Regelung über Fälle der
Kostentragungspflicht Dritter. In den im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelungen des §
3 der SV Nr. F21P5015/2003 und § 5 der SV Nr. 22/2003 heißt es jeweils, die
Finanzierung erfolge nur insoweit, wie Dritte nicht zur Kostentragung verpflichtet seien
und soweit Versicherungsleistungen nicht geltend gemacht werden könnten. Soweit
eine Klärung vor einem erforderlichen Baubeginn nicht möglich sei oder die Drittbeträge
nicht rechtzeitig zur Verfügung stünden, erfolge die Vorfinanzierung der Kosten im
Rahmen der jeweiligen Vereinbarung. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen - EIU -
seien verpflichtet, die Kostenbeteiligung Dritter zum frühest möglichen Zeitpunkt
verfügbar zu machen und ggf. vorfinanzierte Beträge umgehend dem jeweiligen
Kostenträger gut zu bringen. § 3 Abs. 8 RV bestimmt, dass von den grundsätzlich
zuwendungsfähigen Kosten Investitionszuschüsse und Finanzierungsbeiträge Dritter
abzusetzen sind. Nicht zuwendungsfähig sind nach dieser Regelung u.a. Kosten, zu
deren Tragung Dritte verpflichtet sind.
6
Nach zwischenzeitlicher Reduzierung der Mittel aus dem Fonds Aufbauhilfe bewilligte
die Beklagte bis zum 31.12.2004 auf der Grundlage der Sammelvereinbarungen
insgesamt einen Betrag von 294 Mio. EUR an Unternehmen des DB-Konzerns. Aus
dieser Summe erhielt die Klägerin 175.294.900,00 EUR.
7
Nach umfangreicher Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Eisenbahn-
Bundesamt - EBA -, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen -
BMVBW - sowie dem Bundesministerium für Finanzen - BMF - führte das EBA mit an
die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 05.08.2005 aus:
8
"Mit Schreiben vom 26.07.2005 hat mir das BMVBW seine Entscheidung bzgl. der
Rückforderung der 71,478 Mio. EUR wg. Versicherungsleistungen bei der Finanzierung
9
der Beseitigung von Hochwasserschäden 2002 mitgeteilt. Danach ist die Rückforderung
zzgl. der angefallenen Zinsen im Wege der Aufrechnung durchzusetzen. Verzugszinsen
werden nicht geltend gemacht. Die Aufrechnung wird am 12.08.2005 durchgeführt.
71.478.000,00 EUR und Zinsen in Höhe von 7.035.837,65 EUR für 713 Tage Insgesamt
also 78.513.837,65 EUR
10
Damit ist die Rückforderung und die Forderung für Zinsen erledigt.
11
Der Betrag in Höhe von 78.513.837,65 EUR gilt hiermit als zugewiesen und ist im
Verwendungsnachweis 2005 durch zuwendungsfähige Kosten nachzuweisen.
12
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung."
13
Dabei wurde der Rückforderungsbetrag in der Weise ermittelt, dass die für Mehr- und
Beschleunigungskosten gezahlten Versicherungsleistungen außer Betracht blieben.
Die danach verbliebenen Versicherungsleistungen in Höhe von 100 Mio. EUR wurden
sodann entsprechend des Verhältnisses der zuwendungsfähigen Kosten für
Sachschäden und Aufräumkosten zu den nicht zuwendungsfähigen Kosten und den
Kosten der Nicht-Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgeteilt. Die verhältnismäßige
Aufteilung zwischen den beteiligten Eisenbahninfrastrukturunternehmen ergab einen
auf die Klägerin entfallenden Anteil in Höhe von 65.893.000,00 EUR. Ferner enthielt der
Rückforderungsbetrag weitere Anteile von 4.753.000,00 EUR und 832.000,00 EUR, die
auf die DB Station & Service AG sowie die DB Energie GmbH entfielen und
Zuwendungen betrafen, die zwischen den Beteiligten stets im Namen und für Rechnung
der Klägerin gebucht worden waren.
14
Die Klägerin legte vorsorglich Widerspruch gegen dieses Schreiben ein.
15
Am 22.09.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.
16
Sie trägt vor, die erhobene Feststellungsklage sei nicht subsidiär gegenüber einer
Leistungsklage, da von der Beklagten zu erwarten sei, dass sie auch ohne
vollstreckbares Leistungsbegehren der gerichtlichen Entscheidung nachkommen werde.
Überdies könne nicht in der für eine Leistungsklage erforderlichen Weise bestimmt
werden, auf welche Finanzierungsvereinbarung sich die Aufrechnung beziehe. In der
Sache fehle es bereits an der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung. Die
Finanzierungsverantwortung für Investitionen in die Schienenwege sei gesetzlich dem
Bund zugewiesen. Die Voraussetzungen der Rückforderung seien nicht erfüllt. Die
Deutsche Bahn AG sei als Versicherungsnehmerin einer Fremdversicherung im Sinne
der §§ 74 ff. des Versicherungsvertragsgesetzes - VVG - frei in ihrer Entscheidung, wie
sie mit den erhaltenen Versicherungsleistungen verfahre. Die Klägerin sei mit der
Deutsche Bahn AG einig, dass ihr kein Anspruch auf anteilige Weiterleitung der
Versicherungssumme zustehe. Die Versicherung diene vorrangig der Abdeckung des
gesamten Konzernrisikos der Deutsche Bahn AG und nicht des der Beklagten
obliegenden Investitionsrisikos für die Eisenbahninfrastruktur. Eine Reduzierung der die
Beklagte treffenden Finanzierungsverpflichtung nach §§ 3 bzw. 5 der
Sammelvereinbarungen komme erst dann in Betracht, wenn die Summe der bewilligten
Zuwendungen und der empfangenen Versicherungsleistungen größer sei als die
Hochwasserschäden der Deutsche Bahn AG nebst Tochterunternehmen. Dies
entspreche dem haushaltsrechtlichen Verbot der Doppelförderung sowie dem in § 59
17
VVG enthaltenen Verbot der Bereicherung des Versicherungsnehmers. Die ausgezahlte
Versicherungsleistung sei aber bereits durch die nicht zuwendungsfähigen Schäden
mehr als aufgezehrt worden. Insgesamt habe der DB-Konzern zusätzlich zu den
erhaltenen Zuwendungen und der Versicherungsleistung bereits Eigenmittel in Höhe
von ca. 135 Mio. EUR einsetzen müssen. Jedenfalls könne die Auskehrung der
Versicherungsleistung an die Klägerin nicht erfolgreich geltend gemacht werden, weil
angesichts der Abläufe eine konkludente Weisung der DB AG dahingehend, den
Auskehrungsanspruch nicht geltend zu machen, anzunehmen sei. Dann aber sei es
eine bloße Förmelei, den Anspruch überhaupt als entstanden anzusehen. Die
Aufrechnung sei wegen Befristung, Unbestimmtheit sowie wegen Zweckgebundenheit
und daraus folgender Unpfändbarkeit der Hauptforderungen unwirksam. Der in § 10
Abs. 7 RV vorgesehene Aufrechnungsvorbehalt streite nicht für die Zulässigkeit der
Aufrechnung, sondern halte lediglich deklaratorisch die grundsätzliche Anwendbarkeit
der Bestimmungen über die Aufrechnung fest, zu denen aber auch das
Aufrechnungsverbot zähle. Eine Abbedingung des Aufrechnungsverbotes könne hierin
nicht gesehen werden, zumal eine solche wegen Kollision mit zwingendem Recht
unwirksam wäre. Jedenfalls könnten durch die Aufrechnung keine Pflichten der Klägerin
zur Vorlage von Kostennachweisen begründet werden. Derartige Handlungspflichten,
die sie unzulässig in ihrer Dispositionsfreiheit einschränkten, ob sie die entsprechenden
Investitionen mit Förder- oder mit Eigenmitteln durchführe, könnten nicht einseitig
begründet werden. Die Aufrechnung an sich bewirke lediglich das Erlöschen der
Hauptforderung, habe aber keine Erfüllungswirkung.
Die Klägerin beantragt,
18
1. festzustellen, dass die Hauptforderungen der Klägerin aus den mit der Beklagten
geschlossenen Finanzierungsvereinbarungen (Einzel-, Sammel- und
Globalvereinbarungen) nicht in Höhe der in dem Schreiben des Eisenbahn-
Bundesamtes vom 05.08.2005 erklärten Aufrechnung in Höhe von 78.513.837,65 EUR
erloschen sind,
19
2. festzustellen, dass durch die Erklärungen in dem Schreiben des Eisenbahn-
Bundesamtes vom 05.08.2005, wonach ein Betrag in Höhe von 78.513.837,65 EUR als
zugewiesen gelte und im Verwendungsnachweis 2005 durch zuwendungsfähige
Kosten nachzuweisen sei, keine an die Zuweisung von Mitteln geknüpften Rechtsfolgen
und insbesondere keine Pflicht der Klägerin zur Erbringung eines Kostennachweises in
Höhe des genannten Betrages im Verwendungsnachweis 2005 begründet wurde,
20
hilfsweise,
21
den Verwaltungsakt des Eisenbahn-Bundesamtes vom 05.08.2005 aufzuheben.
22
3.
23
Die Beklagte beantragt,
24
die Klage abzuweisen,
25
hilfsweise und widerklagend,
26
festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, die aufgrund der Sammelvereinbarungen
27
Nr. F21P5015/2003, Nr. 22/2003 und Nr. 1/2002 sowie der Einzelvereinbarungen
F14E0089, F14V0082 und F21B009-000 erhal- tenen Leistungen zur Beseitigung von
hochwasserbedingten Schäden an zuwendungsfähigen Sachanlagen in Höhe des
Betrages, den die Klägerin und/oder die Deutsche Bahn AG zur Beseitigung dieser
Schäden aus der "Gebündelte Sachversicherung Deutsche Bahn AG", des
Versicherungs- konsortiums unter Führung der H. Versicherungs AG,
Versicherungsschein-Nr. 214 180 erhalten hat, an die Beklagte zurückzuzahlen.
Sie trägt vor, die Gewährung der streitgegenständlichen Mittel habe nicht nur auf den
Sammelvereinbarungen Nr. F21P5015/2003 und Nr. 22/2003 beruht, sondern ferner auf
der Grundlage der Sammelvereinbarung Nr. 1/2002 und einer Reihe von
Einzelvereinbarungen, die durch die Schreiben vom 29. und 30.08.2003 insoweit
"umgewidmet" worden seien. Der verfassungsrechtliche
Infrastrukturgewährleistungsauftrag sei auf den Ausbau und Erhalt der
Schieneninfrastruktur begrenzt und gemeinwohlbezogen. Er gewähre der Klägerin
keine subjektiven Finanzierungsansprüche. Die Klägerin sei aus dem
zuwendungsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatz verpflichtet, durch vorrangige
Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen die Allgemeinheit weitestmöglich zu
entlasten. Das Absetzen von Versicherungsleistungen sei dementsprechend ständige
Verwaltungspraxis. Die Deutsche Bahn AG sei als Versicherungsnehmerin
treuhänderisch verpflichtet, die Versicherungsleistung einzuziehen und entsprechend §
366 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 56 VVG anteilig an die Klägerin
auszukehren, zumal die Klägerin stets den Eindruck erweckt habe, über entsprechende
Versicherungen zu verfügen. Die entsprechenden Regelungen in den
Finanzierungsvereinbarungen machten nur bei einer Auslegung Sinn, die die Klägerin
verpflichte, ihr zustehende Versicherungsleistungen geltend zu machen und
zuwendungsmindernd einzusetzen. Die Aufrechnung sei weder unter einer Bedingung
noch unter einer Befristung erfolgt. Das genannte Datum 12.08.2005 diene allein der
Zinsberechnung. Jedenfalls sei die Aufrechnung mit Schreiben vom 28.09.2005
wirksam wiederholt worden. Soweit die Pflichten zur Vorlage von
Verwendungsnachweisen erwähnt würden, liege hierin keine originäre Begründung von
Rechtsfolgen und führe nicht zur Unbestimmtheit, sondern verweise informationshalber
auf die sich wegen der Erfüllungswirkung der Aufrechnung unmittelbar aus den
geschlossenen Rahmenvereinbarungen und dem Mittelabruf- verfahren ergebenden
Nachweispflichten. Der Aufrechnungsausschluss wegen Un- pfändbarkeit greife nicht
ein, weil die Zweckerreichung wegen Identität der Zweckbestimmung von Haupt- und
Gegenforderung gegeben sei. Überdies sei in § 10 VII RV zum Ausdruck gebracht
worden, dass die Beteiligten, zwischen denen Rückforderungsansprüche in jahrelanger
Praxis verrechnet worden seien, einvernehmlich die Aufrechenbarkeit vorausgesetzt
hätten. Dementsprechend sei der Klägerin eine Berufung auf das Aufrechnungsverbot
zumindest nach Treu und Glauben verwehrt. Die Verzinsung folge aus § 10 Abs. 5 RV
und sei bis zum Zeitpunkt der Aufrechnung vorzunehmen. Mit dem Hilfsantrag sei die
Klage unzulässig, da die Aufforderung zur Erbringung von Verwendungsnachweisen
keinen Verwaltungsakt darstelle. Werde dies anders beurteilt, so folge die
entsprechende Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten unmittelbar aus § 9 Satz 1
des Bundesschienenwegeausbaugesetzes - BSchwAG - i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 6 BEVVG.
Die Hilfswiderklage sei zulässig, weil der mit der Widerklage geltend gemachte
Anspruch nur begründet sein könne, wenn die Klage begründet sei. Sie sei als
Feststellungsklage nicht subsidiär, weil ein etwaiger Leistungsanspruch noch nicht
beziffert werden könne.
28
Die Klägerin beantragt,
29
die Widerklage abzuweisen,
30
die sie wegen Vorrangigkeit einer, ggfs. in Form einer Stufenklage zu erhebenden,
Leistungsklage für unzulässig hält.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten ergänzend Bezug genommen.
32
Entscheidungsgründe
33
I.
34
1. Die erhobene Feststellungsklage ist mit beiden Anträgen zulässig. Insbesondere ist
sie nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär gegenüber einer an ihrer Stelle zu
erhebenden Leistungsklage. Insoweit kann dahin stehen, ob die Klägerin zu Recht
geltend macht, die streitigen Beträge infolge Unbestimmtheit der im Streit stehenden
Aufrechnung nicht mit der für eine Leistungsklage erforderlichen Bestimmtheit geltend
machen zu können. Auf diese Frage kommt es für die Zulässigkeit nicht entscheidend
an. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist in Anlehnung an die zivilprozessuale Rechtsprechung
einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Feststellungsklage gegen eine
juristische Person des öffentlichen Rechts auch dann möglich ist, wenn an ihrer Stelle
eine Leistungsklage erhoben werden könnte. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs-
und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht
droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in
Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den
Beteiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung
tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, die Klägerin auf eine
Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen die streitigen
Rechtsfragen nur als Vorfragen zu klären wären. Bei Klagen gegen juristische Personen
des öffentlichen Rechts ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie bereits einem in der
Hauptsacheentscheidung nicht vollstreckbaren Feststellungsurteil Folge leisten werden.
35
Vgl. BVerwG, u.a. Urteile vom 27.10.1970 - VI C 8/69 -, BVerwGE 36, 179 ff., vom
02.07.1976 - VII C 71/75 -, BVerwGE 51, 69 ff., vom 29.04.1997 - I C 2/95 -, NJW 1997,
2535 und vom 05.12.2000 - 11 C 6/00 -, BVerwGE 112, 253 ff..
36
Diese alternativen Voraussetzungen sind sämtlich gegeben. Die Beklagte ist eine
juristische Person des öffentlichen Rechts und die streitigen Rechtsfragen können durch
Feststellungsurteil in einer insbesondere dem zwischen den Beteiligten praktizierten
Mittelabrufverfahren gerecht werdenden Weise geklärt werden. Im Übrigen ist auch eine
Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen
nicht zu besorgen.
37
Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Hinsichtlich des Antrags
zu 1. ergibt es sich schon aus dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Frage,
ob die ihr im Rahmen des Mittelabrufverfahrens zustehenden Gesamtansprüche durch
die Aufrechnungserklärung wirksam gemindert sind. Hinsichtlich des Antrags zu 2. folgt
es ebenfalls aus dem wirtschaftlichen Interesse. Dies bereits deshalb, weil die ihr
auferlegte Pflicht zur Erbringung von Verwendungsnachweisen für das Kalenderjahr
38
2005 zuwendungsrechtlich die Folge einer Mittelzuwendung und im vorliegenden Fall
streitig ist, ob eine solche Mittelzuwendung durch die Aufrechnung wirksam erfolgt ist.
Darüber hinaus beeinträchtigt die Pflicht zur Erbringung von Verwendungsnachweisen
auch vermögensrechtliche Positionen der Klägerin, da sie im Falle der Nichterbringung
bzw. nicht ausreichenden Erbringung der Nachweise die Gefahr von
Rückforderungsansprüchen nach sich zieht. Der Verwendungsnachweis dient gemäß §
9 Abs. 2 RV der Prüfung der Verwendung der Fördermittel. Ergibt sich bei der Prüfung
ein als zweckwidrige Verwendung zu bewertender Sachverhalt, so hat die Beklagte
gemäß § 10 Abs. 4 RV vermögensrechtliche Ansprüche gegen die Klägerin, darunter
u.a. das Recht auf Rückzahlung des entsprechenden Betrages.
2. Die Klage ist auch mit beiden Hauptanträgen begründet.
39
a) Die den am 12.08.2005 wirksamen Mittelanforderungen der Klägerin zugrunde
liegenden Hauptforderungen aus den mit der Beklagten geschlossenen
Finanzierungsvereinbarungen (Einzel-, Sammel- und Globalvereinbarungen) sind nicht
in Höhe der in dem Schreiben des EBA vom 05.08.2005 erklärten Aufrechnung von
78.513.837,65 EUR erloschen. Die Aufrechnung ist bereits deshalb unwirksam, weil es
an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB fehlt. Die
Aufrechnungserklärung genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht. Sie benennt die
Hauptforderung der Klägerin, gegen die aufgerechnet wird, nicht hinreichend konkret
genug. Auch wenn § 388 BGB über den Inhalt der Aufrechnungserklärung keine
ausdrückliche Bestimmung enthält, so steht in Rechtsprechung und Literatur außer
Streit, dass sowohl die Forderung, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung) als auch
die Forderung, gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung) hinreichend konkret
bezeichnet werden muss. Dies folgt jedenfalls aus der für die Hauptforderung in § 322
Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO - und für die Gegenforderung in § 322 Abs. 2
ZPO, der gemäß § 173 VwGO im Verwaltungsprozess in gleicher Weise anwendbar ist,
40
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 173, Rn. 4,
41
angeordneten Rechtskraftwirkung. Ohne das schon aus § 388 BGB folgende
Bestimmtheitserfordernis könnte auch die sich aus § 389 BGB ergebende Wirkung der
Aufrechnung, das gegenseitige Erlöschen der Forderungen, das sich gerade auch auf
die Hauptforderung bezieht, nicht festgestellt werden.
42
Vgl. OLG Köln, Urteil vom 10.11.2004 - 2 U 168/03 -, NJW 2005, 1128; BGH, Urteil vom
20.11.1997 - VII ZR 26/97 -, NJW 1998, 995; Grüneberg in: Palandt, BGB, 65. Aufl., §
388, Rn. 1.
43
Nach § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich
decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in dem sie zur Aufrechnung geeignet
einander gegenüber getreten sind. Welche Forderung der Klägerin aber durch die von
der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen sein soll, lässt sich der
Aufrechnungserklärung nicht entnehmen. Anhand der mit Schreiben des EBA vom
05.08.2005 erfolgten Aufrechnungserklärung ist weder bestimmt noch zumindest
bestimmbar, gegen welche Hauptforderungen der Klägerin aufgerechnet wird. Das
Schreiben bringt lediglich zum Ausdruck, dass ein Betrag in Höhe von 78.513.837,65
EUR - im Zuge der regelmäßigen Anforderungen im Rahmen des Mittelabrufverfahrens -
als zugewiesen gelte. Dem ist allein zu entnehmen, dass ein zahlenmäßiger Anteil der
von der Klägerin abgerufenen Fördermittel in der genannten Höhe zur Aufrechnung
44
gestellt wurde. Welche konkreten Forderungen für welche speziellen auf der Basis der
zwischen Klägerin und Beklagter bestehenden zahlreichen Einzel-, Sammel- und
Rahmenver- einbarungen durchgeführten Einzelprojekte damit ganz oder teilweise
abgegolten sein sollten, ist dem Schreiben weder unmittelbar zu entnehmen, noch kann
es unter Berücksichtigung der Umstände hinreichend sicher ermittelt werden. Einer
Bestimmbarkeit steht schon die Vielzahl der zwischen den Beteiligten bestehenden
Vereinbarungen, aus denen sich jeweils rechtlich selbständige Ansprüche der Klägerin
ergeben, entgegen. Zur Bestimmung kann auch nicht der Zweck der Beseitigung von
Hochwasserschäden herangezogen werden, da die Aufrechnung mit
Mittelanforderungen aus dem Jahr 2005 erfolgte. Es ist nicht ersichtlich, dass die
Klägerin für den Monat August 2005 Mittel zur Beseitigung von Hochwasserschäden in
einer der zur Aufrechnung gebrachten Gegenforderung entsprechenden Höhe
abgerufen hätte.
Die fehlende Bestimmung wird auch nicht dadurch geheilt, dass sich die Beteiligten
darüber einig sind, dass der Klägerin gegen die Beklagte Forderungen in einer die
Gegenforderung übersteigenden Höhe zustehen.
45
Vgl. OLG Köln, a.a.O..
46
In dem von den Beteiligten praktizierten Mittelabrufverfahren bzw. bei Erhebung
eventueller zukünftiger Leistungsklagen der Klägerin auf Auszahlung von Fördermitteln,
die zwingend auf bestimmte Einzelprojekte auf der Grundlage der genannten
Vereinbarungen bezogen sein müssten, könnte im maßgeblichen Zeitpunkt der
Aufrechnungserklärung ungeachtet dieser Einigkeit nicht festgestellt werden, welchen
dieser behaupteten Ansprüche der Einwand des Erlöschens der Hauptforderung durch
die erklärte Aufrechnung entgegenstünde.
47
Der in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand der Beklagten, eine hinreichend
bestimmte Bezeichnung der Hauptforderung sei ihr aufgrund der dem Mittelabrufverfah-
ren eigenen pauschalen Mittelanforderung durch die Klägerin nicht möglich, kann schon
deshalb nicht durchgreifen, weil die Bestimmtheit zwingende gesetzliche
Voraussetzung ist. Von ihrer Geltung kann der Aufrechnende auch dann nicht befreit
werden, wenn er zuvor ein Auszahlungsverfahren gewählt hat, in dem ihm eine
hinreichende Bestimmung nicht möglich ist. Vielmehr kann in einem solchen Fall eine
wirksame Aufrechnung nicht durchgeführt werden. Im Übrigen vermag die Kammer der
Beklagten nicht darin zu folgen, dass sie im Stadium einer Mittelanforderung nicht über
die notwendigen Angaben verfügen würde, um eine Bestimmung der Hauptforderung
vorzunehmen. Gemäß § 7 Abs. 3 RV dürfen nur Mittel für solche Projekte angefordert
werden, für die durch das EBA eine Baufreigabe in finanzieller Hinsicht gemäß § 6 Abs.
2 RV erfolgt ist. § 7 Abs. 5 RV setzt einen hinreichenden Überblick der Beklagten über
die Berechtigung der Mittelanforderungen voraus, da die dort vorgesehene Verzinsung
bei verfrühter Inanspruchnahme von Mitteln nur Sinn macht, wenn die Beklagte dies
auch kontrolliert. Jedenfalls aber ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte gehindert
sein sollte, der Klägerin eine Spezifikation ihres Mittelabrufes aufzuerlegen. Wenn die
Beteiligten aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Beschleunigung der
Mittelzuweisung in ständiger Praxis anders verfahren, kann dies keine andere
Beurteilung der Wirksamkeit einer Aufrechnung begründen.
48
Ist die Aufrechnung demnach schon wegen Fehlens einer konstitutiven materiellen
Wirksamkeitsanforderung unwirksam, so kommt es auf die zwischen den Beteiligten
49
problematisierten Fragen, ob sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und ob der
Klägerin die Berufung auf diesen Verstoß aus Rechtsgründen verwehrt ist, für die
Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Insbesondere ist das hier maßgebliche
Bestimmtheitserfordernis nicht an eine Befugnis der Klägerin zur Rüge geknüpft,
sondern hat aus den genannten objektiven Gründen uneingeschränkt Geltung.
Obwohl es nach dem Antrag, der sich allein auf das Schreiben des EBA vom
05.08.2005 bezieht, nicht mehr darauf ankommt, merkt die Kammer an, dass die
Aufrechnung auch mit Schreiben vom 28.09.2005 nicht wirksam wiederholt worden ist.
Denn ungeachtet nachhaltiger Zweifel, ob dieses Schreiben, das den Widerspruch der
Klägerin gegen die erklärte Aufrechnung als nicht statthaft einstuft, seinerseits als
Aufrechnungserklärung verstanden werden kann, wäre diese ebenfalls mangels
Benennung konkreter Hauptforderung(en) wegen Unbestimmtheit unwirksam.
50
b) Ist die mit Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 05.08.2005 erfolgte
Aufrechnung unwirksam, so ist auch die mit dem Antrag zu 2. begehrte Feststellung zu
treffen, da die in dem Schreiben genannten weiteren Folgen der vermeintlichen
Aufrechnung nicht eintreten konnten. Insbesondere konnten keine an eine Zuweisung
dieser Mittel geknüpften Rechtsfolgen eintreten. Da die auf Auszahlung von
Fördermitteln gerichtete Hauptforderung der Klägerin nicht in der genannten Höhe
gemäß § 389 BGB erloschen ist, kann dieser Betrag nicht als zugewiesen gelten und es
können keine an die Zuweisung von Mitteln geknüpften Rechtsfolgen begründet
werden.
51
c) Erweist sich die Klage mit beiden Hauptanträgen als zulässig und begründet, so
bedarf der Hilfsantrag keiner Entscheidung.
52
II.
53
1. Hat die Klage mit beiden Anträgen Erfolg, so ist die für diesen Fall erhobene Hilfs-
Widerklage zulässig. Die Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, den zur
Feststellung gestellten Rückforderungsanspruch im Wege einer Leistungsklage
durchzusetzen. Die Beklagte kann in Anwendung der oben dargelegten Grundsätze,
54
vgl. BVerwG, Urteile vom 02.07.1996, a.a.O. und vom 29.04.1997, a.a.O.,
55
schon deshalb nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen werden, weil
eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden
Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht. Im Übrigen kann die Beklagte
auch deshalb nicht auf die allein in Betracht kommende Erhebung einer Leistungsklage
in Form einer Stufenklage verwiesen werden, weil der durch diese vermittelte
Rechtsschutz im vorliegenden Fall nicht mit gleicher Effektivität erreicht würde. Die
Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Rückforderungsanspruch zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ohne Weiteres beziffert werden kann.
56
Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.01.2000 - V ZR 387/98 -, NJW 2000, 1256f.;
Kopp/Schenke, a.a.O., § 43, Rn. 29; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl., § 43, Rn. 25;
Eyermann, a.a.O., § 43, Rn. 41f..
57
Eine etwaige im Wege der Stufenklage erlangte Auskunft der Klägerin, mit der die
gegenwärtige Höhe der Schäden beziffert würde, könnte keinen Anspruch auf
58
Vollständigkeit erheben, da die Entdeckung weiterer, bislang versteckter
Hochwasserschäden jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Unter
Berücksichtigung dessen kann aber auch die Höhe der bislang bezifferbaren Ansprüche
nicht vorbehaltlos angegeben werden, da etwaige weitere Schäden nach der von der
Beklagten zur Begründung ihrer Widerklage vorgetragenen Rechtsauffassung
unmittelbar auch die Höhe der bislang geltend gemachten Ansprüche modifizieren
würde.
Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt ohne Weiteres daraus, dass zwischen den
Beteiligten unterschiedliche Standpunkte über das Bestehen des
Rückforderungsanspruches bestehen, dessen Feststellung dem Grunde nach die
Beklagte begehrt.
59
2. Die Widerklage ist begründet.
60
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Zuwendungen
ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 2 der
SV Nr. F21P5015/2003 bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 der SV Nr. 22/2003. Dies gilt auch
hinsichtlich derjenigen Zahlungen, die die Klägerin vor Abschluss der genannten
Vereinbarungen auf der Grundlage älterer, für andere Zwecke abgeschlossener
Vereinbarungen erhalten hat.
61
Auf der Grundlage der der Klägerin bekannt gegebenen Schreiben des BMVBW vom
29.08.2002 sowie des EBA vom 30.08.2002 war offensichtlich, dass insoweit
unbürokratisch Soforthilfe geleistet werden sollte. Da die Beteiligten sodann bei
Abschluss der SV Nr. F21P5015/2003 in § 4 Abs. 4 für die Durchführung der
Maßnahmen zur Beseitigung von Hochwasserschäden generell bestimmt haben, dass
die Regelungen dieser Sammelvereinbarung den Regelungen der jeweiligen
Vereinbarung vorgehen, können die zum Zwecke der Soforthilfe geleisteten Zahlungen
hiervon nicht ausgenommen bleiben. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass
ausgerechnet diese nach beiderseitigem Verständnis als Soforthilfe zugewendeten
Mittel von der Geltung der für die Beseitigung von Hochwasserschäden geschlossenen,
insoweit generell gültigen Vereinbarung ausgeschlossen sein sollte. Dies gilt auch
hinsichtlich der zwischen der Beklagten und der DB AG geschlossenen
Einzelvereinbarung F21B009-000 -. Die Kammer hegt keine Zweifel, dass die Klägerin
auch auf der Grundlage dieser Vereinbarung, in der nicht sie selbst, sondern die DB AG
als Partei bezeichnet wird, Finanzierungsmittel erhalten hat. Dies ist unstreitig und
angesichts der Umstände auch plausibel. Denn bei Abschluss dieser Vereinbarung,
deren Unterzeichnung auf den 30.10. bzw. 10.11.1997 datiert ist, war die im Jahre 1998
gegründete Klägerin noch nicht existent. Wird weiter berücksichtigt, dass unbürokratisch
Soforthilfe geleistet werden sollte, so erscheint nachvollziehbar, dass dies auch auf der
Grundlage dieser Einzelvereinbarung erfolgte, deren Gegenstand, die Finanzierung
eines Streckenausbaus, in den Geschäftsbereich der nachträglich gegründeten Klägerin
fällt und mit dem Zweck der Soforthilfe, der Beseitigung von Schäden im Bereich der
Eisenbahninfrastruktur, jedenfalls in Verbindung steht.
62
Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 der jeweiligen Sammelvereinbarung sind
ggf. vorfinanzierte Beträge - hinsichtlich derer Dritte zur Kostentragung verpflichtet sind
bzw. Versicherungsleistungen geltend gemacht werden können - umgehend dem
Kostenträger gut zu bringen. Sehen diese Regelungen der Sammelvereinbarungen
ihrem Wortlaut nach nicht ausdrücklich einen Rückzahlungsanspruch vor, so ergibt sich
63
dieser unabhängig davon, ob sie ihrem Sinn nach im Rahmen der dauernden
Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten als Rückzahlungsanspruch gedacht waren,
jedenfalls in Verbindung mit dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieser ist
Ausdruck des Rechtsgrundsatzes, dass auch im öffentlichen Recht rechtsgrundlos
erfolgte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen sind. Nachdem die Beträge
der Beklagten als Kostenträger gut zu bringen sind, ist der Rechtsgrund für das
Behaltendürfen der Klägerin entfallen.
Zuwendungsmindernd wirken sich dabei sowohl die Leistungen aus, die die Klägerin
tatsächlich von der DB AG erhalten - allerdings später, soweit sie nach ihrer Zuordnung
auf zuwendungsfähige Sachanlagen entfielen, wieder zurückgebucht - hat, als auch die
der Klägerin gegen die DB AG zustehenden Ansprüche auf anteilige Auskeh-rung der
pauschalen Versicherungsleistungen aus der "Gebündelte Sachversicherung". Insoweit
kommt es, da es sich um eine vertragliche Förderung handelt, maßgeblich auf die im
Wesentlichen inhaltsgleichen Regelungen in § 3 der SV Nr. F21P5015/2003 und § 5
der SV Nr. 22/2003 an. In Abs. 1 dieser Bestimmungen ist geregelt, dass die
Finanzierung nur insoweit erfolgt, wie Dritte nicht zur Kostentragung verpflichtet sind
und soweit Versicherungsleistungen nicht geltend gemacht werden können. Absatz 2
der Bestimmungen regelt jeweils, dass, soweit eine Klärung vor einem erforderlichen
Baubeginn nicht möglich ist oder die Drittbeträge nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen,
die Vorfinanzierung der Kosten im Rahmen der jeweiligen Vereinbarung erfolgt. Die
Klägerin als EIU ist verpflichtet, die Kostenbeteiligung Dritter zum frühest möglichen
Zeitpunkt verfügbar zu machen und ggf. vorfinanzierte Beträge umgehend dem
jeweiligen Kostenträger gut zu bringen.
64
Danach ist der vorliegende Fall, dass pauschalierte Versicherungsleistungen gegeben
sind, die nicht unmittelbar bestimmten zuwendungsfähigen Einzelmaßnahmen
zugeordnet werden können, nicht vom Regelungsgehalt dieser Bestimmungen umfasst.
Vielmehr stand den Vertragsparteien ersichtlich eine einzelmaßnahmebezogene
Regelung vor Augen, d. h. dass eine Versicherungsleistung dann zur Anrechnung
kommen sollte, wenn sie einer bestimmten zuwendungsfähigen Einzelmaßnahme zum
Schadensausgleich zuordbar ist. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der
Bestimmungen. Er geht davon aus, dass eine Verpflichtung Dritter zur Kostentragung
bzw. eine Versicherungsleistung der Finanzierung des Bundes vorgeht und setzt damit
voraus, dass sie zu der jeweiligen, hiervon betroffenen, Finanzierung einer ganz
bestimmten Baumaßnahme in unmittelbaren Bezug gebracht werden kann. In diesem
Fall wirkt sich die Leistung des Dritten bzw. seine Verpflichtung zur Kostentragung nach
dem Wortlaut der Vereinbarungen unmittelbar zuwendungsmindernd aus. Zwar wäre
auch der hier vorliegende Fall - noch - unter den Wortlaut von Absatz 1 der
Bestimmungen subsumierbar, wenn man - mit der klägerseitigen Argumentation - eine
Globalbetrachtung der gesamten Finanzierungssumme des Bundes für
Hochwasserschäden vornähme. Danach würde die Gesamtsumme der
Hochwasserschäden nur insoweit finanziert, wie die Klägerin keine
Versicherungsleistungen geltend machen kann, der Anspruch auf
Versicherungsleistungen wäre mithin erst dann auf die Finanzierung des Bundes
anzurechnen, wenn - dies folgte aus der Formulierung "nur insoweit" - die
Gesamtsumme aus Versicherungsleistungen und Finanzierung des Bundes zu einer
Überdeckung der Schadenssumme führte. Eine solche, global auf die Gesamtsumme
der Hochwasserschäden bezogene, Auslegung der jeweiligen Absätze 1 wäre jedoch
ersichtlich nicht mehr vom Willen der Vertragsparteien gedeckt.
65
Vielmehr zeigen schon die in unmittelbarem Regelungszusammenhang zu dieser
Bestimmung stehenden jeweiligen Absätze 2 Satz 1, wonach eine Vorfinanzierung nur
erfolgt, wenn eine Klärung vor einem erforderlichen Baubeginn nicht möglich ist, dass
die Vertragsparteien allein den Fall einzelmaßnahmebezogener
Versicherungsleistungen geregelt haben.
66
Die einzelmaßnahmebezogene Auslegung der Anrechnungsregelung entspricht auch
der Systematik des Finanzierungsverfahrens, das auf die jeweilige Einzelmaßnahme
bezogen ist. So erfolgte die Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von
Hochwasserschäden (§ 2 Abs. 1 SV) jeweils durch Baukostenzuschüsse, die auf der
Grundlage von Einzelvereinbarungen gezahlt wurden. Dementsprechend war das
Bewilligungsverfahren projekt-, d.h. einzelmaßnahmebezogen geregelt. So war gemäß
§ 4 Abs. 3 der SV F21P5015/2003 bzw. § 3 Abs. 7 der SV 22/2003 durch die EIU
regelmäßig projektbezogen über die im Rahmen des Fortschrittes der Arbeiten zur
Hochwasserbeseitigung in Anspruch genommenen Mittel jeweils nach
Finanzierungsvereinbarung zu berichten. § 4 Abs. 4 der SV F21P5015/2003 verwies für
die Durchführung der Maßnahmen u.a. auf die Regelungen der jeweiligen
Vereinbarung. Gemäß § 3 Abs. 2 der SV 22/2003 war in den Unterlagen für die
Baufreigabe der Nachweis des Erfordernisses der Maßnahmen zu dokumentieren und
die Angemessenheit der jeweiligen Einzelmaßnahme nachvollziehbar darzustellen. Auf
dieser Grundlage wurden die vorgelegten Maßnahmen bzw. Teilmaßnahmen gemäß §
3 Abs. 3 der SV 22/2003 auf ihre Zuwendungsfähigkeit geprüft, wobei die Baufreigabe
in finanzieller Hinsicht ggfs. unter Maßgaben erfolgte. Erst danach konnten die
Maßnahmen gemäß § 3 Abs. 4 begonnen werden. Ist aber das in den
Sammelvereinbarungen vorgesehene Finanzierungsverfahren insgesamt auf die
jeweiligen Einzelmaßnahmen bezogen, so spricht nichts dafür, dass die
Vertragsparteien mit den Regelungen über die Kostentragung Dritter, die in ihren
jeweiligen Absätzen 2 ebenfalls ersichtlichen Einzelmaßnahmebezug aufweisen, eine
Globalbetrachtung der Gesamtsumme der Finanzierungsmittel vornehmen wollten.
67
Vielmehr zeigt auch die dem Abschluss der streitgegenständlichen
Sammelvereinbarun-gen vorangegangene Entwicklung der Finanzierung von
Investitionen der Klägerin in die Beseitigung der Hochwasserschäden, dass allein eine
schadens- und mithin einzelfinanzierungsbezogene Anrechnung von
Versicherungsleistungen zwischen den Beteiligten in Rede stand. Zuvor war nämlich
die Finanzierung hochwasserschadensbedingter Maß-nahmen auf der Grundlage
seinerzeit bestehender Finanzierungsvereinbarungen nach Maßgabe zweier jeweils
nachrichtlich auch der Klägerin bekannt gegebener Schreiben vom 29.08.2002 des
BMVBW an das EBA sowie des EBA an seine Außenstellen vom 30.08.2002
abgewickelt worden. In dem Schreiben des EBA an seine Außenstellen ist unter Ziff. 10
ausgeführt, dass alle Ansprüche auf Versicherungsleistungen geltend zu machen sind
und alle der DB AG erstatteten Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit den
Hochwasserschäden dem EBA anzuzeigen sind und dabei auf eine präzise Darstellung
zu achten ist, welche Leistungen für welche Schäden erfolgten. Andere Anhaltspunkte,
die dafür sprechen würden, dass die Beteiligten in der Folge von dieser
maßnahmebezogenen Betrachtung der Versicherungsleistungen abgewichen wären,
sind nicht ersichtlich.
68
Enthalten die Sammelvereinbarungen mithin keine spezielle Regelung über die
Berücksichtigung pauschaler Versicherungsleistungen, so ist die hieraus folgende
Regelungslücke gemäß § 7 Sätze 2 und 3 der SV Nr. F21P5015/2003 bzw. § 10 Sätze
69
2 und 3 der Nr. SV 22/2003 durch eine Bestimmung zu schließen, die dem von beiden
Vertragsparteien angestrebten Zweck am nächsten kommt. Dabei ist das Gericht durch
den Passus, es sei eine entsprechende Bestimmung zu vereinbaren, nicht gehindert,
die Regelungslücke durch eigene Auslegung auszufüllen. Jedenfalls nachdem die
Frage streitig geblieben ist und die Beteiligten ihren Streit allein auf der Basis der
Regelungen in den Sammelvereinbarungen geführt haben, ist die Lücke durch
ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, die denselben Grundsätzen folgt. Die
planwidrige Unvollständigkeit kann auch darauf beruhen, dass die Parteien einen Punkt
zunächst bewusst offen gelassen haben in der Hoffnung, sie würden sich insoweit noch
einigen. Ausgeschlossen ist die ergänzende Vertragsauslegung nur dann, wenn die
getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewusst abschließend sein sollte.
Vgl. BGH, Urteile vom 28.06.1982 - II ZR 226/81 -, NJW 1982, 2816 f. und vom
24.04.1985 - IVb ZR 17/84 -, NJW 1985, 1835 f.; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., §
157, Rn. 3; MünchKomm-Meyer-Maly/Busche, BGB, 4. Aufl., § 157, Rn. 29.
70
Letztgenannten Fall, den die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung sinngemäß geltend gemacht haben, vermag die Kammer nicht
festzustellen. Vielmehr zeigt der dem Gericht vorliegende Schriftwechsel, dass die
Beteiligten auch nach Auszahlung der pauschalierten Versicherungssumme parallel
zum Abschluss der zweiten Sammelvereinbarung, deren Letztunterzeichnung am
25.03.2003 erfolgte, zunächst eine einvernehmliche Regelung angestrebt hatten. So ist
dem an das EBA gerichteten Schreiben der DB AG vom 14.04.2003 zu entnehmen,
dass diese Frage in zwei Jours fixes am 31.01. und 24.03.2003 thematisiert wurde, aber
keine Regelungen hinsichtlich einer Rückerstattung von Versicherungsleistungen und
einer Schadensabrechnung gegenüber der Beklagten getroffen werden konnte. In
diesem Zusammenhang hat die Klägerin aber nicht erklärt, dass aus ihrer Sicht keine
weitergehende Einigung erfolgen solle, weil der anhand der Sammelvereinbarungen
bestehende Zustand ihren Interessen entspreche. Stattdessen hat sie ausdrücklich auf
eine spätere Einigung verwiesen, indem sie im letzten Absatz des Schreibens vom
14.04.2003 ausgeführt hat, diese Frage müsse im Moment zurückgestellt werden.
71
Bei der danach gebotenen Ausfüllung der Regelungslücke ist auf den "hypothetischen
Parteiwillen" abzustellen. Dieser bestimmt sich als normatives Kriterium danach, was
die Vertragsparteien im Hinblick auf den mit dem Vertrag verfolgten Zweck bei
sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben mit
Rücksicht auf die Verkehrssitte vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall
bedacht hätten.
72
Vgl. BGH, Urteile vom 14.03.1990 - VIII ZR 18/89 -, NJW-RR 1990, 817 ff. und vom
21.09.1994 - XII ZR 77/93 -, BGHZ 127, 138 ff.; Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rn. 7;
Jauernig, BGB, 11. Aufl., § 157, Rn. 2 ff.; MünchKomm-Meyer-Maly/Busche, a.a.O., Rn.
38.
73
Hätten die Parteien bei Abschluss der Sammelvereinbarungen den Fall eines
Anspruches der Klägerin auf Auskehrung eines Anteils an einer pauschalierten
Versicherungssumme bedacht, so hätten sie eine Regelung dahingehend getroffen,
dass sich dieser Anspruch zuwendungsmindernd auswirkt. Diesem Ergebnis steht
zunächst nicht der Einwand entgegen, es sei nicht ersichtlich, weshalb sich die Klägerin
auf eine solche für sie finanziell nachteilige Regelung hätte einlassen sollen. Dieser in
der mündlichen Verhandlung von ihren Prozessbevollmächtigten erhobene Einwand
74
würde auf eine Betrachtung anhand der heutigen, streitigen Situation hinauslaufen und
regelmäßig zu dem Ergebnis führen, dass sich keine Partei auf als für sie finanziell
nachteilig erkannte Regelungen einlassen würde. Vielmehr ist jedenfalls hinsichtlich der
Bereitschaft der Parteien zur Vereinbarung einer entsprechenden Regelung auf die
Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Dabei kommt den
feststellbaren seinerzeitigen Willensäußerungen der Beteiligten besondere Bedeutung
zu. Insbesondere können aus anderen Regelungen der Vertragsparteien Rückschlüsse
gezogen werden, wie sie den offen gebliebenen Fall geregelt hätten, wobei dem
Grundsatz von Treu und Glauben stärkeres Gewicht einzuräumen ist als bei einer
einfachen Vertragsauslegung.
Vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O.; MünchKomm-Meyer-Maly/Busche, a.a.O., Rn. 40.
75
Der dargestellte Inhalt des Schreibens vom 14.04.2003 gibt zunächst gerade keinen
Anlass zu der Annahme, die Klägerin habe seinerzeit keine Bereitschaft zu einer
entsprechenden Regelung gehabt, sondern impliziert das Gegenteil, weil eine Einigung
ausdrücklich zurückgestellt wurde. Der Geist der Regelungen in den Sammelverein-
barungen, die im Grundsatz von einer Anrechnung von Versicherungsleistungen aus-
gehen und keinen Anhaltspunkt dafür bieten, dass bei Vorliegen einer bestimmten
Konstellation eine Ausnahme hiervon gemacht werden soll, spricht für eine
entsprechende Regelung. Auch § 3 Abs. 8 RV weist in diese Richtung. Er kann zwar
nicht unmittelbar zur Lückenfüllung herangezogen werden, weil die Regelungen über
die Kostentragungspflicht Dritter in den Sammelvereinbarungen zeigen, dass
detailliertere Regelungen getroffen werden sollten. Nachdem diese sich indessen als
unvollständig erweisen, kann der Rahmenvereinbarung die grundsätzliche Zielrichtung
der Vertragsparteien entnommen werden, Leistungen Dritter zuwendungsmindernd
abzusetzen. § 3 Abs. 8 stellt fest, dass von den grundsätzlich zuwendungsfähigen
Kosten Investitionszuschüsse und Finanzierungsbeiträge Dritter abzusetzen sind.
Kosten, zu deren Tragung Dritte verpflichtet sind, sind nicht zuwendungsfähig. Der
Hinweis der Klägerin auf die Höhe der Schäden ihres Mutterkonzerns, die durch die
Gesamtsumme von Versicherungsleistungen und - ungeschmälerten - Zuwendungen
nicht annähernd gedeckt werde, bedingt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes
von Treu und Glauben keine andere Bewertung. Für das zwischen Klägerin und
Beklagter bestehende Zuwendungsrechtsverhältnis ist allein die Situation der Klägerin
maßgeblich, nicht aber die finanzielle Situation des Gesamtkonzerns. Auch kann sich
die Klägerin nicht darauf berufen, nur eine Nichtanrechnung des
Auskehrungsanspruchs entspreche einer sachgerechten Abwägung der beiderseitigen
Interessenlagen, weil sie gegenüber der Beklagten nicht zum Abschluss einer
entsprechenden Versicherung verpflichtet gewesen sei. Es bestand nämlich eine
entsprechende Versicherung, deren Leistungen nach beiderseitigem Willen
grundsätzlich zur Anrechnung gekommen sind. Ebenso geht der in der mündlichen
Verhandlung erhobene weitere Einwand, ein entsprechender hypothetischer Parteiwille
setze voraus, dass die Klägerin die Sachversicherung der DB AG als eigene ansehe,
fehl. Der vorstehend festgestellte hypothetische Parteiwille umfasst nicht eine
Anrechnung von Ansprüchen der DB AG, sondern einzig die Anrechnung eines
eigenen, der Klägerin selbst aufgrund ihrer vertraglichen Stellung als Mitversicherter
einer Versicherung auch für fremde Rechnung zustehenden Anspruchs.
76
Der haushalts- und eisenbahnrechtliche Rechtsrahmen bietet keinen Anhaltspunkt für
eine abweichende Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens. Zwar gäbe eine
rechtliche Regelung, die eine Verpflichtung der Beklagten zur Förderung in der hier
77
streitgegenständlichen Höhe statuierte, Anlass zu der Annahme, dass die
Vertragsparteien den Fall in der Weise geregelt hätten, wie es den rechtlichen
Anforderungen entspricht. Solche Vorschriften sind hingegen nicht ersichtlich. Aus dem
haushaltsrechtlichen Verbot der Doppelförderung ergibt sich entgegen der Auffassung
der Klägerin ebenso wenig etwas für einen anderen Parteiwillen, wie aus dem
Subsidiaritätsprinzip des § 23 der Bundeshaushaltsordnung - BHO -. § 23 BHO knüpft
die Zulässigkeit von Zuwendungen an das Vorliegen von Voraussetzungen, zu denen
u.a. gehört, dass das geförderte öffentliche Interesse nicht oder nicht im notwendigen
Umfang ohne die Zuwendungen befriedigt werden kann. Bundesmittel dürfen nur
insoweit eingesetzt werden, wie dies unumgänglich ist. Damit wird im Wesentlichen die
Nachrangigkeit der öffentlichen Förderung zum Ausdruck gebracht. Der
Zuwendungsempfänger muss grundsätzlich bereit und in der Lage sein, zur
Durchführung der Maßnahme neben den Fördermitteln auch Eigen- oder Fremdmittel
einzusetzen.
Vgl. Hugo/Sandfort in: Heuer, Haushaltsrecht, Stand September 2006, § 23 BHO, Rn.
25.
78
Anhaltspunkte dafür, dass die Förderung eine gewisse Höhe zu erreichen habe, sind
der Vorschrift ebenso wenig zu entnehmen wie anderen haushaltsrechtlichen
Prinzipien. Vielmehr spricht gerade das Subsidiaritätsprinzip für die getroffene
Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens, da sie entsprechend dem
Subsidiaritätsprinzip bewirkt, dass vorhandene Fremdmittel auch eingesetzt werden.
Demgegenüber führte die von der Klägerin vertretene Auslegung zu einer
weitergehenden Förderung und zeigte mithin in eine dem Subsidiaritätsprinzip
entgegen laufende Richtung. Vor diesem Hintergrund ist auch dem haushaltsrechtlichen
Verbot der Doppelförderung nichts anderes zu entnehmen, da dieses lediglich eine
Obergrenze statuiert, aber nichts für eine Auslegung hergibt, wonach die Förderung
diese Grenze zu erreichen habe.
79
Eisenbahnrechtliche Vorschriften bieten ebenfalls keinen Anhalt dafür, dass sich der
Anspruch der Klägerin auf Auskehrung eines Anteils an der pauschalierten
Versicherungssumme nicht zuwendungsmindernd auswirken dürfte. Art. 87e Abs. 4 GG
gibt für diese Frage nichts her. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gewährleistet der Bund,
dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim
Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren
Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den
Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Es ist bereits nicht
ersichtlich, dass die Klägerin aus dieser allein dem Wohl der Allgemeinheit dienenden
Vorschrift eigene subjektive Ansprüche herleiten könnte. Jedenfalls aber ist ihr nichts für
die Bestimmung der konkreten Finanzausstattung der Klägerin in Bezug auf bestimmte
Maßnahmen zu entnehmen, da sie lediglich eine Entscheidung für den Erhalt des
Netzes als solchem manifestiert, nicht aber eine Bestandsgarantie im Sinne einer
Verantwortung der Beklagten für den Erhalt einzelner Strecken.
80
Vgl. Uerpmann in: v. Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 87e, Rn. 16.
81
Dies zeigt sich auch daran, dass das Nähere gemäß Art. 87e Abs. 4 Satz 2 GG durch
Bundesgesetz, namentlich das Gesetz über den Ausbau der Schienenwege des
Bundes - BSchwAG - geregelt wird. Dieses belegt wiederum die Maßgeblichkeit der
geschlossenen Vereinbarungen, die gemäß § 9 Satz 1 BSchwAG ausdrücklich Voraus-
82
setzung für die Durchführung der Baumaßnahmen und ihrer Finanzierung sind. Zwar
statuiert § 8 Abs. 1 BSchwAG, dass der Bund die Investitionen in die Schienenwege des
Bundes finanziert. Dafür, dass die Klägerin Anspruch auf eine bestimmte Höhe der
Förderung hätte, ist der Vorschrift aber nichts zu entnehmen, zumal die Finanzierung der
Investitionen in die Schienenwege durch den Bund gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchwAG
ausdrücklich nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erfolgt.
Die Klägerin kann gegen ihre Rückzahlungspflicht weder einwenden, nicht mehr über
den für Schäden an zuwendungsfähigen Sachanlagen tatsächlich erhaltenen Teil der
Versicherungsleistung zu verfügen, da dieser im Einvernehmen mit der DB AG
zurückgebucht worden sei, noch, dass sie keinen Anspruch auf Auskehrung eines ihr
zustehenden Teils der Versicherungssumme habe. Denn für die Klägerin ist ein
Auskehrungsanspruch entstanden, gleich, wie sie nach seiner Entstehung über diesen
Anspruch verfügt hat. Die DB AG ist nicht berechtigt, frei über die Verwendung der
erhaltenen pauschalen Höchstentschädigungssumme zu verfügen, sondern verpflichtet,
den auf die Klägerin entfallenden Anteil an diese auszukehren.
83
Bei der von der DB AG unter dem 18.12.2001 genommenen "Gebündelte
Sachversicherung Deutsche Bahn AG" handelt es sich - auch - um eine sog.
Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 ff. VVG. Für das Innenverhältnis
zwischen der DB AG als Versicherungsnehmer und der Klägerin als (Mit-)Versicherter
gelten danach die der seit langem gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung der
Zivilgerichte zu §§ 76, 77 des Versicherungsvertragsgesetzes - VVG - zu entnehmenden
Grundsätze. Danach ist dem Versicherungsnehmer das Verfügungsrecht des § 76 Abs.
1 VVG über die Rechte des Versicherten aus der Versicherung nur zu treuen Händen
überlassen. Dieses Treuhandverhältnis in Verbindung mit dem Bereicherungsverbot
verpflichtet den Versicherungsnehmer, hier mithin die DB AG, den ihm nicht
zustehenden Entschädigungsbetrag einzuziehen und an den Geschädigten, hier die
Klägerin, auszukehren. Gegenstand der Herausgabepflicht ist der Betrag, den der
Fremdversicherer an den Versicherungsnehmer auf Rechnung des Versicherten für
dessen Schaden zahlt.
84
Vgl. BGH, Urteile u.a. vom 07.05.1975 - IV ZR 209/73 -, BGHZ 64, 260 ff.; vom
12.12.1990 - IV ZR 213/89 -, BGHZ 113, 151 ff.; vom 12.06.1991 - XII ZR 17/90 -, NJW
1991, 3031 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12.1975 - 13 U 33/75 -, VersR 1976, 239f.,
m. zust. Anm. Prölss; OLG Bremen, Urteil vom 29.11.1977 - 1 U 121/77 -,
85
VersR 1978, 315f.; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 76, Rn. 1 und § 77, Rn. 1 ff..
86
Diese Grundsätze bestimmen auch die hier maßgebliche "Allgemeine
Sachversicherung Deutsche Bahn AG". Ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt
einzelvertraglich abdingbar sind, sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich,
dass die Parteien des Versicherungsvertrages - vor Eintritt des Schadensereignisses -
hiervon abweichende Vereinbarungen getroffen hätten. In Vertragsteil A Ziff. 6.1 ist die
Klägerin als Mitversicherte aufgeführt und in Vertragsteil A Ziff. 3 Abs. 1 ist ausdrücklich
bestimmt, dass sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten insbesondere nach dem
Versicherungsvertragsgesetz bestimmen. Zwar gehen diesem nach Vertragsteil A Ziff. 3
Abs. 2 die geschriebenen Allgemeinen und Besonderen Vertragsteile sowie sonstigen
Vereinbarungen des Versicherungsvertrages voran. Dort ist aber in Bezug auf die
Mitversicherung keine abweichende Regelung getroffen und insbesondere kein
Rangverhältnis zwischen den Entschädigungsansprüchen der zahlreichen Versicherten
87
vorgesehen worden. Ist aber die vertragliche Regelung eindeutig, so können die von der
Klägerin vorgetragenen unternehmerischen Interessen des DB-Konzerns mangels
vertraglicher Fixierung ebenso wenig eine andere Beurteilung begründen wie die
vorgetragenen Vorstellungen der DB AG, welche Entscheidungsfreiheiten sie sich habe
erhalten wollen. Die Interessenlagen von Versicherungsnehmer und Mitversicherten
können für die Vertragsauslegung nur maßgeblich sein, soweit sie im Vertrag ihren
Niederschlag gefunden haben.
Entsprechend dieser Rechtslage folgt aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen
Schreiben der H. Versicherung AG vom 15.02.2005 allein, dass es sich nach dem
Parteiwillen auch um eine Fremdversicherung zu Gunsten der Tochterunternehmen der
DB AG handelt und dass die Entschädigung für die Versicherer mit befreiender Wirkung
direkt an die Versicherungsnehmerin gezahlt werden konnte. Dies entspricht den
dargelegten Grundsätzen einer Fremdversicherung und spricht mithin entgegen der
Auffassung der Klägerin nicht dafür, dass die DB AG über diesen Entschädigungsbetrag
nach eigenem Gutdünken hätte verfahren dürfen.
88
Die DB AG kann dem Auskehrungsanspruch der Klägerin nicht mit Erfolg eigene
Interessen, die sie zur Einbehaltung bzw. anderweitigen Verwendung der unstreitig an
sie ausgezahlten Versicherungssumme berechtigen würden, entgegenhalten. Zwar ist
in der Rechtsprechung anerkannt, dass die aus dem Bestehen eines
Treuhandverhältnisses folgenden Pflichten des Versicherungsnehmers nicht
uneingeschränkt gelten, sondern bei Vorliegen eigener berechtigter Interessen
eingeschränkt werden können.
89
Vgl. BGH, Urteile vom 07.05.1975, a.a.O., vom 12.12.1990, a.a.O. und vom 29.04.1998 -
IV ZR 21/97 -, NJW 1998, 2449 f.; Prölss/Martin, a.a.O., § 77, Rn. 6 ff..
90
Solche billigenswerten Interessen der DB AG bestanden hier aber bei Eintritt des
Versicherungsfalles nicht.
91
Aus der Rechtsprechung der Zivilgerichte ist der Kammer kein Fall ersichtlich, in dem für
eine vergleichbare Konstellation das Vorliegen berechtigter eigener Interessen bejaht
worden wäre. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes,
92
vgl. Urteil vom 07.05.1975, a.a.O.,
93
in der einem Versicherungsnehmer ein berechtigtes eigenes Interesse zugebilligt
wurde, die Rechte aus einer Insassen-Unfallversicherung nicht zugunsten des
verletzten Insassen geltend zu machen, weil diesem ein eigener Ersatzanspruch gegen
den Schädiger zustand, ist in mehrfacher Hinsicht nicht mit dem vorliegenden Fall
vergleichbar. Zunächst stand dem verletzten Insassen in dem vom Bundesgerichtshof
entschiedenen Fall ein eigener liquider Anspruch gegen den Schädiger zu, der
gegenüber dem Unfallversicherungsunternehmen eine deutlich größere Sachnähe
aufweist, die es rechtfertigt, den Insassen-Unfallschutz als nachrangig zu betrachten.
Eine solche Interessenlage liegt hier aber gerade nicht vor, da vielmehr die
streitgegenständlichen Fördermittel nach der Konzeption der zugrunde liegenden
Vereinbarungen gegenüber Versicherungsleistungen nachrangig sind. Des Weiteren
war streitgegenständlich ein berechtigtes Interesse, die Einziehung der
Versicherungsleistung zu verweigern, wohingegen es im vorliegenden Fall um die
Berechtigung
94
der DB AG als Versicherungsnehmerin geht, die Auskehrung einer bereits erhaltenen
Versicherungsleistung zu verweigern.
95
Für diese Sachlage schließt sich die Kammer der Auffassung des OLG Karlsruhe an,
dass es der gegenüber den weiteren Versicherten gleichberechtigten Stellung der
Klägerin entspricht, ihr einen Anspruch auf anteilige Auskehrung der
Versicherungssum-me zuzubilligen. Indem die Versicherungsleistung auf die
vereinbarte Höchstentschä-digungssumme begrenzt wurde, erfüllte sich das vertraglich
abgesicherte Risiko in der kalkulierten Weise und die auszuzahlende Summe war auf
die versicherten Gefahren aller Versicherten insgesamt zu leisten. Dem Gesetz ist nicht
zu entnehmen, dass in dem hier eingetretenen Fall des Zusammentreffens einer
Versicherung für fremde Rechnung mit einer Unterversicherung der
Versicherungsnehmer nach eigenem Gutdünken berechtigt sein sollte, etwaige - bislang
nicht konkret ersichtliche - Eigenschäden sowie von ihm als bevorrechtigt erachtete
Fremdschäden vorrangig zu befriedigen.
96
Vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O..
97
Vielmehr gebietet der Vertragsgegenstand und -zweck, der in der Einbeziehung aller
versicherten Risiken und damit auch der Risiken der Klägerin liegt, eine
gleichberechtigte anteilige Herausgabe der Entschädigung an die Klägerin.
98
Insoweit hat die DB AG wie ihre mitversicherten Tochterunternehmen das kalkulatori-
sche Risiko der gewählten Fremdversicherung zu tragen. Diese hatte vor Eintritt des
Schadensereignisses die auch und vorrangig für die DB AG als Versicherungsneh-
merin günstige Folge niedrigerer Beiträge, als sie sich bei jeweils getrennten Einzel-
versicherungen ergeben hätten. Dann aber hat die DB AG in gleicher Weise wie die
Mitversicherten auch die Folgen zu tragen, die sich daraus ergeben, dass bei der
Fremdversicherung die Höchstversicherungssumme nur einmal eingreift und nicht, wie
bei dem alternativen Modell zahlreicher Einzelversicherungen, für jede Versicherung
separat. Insoweit stellen die hieraus resultierenden geringeren Versicherungsleistungen
kalkulatorisch die Kehrseite der geringeren Beitragslast dar, die von allen
Mitversicherten ebenso gleichermaßen hinzunehmen ist, wie ihre Risiken
gleichermaßen Gegenstand der Versicherung waren. Bei dieser wirtschaftlichen
Interessenlage wäre es aber mit dem versicherungsvertragsrechtlichen
Bereicherungsverbot für den Versicherungsnehmer,
99
vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1991, a.a.O.,
100
nicht vereinbar, spräche man ihm das Recht zur Verfügung über Anteile der
Versicherungssumme, die ihm angesichts der auch und gerade für ihn verringerten
Beitragslast nicht zustehen, zu. Hier wirkt sich aus, dass die DB AG nach der unter dem
10.04.2004 an das EBA übersandten Schadensübersicht keine eigenen
hochwasserbedingten Schäden zu beklagen hatte, sondern allein eine mittelbare
wirtschaftliche Betroffenheit durch Schäden am Eigentum von Konzernunternehmen.
Hätten solche Hochwasserschäden an eigenen versicherten Sachen der Klägerin
vorgelegen, so hätte ihr ebenfalls ein dem Anteil der Eigenschäden entsprechender
Anteil an der pauschalierten Versicherungssumme zugestanden.
101
Auf die Frage, ob die DB AG zuwendungsrechtlich zum Abschluss einer
102
entsprechenden Versicherung verpflichtet war, kann es in diesem Zusammenhang
schon deshalb nicht ankommen, weil das Zuwendungsrechtsverhältnis nicht zwischen
der Beklagten und der DB AG besteht, sondern zwischen Beklagter und Klägerin. Im
Übrigen wird diese versicherungsvertragsrechtliche Frage nur durch die
wechselseitigen Interessenlagen von Klägerin und DB AG im Verhältnis zueinander
bestimmt, nicht aber durch die rechtlichen Beziehungen zwischen DB AG und
Beklagter.
Die Aufteilung der Versicherungssumme nach dem jeweiligen Anteil an der gesam- ten
Schadenssumme erweist sich vor dem Hintergrund, dass zwischen der Klägerin und der
DB AG unstreitig ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag besteht, erst recht
als interessengerecht. Der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bedingt, dass
die für die Wahl des hier vorliegenden Vertragsmodells einer Fremdversicherung
maßgebliche Abwägung nicht nur unter Mitwirkung, sondern letztlich auch zur Wahrung
der Konzerninteressen der DB AG getroffen wurde. Dies gilt unabhängig von der Frage,
wer letztlich die Beiträge der "Gebündelte Sachversicherung Deutsche Bahn AG"
getragen hat. Gemäß § 3 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages besteht
für die DB AG im Verhältnis zu der Klägerin eine Fehlbetragsausgleichsverpflichtung.
Diese wiederum zieht die Konsequenz nach sich, dass alle bei der Gestaltung des
Versicherungsvertrags zu berücksichtigenden kalkulatorischen Gesichtspunkte mittelbar
die DB AG betrafen. Einerseits war hinsichtlich der versicherten Risiken auch ein
wirtschaftliches Interesse der DB AG an diesen Risiken versichert. Andererseits
begünstigte die Wahl der Fremdversicherung, die nach dem Vortrag der Klägerin
maßgeblich durch den damit verbundenen günstigeren Beitrag beeinflusst war, auf
diese Weise auch die DB AG, da der mit einer Einzelversicherung verbundene höhere
Beitrag entweder den abzuführenden Gewinn geschmälert oder den zu übernehmenden
Verlust erhöht hätte. Dann aber besteht für die DB AG kein berechtigtes eigenes
Interesse daran, von den Folgen der Unterversicherung, die angesichts des einmaligen
Eingreifens der Höchstversicherungssumme für alle Mitversicherten bei der
Fremdversicherung deutlich einschneidender sind, befreit zu werden.
103
Das in § 1 Ziff. 1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 01.06.1999
vorgesehene Weisungsrecht der Leitung der DB AG bedingt demgegenüber keine
andere Bewertung. Zwar ist danach der Vorstand der DB AG berechtigt, dem Vorstand
der Klägerin Weisungen zu erteilen, wie mit dem Auskehrungsanspruch zu verfahren ist.
Diese Befugnis umfasst nach aktienrechtlichen Maßstäben grundsätzlich auch die
Möglichkeit einer Weisung, auf die Geltendmachung des der Klägerin zustehenden
Anspruches zu verzichten. Diese Entscheidungsmöglichkeit hindert aber nicht die
Entstehung des Anspruches auf Auskehrung der (anteiligen) Versicherungsleistung, da
sie erst die Lenkung der Verfügung der Klägerin über ihren Anspruch und mithin eine
der Anspruchsentstehung nachgeschaltete Ebene betrifft. Demgegenüber entspricht es
wie dargestellt dem Inhalt des Treuhandverhältnisses und der grundsätzlichen
Interessenlage von Versicherungsnehmer und Mitversichertem, Letzterem einen
Auskehrungsanspruch zuzubilligen.
104
Ergibt aber eine Auslegung der versicherungsvertraglichen Regelungen das Bestehen
eines Anspruchs der Klägerin auf Auskehrung des auf Schäden an ihrem versicherten
Eigentum entfallenden Teils der pauschalen Versicherungsleistung, so kann sie der
hieraus resultierenden zuwendungsrechtlichen Rückzahlungspflicht nicht mit Erfolg
entgegenhalten, zwischen ihr und der DB AG bestehe Einigkeit über das Nichtbestehen
eines solchen Anspruches. Dem steht der aus § 242 BGB zu entnehmende, aber auch
105
im öffentlichen Recht uneingeschränkt anwendbare Grundsatz von Treu und Glauben
entgegen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass eine solche Einigung bislang nicht
substantiiert vorgetragen ist. Nachdem der Auskehrungsanspruch der Klägerin mit
Auszahlung der Versicherungsleistung durch den Versicherer an die DB AG wirksam
entstanden ist, könnte eine derartige Einigung allenfalls die Wirkung eines Verzichts der
Klägerin entfalten. Dabei bedarf keiner abschließenden Entscheidung, wie dieser
Verzicht hinsichtlich des zunächst erhaltenen, sodann aber zurückgebuchten Betrages
zivilrechtlich einzuordnen ist. Nach Auffassung der Kammer liegt nahe, die
Rückbuchung als Schenkung der Klägerin an die DB AG anzusehen, da es sich um
Beträge handelt, die der Klägerin jedenfalls mit Rechtsgrund zugewandt worden waren.
Die Schenkung bewirkt in gleicher Weise wie der Verzicht auf noch nicht erhaltene
Beträge, dass sich die Klägerin der ihr an den Beträgen zustehenden Rechte willentlich
entäußert. Ein solcher Verzicht auf die der Klägerin zustehenden Rechte vermag aber
ungeachtet seiner zivilrechtlichen Wirkungen den festgestellten Anspruch der Beklagten
auf Rückzahlung der Fördermittel nicht zu Fall zu bringen, da er sich im
zuwendungsrechtlich maßgeblichen Verhältnis zu der Beklagten als grob treuwidrige
Verletzung der Pflichten aus den geschlossenen Zuwendungsvereinbarungen,
namentlich § 3 Abs. 2 Satz 2 der SV F21P5015/2003 und § 5 Abs. 2 Satz 2 der SV
22/2003, darstellt. In ihm liegt eine pflichtwidrige Begünstigung der wirtschaftlichen
Interessen des über die Klägerin herrschenden Unternehmens DB AG zu Lasten des
aus den bestehenden Sammelvereinbarungen folgenden Rückzahlungsanspruchs.
Gleiches gilt für die von der Klägerin geltend gemachte konkludente Weisung der DB
AG, den Auskehrungsanspruch nicht geltend zu machen. Die Kammer vermag das
Vorliegen einer die Durchsetzung des Auskehrungsanspruchs wirksam hindernden
Weisung der DB AG schon deshalb nicht festzustellen, weil die Berechtigung zur
Erteilung von Weisungen gemäß § 1 Ziff. 1 Satz 2 des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages dem Vorstand der DB AG im Verhältnis zu dem Vorstand
der DB Netz AG zusteht. Eine Korrespondenz der beiden genannten Vorstände mit
einem Inhalt, der auf die ausdrückliche oder konkludente Erteilung einer
entsprechenden Weisung schließen lassen könnte, ist nicht ersichtlich. Allein der
Umstand, dass die Rückbuchung erfolgt ist, mag als Indiz für eine mögliche
Willensäußerung eines Mitarbeiters der Deutsche Bahn AG gewertet werden, lässt aber
keinerlei Kommunikation zwischen den Vorständen erkennen, die die Voraussetzungen
des Beherrschungsvertrages für eine verbindliche Weisung erfüllen könnte. Die bloße
Tatsache, dass sich die Klägerin für ihr Verhalten auf ein behauptetes Konzerninteresse
beruft, gibt für eine Weisung der Führung des herrschenden Unternehmens nicht
ansatzweise etwas her.
106
Ist die Durchsetzung des Anspruchs mangels Weisung der DB AG bislang nicht
gehindert, so könnte die Klägerin auch im Zusammenwirken mit der DB AG durch
tatsächliche Erteilung einer Weisung den entstandenen Anspruch auf Rückzahlung der
Zuwendungen nicht erfolgreich zu Fall bringen. Inhaltlich läge hierin eine Weisung, auf
die Geltendmachung des der Klägerin zustehenden Anspruches zu verzichten. Zwar
mag die Klägerin nach den aktienrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich verpflichtet
sein, einer etwaigen Weisung dieses Inhalts zu folgen. Das Vorliegen einer Weisung
des herrschenden Unternehmens, das Einfluss auf ihre Unternehmensleitung nähme,
würde aber im für den Rückforderungsanspruch allein maßgeblichen
Zuwendungsverhältnis zu der Beklagten nichts daran ändern, dass es sich nach außen
um eigenes Handeln der Klägerin handelte, das wie ausgeführt grob treuwidrig wäre
und auf das sich die Klägerin daher gegenüber der Beklagten nicht berufen kann. Die
107
Klägerin kann der Bewertung als treuwidrig auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, in
diesem Falle zunächst die nachteiligen Folgen fremden Handelns, nämlich dessen der
DB AG, tragen zu müssen. Vor dieser Folge ist sie durch die mit dem Weisungsrecht
korrespondierende Verlustübernahmepflicht der DB AG nach § 3 des
Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages geschützt, die bewirkt, dass die DB
AG letztlich auch die finanziellen Folgen ihrer Weisungen trägt. Angesichts dessen
erweist sich die Bewertung eines durch das herrschende Unternehmen in eigenem
Interesse erzwungenen Verzichts als treuwidrig gerade bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise als interessengerecht.
III.
108
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Dabei hat die Kammer in
Rechnung gestellt, dass die Beteiligten mit Klage bzw. Widerklage jeweils mit einem
Feststellungsanspruch erfolgreich waren, der einen identischen finanziellen Wert
repräsentiert.
109
IV.
110
Die Berufung war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr.
4 VwGO, aus denen allein gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Zulassung der
Berufung durch das Verwaltungsgericht erfolgt, nicht gegeben sind. Insbesondere
vermag die Kammer keine grundsätzliche Bedeutung dieses Rechtsstreits zu erkennen.
Entscheidungserheblich waren die Frage der Wirksamkeit einer konkreten Aufrech-
nung, die Auslegung von Einzelregelungen individueller Vereinbarungen sowie die
Entscheidung einer versicherungsvertragsrechtlichen Rechtsfrage vor dem Hintergrund
eines singulären Ereignisses. Die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens
begründet keine grundsätzliche Bedeutung.
111