Urteil des VG Köln vom 22.09.2010

VG Köln (staatsangehörigkeit, israel, erwerb, antrag, einwanderung, gemeinschaftliche adoption, stadt hamburg, mutter, bescheinigung, rückkehr)

Verwaltungsgericht Köln, 10 K 3904/09
Datum:
22.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 3904/09
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des
Bundesverwaltungsamtes vom 28.10.2008 und seines
Widerspruchsbescheides vom 15.05.2009 verpflichtet, der Klägerin
einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war
erforderlich.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wurde am 21.05.1940 außerehelich als Tochter der seit November 1933
verheirateten B. Q. T. , geb. I. , als N. F. I. in Hamburg geboren. Der Ehegatte der Mutter,
I1. X. T. , und die Mutter der Klägerin nahmen 1946 die Klägerin gemeinschaftlich an
Kindes Statt an. Bei der Adoption erklärten die Eltern der Klägerin deutsche
Staatsangehörige zu sein, was in einem Aktenbericht durch das Amtsgericht Hamburg
im Adoptionsverfahren bestätigt wurde. 1949 änderte die Familie ihren Familiennamen
von T. auf den Geburtsnamen der Mutter des I1. X. T. "T1. ".
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Die Klägerin trat 1961 aus der evangelischen Religionsgemeinschaft aus und
konvertierte 1964 in Dortmund zum Judentum und nahm den jüdischen Vornamen N1.
an. 1965 reiste sie nach Israel. Dort heiratete sie am 19.04.1967 einen israelischen
Staatsangehörigen. Bei der Eheschließung nach jüdischem Ritus wies sie sich mit
ihrem deutschen Reisepass Nr. 0 0000000 aus. Nach eigenen Angaben reiste sie 1965
mit einem zweijährigen "Temporary Resident Visum" nach Israel ein.
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Sie beantragte unter dem 15.10.2007 zunächst bei dem Bezirksamt Neukölln in Berlin
die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Sie legte zwei Urkunden des
israelischen Innenministeriums hinsichtlich des Erwerbs der israelischen
Staatsangehörigkeit vor. Mit Bescheinigung des Innenministeriums des Staates Israel
vom 26.04.1988 in deutscher und israelischer Sprache wird der Klägerin gemäß § 15
israelischem Staatsangehörigkeitsgesetz vom 1952 (israel. StAG) bescheinigt, seit dem
29.10.1967 israelische Staatsangehörige zu sein. Mit Bescheinigung des
Innenministeriums vom 19.09.2007 wird ihr in englischer und israelischer Sprache
bescheinigt, seit dem 15.09.1965 gemäß § 2 (b)(2) israel. StAG israelische
Staatsangehörige zu sein.
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Im August 2008 gab das Bezirksamt Neukölln das Staatsangehörigkeitsverfahren
zuständigkeitshalber an die Beklagte ab.
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Mit Bescheid vom 28.10.2008, zugestellt durch Einschreiben mit Rückschein am
04.11.2008, lehnte die Beklagte die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises
ab. Zwar habe die Klägerin durch Geburt von ihrer Mutter die deutsche
Staatsangehörigkeit erworben, jedoch durch Auswanderung nach Israel gemäß § 25
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes - RuStAG- verloren. Ein Antrag im Sinne des
§ 25 RuStAG liege bei jeder freiwilligen Willensbetätigung vor, die in positiver Weise auf
den Erwerb eines ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet sei.
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Am 01.12.2008 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein und
erklärte, dass die Klägerin keinen Antrag auf Erwerb der israelischen
Staatsangehörigkeit gestellt habe. Sie habe vielmehr automatisch mit der Einreise die
Staatsangehörigkeit erworben.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2009, zugestellt am 25.05.2005, wurde der
Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Darin wird ausgeführt, dass die
Einwanderung nach Israel ein Einwanderungszertifikat voraussetze. Dieses müsse
beantragt werden. Die israelische Staatsangehörigkeit erhalte nicht jeder Jude
automatisch. Mit Beantragung des Einwanderungszertifikats werde die deutsche
Staatsangehörigkeit nach § 25 RuStAG verloren.
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Am 20.06.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie keine Willenserklärung zum Erwerb der
israelischen Staatsangehörigkeit abgegeben habe. Sie habe nach ihrer Hochzeit mit
einem israelischen Staatsbürger ohne weiteres die israelische Staatsangehörigkeit
erhalten. Sie verweist zur Glaubhaftmachung auf die Leichtfertigkeit, mit der die
israelischen Behörden unterschiedliche Daten ihres Staatsangehörigkeitserwerbs
bescheinigt hätten. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht hat sich die Klägerin um erneute
Bescheinigungen des israelischen Innenministeriums und des israelischen
Bevölkerungsregisters bemüht. Mit Bescheinigung vom 26.08.2009 des israelischen
Innenministeriums wurde ihr bescheinigt, am 29.10.1967 gemäß § 2(b) 2 israel StAG
Israelin geworden zu sein. Ferner hat sie Urkunden aus dem Bevölkerungsregister
vorgelegt, nach denen sie am 29.10.1967 die israelische Staatsangehörigkeit erworben
habe. Eine Rechtsgrundlage wird darin nicht genannt.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom
28.10.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2009 zu verpflichten, ihr einen
Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen,
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2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ergänzend zu der Begründung der angegriffenen Bescheide führt die Beklagte aus,
dass die Klägerin auch dann gemäß § 25 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit
verloren habe, falls sie ein Einwanderungszeugnis nach § 3 Rückwanderungsgesetz
beantragt und deswegen nach § 2 b) (4) StAG die israelische Staatsangehörigkeit
erworben haben sollte. Auch dieses sei als Antrag zu bewerten. Allein durch die
Eheschließung mit einem Israeli habe die Klägerin die israelische Staatsangehörigkeit
nicht erwerben können.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft im diplomatischen
Weg bei israelischen Behörden über die eventuelle Erteilung eines
Einwanderungszertifikats an die Klägerin 1965 und die regelmäßige Belehrung über die
Ausschlagungsmöglichkeit durch israelische Behörden. Eine Auskunft wurde nicht
erteilt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 28.10.2008 und sein
Widerspruchsbescheid vom 15.05.2009 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein
Anspruch auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30
Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - zu.
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Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs.1 Satz 2 Reichs- und
Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.07.1913 (RGBl. S.583) - RuStAG - in der im
Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Fassung als außereheliches Kind nach ihrer Mutter
erworben. Die gemeinschaftliche Adoption der damals minderjährigen Klägerin im Jahre
1946 durch den Ehegatten der Mutter und die Mutter selbst hatte
staatsangehörigkeitsrechtlich keine Folgen. Eine Vorschrift, die dem jetzigen § 6 StAG -
Staatsangehörigkeitserwerb durch Annahme als Kind - vergleichbar ist, kannte das
RuStAG 1946 nicht. Im übrigen war auch der Adoptivvater der Klägerin deutscher
Staatsangehöriger, wie sich aus den Meldeunterlagen der Stadt Hamburg ergibt.
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Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 25 Abs.1 RuStAG in
der bis 1999 geltenden Fassung durch den Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit
verloren. Nach § 25 RuStAG verlor ein im Ausland wohnhafter Deutscher seine
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deutsche Staatsangehörigkeit mit dem auf Antrag erfolgten Erwerb einer fremden
Staatsangehörigkeit.
§ 25 Abs. 1 RuStAG setzt zunächst voraus, dass eine ausländische Staatsangehörigkeit
wirksam erworben wird, was vorliegend unstreitig feststeht. Des Weiteren muss der
Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag erfolgen. Dies ist einmal
dahingehend abzugrenzen, dass der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit
nicht ohne Zutun des Betroffenen etwa aufgrund einer gesetzlichen Regelung oder von
Amts wegen erfolgen darf. Im Übrigen erfordert das Tatbestandsmerkmal eines Antrages
im Sinne des § 25 Abs. 1 RuStAG keinen förmlichen Einbürgerungsantrag. Als Antrag
im Sinne der Bestimmung ist vielmehr jede freie Willensbetätigung anzusehen, die auf
den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet sowie geeignet und
ursächlich für diesen Erwerb ist
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- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.04.1994 - 25 A 59/93 -, StAZ 1994, 317 m.w.N. -.
25
Die Klägerin hat die israelische Staatsangehörigkeit nicht im oben ausgeführten Sinn
auf Antrag erworben. Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Kammer
schon nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen kann, aufgrund welcher israelischer
Gesetzesvorschrift die Klägerin die Staatsangehörigkeit Israels zu welchem Zeitpunkt
erworben hat. Von der Klärung dieser Frage hängt aber ab, welcher Antrag zu dem
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 RuStAG geführt haben soll.
Ausweislich der 2007 und der 2009 ausgestellten israelischen Bescheinigungen beruht
der Staatsangehörigkeitserwerb der Klägerin auf der Anwendung von § 2 b) (2) des
israelischen Staatsangehörigkeitsgesetzes 5712 - 1952 - israel. StAG -. Gegen die
inhaltliche Richtigkeit dieser Feststellung spricht der Umstand, dass in beiden
Bescheinigungen unterschiedliche Daten des Staatsangehörigkeitserwerbs, nämlich
29.10.1967 (Bescheinigung 2009) im Vergleich zu dem 15.09.1965 (Bescheinigung
2007) aufgeführt sind. 1967 befand sich die Klägerin nach eigenen, in sich
widerspruchsfreien Angaben schon zwei Jahre in Israel mit einer temporären
Aufenthaltsbewilligung. Es ist daher lebensfremd, dass sie 1967 als in Israel
verheiratete Frau mit Wohnsitz in Israel mit einem vor der Einreise auszustellenden
Einwanderungszertifikat nach § 2 Rückkehrgesetz 5710-1950 - RückkG - nochmals
nach Israel eingewandert ist, was der Erwerb der Staatsangehörigkeit nach § 2 b) (2)
voraussetzt. Gegen die Richtigkeit des früheren Datums, dem 15.09.1965, spricht neben
der glaubhaften Schilderung der Einreise durch die Klägerin selbst, dass ihr - nach
eigenen Angaben- ein zweijähriger Aufenthaltstitel ausgegeben wurde. Für die
Richtigkeit dieser Angaben spricht der Umstand, dass sie im April des Jahres 1967 in
Israel die Ehe unter Vorlage eines deutschen Reisepasses schloss, was eigentümlich
wäre, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schon israelische Staatsangehörige gewesen wäre.
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Spricht also vieles dafür, dass die Klägerin - wie sie selbst vorträgt - erst am 29.10.1967
israelische Staatsangehörige geworden ist, dann kommt als gesetzliche
Erwerbsgrundlage eigentlich allein § 2 b) (4) israel. StAG in Betracht. Diese
Erwerbsgrundlage, auf die sich auch die Beklagte beruft, wurde von israelischer Seite
der Klägerin hingegen nicht bescheinigt. Daneben bestreitet die Klägerin je ein
Einwanderungszeugnis gemäß § 3 RückkG beantragt zu haben, was
Tatbestandsvoraussetzung für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 2 b) (4) israel.
StAG ist.
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Es erscheint der Kammer nicht ausgeschlossen, dass die Schilderung der Klägerin
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hinsichtlich ihres Erwerbs der israelischen Staatsangehörigkeit zutreffend ist. Dann
wäre ihr bei der Wiedervorsprache bei israelischen Behörden zwecks Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis im Herbst 1967 erklärt worden, sie sei schon israelische
Staatsangehörige und könne Ausweispapiere erhalten. Dieser Vortrag erscheint vor
dem Hintergrund des israelischen Staatsverständnis, nämlich Heimstatt aller Juden zu
sein und die jüdische Einwanderung nach Israel möglichst zu fördern, durchaus
möglich. Denn im Herbst 1967 war es für die israelischen Behörden ohne weitere
Prüfung wegen der zuvor geschlossenen Rabbinatsehe offenkundig, dass die Klägerin
Jüdin ist, die aufgrund Eheschließung und Berufstätigkeit ihren Wohnsitz in Israel
genommen hat. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass ein vorheriger Antrag auf ein
Einwanderungszeugnis, bzw. ein Einwanderungszertifikat nach dem Rückkehrergesetz
bei offensichtlichem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach israelischem
Verständnis als lässliche Formalie angesehen worden ist oder alternativ, dass man
ihren 1965 in Deutschland gestellten Antrag auf zweijährigen Aufenthalt nachträglich
der Einfachheit halber als Antrag auf Einwanderung umdeutete. Letzteres würde
erklären, warum der Klägerin die Einbürgerung nach § 2 b) (2) israel. StAG bescheinigt
wird.
Eine weitere Aufklärung hinsichtlich des genauen Rechtsgrundes und der genauen
Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs der Klägerin ist weder dem Gericht noch
den Beteiligten möglich. Diese Ungewissheit trägt nach allgemeinen
Beweislastgrundsätzen die Beklagte. Die Klägerin ist ihren Mitwirkungspflichten bei der
Beschaffung von Personenstandsurkunden und Staatsangehörigkeitsausweisen, die
nur sie bzw. nur in ihrem Einverständnis erstellt werden, jeweils bereitwillig und
umgehend nachgekommen. Dass der israelische Staat den deutschen Stellen keine
weiteren Auskünfte erteilt, fällt nicht in die Sphäre der Klägerin.
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Unabhängig von dem Vorstehenden - also selbst wenn feststünde, dass die Klägerin ein
Einwanderungszertifikat nach § 2 RückkG oder ein Einwanderzeugnis nach § 3 RückkG
beantragt hätte - hält die Kammer an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest,
30
vgl. VG Köln, Urteil vom 13.02.2008 - 10 K 611/07 -,
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dass ein Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit aufgrund Rückkehr nach § 2 b) (2)
israel. StAG oder § 2 b) (4) israel. StAG in Verbindung mit dem RückkG ein Erwerb kraft
Gesetzes ist, der nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs.1
RuStAG führt
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- vgl. im Ergebnis ebenso BGH, Urteile vom 02.02.1994 - XII ZR 148/92 - und vom
28.05.2008 - XII ZR 61/06 - juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.09.1968 - VI
394/68 -, DÖV 1969, 248; Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
Stand 2007, Israel S.39; Silagi, Staatsangehörigkeitsverlust praeter legem in der
bundesdeutschen Rechtspraxis, StAZ 2006, 134, 138; a.A. VG München, Urteil vom
24.09.2001 - M 25 K 99.500 -, juris.
33
Gemäß § 2 a) israel.StAG ist jeder Einwanderer nach dem RückkG israelischer
Staatsangehöriger aufgrund der Rückkehr, es sei denn, er besitzt die israelische
Staatsangehörigkeit schon durch Geburt. Nach § 2 b) (2) israel.StAG erwirbt die
Staatsangehörigkeit aufgrund der Rückkehr, wer in Israel nach der Staatsgründung
einwanderte, und zwar am Tag der Einwanderung. Nach § 2 b) (4) israel.StAG erwirbt,
wer ein Einwanderungszeugnis nach § 3 des RückkG erhalten hat, vom Tage der
34
Erteilung des Zeugnisses ab, die israelische Staatsangehörigkeit. Gemäß § 2 c)
israel.StAG gilt dies nicht für denjenigen ausländischen Staatsangehörigen, der vor oder
bei der Einwanderung bzw. dem Erhalt der Einwanderungsbescheinigung oder
innerhalb einer bestimmten Frist danach erklärt, dass er kein israelischer
Staatsangehöriger sein will. Das RückkG verleiht jedem Juden und seinem Ehepartner
das Recht zur Einwanderung in das Land Israel. Die Einwanderung erfolgt aufgrund
eines Einwanderungsvisums, das demjenigen erteilt wird, der seinen Willen bekundet,
sich in Israel niederzulassen.
Der Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit aufgrund Rückkehr erfolgt nicht auf
Antrag im Sinne des § 25 Abs.1 RuStAG, denn er erfordert keine auf den Eintritt des
Erwerbs gerichtete Erklärung. § 2 a), b) (2) israel. StAG selbst stellt eine solche
tatbestandliche Voraussetzung nicht auf. Ein Rückgriff auf die Beantragung des Visums
für eine - unter Umständen in erheblichem zeitlichen Abstand nachfolgende -
Einwanderung scheidet ebenfalls aus. Dieser Antrag bringt keinen auf den Erwerb der
israelischen Staatsangehörigkeit gerichteten Willen zum Ausdruck. Er bezieht sich
unmittelbar und abschließend auf einen anderen Sachverhalt, nämlich auf die Erlaubnis
zur Einwanderung und den Willen zur Niederlassung. Wer in ein Land einwandern und
sich dort niederlassen will, bringt damit nach allgemeinem Verständnis nicht zum
Ausdruck, die Staatsangehörigkeit dieses Landes erwerben zu wollen, weil eine
Niederlassung bei entsprechender Gestattung gemeinhin auch dem Ausländer möglich
ist. Eine damit womöglich in gewissem Umfang einhergehende "Hinwendung" zu
diesem Staat ist ein derart vages und unsicheres Kriterium, das angesichts des
eindeutigen Wortlauts des § 25 Abs.1 RuStAG und der dem deutschen
Staatsangehörigkeitsrecht eigenen Formenstrenge nicht geeignet ist, die Verlustfolgen
des § 25 RuStAG eintreten zu lassen. Ein Antragserwerb lässt sich auch nicht in der
Erwägung bejahen, die mit der Beantragung des Einwanderungsvisums abgegebene
Willenserklärung habe eine Handlung zum Gegenstand, mit der der Erwerb der fremden
Staatsangehörigkeit zwar nicht unmittelbar bezweckt, aber automatisch verbunden sei
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- ebenso für Fälle des Staatsangehörigkeitserwerbs infolge des Eintritts in den Militär-
oder Staatsdienst, der Übernahme eines Amtes oder der Eheschließung:
Makarov/v.Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 12.Lieferung 1998, § 25
Rdnr. 32; Lichter/Hoffmann, Staatsangehörigkeitsrecht, 3.Auflage 1966, S. 158; Renner,
Ist Papst Benedikt XVI.Deutscher geblieben?, ZAR 2005, 282, 285; Silagi a.a.O. S.140;
a.A. OVG NRW, Beschluss vom 17.12.2007 - 12 A 5053/05 - allerdings für die
Fallgestaltung, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen der begehrten
Handlung und einem dafür erforderlichen Staatsangehörigkeitserwerb evident ist, der
Staatsangehörigkeitserwerb also notwendige Voraussetzung und nicht Folge der
begehrten Handlung ist.
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Eine derartige Handhabung würde jeden Erwerbstatbestand, der vom ausländischen
Recht als ipso-iure-Erwerb ausgestaltet ist und an einen anderen, vom Erwerber
willentlich beeinflussten Lebensbereich anknüpft, den Folgen des § 25 RuStAG
unterwerfen. Dies lässt sich mit dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs.1 RuStAG, der
einen eigenen Antrag, das heißt einen auf den Erwerb der anderen Staatsangehörigkeit
gerichteten, erklärten Willen zwingend verlangt
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- vgl. Renner a.a.O.-
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und der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Zielsetzung nicht
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vereinbaren. Das in § 2 Abs.2 c) israel. StAG eingeräumte Ausschlagungsrecht führt zu
keiner anderen Betrachtungsweise. Die Nichtausübung eines solchen Rechts erfüllt
nicht das Merkmal der in positiver Weise auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit
gerichteten Willensbetätigung und ist mithin kein Antrag im Sinne des § 25 Abs.1
RuStAG
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.06.1999 - 8 A 4522/98 -, juris, Lichter/Hoffmann a.a.O.
S.157.
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Sollen also die Verlustfolgen des § 25 RuStAG nicht bei bloßem Untätigsein eintreten,
kann die Existenz des Ausschlagungsrechts auch nicht herangezogen werden, um dem
Antrag auf Ausstellung eines Einwanderungsvisums einen anderen als den
ausdrücklichen Erklärungsgehalt beizumessen.
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Hat die Klägerin nach dem Vorstehenden selbst dann keinen Antrag im Sinne des § 25
RuStAG gestellt, wenn ein Antrag nach § 2 oder 3 RückkG feststünde, weil in einem
solchen Antrag kein Wille zum Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit zum
Ausdruck kommt, kommt es weiter nicht darauf an, ob ihr die Folgen, die das israelische
Staatsangehörigkeitsrecht an eine Einwanderung knüpft, bekannt waren oder hätten
bekannt sein müssen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
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Die Entscheidung über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren
beruht auf § 162 Abs. 2 VwGO.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs.1 Satz 1, 124 Abs.2 Nr.3 VwGO.
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