Urteil des VG Köln vom 23.04.2009

VG Köln: stichprobe, kleine unternehmen, wirtschaftliche tätigkeit, drucksache, kreis, belastung, entlastung, wechsel, ermessensfehler, daten

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 3379/08
Datum:
23.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 3379/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
- - -
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen seine Heranziehung zu Aus-
künften zur Dienstleistungsstatistik für das Berichtsjahr 2006. Dem ging Folgendes
voraus: Nachdem der Kläger im Jahre 2003 zur Beantwortung einer Registerumfrage für
das vorhergehende Jahr herangezogen worden war, forderte der Beklagte ihn im Jahre
2004 zur Ausfüllung eines Fragebogens im Rahmen der Strukturerhebung im
Dienstleistungsbereich für das Berichtsjahr 2003 auf. Im Rahmen eines Schriftwechsels
vertrat der Kläger die Auffassung, dass er zur unentgeltlichen Auskunftserteilung nicht
verpflichtet sei, insbesondere nicht zur Angabe von Umsatzzahlen, Personaleinsatz und
Personalaufwand. Insoweit sei er gegenüber seinen Mitarbeitern und Mandanten zur
Verschwiegenheit verpflichtet. Das Gesetz sei insgesamt verfassungswidrig. Er leitete
sodann den Erhebungsbogen für das Jahr 2003 nur teilweise ausgefüllt zurück. Der
Beklagte wies den Kläger nochmals auf seine bestehende Auskunftspflicht hin, teilte
ihm aber mit, dass ein Heranziehungsbescheid mangels weiterer Verwertbarkeit der
Auskünfte nicht mehr in Betracht komme. Den Erhebungsbogen für das Jahr 2004
sandte der Kläger unter Hinweis darauf, dass die von ihm verlangte Auskunft einen
Eingriff in seine Berufsfreiheit darstelle, größtenteils ohne Angaben zurück.
2
Mit Bescheid vom 09.12.2005 forderte der Beklagte den Kläger daraufhin zur Erteilung
der Auskünfte für das Jahr 2004 auf. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und
führte nochmals aus, dass er sich nicht für auskunftspflichtig halte. Es sei zudem ein
erheblicher Aufwand für ihn erforderlich, ohne dass eine entsprechende Vergütung
vorgesehen sei. Außerdem befänden sich die benötigten Unterlagen noch beim
Steuerberater, da die Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2004 noch nicht
abgelaufen sei. Nachdem der Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid
vom 17.02.2006 zurückgewiesen worden war, leitete der Kläger dem Beklagten einen
vollständig ausgefüllten Erhebungsbogen für das Jahr 2004 zurück.
3
Nach Übermittlung des Erhebungsbogens für das Jahr 2005 bat der Kläger den
Beklagten, die Auswahlkriterien für die Heranziehung zu einer entsprechenden
Befragung mitzuteilen. Der Beklagte übersandte ihm daraufhin eine Darstellung der
methodischen Grundlagen der Erstellung des Stichprobenplans.
4
Nachdem der Erhebungsbogen seitens des Klägers trotz mehrerer Fristverlängerungen
nicht übersandt worden war, forderte der Beklagte ihn mit Bescheid vom 29.03.2007 zur
Abgabe der entsprechenden Erklärungen auf. Dagegen legte der Kläger Widerspruch
ein und beantragte hilfsweise eine weitere Fristverlängerung. Nachdem der
Widerspruch zurückgewiesen, aber eine entsprechende Fristverlängerung gewährt
worden war, sandte der Kläger den Erhebungsbogen für das Jahr 2005 - allerdings nur
teilweise ausgefüllt - dem Beklagten zu.
5
Nach weiterem Schriftwechsel bezüglich der Auskunft für das Berichtsjahr 2006 forderte
der Beklagte den Kläger mit dem hier streitigen Bescheid vom 15.04.2008 zur Erteilung
der entsprechenden Auskünfte auf dem Erhebungsvordruck auf. Zugleich wurde für den
Fall der Nichterfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 EUR angedroht.
6
Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er werde seit 2003 zu
entsprechenden Auskünften herangezogen, d.h. bislang für die Jahre 2002 bis 2005.
Das Dienstleistungsstatistikgesetz beinhalte keine Ermächtigungsgrundlage für eine
wiederholte Heranziehung zu statistischen Erhebungen auf der Grundlage einer einmal
gezogenen Stichprobe. Selbst wenn man annehme, dass das Gesetz grundsätzlich
auch eine mehrfache Heranziehung zulasse, sei jedenfalls im Rahmen des Ermessens
zu prüfen, inwieweit aufgrund einer einmal gezogenen Stichprobe eine Heranziehung
über mehrere Jahre möglich sei. Eine Heranziehung bereits im 5. Jahr sei jedenfalls
nicht mehr ermessensgerecht. Die vom Beklagten geübte Praxis, auf der Grundlage
einer einmal gezogenen Stichprobe die Aufkunftspflichtigen so lange heranzuziehen,
bis die Stichprobe aus statistischen Gründen nicht mehr verwertbar sei, stehe nicht im
Einklang mit dem Gesetz. Denn dieses gehe von einem Auswahlverfahren aufgrund
eines systematischen Austausches der jeweils Auskunftspflichtigen im Sinne einer
Rotation aus.
7
Der Kläger beantragt,
8
den Bescheid des Beklagten vom 15.4.2008 aufzuheben.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen. Aus der Rechtsprechung zu anderen Statistikgesetzen (etwa
Mikrozensusgesetz oder Gesetz über die Lohnstatistik) könnten keine entsprechenden
11
Schlussfolgerungen in Bezug auf das Dienstleistungsstatistikgesetz gezogen werden,
da Regelungen zur Beschränkung der Belastung der befragten Privathaushalte nicht auf
Wirtschaftsstatistiken übertragbar seien. Die Heranziehung des Klägers über einen
Zeitraum von 4 bzw. 5 Jahren sei auch nicht unverhältnismäßig. Der Großteil der mit der
Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich erfragten Merkmale sei so gewählt, dass
die auskunftspflichtigen Einheiten die Antworten unmittelbar aus einer
ordnungsgemäßen kaufmännischen Buchführung bzw. aus den
Geschäftsaufzeichnungen entnehmen könnten. Dabei würden kleine Unternehmen
durch einen deutlich verkürzten Fragebogen im Vergleich zu großen Unternehmen
entlastet. Was die Frage einer Rotation angehe, lasse sich den
Gesetzgebungsmaterialien entnehmen, dass die Erhebungseinheiten jedenfalls über
einen längeren Zeitraum befragt werden könnten. Im Übrigen stellt er die
Erhebungsmethodik dar.
In der mündlichen Verhandlung haben Vertreter des Statistischen Bundesamtes weitere
Einzelheiten der Durchführung der Dienstleistungsstatistik erläutert. Bzgl. ihrer
Darlegungen wird auf das Protokoll vom 5.2.2009 verwiesen.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann die Kammer ohne erneute
mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15
Die Klage ist unbegründet.
16
Der Bescheid des Beklagten vom 15.04.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
17
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sind die §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 und
Abs. 2 sowie § 5 Abs. 1 des Gesetzes über Statistiken im Dienstleistungsbereich -
Dienstleistungsstatistikgesetz - vom 19.12.2000 (BGBl. I S. 1765) in der Fassung der
Änderung durch Art. 5 des Gesetzes vom 17.03.2008 (BGBl. I S. 399) - DIStatG - .
Danach werden zur Darstellung der Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit im
Dienstleistungsbereich statistische Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die
Statistik umfasst jährliche Erhebungen, die als Stichprobe bei höchstens 15 % aller
Erhebungseinheiten durchgeführt werden. Erhebungseinheiten sind Unternehmen und
Einrichtungen zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit, die in den in § 2 Abs. 1
DIStatG erfassten Dienstleistungsbereichen tätig sind. Auskunftspflichtig sind die
Inhaber oder Leiter der Unternehmen oder Einrichtungen zur Ausübung einer
freiberuflichen Tätigkeit.
18
Der Kläger betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei und fällt unter den persönlichen und
sachlichen Anwendungsbereich der genannten Vorschriften (was von ihm auch nicht in
Frage gestellt wird). Seiner Heranziehung stehen keine sonstigen rechtlichen Bedenken
entgegen, insbesondere ist die erneute Heranziehung des Klägers nicht zu
beanstanden.
19
Hinsichtlich der konkreten Auswahl der Auskunftspflichtigen und hinsichtlich der Frage,
20
wie viele Jahre ein bei einer Stichprobe gezogener Auskunftspflichtiger zur Auskunft
herangezogen werden darf, enthält das Gesetz keine Regelung. Vielmehr steht diese
Entscheidung (abgesehen von der in § 1 Abs. 2 S. 1 DIStatG vorgesehenen
Höchstgrenze von 15 %) im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Diese ist befugt
und gehalten, zur Sicherung einer gleichförmigen Inanspruchnahme allgemeine
Auswahlgrundsätze zu entwickeln. Die getroffene Entscheidung ist darauf hin zu
überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von
dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht worden ist. Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn das Ermessen
überhaupt nicht ausgeübt wurde, wenn in die Entscheidung an Belangen nicht
eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden musste, wenn die
Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den
jeweiligen Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven
Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Ein Ermessensfehler liegt hier
nicht vor.
Der Beklagte hat zu den insoweit maßgeblichen Erwägungen und statistischen
Erfordernissen mit Schriftsatz vom 25.8.2008 und 21.1.2009 vorgetragen:
21
„Die Gewährleistung eines hohen Genauigkeitsgrads der Ergebnisse und die
Durchführung von Verlaufsanalysen, das heißt die Feststellung von Veränderungen
zwischen den einzelnen Erhebungszeiträumen, erfordern die Beibehaltung der
Stichprobe über einen längeren Zeitraum, damit stichprobenbedingte Fehler (z.B.
bedingt durch eine nicht zu 100% repräsentative Auswahl) in einer Ergebnis-Zeitreihe
konstant gehalten werden. So werden objektive Aussagen über die Entwicklung einer
Branche, hier die überwiegend unternehmensnahen Dienstleistungen, die sich sehr
dynamisch entwickeln, möglich. Änderungen in der Stichprobe bedingen, da die
Auswahlgesamtheit nicht konstant verteilt ist, Brüche in der Ergebnis-Zeitreihe, deren
Auswirkungen nicht zu quantifizieren sind.
22
Andererseits verändert sich der ermittelte Kreis von auskunftspflichtigen Einheiten im
Laufe der Zeit z.B. dadurch, dass einmal gezogene auskunftspflichtige Einheiten den
Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit wechseln, ihre wirtschaftliche Tätigkeit
zeitweise oder ganz einstellen, ihren Hauptsitz in ein anderes Bundesland verlegen,
usw. Im Ergebnis verbraucht sich der Kreis der auskunftspflichtigen Einheiten. Die
Anzahl der unechten Antwortausfälle wird größer und die ursprünglich ausgewählten
Einheiten sind nicht mehr repräsentativ für die Gesamtheit und liefern damit keine
belastbaren Ergebnisse mehr. In welchem Zeitraum sich dieser Prozess vollzieht, lässt
sich nur im Nachgang, nicht aber zu Beginn einer Erhebung voraussagen.
23
Bei der Entscheidung über die generelle Dauer der Beibehaltung der Stichprobe ist
auch zu berücksichtigen, dass Anzahl, Größe und Struktur der Einheiten aus den
Wirtschaftsabschnitten I und K in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich
sind und sich im Zeitverlauf sehr unterschiedlich entwickeln. Aus diesem Grund können
auch nicht die Interessen eines einzelnen Unternehmens oder eines Landes über die
Verbrauchtheit einer Stichprobe entscheiden, sondern nur die Gesamtheit aller Länder
im Interesse belastbarer Länder- und Bundesergebnisse. Der Wechsel der Stichprobe
ist weiter abhängig von der Entwicklung der Branche selbst, von äußeren Faktoren, die
z.B. die Klassifikation der Wirtschaftszweige und ihren Nachweis beeinflussen, sowie
vom Grad der Belastung der Auskunftspflichtigen.
24
Stichprobenerhebungen führen zu einer deutlichen Entlastung der auskunftspflichtigen
Einheiten und zu geringeren Kosten bei Erhebung und Aufbereitung der Daten. Die
Ergebnisse von Stichproben sind jedoch grundsätzlich mit stichprobenspezifischen
Fehlern behaftet. Aus fachlicher Sicht ist auf Grund von stichprobenspezifischen Fehlern
bei einer jährlich vollständigen Neuziehung die Vergleichbarkeit der Ergebnisse über
mehrere Jahre nicht in dem Maß gewährleistet, das erforderlich ist, um Entwicklungen
im Zeitverlauf in der erforderlichen Präzision abbilden zu können. Durch die
unterschiedlichen Zufallsfehler der dann von Jahr zu Jahr verschiedenen Stichproben
hätten die Zeitreihen gegenüber der aktuellen Situation einen deutlich abweichenden
Verlauf. Die Stichprobe ist aus statistischen Gründen daher so lange beizubehalten, bis
negative Auswirkungen von Strukturveränderungen auf die Qualität der Ergebnisse (z.B.
durch häufige Änderungen der Schichtzugehörigkeit von Stichprobeneinheiten) eine
komplette Neuziehung gebietet bzw. objektive Sachverhalte eine Beibehaltung der
Stichprobe aus fachlicher Sicht nicht mehr zulassen. Darüber entscheiden die
Fachreferenten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder nach
pflichtgemäßem Ermessen. Es handelt sich bei der Strukturerhebung im
Dienstleistungsbereich zwar um eine Bundesstatistik, da sie aber dezentral durchgeführt
wird, werden auch die Fachreferenten der Statistischen Ämter des Bundes und der
Länder an der Entscheidung über die Beibehaltung bzw. Neuziehung der
Stichprobeneinheiten beteiligt.
25
Eine vollständige Neuauswahl der auskunftspflichtigen Einheiten einer
Stichprobenerhebung wird dann durchgeführt, wenn die Qualität der Ergebnisse bedingt
durch z.B.
26
die Alterung des Berichtskreises oder - durch zahlreiche Landes-, Wirtschaftszweig- und
Größenklassenwechsler zu stark abgesunken ist. Aber auch von Zeit zu Zeit um die -
bisherigen Auskunftspflichtigen zu entlasten bzw.
27
- weil neue gesetzliche Vorgaben, wie z.B. die Verpflichtung von einem bestimmten
Zeitpunkt an der Statistik eine neue Systematik zugrunde zu legen, dies erforderlich
machen. Für die seit dem Berichtsjahr 2000 in Deutschland durchgeführte
Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich wurde für das Berichtsjahr 2000 eine
Stichprobe gezogen (erste Stichprobenziehung). Für die Berichtsjahre 2001 und 2002
blieb der Kreis der mit der Stichprobe im Jahr 2000 gezogenen Unternehmen identisch
und wurde durch jeweils eine Neuzugangsstichprobe für die Berichtsjahre 2001 und
2002 dem aktuellen Unternehmensregisterstand (entspricht dem Stand der
Auswahlgesamtheit) angepasst.
28
Für das Berichtsjahr 2003 wurde eine vollständig neue Stichprobe mit Rotation gegen
die bis einschließlich zum Berichtsjahr 2002 auskunftspflichtigen Einheiten gezogen
(zweite Stichprobenziehung). Für das Berichtsjahr 2003 erfolgte damit das erste Mal
eine vollständige Neuauswahl der auskunftspflichtigen Einheiten. Ausschlaggebend
hierfür war nicht die Verbrauchtheit der Stichprobe, sondern dass mit dem Berichtsjahr
2003 eine neue Wirtschaftszweigklassifikation gültig wurde, die im
Dienstleistungsbereich Zuordnungen der Erhebungseinheiten zu den einzelnen
erfassten Wirtschaftszweigen umfassend veränderte.
29
Die gleiche Situation wird sich im Jahr 2008 wiederholen, denn ab dem Berichtsjahr
2008 wird eine grundsätzlich überarbeitete Wirtschaftszweigklassifikation europaweit
eingesetzt. Damit ändert sich für die Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich die
30
Zuordnung der Unternehmen zu den erfassten Wirtschaftsbereichen und es werden im
Rahmen der Strukturerhebung neue, bisher nicht erfasste Wirtschaftsbereiche
auskunftspflichtig. Andere Erfassungseinheiten fallen aus dem Berichtskreis heraus.
Aus diesem Grund wird für das Berichtsjahr 2008 eine vollständig neue Stichprobe
gezogen. Der Kreis der Auskunftspflichtigen der Stichprobenziehung des Jahres 2003
und der in den Folgejahren durch Neuzugangsstichproben ermittelten Einheiten bleibt
bis zum Berichtsjahr 2007 im Rahmen der Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich
auskunftspflichtig."
„Dem Dienstleistungsbereich „Rechtsberatung" gehört zwar eine große Zahl von
Auskunftspflichtigen an; ein Austausch ist dennoch nicht vorzeitig möglich. ... In stark
besetzten Schichten mit niedrigem Auswahlsatz - wie der des Klägers - kann eine
vollständige Rotation schon bei einem Korrelationskoeffizienten von 0,75 (für die
Korrelation zwischen Zähler- und Nennermerkmal) zu einer Verdopplung der relativen
Standardfehler führen. Um diese Erhöhung auszugleichen bzw. um Schätzungen zur
wirtschaftlichen Entwicklung mit der erforderlichen Zuverlässigkeit abgeben zu können,
müsste der Stichprobenumfang in einer solchen Schicht auf das etwa Vierfache
angehoben werden. Eine Aufstockung des Auswahlsatzes hätte aber neben höheren
Kosten für die Statistik insbesondere eine deutlich höhere Belastung der
Auskunftspflichtigen zur Folge.
31
So wird der Berichtskreis der Auskunftspflichtigen bis zur Ziehung einer grundsätzlich
neuen Stichprobe konstant gehalten, in den Berichtsjahren (nach einer neuen
Stichprobe) jeweils durch ausscheidende Unternehmen korrigiert und durch eine
Neuzugangsstichprobe ergänzt (gezogen aus den aktuellen Neuzugängen im
Unternehmensregister).
32
Zu Beginn einer Stichprobe werden Rotationspläne aufgestellt. Zwar kann ein derartiger
Rotationsplan nicht in Form einer schriftlichen Unterlage vorgelegt werden, jedoch
besteht seit langer Zeit der Konsens zwischen dem Statistischen Bundesamt und den
statistischen Ämtern der Länder, die Neuauswahl einer Stichprobe mit einer möglichst
vollständigen Rotation gegen die auskunftspflichtigen Einheiten der vorausgegangenen
Stichprobe zu verbinden, mitunter zusätzlich auch mit einer Rotation gegen die
Stichprobe einer weiteren Stichprobenerhebung, durch die neu ausgewählte
Unternehmen bereits belastet sein könnten. Diese Selbstverständlichkeit eigens in
einem ,Rotationsplan festzuhalten, war nicht erforderlich. Es genügte, sie in den
Vorgaben für die Programmierung der Stichprobenziehung dem Programmierer
verbindlich vorzuschreiben.
33
Wie dargelegt macht eine grundsätzlich überarbeitete Wirtschaftszweigklassifikation die
Ziehung einer vollständig neuen Stichprobe für das Berichtsjahr 2008 zwingend
erforderlich. Ein Wechsel der Stichprobe bereits für die Berichtsjahre 2006 oder 2007
verbot sich damit. Eine bundesweite Neuziehung einer Stichprobe hätte zum einen in
erheblichem Umfang Kosten verursacht. Zum anderen hätten bei einem verbleibenden
Zeitraum von einem oder zwei Jahren -wie dargestellt- stichprobenbedingte Fehler
verlässliche statistische Ergebnisse in Frage gestellt."
34
Des Weiteren hat ein Vertreter des Statistischen Bundesamtes in der mündlichen
Verhandlung ebenfalls dargelegt, dass es bei Einführung der Dienstleistungsstatistik
keine fundierten Erfahrungen hinsichtlich der Frage gegeben habe, nach welchem
Zeitraum allein aus statistischen Gründen eine Stichprobe verbraucht sei. Im Laufe der
35
Jahre habe sich herausgestellt, dass eine sehr große Dynamik im Bereich der
Dienstleistungsstatistik zu verzeichnen sei, was zu der Einschätzung geführt habe, dass
in diesem Bereich Stichproben aus rein statistischen Gründen wohl maximal fünf Jahre
brauchbar seien, vielleicht sogar nur für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.
Aufgrund dieser Erwägungen und Gegebenheiten ist die Entscheidung nicht fehlerhaft,
bei Ziehung der Stichprobe noch keinen konkreten Zeitpunkt für eine Rotation der
Auskunftspflichtigen zu bestimmen und diese aufgrund der gezogenen Stichprobe
heranzuziehen, bis für das Berichtsjahr 2008 eine Neuziehung erfolgt.
36
Soweit das OVG NRW eine gegenteilige Auffassung vertritt,
37
vgl. Beschluss vom 29.08.2008 - 8 B 959/08 - (JURIS),
38
vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
39
Das OVG NRW stellt in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Gesetzesbegründung
ab (BT-Drucksache 14/4049 S. 14). Diese geht von einem systematischen Austausch
der jeweils Auskunftspflichtigen aus, bietet jedoch keine Anhaltspunkte, wann bzw.
unter welchen Voraussetzungen eine Rotation nach Meinung des Gesetzgebers
stattzufinden hat. Der Aspekt, dass dort davon ausgegangen wird, dass in Abhängigkeit
von der Größe des Auswahlsatzes einer bestimmten Stichprobenschicht nur eine
partielle Rotation der Stichprobeneinheiten in Frage kommen kann, deutet aus Sicht der
Kammer schon darauf hin, dass statistische Notwendigkeiten nicht hinter das
Erfordernis der Rotation zurücktreten sollen. Insoweit erscheint auch bedeutsam, dass
dieser Gesichtspunkt in der Gesetzesbegründung zu § 5 des Handelsstatistikgesetzes,
welches von seiner Struktur her in Bezug auf die hier relevanten Aspekte dem
Dienstleistungsstatistikgesetz entspricht (es unterscheidet sich im Wesentlichen nur
dadurch, dass der Umfang der Stichproben nicht prozentual, sondern durch absolute
Zahlen festgelegt wird), viel stärker betont wird. Dort wird ausgeführt,
40
„Das Auswahlverfahren sieht einen systematischen Austausch der jeweils
Auskunftspflichtigen in größeren Zeitabständen vor, soweit dies stichprobenmethodisch
vertretbar ist (Unterstreichung durch die Kammer). ... Darüber hinaus gibt es aber auch
eine Schicht, in der Unternehmen mit den höchsten Umsätzen der jeweiligen Branche
vertreten sind. Für diese Unternehmen ist eine Rotation ausgeschlossen."
41
vgl. BT-Drucksache 14/5813 S. 11.
42
Dies lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber nicht die Vorstellung hatte, dass zur
Entlastung der Pflichtigen nach einem bestimmten Zeitraum in jedem Fall eine Rotation
stattfinden müsse, und zwar auch dann, wenn dies aus statistisch- mathematischer Sicht
nicht vertretbar ist. Zwar hat die Bundesregierung später im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Vereinfachung und Anpassung statistischer
Rechtsvorschriften den Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, eine Regelung
aufzunehmen, wonach die statistischen Ämter bei der Entscheidung über die Häufigkeit
der Stichprobenziehung Effizienz und Qualität der Statistik berücksichtigen,
43
vgl. BT-Drucksache 16/7248 S. 20.
44
Jedoch ist die Ablehnung allein aus rechtssystematischen Gründen erfolgt, weil ein
45
allgemeines Problem nicht in zwei Spezialgesetzes geregelt werden könne,
vgl. BT-Drucksache 16/7248 S. 22,
46
was zutreffend ist, weil anderenfalls in Bezug auf die anderen - nicht ergänzten -
Statistikgesetze falsche Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.
47
Des Weiteren vermag die Kammer nicht der Annahme des OVG NRW zu folgen, schon
bei der Ziehung einer Stichprobe müsse eine zeitlichen Grenze für die
Inanspruchnahme der Pflichtigen festgelegt werden, weil dem keine Hindernisse
entgegenstünden. Vielmehr folgt aus den Darlegungen des Beklagten und des
Statistischen Bundesamtes im vorliegenden Verfahren, dass eine fachlich vertretbare
Festlegung in diesem Sinne nicht möglich war. Zudem zeigen die Entwicklungen, die
sich seit dem Jahre 2000 in Bezug auf die fragliche Statistik ergeben haben, dass auch
ohne Festlegung von Rotationszeiträumen grundsätzlich damit gerechnet werden kann,
dass sich die Notwendigkeit zur Ziehung einer neuen Stichprobe ergibt, wobei dann
auch dem Anliegen einer Rotation Rechnung getragen werden kann. So ist aufgrund
einer grundsätzlich überarbeiteten Wirtschaftszweigklassifikation die Ziehung einer
vollständig neuen Stichprobe für das Berichtsjahr 2008 zwingend erforderlich geworden.
Eine entsprechende Notwendigkeit ergab sich auch schon für das Berichtsjahr 2003.
Des Weiteren hat sich in der Zwischenzeit herausgestellt, dass vom Verbrauch der
Stichprobe nach maximal fünf Jahren ausgegangen werden muss.
48
Andererseits könnte eine frühzeitige verbindliche Festlegung eines
Rotationszeitpunktes dazu führen, dass eine dann neu zu ziehende Stichprobe nur noch
für ein oder zwei Jahre genutzt werden könnte, falls sich für einen etwas späteren
Zeitpunkt die Notwendigkeit einer Neuziehung etwa wegen einer neuen
Wirtschaftszweigklassifikation ergeben sollte. Diesbezüglich hat der Beklagte hier
darauf hingewiesen, ein Wechsel der Stichprobe bereits für das Berichtsjahr 2006 oder
2007 habe sich verboten. Eine bundesweite Neuziehung einer Stichprobe hätte zum
einen erhebliche Kosten verursacht. Zum anderen hätten bei einem verbleibenden
Zeitraum von einem oder zwei Jahren stichprobenbedingte Fehler verlässliche
statistische Ergebnisse in Frage gestellt, da die Qualität der Ergebnisse schon durch
den hohen Antwortausfall negativ beeinflusst werde. Die Kammer geht davon aus, dass
dem Anliegen einer Entlastung der Auskunftspflichtigen auch nach der Vorstellung des
Gesetzgebers kein so hohes Gewicht zukommen soll, dass dafür ein statistisch nicht
oder nur sehr bedingt aussagekräftiges Ergebnis in Kauf genommen wird, zumal eine
derartige gesetzliche Festlegung nicht getroffen wurde.
49
Hielte man die Entscheidung des Beklagten bzw. die diesem zurechenbare
Entscheidung des Statistischen Bundesamtes, nicht von vornherein einen
Rotationszeitpunkt festzulegen, für ermessensfehlerhaft, wäre zudem die Frage zu
klären, ob aufgrund dieses Ermessensfehlers jede Heranziehung eines Pflichtigen als
fehlerhaft zu beurteilen wäre, also im Prinzip schon die erste Heranziehung.
50
Auf der anderen Seite stellt sich die Auskunftspflicht des Klägers nicht deshalb als
unverhältnismäßig dar, weil ihn die vierte Heranziehung in Folge unzumutbar belasten
würde. Insoweit ist zum einen davon auszugehen, dass die Ausfüllung des hier in Rede
stehenden Erhebungsbogens keinen allzu hohen zeitlichen Aufwand erfordert.
Diesbezüglich erscheint die Einschätzung des VG Neustadt (Weinstraße),
51
vgl. Beschluss vom 18.07.2005 - 4 L 959/05. NW - (JURIS),
52
durchaus realistisch, dass nur ein durchschnittlicher Zeitbedarf von ca. einer Stunde
zugrunde zu legen sei, da die verlangten Daten regelmäßig den normalen
Geschäftsaufzeichnungen zu entnehmen seien. Berücksichtigt man zum anderen,
welche Dauer einer Heranziehung zu einer gewerblichen Statistik bislang als zumutbar
angesehen worden ist,
53
vgl. etwa VGH Bad.Württ., Beschluss vom 5.11.2007 1 S 1082/06-: Heranziehung zur
Handelsstatistik in einem zeitlichen Rahmen von sieben bis zehn Jahren zumutbar;
Beschluss der Kammer vom 24.07.1991 - 20 L 1034/91 -, bestätigt durch Beschluss des
OVG NRW vom 08.04.1992 - 4 B 2648/91 -: Heranziehung zur Statistik im
produzierenden Gewerbe über 25 Jahre zumutbar,
54
wird der Kläger hier durch die vierte Heranziehung zur Dienstleistungsstatistik in Folge
noch nicht in unverhältnismäßiger Weise belastet.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO,
708 Nr. 11, 711 ZPO.
57
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124 a Abs. 1 Satz 1,
124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
58